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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950111016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895011101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895011101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-01
- Tag 1895-01-11
-
Monat
1895-01
-
Jahr
1895
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Labeillarischrr u»d Mvinftch »ach höherem Loris. Extra-Beilage» (gefalzt), »ar ml» dm Morgen-AuSg«de, ohne Poftbeförderuag >4 60.—» mit Postbrsordermeg 7V.—. A»»gtz«eschl«ß für Aqei-»: Abend-AuSgab«: vormittags 10 Uhr. Margeu-LeSgabe: Nachmittags 4 llhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei de» Filialen u»d »nuahmestrlle, je «1« halbe Stunde früher. Anteile» sind stet« Mt die EldedMa» z» richte». Druck »ad Verlag vo» E. P olz t» SetDgtg ^?19. Freitag den N. Januar 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Die Beerdigung unseres verstorbenen Collegen, des ordentlichen Professors der philosophischen Facultät, Herrn vr. ptiii. Wilhelm Arndt findet Sonntag, den IS. dss. Mts. Vormittags 1VV- Uhr vom Trauerhansc, Plagwiher Straße 49, aus statt. Für diejenigen Herren Collegen, welche an derselben theilnehmen werden, stehen Wagen von 10*/« Uhr ab vor dem Augusteum bereit. Leipzig, am 10. Januar 1895. Der Reetor der Universität vr. k. ^leellsiA. Bekanntmachung, -1e Anmeldung der Petroleum-. Benzin- und Gas-Motoren betreffend. Nach der von uns mit Bekanntmachung vom 27. September v. I. zur öffentlichen Kenntniß gebrachten Ministerial-Verordnung vom 11. September 1894 sollte bis znm ZI. Teccmber v. I. die Anmeldung aller bei Erlaß vorgedachler Verordnung bereits im Betriebe befindlichen Motoren obenbezeichnetcr Art erfolgen. Da aber zu vermuthen ist, daß dieser Bestimmung nicht allent halben nachgegangen worden, so fordern wir alle Eigenthümer von dergl. Motoren hiermit erneut auf, die bisher unterlassene An meldung ihrer Petroleum-, Benzin- oder Gas-Motorcn nun- mehr bis längstens zum 28. Februar d. I. beim Baupolizei-Amte (Reichsstraße 1, II.) noch zu bewirken. Jeder Fall der Unterlassung wird mit Geld bis zu 20 ^!, bez. entsprechender Haft bestraft werden. Leipzig, am 7. Januar 1895. „ Der Rath der Stadt Leipzig. 17. - vr. Georgt. Busch. Bekanntmachung. Die dem hiesigen Bürger und Kaufmann Herrn Äulins Eduard Böbeim ertheiite Concession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Aus wanderern nach überseeischen Häfen und zur Abschließung hieraus bezüglicher Verträge.im Aufträge der obrigkeitlich zugelassenen Püsfäfflri-Exffedientcm Herben Liidermg ckr 'Eo. iu Bremen und Morris Ae Co. in Hamburg ist infolge freiwilligen Verzichtes des genannten Herrn Böheim erloschen. Leipzig, am 8. Januar 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. VI. 44. vr. Georgi. Kasselt. Gesucht wird der am 23. März 1864 in Frohburg geborene Tischler Ernst Louis Dobercnz, welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, am 8. Januar 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. Armenamt, Abth. II. 4.L.IV./Abth.II.78. Hentschel. Tchm. Vutzholz-Äuction. Dienstag, den 15. Aannar d. Js., sollen von Vor mittags 9'/, Uhr an im Bnrganer Forstreviere auf dem Mittclwaldschlage im sogenannten Pohlcnz, dicht am Hunde- waffer der Lützschenaer Grenze und der Flnthrinne in Abth. 3: 295 Eichen-Klötze von 18—108 em Mittenstärke u. 2—12 w Länge 5 Buchen- - - 18—29 - - » 4—6 32 Eschen- - - 17—33 . - - 3—9 48 Rüster- - - 18-46 - M - 3—12 > 18 Linden- - - 25—70 - - 2'/,—8 i Matzholder-Klotz von 21 - B » 5m 1 Ellcrn- - - 24 - B - 10 - 1 Pappel- - - 63 - . 8 - 140 Stück Eschen- und Rüstern-Schirrhölzer. unter den im Termine aushängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung an Ort und Stelle meistbietend verkauft werden. Zusammenkunft: auf dem obengenannten Schlage. Leipzig, am 4. Januar 1895. Des Raths Forstdcputation. Die städtische Sparkasse beleiht Werthpaptere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 10. Januar 1894. Die Spareaffen-Deptttatton. Bekanntmachung. Erledigt ist der unterm 13 Oktober 1887 und 9. März 1888 erlassene Steckbrief gegen den Unbekannten, welcher sich Schlosser August Weber aus Mariaweimar, ein anderes Mal Monteur Earl Richter genannt hat. Güttingen, den 5. Januar 1895. Der Erste Staatsanwalt. Dennhard. Die Verfassung -es russischen Reiches. i. I,. AuS Anlaß des jüngsten Thronwechsels in Rußland ist in der Presse vielfach davon die Rede gewesen, der neue Zar würde seinem Volke endlich die von den gebildeten und vor wärts strebenden Schichten desselben schon so lange ersehnte Verfassung gewähren. Nikolaus II. würde, wenn diese An kündigung in Erfüllung ginge, gewissermaßen ein Bermächtniß seine- Großvater« Alexander II. übernehmen. Dieser hatte, wie nachträglich bekannt geworden ist, wenige Stunden vor seinem gewaltsamen Ende dem Grafen LoriS Melikow die Ermächtigung zur Einberufung einer Notabelnversamm- lung ertheilt, welche über eine Verfassung für das un geheuere Reich beratben sollte. Sein Sohn Alexander III. ließ unter dem Einfluß der Herren PobjedonoSzew und Katkow den Verfassungsplan fallen und erklärte vielmehr die Festhaltung de« uneingeschränkten zarischen Absolutismus als Programm seiner Regierung. Ohne die Bomben der Sophie PerowSkaja und ihrer Genoffen würde Rußland vielleicht schon jetzt zu den sogenannten VerfaffungSstaaten gehören. Ob der gegenwärtige Selbstherrscher aller Reußen thatsächlich di« ihm unmittelbar nach seiner Thronbesteigung zugrschrirven« «ml.« b°b»I- , B..«,bu»g und N. Uung L„° ,°Ud-.->sch-. ° ifti-. Absicht hegt, muß einstweilen dahingestellt bleiben. ES ist m den Blättern davon schon wieder ziemlich still geworden, man redet augenblicklich nur noch von der angeblich beabsichtigten Einberufung einer Notabelnversammlung, welche über die Bedürfnisse des Landes gehört werden sollte. Wenn von der Gewährung einer Verfassung für Rußland die Rede ist, so meint man natürlich eine solche im Sinne des sogenannten Constitutionalismus oder Parlamentarismus Daran allerdings, daß jemals ein Zar freiwillig eine Con stitution nach dem Muster der englischen gewähren und die thatsächliche Herrschaft an ein Parlament und ein lediglich von diesem abhängiges Cabinet abtreten könnte, denkt natür lich kein ernsthafter Mensch. Selbst ein Constitutionalismus von der Art des preußischen, bei welchem Gesetzgebung und Staatshaushalt von der Zustimmung der Volksvertretung abhängig sind, der Monarch aber im klebrigen wirklicher Herrscher bleibt, ist in Rußland, wenn nicht ganz besondere Verhältnisse eintreten, Wohl noch für geraume Zeit ausgeschlossen. Das Höchste, was an konstitutionellen Zu geständnissen einstweilen denkbar erscheint, würde vermuthiich die Einrichtung einer aus beschränktem Wahlrecht hervor gehenden Volksvertretung zur beratbenden Mitwirkung bei der Gesetzgebung und bei der Ausschreibung der Steuern sein; ein Budgetrecht, welches der Volksvertretung die Aus übung eines Zwanges euf vie Negierung ermögliche* würde, dürfte jedenfalls mcht zugestanden werden. Rathschläge in diesem Sinne hatte Kaiser Wilhelm I. seinem Neffen Alexander II ertheilt, wie aus einer vor einigen' Monaten erschienenen russischen Schrift über das Verfassungsproject des Grafen Loris Melikow hervorgeht. Ist hiernach eine russische Verfassung im gewöhnlichen Sinne des Wortes bis auf Weiteres als Zukunftsmusik zu betrachten, so läßt eS der jüngste Thronwechsel doch an gezeigt erscheinen, einmal die gegenwärtigen Institutionen des russischen Reiches etwas näher zu betrachten, um für die etwa von dem neuen Regiment zu erwartenden Maß nahmen eine Grundlage zu ihrem Verständniß zu ge Winnen. Das große europäische Publicum hat ja von der Organisation dieses Reiches zumeist nur eine recht unbestimmte Vorstellung. Man weiß, daß der Zar unumschränkte Herrschergewalt besitzt, muß sich aber bei geringem Nachdenken sagen, daß er dieselbe bei der riesigen Größe des Landes nur mittelst einer geregelten Maschinerie von Behörden und Einrichtungen ausüben kann, daß also das Reich eine Verfassunaim weiteren Sinne des Wortes schon heute besitzen muß. Wenn man dann gelegentlich in Zeitungs berichten ausRußland einen Reichsrath und einen Senat erwähnt sieht und von Angriffen der Regierung Alexander'« III. auf die iiberalen Institutionen Alexander'S II. liest, könnte man sogar auf die Meinung kommen, als ob das russische Reich doch schon irgend etwas dem Parlamentarismus Verwandtes haben müsse, eine Meinung, die allerdings sehr falsch wäre. Ge wöhnlich aber zerbricht man sich hierüber wohl nicht allzu sehr den Kopf, da sich das Interesse des deutschen Zcitungs- lesers an russischen Dingen in der Regel ans die Fragen beschränkt, ob und wann wir mit Rußland Krieg haben werden, und wie sich unsere Handelsbeziehungen zu dem Nachbarreich, namentlich in Bezug auf Getreideeinfuhr und Rubelcour«, gestalten, allenfalls noch, ob wieder einmal ein nibilistischeS Attentat begangen worden ist, und wie die nach Sibirien Verbannten behandelt werden. Immerhin dürfte der gegenwärtige Zeitpunkt unter den angegebenen Umständen eine kurze Darstellung der gegenwärtigen Verfassung des russischen Reiche- vielleicht Manchem erwünscht kommen lassen. Einziger Motor der russischen Staatsmaschine ist der Zar. Sein Wille ist allein und unbedingt entscheidend, die von ihm und seinen Vorgängern erlassenen Gesetze und Ver ordnungen kann er jederzeit aufheben oder abändern, ohne dabei an die Zustimmung irgend eine- anderen Factor« ge bunden zu sein. Zur Berathung und Redigirung der Ge- setze sowie zur Prüfung des Budgets und der Rechenschafts berichte der Minister ist der ReichSrath eingesetzt. Derselbe geht aber nicht etwa aus irgend welchen Wahlen hervor, sondern wird durch kaiserliche Ernennung aus den höchsten Würdenträgern und Beamten de« Reiche« gebildet und hat nur berathende Stimme. Seine Vorschläge und Gutachten sind für den Zaren in keiner Weise bindend; derselbe ge nehmigt, verwirft oder ändert die Entwürfe des ReichSrathS ganz nach seinem Belieben. Thatsächlich ist der Einfluß de« ReichSrathS sogar noch geringer, als die ihm bei seiner Ein setzung zugewiesenen Functionen annehmen lassen. Zur Vor- berathung wichtiger und einschneidender Gesetze und Reformen werden regelmäßig Specialcommissionrn gebildet, deren Ent würfe dem ReichSrathe nur der Form halber unterbreitet werden. Der neben dem ReichSrathe stehende dirigirende Senat ist in der Hauptsache CaffationShof und Oberverwal tungsgericht. Ein Staatsministerium in westeuropäischem Sinne ist in Rußland nicht vorhanden. Allerdings giebt eS zehn Minister, welche sich zusammen mit mehreren anderen ihnen aleichstehenden Beamten, vor Allem dem Procureur de« Heiligen Synod, der obersten Staatsbehörde für die kirch lichen Angelegenheiten, in der Regel wöchentlich ai« Minister- damit aber nicht gegeben, em „om Haren nicht. Den Vorsitz im MinistercomitS fuhrt ein U ^ eigens damit betrauter Beamter, der ^ . 2j„isters Minister ist aeicbweiae die Stellung eines Premiermlnmcrv blitzt Jed'e?Minist?r verkehrt unabhäng von den anderen mit dem Kaiser, um dessen Zustimmung .zu den von chm^ planten Maßregeln einzuholen, so daß ^ lhm vorbereiteten Erlasse °ft-rst gle.chze.t.g ^ zur Kenntniß bekommen. AlS Folg- df se« V-rsahr^ns w.e der Vorbereitung der wichtigeren ^setze durch p ^ Commissionen wird ein großer Mangel Folgerichtigkeit in Verwaltung und Gesetzgebung beklag > Die Minister haben gewöhnlich zur Unterstützung und Stell Vertretung sogenannte Gehilfen, welche etwa unseren Unter- staatSsecretairen entsprechen unv zumeist schließlich die Nach °^Die^russisthe Staatsverwaltung ist eine im höchsten Grade centralistische. In den unbedeutendsten ebenso wie m den wichtigsten Dingen ist es die Centralgewalt, die zu be fehlen, zu verbieten, zu gestatten hat. D,e Genehmigung seiten- der Minister, d.e Bestätigung durch ?-n ReichSrath. die Unterschrift des Kaisers sind bei.ber g-rrngslen Kleinig keit erforderlich. Infolge hiervon ist das burcaukratische Beamten- und Schreiberthum in Rußland in -wer Weise entwickelt, wie in keinem andern Staate Europa«. SaiiimO liche Beamte sind zusammen mit den Ofstcieren de« Heeres in' der zwölf Stufen umfassenden Rangordnung des T,chin streng hierarchisch gegliedert. Innerhalb Vieser äwolf Stusen erfolgt bei Civil wie Militair das Aufrücken durchschnittlich von drei zu drei Jahren. Dabei wirb daS Anciennetats- princip äußerst mechanisch durchgeführt. Man legt hierüber einem jungen Russen folgende bezeichnende Aeußerung in den Mund: „Mein Onkel, der General, hatte emen Schlagansall, und man machte ihn zum Senator, er verlor das Augenlicht, und man machte ihn zum ReichSrath, es fehlt nur noch ein neues Leiden, und er wird als Minister sterben. Als Folgen des die persönliche Tüchtigkeit ganz unberücksichtigt lassenden Systems des Tschin werden dem russischen Beamtenthum all gemein Unwissenheit, Faulheit und Schlendrian nachgejagt, für seine auf allen Rangstufen herrschende Bestechlichkeit hat der Russe das Sprichwort: „Soll Dich ein Tschinownik ver- stehen, so sprich Rubels »> Für die Provinz,akverwaltung »st Rußland und Polen in einige sechzig Gouvernements getheilt. Es sind dies nicht geschichtlich erwachsene Gebiete, sondern künstlich geschaffene Verwaltungsbezirke. Ihre Größe ist nach Be- völkerungsdichtigkeit und sonstigen Verhältnissen sehr ver schieden. An der Spitze des Gouvernements steht der Gouverneur (Gubernator) mit besonderen Regierungscollegien (ComitSs) für die verschiedenen Zweige ver Verwaltung. Die Gouvernements zerfallen in Kreise, welche mehr als jene historisch entstandene Gebilde sind, der Kreis wird vom Land rath (Isprawnik) verwaltet. Gouvernements und Kreise 'sind einerseits Bezirke zum Zweck der Staatsverwaltung, andererseits aber auch Ge bilde communaler Art, denen zum Theil seit Alexander II. eine Selbstverwaltung durch gewählte Beamte und Körper schaften zugestanden ist; die polnischen Gouvernements jedoch sowie auch Littauen, Weißrußland, Podolien, Wolhynien und Kiew besitzen diese Selbstverwaltung bis jetzt nicht. In den Gouvernements wie in den Kreisen werden zur Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten derselben Versammlungen, die Semstwos, gewählt, in welchen alle Stände vertreten sind. Die Wahlen zu den Kreis-Semstwos erfolgen theilS direct, nament lich seitens der Großgrundbesitzer, theils indirect durch Wahlmänner oder Delegirte der Gemeindekörperschaften; die Gouvernements-Semstwos setzten sich aus Delegirten der Kreis-Semstwos zusammen, ähnlich den preußischen Provin ziallandtagen. Wie die preußischen Provinzial- und Kreis vertretungen haben auch die russischen Semstwos zur Wahr nehmung der laufenden Geschäfte ständige Ausschüsse. Ent sprechend dem Charakter Rußlands als Ackerbaustaat hat der grundbefitzende Adel in den Semstwos das Ueberacwicht; den Vorsitz in denselben führen die Adelsmarschälle, die Vorstände der besonderen Standesvertretungen des Abels. Die den Semstwos und ihren Ausschüssen zugewiesenen Befugnisse entsprechen so ziemlich denen der preußischen Selbstverwaltungskörperschaftel,, sie stehen aber größtentheils nur auf dem Papier, weil die Competenz der Semstwos von derjenigen der staatlichen Behörden nicht scharf abgegrcnzt ist, so daß den Uebergriffen und Eingriffen des Tschinöwnik- thumS Thür und Thor geöffnet ,st Dagegen hat es sich der Staat nicht nehmen lassen, den Semstwos einen nickt unbedeutenden Theil der Lasten für eigentlich staatliche Zwecke aufzubürden, so die Kosten einer Mobilifirung, der Unterhaltung der Casernen, ja der Ausrüstung eines Theils der Armee. Auch die Sorge für die Volksschule, soweit von einer solchen ,n Rußland überhaupt die Rede ist, liegt größtentheils den Semstwos ob. Die Verhandlungen der Semstwo« sind öffentlich, aber Berichte über sie dürfen nur mit Genehmigung de« Gouverneurs gedruckt werden, der auch alle ihre Beschlüsse beanstanden kann. Politische Rechte haben d,e SemstwoS nicht, nicht einmal vaS Petitionsrecht, welches in Rußland überhaupt nur den Adelsversammlungen zusteht Die Semstwos können nur in rein localen Angelegenheiten drrrch Vermittelung des Gouverneur- an die Reqieruna Gesuche richten, welche aber nur in seltenen Fällen aevrüst und noch seltener beachtet werden. ^ ^ ' *> 3" L-l-r Beziehung soll j.dt, wie wir dieser Tage mittheilt.n Abhilfe geschaffen werden. D. Red. d. ..Lpj. Tgbl." Deutschs Reich. ungrsrieri voruvrrgehen lasten werde, hat in den ?eru!lü .?'« lebhafteste Befriedigung hervor- Schmerzlich berührte eS am 26. Januar, als Kaiser Fürst einander d,e Hände ,ur Versöhnung reichten, daß unbeflaggt blieb, während viele Privathäuser reichen Flaggrnschmuck angelegt hatten. Seitdem ist Manche« geschehen, um den Fürsten Bismarck und die Berliner einander näher zu bringen. Fürst Bismarck brachte ein Hoch auf die Stadt Berlin aus; auf seiner letzten Durchfahrt von FriedrichSruh nach Varzin im Spätsommer vorigen Jahres auf dem Stettiner Bahnhof erklärte er mit weithin ver nehmlicher Stimme: „Ich habe mich immer als Berliner gefühlt; eS gab eine Zeit, da kannte ich Berlin so genau, daß ich hatte Droschkenkutscher werden können.' Aus seiner damaligen humorvollen Rede klang eine so warme Liebe zu Berlin heraus, daß die Berliner sich sagen mußten, Fürst Bismarck habe längst den Groll vergessen, den er einst wegen angeblich zu hoher Steuereinschätzung gegen Berlin gehegt. Den radicalen Fortschrittlern gegenüber wirtz mau darauf Hinweisen, daß die Feier in erster Linie nicht dem Poli tiker, sondern dem achtzigjährigen Ehrenbürger gelte. Und wenn die Ul tra montanen in Köln auf diesen Stand punkt sich stellen, so werden die Berliner Freisinnigen hinter diesem Vorbilde nicht Zurückbleiben wollen. Im Magistrat dürfte man sich wahrscheinlich darüber schlüssig machen, dem Fürsten Bismarck durch eine nach Friedrichsruh zu ent sendende Deputation eine Adresse zu überreichen. * Berlin, 10. Januar. Unter der Wucht des ruhmvollen Krieges von 1870/71 sind die Feldzüge von 1866, nament lich der in Westdeutschland, beinahe iu Vergessenheit ge- ralhen. Und doch gehören die strategischen Verhältnisse jenes Krieges auf beiden Seiten gerade zu den lehrreichstes der neueren Kriegsgeschichte. Die in seinem Verlause gestellten taktischen Aufgaben umfassen wohl alle, die an d,e Truppen» sührung überhaupt herantreten können. Selbst bei der heutigen vervolUommnelen Bewaffnung ist eine wesentlich andere Lösung derselben nicht möglich. Wie nun der „Allg. Ztg." mitgetheilt wird, hat der als Militairschriststeller wohlbekannte Hauptmann Fritz Hornig die Entscherdungskämpfe an der fränkischen Saale, die bekanntlich bei Hammelburg, Kissingrn, Winkels, Friedrichshall, Hausen und Walbaschach geschlaaen wurden, zum Gegenstände der Forschung gewählt. Hornig hat die wichtigsten Stellen des Kriegsschauplatzes wiederholt und ein gehend besichtigt, ihm waren Aufzeichnungen und Briefschaften von Zeitgenossen anvertraut, welche 186« wichtige Stellungen inne hatten; vor allem war ihm die Einsicht verstattet in die wichtigen, bisher noch ungehobenen Schätze der bayerischen Kriegsacten. Sv gelangt er bei strengster Objektivität in der Beurthrilung von Personen und Thatsachen zu über raschend reichen Ergebnissen. Er deckt die Mißver ständnisse und Unklarheiten, die in der Literatur verbreitet sind, auf, giebt für die entscheidenden Entschlüsse der Armte- führer, insbesondere des Feldmarschalls Prinzen Karl, Er klärungen und findet den eigentlichen Schlüssel für daS Ver ständlich der Operationen auf beiden Seiten in dem über wiegenden Einflüsse der Politik auf die Kriegführung. Durch die Wechselwirkung von Politik und Strategie er scheinen die Anordnungen der Bayern in manchen Fallen besser gerechtfertigt, als man bisher annahm. Den Preußen kommt' jedesmal die überlegene Tactik zu gute. — Hoenig's Werk wird demnächst im Verlage der Mittler'schen Buch handlung erscheinen. * Berlin. 10. Januar. DaS Stöcker'sche „Volk" schreibt: „Der Böcket sche „Reichsherold" bringt unter der Ueberschrift „Ein hochwichtige« Ereigniß" nachstehende Bestätigung einer von uns vor Kurzem gebrachten Nachricht: „Die Ver schmelzung der drei in Berlin bestehenden Parteiblätter „Frei - Deutschland", „Bundschuh" und „ReichS- Herold" ist von einer aus Bertretern aller Vereine Berlins bestehenden Commission beschlossen worden. An Stelle der drei Blätter soll ein Tageblatt treten, das der Partei ge hören und unterstehen soll. Dieses Tageblatt soll das ein zige Blatt der Partei für ganz Norvdeutschland werden und in der als Parteidruckerei zu erwerbenden „Deutschen Druckerei" erscheinen. Die ReichstaaSabgeordneten Ahl- wardt, Professor vr. Förster und Dr. Bocket sollen an dir Spitze des Tageblattes, Herr v. Mosch als Redakteur in dasselbe eintreten. Das neue Tageblatt ist von allen Richtungen in Berlin als gemeinsames Organ anerkannt und wird auch von allen Vereinen in ver Provinz begrüßt. Das Unternehmen, das ohne Concurrenz dasteht, muß ge deihen." Ohne Concurrenz — ja, waS meint denn die „StaatSbüraerztg." dazu, die doch bisher auch als antisemitisches Parteiblatt galt'? Das Blatt soll am 1. März erscheinen. Bis dahin soll das erforderliche Capital von 200 000 von einer eigens zu diesem Zwecke eingesetzten Finanzcommission aufgebracht worden. Arme Finanzcom mission!" V. Berlin, 10. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser fuhr gestern Abend vom Neuen Palais nach Potsdam und nahm daselbst an dem Mittagsessen des Ossiciercorps des Leib-Garde-Husaren-RegimentS Theil. Nach der Tafel ver blieb er noch einige Zeit im Kreise der Officiere und kehrte dann nach dem Neuen Palais zurück. Heute Vormittag hörte er von 9 Uhr ab den Vortrag des KriegSminister- und arbeitete dann mit dem Chef des Militair-Cabinets. Nach mittags gedachte daS Kaiserpaar mit den kaiserlichen Kindern nach Berlin zu fahren, um für die Wintermonat« im Königlichen Schlosse Wohnung zu nehmen. — Die Kaiserin Friedrich fühlt sich seit einigen Tagen unpäßlich und hat ihr Palais nicht verlassen dürfen. — Die Winterfestlich- keiten am kaiserlichen Hofe sind nunmehr wie folat fest gesetzt^ Donnerstag, den 17. Januar: Fest des hohen Ordens vom Schwarzen Adler; Sonntag, den 20. Januar: Krönungs- und Ordensfest; Mittwoch, den 23. Ianvar: Große Cour; Sonntag, den 27. Januar: Geburtstag des Kaisers; Mitt woch, den 30. Januar: Ball im königlichen Schlöffe; Mitt woch, den 6. Februar: Kleiner Ball im königlichen Schlöffe; Mittwoch, den 13. Februar: Subscriptionsball; Mittwoch, den 20. Februar: noch nicht näher bestimmt; DieuStag, den 26. Februar: FastnachtS-Ball im königlichen Schlöffe. V. Berlin. 10. Januar. (Telegramm.) Der russische Botschafter Gras Echuwalow hat sich heute früh, begleitet von dem BotschastSsecretair v. Kn erring, nach AriedrtchS- ruh begeben, um dem Fürste» BtS«arck einen Abschieds besuch abzustatten. Berlin, io. Januar. (Telegramm.) Zu Ehren deS Botschafter- Schuwalo» findet mopaen beim Officiex- corpS deS Alexander-Regiments ein AbschiedS-Diner stat^ welchem auch der Kaiser beiwohnt.
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