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Ertra-Beilage« (gesalzt», nnr mit der Morgen-AnSgabe. ohne Postbesvrdern»- ^ll 60.—» mit Postbesorderung ^4 70.—. Ilu«ahmeschiuk siir ^ttzei-r,: Abend-All-gabr: Vormittag» 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh V,S Uhr. DA den Filiale, und Annahmestellen je ein« hnlde Stunde früher. «u,eige« sind stet» an die «rtzedtti,» z» richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig ^ M. Mittwoch dm 20. März 1895. 89. IchMllK Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. März. Der Reichstag, der die zweite Beratbung der Etatsposten für Colunialjwccke vorgestern begann nnd gestern fortsetzte, hat an diesen beiden Tagen wieder einmal bewiesen, baß die neue Fraktion der Reichssau len nachgerade alle anderen Fraktionen überflügelt hat. Aber vielleicht kann man diesmal auch dieser unerfreulichen Thatsache mangelnden Interesses und Pflichtgefühls eine günstige Seite abgewinnen mit der Annahme, daß im Reichstage der Principienstreit um die Eolonien vorüber ist und es sich jetzt um die positive Arbeit auf sicher gewonnenem Boden handelt. Das zieht natürlich nicht in dem früheren Maße die öffentliche Aufmerksamkeit an, sondern lediglich die Fachleute und die kleine Zahl der von keiner Fachkenntniß bedrückten principiellen Gegner unsrer Eolonialpolitik. Auf welcher Höbe der Auffassung diese Herren stehen, geht am deutlichsten aus der Rede des socialdemokratischen Abg. v. Vollmar hervor, die in der Behauptung gipfelte, daß wir Deutschen nicht nöthig hätten, nach Afrika zu gehen, wen» wir Euttur- aufgaben lösen und „das physische und moralische Elend, Unbildung und Knechtung ausrotten" wollten. Auch seien unsere Reichsfinanzen so zerrüttet und unser Bolk sei so mit Steuern geplagt, daß wir uns heute am wenigsten den Luxus überseeischer Abenteuer gestatten sollten. So wie Herr v. Vellmar die Worte gesetzt hat, schließen sie jeden Zweifel auS: es soll nach seiner Meinung nur uns Deutschen, da wir vor der eigenen Thür genug zu kehren hätten, versagt sein, an den Culturaufgaben in uncivilisirten Gegenden über See theil- zunehmen. Anderen Culturvölkern will er den Weg dorthin nicht verwehren. Diese Behandlung nationalerFragen durch die internationale Socialdeniokratie und ihre Beifallsspender im Reichstage ist zu charakteristisch, als daß sie nicht fest gestellt werden sollte. Wir Deutsche belasten die Productions tosten, bezw. den Unternehmergewinn mit reichlich 25 -E jährlich auf den Kopf jedes gewerblichen und landwirthschaft- lichen Arbeiters, damit Wohlfahrtszwecke erfüllt werden, wie kein Culturstaat der Well sie erfüllt. Wir begnügen uns (in Reich und Einzelstaat zusammen) mit einer Steuerlast von etwa 20 auf den Kopf der Bevölkerung, während z. B. Frankreich daS Doppelte braucht, um nur seine Schulde» zu verzinsen. Wir schränken den Antheil deS Reiches an der Eolonialpolitik derart ein, daß er die Reichscasse mit etwa 60 auf den Kopf der Bevölkerung belastet! Das alles könnte den Wortführern der internationalen Socialdemokratie „den Umständen nach" bekannt sein; und dennoch diese ver giftende Art, mit der sie gerade den deutschen Nationalstaat in Erschließung neuer Wirthschaftsgebiete und Schaffung neuer Werthe hemmen will! Das preußische Abgeorönetciihaus wird am Sonnabend über den Antrag beschließen, den Präsidenten zu beauftragen, „dem Fürsten Bismarck anläßlich seines bevorstehenden Geburtstages die Glückwünsche des Hauses der Abge ordneten darzubringen". Der Antrag hat 292 Unterschriften; da die Mitgtiederzahl des Hanfes 433 beträgt, hat er die große Mehrheit. Ueber den voraussichtlichen Verlauf der Verhandlung haben die Antragsteller das Erforderliche ver einbart. Von der freisinnigen Vereinigung wird keine Gegen demonstration besorgt, wobt aber vom Eentrum, der frei sinnigen Volkspartei und den Polen. In diesem Falle wird seitens der drei Parteien keine weitere Gegenrede erfolgen, als eine von einem der Antragsteller im Namen der übrigen abzugebende Erklärung, worauf dann sofort abgeslimml wird. Beobachten die gegnerischen Parteien Zurückhaltung, so wird auch seitens der Antragsteller nicht gesprochen und einfach ohne Debatte abgestimmt werden. Das ist etwas zaghaft, aber, wie sich nicht leugnen läßt, den Umständen angemessen. Ob man sich im Reichstage auch nur so weit ermannt, ist noch fraglich. Bis jetzt weiß man nur, daß der Seniorenconvent demnächst wieder zusammen- tritt, nachdem der Präsident ossiciell benachrichtigt worden ist, daß das Eentrum seine Betheitigung an der Absendung eines Glückwunsches an den Fürsten ablebnt. Nach der „Kreuz zeitung" ist ferner anzunehmen, daß auch das Plenum nach der etwaigen Einbringung eines schleunigen Antrags über die Bismarckseier zu entscheiden haben werde. Inzwischen muntern sich die Berliner Organe der Socialdeniokratie, des Eenlrums und der freisinnigen VolkSparlei gegenseitig zu Protesten gegen eine ungestörte Ehrenbezeugung auf, und bei den beiden letzt genannten Parteien ist eine Anfenerung auch nöthig, denn die Parteigenossen im Lande sind dem Vorhaben, die Er wähnung des Reichsbegründers zum Vorwand eines Scandals zu machen, nichts weniger als günstig gesinnt. Für daS Eentrum ist noch ein recht fataler Nebenumstand hinzugetreten. Dem gloriosen Beschluß der Berliner Stadtverord neten, die in dieser Angelegenheit immer und unvermeidlich neben dem Reichstag genannt werden, ist bekanntlich ein weiterer, die Bismarckfeier betreffender communaler „Ent schluß" gefolgt. Die Stadt Berlin hatte dem Bismarck- Ausschuß zu seinem großen Eommers den Festsaal des Ber liner Rathhauses unter der Bedingung zur Verfügung ge stellt, daß die Festredner nichts Mißliebiges über die Stadt Berlin und — die Juden äußerten. Ueber die Stadt Berlin — nun diese Bedingung ist erklärlich, wenn auch zugleich taktlos. Berlin hat nun einmal durch den Beschluß seiner Vertreter Stellung zur und gegen die Bismarckfeier genommen und das war Jedermann bekannt. Aber die Juden ? Wie kommt der Magistrat von Berlin dazu, von den Rednern an Bismarck's Geburtstag etwas für die Juden zu befürchten? Dafür giebt es nur eine Erklärung: der Magistrat glaubt, daß die Juden an dem Beschluß der Stadtverordneten und an der Bekämpfung der Absicht, Biömarck überhaupt zu ehren, verbältnißmäßig stark betheiligt seien. Die schon gestern von uns citirte „Frankfurter Zeitung" scheint dasselbe zu glauben. Sie wird an grimmigem Haffe gegen Bismarck von keinem anderen Blatte übertrosfen. und wenn sie jetzt dem Fürsten wegen seines AntheilS an der Begründung des Reiches den Anspruch auf einige Dankesworte znerkennt, so hat daran die bisher noch niemals sichtbar gewordene Liebe des Frankfurter Blattes zum Reiche schwerlich einen größeren Antheil als die Kennt- niß jener Vorgänge, welche jene sonderbare Bedingung des Berliner Magistrats veranlaßt haben. Der „Franks. Ztg.", die klüger ist, als ihre Berliner Gesinnungsverwandten, ist es augenscheinlich nicht entgangen, daß die Verhinderung der Ehrung BiSmarck's nicht zur Milderung einer VolkssNmmung beitragen werde, die ihr unbequem ist. Und dem Centrum kann das Bekanntwerden der Berliner Bedingung, daS einer Enthüllung der Beweggründe seiner volksparteilichen (und eines Theils der socialdemokratischen) Bundesgenossen in dem Wioerstreben gegen einen Feieracl im Reichstage gleichkommt, gleichfalls nicht angenehm sein. Der Generalrath der belgischen Arbeiterpartei scheint mit seiner Drohung, aus Anlaß der Verwerfung des allge meinen Stimmrechts einen allgemeinen Ausstand hervor zurufen, Ernst zu machen. Er hat bereits an sämmtliche Arbeitervereine des Königreichs die Aufforderung ergehen lassen, sich über den Zeitpunkt der allgemeinen Arbeits einstellung zu verständigen, und die Mauern der Hauptstadt sind voll von socialistischen Aufrufen, worin in den heftigsten Ausdrücken zu einer förmlichen Revolution aufgereizt wird. Wenn man sich nun auch in Belgien an diese mit fast jedem Frühjahr wiederkebrenden Arbeiterbewegungen gewöhnt hat, so ist die Regierung doch entschlossen, diesmal dem wüsten, ketzerischen Treiben der socialistischen Parteiführer mit besonderer Entschie denheit eulgegenzutreten. Es kann unmöglich geduldet werden, daß der Generalrath der Arbeiterpartei, so oft ihm ein Gesetz mißfällt, einfach den allgemeinen AuSstand beschließt und einen wenn auch nur beschränkten Stillstand im wirthschastlichen Leben Belgiens Hervorrust. Das gegenwärtige Unternehmen der Socialistenpartei muß zu so kläglichem Scheitern gebracht werden, daß sie für die Zukunft auf dieses Drohmittel end- giltig verzichtet. Ein Sieg der Arbeiterpartei dagegen wäre gleichbedeutend mit einem förmlichen revolutionairen Zustand, der die Aufmerksamkeit von ganz Europa auf Belgien lenken müßte. Die Regierung beeilt sich denn auch, die noth- wendigen Vorsichtsmaßregeln bei Zeiten zu treffen und wenn nicht alle Zeichen trügen, so wird die sociatdemokratische Partei diesmal mehr Widerstand finden, als vor 2 Jahren, da sie das allgemeine Stimmrecht für die Kammerwahlcn erzwang. Unter allen Umständen gehen wir sehr ernsten Ereignissen in Belgien entgegen ; das geht auch wieder aus folgenden, uns heute vorliegenden Meldungen hervor: * Brüssel, 19. März. Mehrere Blätter sprechen die Ansicht aus, daß am 1. April im Becken von Charleroi rin allgemeiner Streik der Glasarbeiter ausbrechen werde. Die Regierung hat sich mit den Localbehörden in Verbindung gesetzt, um für diesen Fall die nöthigen Vorkehrungen zu treffen. — Heute brach in der Fabrik von Simonis in Verviers ein Streik der Weber aus. Die Zahl der Streikenden belänft sich ans 350, die Ruhe wurde nicht gestört. * Brüssel, 19. März. Auf Anweisung des Ministeriums haben die Bezirkscommissarien bei allen Bürgermeistern angefragt, ob bei dem Ausbruche eines Ausstnndes oder bei Unruhen, die etwa in Folge der Angliederung des Congostaates oder nach Annahme des Wahlgesetzes ausbrechen könnten, die Regierung auf die Bürger- gar de rechnen könne. Zwischen Portugal nnd Brasilien sind laut Meldungen aus Lissabon die diplomatischen Beziehungen wieder hergestellt. Ihr Abbruch erfolgte seinerzeit bekanntlich, weil im Augenblick der Niederwerfung des Flottenaufstandes von Rio de Janeiro der Führer der Bewegung, Admiral Saldanha da Gama, mit einer größeren Zahl von Officieren und Mann schaften an Bord zweier portugiesischer Kreuzer Aufnahme suchte und fand. Die Regierung zu Lissabon hatte den Auf ständischen dieses Asyl unter der Voraussetzung gewährt, daß dieselben erst auf portugiesischem Gebiet ans Land gesetzt und damit verhindert werden sollten, über kurz oder lang den Kampf gegen die bestehende Ordnung der Dinge in Brasilien wieder aufzunehmen. Bekanntlich gelang es Saldanha da Gama und den Seinigen jedoch, an der Küste von Argentinien und Uruguay die portugiesischen Schiffe zu verlassen und das Festland zu erreichen, wo er sofort zu neuen revo lutionairen Unternehmungen sich anschickte. Bor einiger Zeit soll er mit einigen Tausend Mann in den Staat Rio Grande do Sul in Südbrasilien wieder eingedrungcn sein. In Rio de Janeiro selbst scheinen die Verhältnisse übrigens nicht gerade vertrauenerweckend zu sein, denn einem Kabeltelegramm zufolge ist es dieser Tage in der dortigen Militairakademie, in der die Officiersaspiranten herangebildet werden, zu einer Meuterei gekommen, die zwar von den sofort herbeigerufenen Truppen unterdrückt werden konnte, immerhin aber beweist, daß die junge Generation im Heere mit dem jetzigen „bürger lichen" Regiment des Präsidenten Prudente Motaes wenig zufrieden ist, vielmehr die Wiederkehr jener Militairherrscbast herbeiwünscht, die unter nothdürftiger Beobachtung gewisser cottstitutioneller Formen von den letzten beiden Staatsober häuptern, den Marschallen Deodoro da Fonseca und Florianv Peixoto, geübt worden war. Deutsches Reich. ^ ^ Berlin, 19. März. In Eschwege-Witzenhausen- Schmalkalden ist gestern in der Stichwahl zwischen Antisemiten und Socialdemokraten die Niederlage des Letzteren besiegelt worden. Bei aller Abneigung gegen die politische Persönlichkeit des in Frage stehenden antisemitischen Eanbidaten, des vielgenannten Herrn Jskraut aus Gohfeld, waren sich die bürgerlichen Parteien in Stadt und Land doch bewußt, daß unter allen Umständen der Socialdemokrat als das größere Uebel energisch zu bekämpfen sei. Besonders bemerkt mag werden, daß derselbe von den 3500 frei sinnigen Stimmen nicht einmal ein volles Tausend zu sich binüberziehen konnte. Hingegen bat Herr Jskraut außer den 3800 eigenen und 3200 mittelparteilichen Stimmen noch rund weitere 3000 Stimmen erhalten, woraus zu ersehen ist, daß die übrigen 2500 freisinnigen Wähler nicht etwa zu Hause geblieben, sondern mit für den Gegner der Social demokratie eingetreten sind. * Berlin, 19. März. Herrn Rittergutsbesitzers Grittncr schon kurz erwähnter „Gesetzentwurf über daS Reichs- monopol der Einfuhr von GetreidenahrungS- mitteln für Menschen" lautet in seinen wichtigste» Bestimmungen: „8. 1. Der Ankauf'von Getreide, Mühlensabrikaten, Hülsen» fruchten, welche zur Ernährung von Menschen dienen könne», ist, soweit diese Waaren vom Auslande zugeführt werde», alleiniges Geschäft des deutschen Reiches. Mit der Wahrnehmung desselben wird ein besonderes Reichsnionopolamt betraut; dasselbe hat alle Maßregeln zn veranlassen, welche zur Ausführung dieses Gesetzes nöthig sind. tz.4. Die zur Ausnahme des Staatsgetreides nöthigen Magazine können nach bereits bestehenden Vorschriften, soweit das praktisch möglich ist, gemiethet, sonst aber an den Bahnhöfen neu gebaut werden. Zu letzterem Zweck wird ein Staatscredit von 100 Millionen Mark bewilligt. Tie Silos werden entsprechend der Einwohnerzahl vergrößert; Städte unter 15 000 Einwohnern er halten nur dann Silos, wenn die Gebäude dazu bereits vorhanden sind. 8. 8. Die Bezahlung der Jmportwaare, sowie deren Fracht von der Grenze bis znm Staatssilo erfolgt nicht in baarem Reichs- gelde, sondern in Silocassen scheinen (können auch anders heißen). Die Anfertigung und Ausgabe dieser Scheine, die öffentliche Zahlkräst haben und bei allen Staatskassen als B a a rg e l d in Zahlung genommen und gegeben werde», erfolgt durch em besonderes Stloschatzamt. Diese Cassenscheine finden ihre natürliche Deckung in dem Werthe der durch sie bezahlten vorhan denen Getreldcmenge; ihr Werth ist in 5, 20, 50, 10O./il zn be ziffern, kleinere Beträge werden durch Baargeld ausgeglichen. 8. 11. Die Kosten des Ankaufs, der Fracht und der Aufbewahrung stellen den gemeinen Werth des Getreides dar. Zu Zeiten par tieller Nothständc können aus Beschluß der betreffenden Land tage Silobestände gegen Erstattung dieses Werthcs weggegeben werde». 8. 12. Im Urbrigen sind Silobestände erst auf den öffentlichen Markt zu bringen, wenn die höchste amtliche Notiz des Ortes gleich ist dem 40jährigen Durchschnittspreise der letzte» Zeit. Tie Generaldirectio» des Monopols ist berechtigt, aber nicht ver pflichtet, über diese Preise hinaus; u gehen, wenn das im Interesse des Reiches liegt. 8. 13. Sobald sich die Silobestände durch Verkauf verringern, sind von den Silocassenscheincn, welcke inzwischen bei den Reichscassen eingingen, entsprechende Werthmenacn durch die Direktion anzukaufen und dem Siloschatzarnte zur Ver wahrung zurückzuaeben. Der Ankauf dieser Scheine wird aus dein Erlöse der verkauften Bestände bestritten. Sollten aus öffentliche» Staatskassen nicht so viel Siloscheine erhältlich sein, so müßten für den verkauften Bestand Reichsbanknoten deponirt werden. 8.14. Wenn Gefahr vorhanden ist, daß eine allgemein gesährliä, Theuerung entstehen und der unlauteren Specnlation des freien Handels Vorschub leisten könnte, ist das Siloschatzamr verpflichtet, für die verkauften Bestände nur Reichsbanknoten zu FerriHetsir. Ein Lecher Lethe. 28j Roman von R. Teilet. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Das Bild, das sich meinen Augen bot, war folgendes: An einer Seite des Mitteltisches — per Tbür nahe — stand Ethelren, offenbar im Zustande schmerzlichster Erregung. Ihr Haar war verwirrt, ihr Gesicht mit heißer Röthe bedeckt, ihr Busen wogte heftig. Selbst in diesem Moment konnte ich den Gedanken nicht unterdrücken, wie schön sie sei, und wie vortrefflich ihr selbst diese unwillige Stimmung stand. An der anderen Seite des Tisches — mir bei meinem Eintritte am nächsten — stand ein Mann, der mir anfangs den Rücken zugekehrt hatte. In der dunkelsten Ecke des Zimmers stand, vornüvergebeugt und den unteren Theil des Gesichtes mit der Hand bedeckend, noch ein anderer Mann, den ich für den Moment nicht erkannte. Bei dem Geräusch, das unser Eintritt verursachte, schrie Ethelren leise auf und sank dann in ihren Stuhl zurück. Der Mann, der uns den Rücken zugekehrt batte, wandte sich um und ich erkannte in ibm Congers. Der Andere in der Ecke nahm seine Hand vom Kinn, woraus ich in ihm Vulpian erkannte. Jetzt war ich allerdings froh, daß ich auf Baur gehört hatte und gleich nach Grenzstadt gereist war. Wie gewöhnlich in Augenblicken höchster Spannung, sprach auch hier Keiner ein Wort. Ein tiefes, schweres, nieder trückendes Schweigen herrschte im Zimmer. Aber nur einen Moment lang. Dann erholten wir vier Männer uns alle fast gleichzeitig von unserer Ueberraschung und bereiteten uns sür den Streit vor» den ich für unvermeidlich hielt. Ethelren illein schien noch wie betäubt dazusitzen. Eongers war der Erste, der sprach. Indem er es that, warf er mir einen giftigen Blick zu. Hatte ich vorher noch au seiner Identität gczwcifelt, jetzt konnte ich es nicht mehr. Es wahr derselbe Blick, den ich auf dem Bilde gemalt hatte. Aber dieser Blick verschwand rascd wieder und die Augen lider senkten sich wie sonst, — der Mann hatte eine wunder bare Selbstbeherrschung und seine Stimme war sanft und weich als er jetzt sagte: , „DaS ist ein unerwartetes Vergnügen, Mr. Lindley. Wann sind Sie augekommen?" „Ich möchte die Frage an Sie richten", antwortete ich kurz, „was Sie hier thun?" Er lächelte. „Eine seltsame Frage von Ihnen an mich. E- ist nicht gebräuchlich, einen Mann zn fragen, was er in seinem eigenen Hause tbnt." „Dies HauS ist nicht, das Ihre!" sagte ich. „Dych, doch. Ich will ganz offen zu Ihnen sprechen. Diese Dame, die Sie als Miß Stuart kannten, ist meine Frau." Ethelren hatte sich jetzt ein wenig erholt und lauschte mit glühenden Wangen und gesenktem Kopfe unserem Gespräche. „Miß Stuart", sagte ich, „ist das wahr? Um Gottes Barmherzigkeit willen, strafen Sie ihn Lügen. Ich werde dann wissen, was ich zu thun habe." „Sie sehen wohl", erwiderte Darvill spöttisch, „daß sie nicht im Stande ist, mich Lügen zu strafen." Er schien recht zu haben, denn Ethelren erwiderte keine Silbe. Sie schaute nicht einmal aus. Es machte auf mich den Eindruck, als überwältigte sie das Bewußtsein, an diesen Mann verheirathet zu sein, vor Scham. Wieder flehte ich sie an, zu sprechen, und setzte hinzu: „Ich glaubte, Sie hätten Ihre ganze Vergangenheit ver gessen. Wie können Sie sich dann dieser einen Thatsache erinnern?" Da versuchte Ethelren zu mir aufzublicken — es war ein flehender angstvoller Blick, mit dein sie mich anschaute. „Seit dieser — dieser — Herr hier ist", stammelte sie, „erinnere ich mich an Manches. Ich habe ihn Jahre lang ge kannt und sein bloßer Anblick schien mir die Vergangenheit zurückzubringen." „Aber waö ich eben gesagt habe", rief ich, „ist nicht — kann nicht wahr sein!" Sie schwieg einen Moment und schlug die Augen nieder. Ich sah, daß sie auf einen auf dem Tische befindlichen Geaen- stand hinblickten. Gerade offen vor ihr lag die Park Lane Gazette — jenes Gesellschaftöivurnal, das meinen Charakter vor Kurzem so sehr angeschwarzt batte. „Ob es wahr ist oder nicht", sagte Ethelren endlich, „ich sehe nicht ein, welcher Unterschied das für Sie, Mr. Lindley, sein kann." „Ich ebensowenig", lachte Darvill triumphirend. „Ich möchte wissen, Mr. Lindley. mit welchem Rechte Sie sich zwischen Mann und Frau drängen?" „Es ist absolut kein Grund dazu vorhanden", sagte Mr. Vulpian, der sich bisher nicht an der Unterhaltung betheiligt hatte. Die Situation war in der That peinlich für mich. Wenn Ethelren meine Hülse beansprucht hätte, würde ich alle Klug heit nnd Vorsicht bei Seite gesetzt haben, aber eS schien mir beinahe, als ob sie sich meine Einmischung verbitte. Ein schrecklicher Verdacht stieg in mir auf. War es möglich, daß sie mich die ganze Zeit hintergangen hatte? Daß sie wirklich dieses Mannes Frau war und eS wußte, nie ihr Gedächtniß verloren hatte? Vaux kam mir in seiner kühlen, cynischen Art zu Hülfe. „Darf ich fragen", sagte er, „mit wem wir eigentlich die Ehre haben, zu sprechen?" „Mein Name ist Darvill." „Nun, das ist sonderbar. Ich kann bezeugen, daß Sie sich bei unS Mr. CongerS nannten." „Gewiß. Ich reise oft iocoguito, wenn ich mir Bilder an sehe. Auf diese Art bekomme ich sie wohlfeiler zu kaufen." „Da- kann ich kaum glauben. Der Name (Darvill ist unter Künstlern durchaus nicht als der eines Macens oder Millionairs bekannt." „Davon ist augenblicklich ^nicht die Rede", sagte Darvill hochlnüthig. „Ich glaube doch beinahe, Sie hüllen sich in Dunkel. Nun giebt eS aber ein Ding, daS die Polizei deS Eontinents nicht liebt, und da- ist daS Dunkel. Es macht sie immer argwöhnisch. Es thäte mir wirklich leid, ihre Aufmerksamkeit auf Mr. Eongers, alias Mr. Darvill, zu lenken. Aber wenn Sie unS nicht ein wenig mehr Vertrauen schenken, bin ich wirklich gezwungen, cS zu thun." Ich bewunderte Vaux's Geistesgegenwart, aber ich zweifelte trotzdeut daran, daß diese HülfSquelle sich als wirksam er weisen würde. Wieder trat ein ängstliches Schweigen ein. Darvill blickte nach Mr. Vulpian hin, bis dieser sich entschloß, dem stummen Augknappell nachzugeben und zu sprechen. „Ohne daß ich Mr. Lindley und seinem Freunde auch nur im Entferntesten daS Recht zugebe, Fragen an Sir zu richten", sagte er, „habe ich, als Ihr RechtSberather, nicht- dagegen einzuwenden, wenn Sie ihre Neugierde befriedigen wollen, vorausgesetzt natürlich, daß die Dame nicht- dagegen hat. Ihre Beziehungen sind nach dem Gesetze unantastbar." Ethelren sprach kein Wort, da- Zustimmung oder Ab lehnung auSgedrückt hätte. Vielleicht war e» ihr ganz recht, daß ich die Geschichte erfuhr. „Schön", sagte Darvill. „Die Sache verhält sich also folgendermaßen: Ich habe Miß Stuart Jahre lang gekannt und mich mit ihr vor zwei Jahren in Schottland, in Gegen wart von Zeugen, rechtskräftig verheirathet." „Ich war selber Zeuge", sagte Mr. Vulpian. „Anfangs hielten wir unsere Ehe geheim, weil wir nicht Wußten, ob Miß Stuart's Tante sie billigen würde. ' Leider faßte Miß Stuart zur Zeit, als ihre Tante starb, ein Vor- urtbeil gegen mich und zog es vor, anstatt mit mir zu leben, im AuSlande umherzureise», wo sie nach mehrfachem Wechsel ihres Aufenthaltes schließlich in Grenzstadt ankam" Abermals bat ich Ethelren, mir zu sagen, ob all das wabr sei. Anfangs wollte sie nicht antworten, dann aber raffte sie sich zusammen und sagte mit Anstrengung: „Ich glaube, so verhält es sich. Mein Gedächtniß ist noch verwirrt, aber Mr. Darvill hat mich an manches erinnert, wovon ich fest glaube, daß es wahr ist." „ES ist Alles wahr", sagte Mr. Vulpian. „Ich kann es bezeugen." „Aber ob eS wahr ist oder nicht", fuhr Ethelren fort, ob Mr. Darvill mein Gatte ist oder nicht — er weiß, daß ich ihn nie alS solchen betrachtet habe und ihn nie als solchen betrachten werde. Wir haben stets getrennt gelebt und werden es auch ferner thun." „DaS Gesetz hat auch ein Wort dabei zu reden", sagte Mr. Vulpian. „Es giebt ein ganz besondere« Gesetz, es heißt: DaS eheliche Recht." „Still, Still!" bemerkte Darvill sehr sanft. „Sprechen wir nicht davon! Nichts liegt mir ferner atS Gewalt. Ick hin ganz sicher, daß das eigene richtige Gefühl meiner Frau schließlich Alles zum gewünschten Resultate bringen wird." Ehe Ethelren nicht auS ihrer Lethargie aufgrrüttelt wurde, schien eS ganz unmöglich, irgend etwas zu thun. Augenblick lich war Darvill Herr der Situation und ich vollständig macht los. Der Mann hatte seine Karten gut gespielt — daS konnte ich, so sehr ich ihn haßte, nicht leugnen. Sein Be nehmen war im Augenblicke höchst tactvoll — sanft und ehr erbietig gegen Ethelren — höflich und artig gegen uns. Mir blieb nur noch Eines zu sagen übrig, nnd dies Eine agte ich, nicht etwa weil ich große Hoffnungen daran knüpfte, ondern weil ich eine Möglichkeit ersah, dadurch Ethelren gegen Darvill aufzubringrn. „Ich halte e- für meine Pflicht", sprach ich, »Ihnen, Miß Stuart, mitzutbeilen» daß Mr. Darvill nach seiner Ver- heirathung mit Ihnen Miß Fraser geheirathet hat."