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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.05.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950501018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895050101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895050101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-05
- Tag 1895-05-01
-
Monat
1895-05
-
Jahr
1895
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I. WM M LchM ÄgM M WM Nr. A4, MMch, 1. M M. fMM-AUllbe.f Reichstag. ßß Berlin, 30. April. Nach einer Reihe geschäftlicher Mittheilungen, unter denen lediglich die von Interesse ist, daß der Nachtragsetat über die Kosten für die Eröffnung deS Nord-Ostsee-CanalS dem Reichstage zugegangen, und nach über die Frage, ob Berufsbürgermetster oder nicht, sehr ver schiedener Ansicht sein und sie ohne Leidenschaft prüfen. Abg. vr. Lieber (Centr.): Der Abg. Wintern hat den Reichstag keineswegs zu einer Coutrole darüber ausgesordert, ob das betreffende Gesetz der Prüfung deS Staatsrathes Vorgelegen hat, er hat nur gesagt, daß der Reichstag, wenn er zur Mitwirkung an einem Reichsgesetze für Elsaß-Lothringen berufen wird, das Recht hat, zu dem einige Rechnunasvorlagen debatttloS passtrt waren, wurde prüfen, ob das Landcsgesetz. welches an die Stelle des aus- daS Gesetz für Elsaß-Lothringen, welche« daS letzt geltende Gesetz! zuhebenden Reichsgesetzes treten soll, genügend vorbereitet und über die Ernennung der reichsläudischen Bürgermeister aufbeben ' " "" "— ^ ° - —- -—- - soll, zur Berathung gestellt. Während jetzt die Bürgermeister durch die Regierung ernannt werden, soll fortan, aus Grund einer neu einzuführenden Gemeindeordnung, den Communen da« Recht ihre Bürgermeister zu wählen wieder verlieben werden, während der Regierung lediglich das Recht der Be der Prüfung des Staatsrathes unterworfen worden ist. Man kann ja über die Bedeutung einer begutachtenden Körperschaft, auch wenn sie den hohen Namen eines Staatsrathes führt, ver schiedener Meinung sein; aber wenn einmal in Elsaß-Lothringen das Einkammersystem eingesührt worden ist und der Reichstag feiner Zeit den StaatSrath als Mittelglied zwischen LandeSauSschus; und Regierung eingeführt hat, mutz er dem Staatsrath doch einigen statigung Vorbehalten bleibt. Diese« Entgegenkommen der I h^elegt haben. In diesem Sinne kann ich mich den Aus- Regierung konnte nicht wohl bestritten werden, aber der I führungen des Abg. Winterer nur anjchließen und fragen, warum Protestler Winterer war weit entfernt, dafür Dank I hat man den Staatsrath bei der Prüfung des Gesetzes, welches so zu sagen. Er erklärte zwar, für die Vorlage zu stimmen,»tief in die Gemcindeverhältnisse einschneidet, wie die Gemeinde- aber unter Protest — dafür ist er eben „Protestler". Daß! ordnung, nicht gefragt? der Gesetzentwurf die Zustimmung der parlamentarischen!. Staalssecretair vou Puttkamer: Ich bestreite Niemaiidem im Vertretung der Reichslande, de« Landesausschusses, gefunden, I Hcmse das Recht, diese Frage au uns zu stellen. Ich kann daraus sprechen wollte, wurde verboten. WaS nun den in Aussicht gestellten »schweren Kerker« wegen einfachen und schweren Diebstahls ver- Antrag, noch nachträglich die Begutachtung des Staatsraths ein-! urtheilt. Nach Verhüllung ihrer Strafen bis zum Januar dieses zuholen betrifft, so können wir uns von demselben nichts ver-! brz. December vorigen Jahres wurden sie in das Untersuchungs- spreche», denn so lange wir den >etzigen LandesauSschuß haben,! gesängniß zu Leipzig eiugeliesert, weil sie mehrerer EinbruchSdiebslählc wird die Sache doch nicht anders. Wenn wir trotzdem für den I dringend verdächtig waren. Als Dritter gesellte sich ihuea im Märzdrr Antrag stimmen, so geschieht das nur deswegen, um die Regierung ! am 2. Februar 1870 in Niedertrebra geborene Bäckergeselle Otto daraus aufmerksam zu machen, daß auch für sie Gesetze existiren, die zu ! Bernhard Eckart zu. der bis^ahin heben Monat« Besängniß in beobachten ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit ist. Erst seitdem Herr v. Koeller aus dem Reichslande weg ist, haben sich Männer gefunden, die Mannesmuth genug hatten, auf ein solches gesetzloses Verhalten aufmerksam zu machen. Präsident Frhr. v. Buol: Ich kann den Ausdruck „gesetzloses Verhalten" nicht dulden. Staatssecretair v. Puttkamer: Nach den Reden der beiden Vorredner sollte man denken, die Regierung wollte nur weitere unbeschränkte Vollmachten mit dieser Vorlage erlangen. In Wirk lichkeit soll doch aber die Gemeindeordnung reformirt werden unter Rücksichtnahme aus die Wünsche der Gemeinden. Wir können ja nichts dagegen haben, wenn Sie die Gemeindeordnung ablehnen; eia so großes Interesse haben wir daran nicht. Die Gemeinde- ordnung begründet ober eine Selbstverwaltung, wie sie in Elsaß- Lothringen seit der französischen Revolution nie auch annähernd bestanden hat. Die Hauptsache ist jedoch die Stellung der gewählten aeniiate ihm nick,» da der non l5lsak-9otl,>-inaen I antworten, daß wir den Staatsrath über die Genlemdeordnung ge-1 Repräsentanten, al,o der Stadtverordneten, wie sie in Preußen genügte ihm nicht, da der tzstaatsrath von lLlsab-Lothringen I h^t. Was der Abg. Lieber sagt, kommt daraus hinaus, als ob der > heißen. In »..? »nck, nicht genügend Mit seinen Einwendungen berücksichtigt I Staatsrath auch über jede Aenderung eines Gesetzes, das ihm vor-! die Vorlage worden sei. Auch der Elsässer Preiß war zwar mit der Igelegen hat, gehört werden mußte. Das ist nicht der Fall. Wohin Aufhebung des bisherigen Gesetzes einverstanden, wollte! sollte es führen, wen» wir den Staatsrath nun noch über die Gemeinde- aber auch die neue Gemeindeordnung verwerfen, da er der! ordnung. wie sie zwischen Landesausschub und Regierung vereinbart Regierung das Bestätigungsrecht der gewählten Bürgermeister! ist, hören wollten. Das Gesetz ist vollkommen fertig. Der Staats- nicht zugestehen mochte. Der CentrumSmann Or. Lieber! rath ist lediglich eine informatorische Behör^ für die Regierung, secundirte den Elsässern, obgleich doch auch im übrigen I noch hinzu, daß fast sämmtliche Mitglieder des i-Iaats- I rathes zugleich solche des Landesausschusscs sind und der Gemeinde. , .Ä Ä ordnung zugestimmt haben. Weshalb sollten wir diesen nochmals Es kann zweifelhaft sein, ob mehr die demokratische Ge-1 Gesetz vorlegen? Was die Vorlage betrifft, so haben wir damit sliiiitmg oder die ultramontane Gehässigkeit den Lieber schen I zge versprochene Reform der Gemeindeordnung gebracht. Ein Miß- Ausführungen zur Grundlage diente. Herr vr. v. Cun y, I brauch deS Gesetzes vom 4. Juli 1887 liegt nicht vor; in den 1698 ein hervorragender Kenner des französischen Rechts, der alS! Gemeinden des Landes gab es am 1. Januar 1895 nur 91 Bürger- Bezug aus den Gemeindcrath enthält doch außerordentliche Fortschritte in der Richtung! der freien Selbstverwaltung. Die Gemeindeverwaltung ist I sn ihrer Beschlußfassung nach der neuen Gemeindeordnung vollständig iouverain. Davon aber sagen die Herren hier gar nichts I Früher konnte der Gemeinderath jederzeit auf ein Jahr suspendirt werden, jetzt nach der neuen Gemeindeordnung nicht. Wir haben gewiß ein Interesse an dieser Gemeindeordnung, weil wir auf die Wünsche der elsaß-lothringischen Bevölkerung Rücksicht nehmen wollen und weil wir diese Decentralisation der Verwaltung für richtig halten. Die 91 Bürgermeister, von denen in den Notizen der Vorlage die Rede I ist, sind Ehrcnbürgermeister, nicht Berufsbürgermeister; das scheint der Abg. Preiß gar nicht zu wissen. Die Bürgermeister haben nach der neuen Gemeindeordnung dem souverainen Gemeinderath gegenüber Cassel verbüßt hatte. Die drei Angeklagten waren im vergangenen Jahre arbeitslos und suchten durch einen Einbruchsdiebflnhl in Besitz von Capitalien zu gelangen. Trotzdem sie bei den einzelnen ihnen zur Last gelegten Diebstählen, die meist zu Dreien, in zwei Fällen nur von Petzold und Pietzschker ausgesührt wurden, mit überaus großer Frechheit zu Werke gingen, Thüren, Polte, Schränke und sonstige Behältnisse erbrachen, so gelang es ihnen doch nie, einen größeren Posten Geld in die Hände zu be komme», da sie sich stets vergeblich beim Erbrechen des Geld schrankes abmühten. In zwei Fällen gewinnt es den Anschein, als hätten die Einbrecher, um die Spuren ihre- Verbrechens zu tilgen, die Absicht gehabt, die betreffenden Gebäude in Brand zu stecken, wenigstens haben sich Anhäufungen von Papier, Stroh und sonstigen leicht brenn- baren Gegenständen vorgefunden. Es wird aber von den Auge- klagten die Absicht der Brandstiftung mit Hartnäckigkeit bestritten und die Anhäufung von Papier rc. nur als rein zufällige, beim Suche» nach verwerthbaren Gegenständen bewirkte hingestellt. WaS nun die einzelnen Diebstähle betrifft, so brachen Petzold und Pietzschker am 22. April 1894 zunächst in der Actienschuhwaaren- sabrik in Groitzsch, in der Petzold früher gearbeitet hatte, ein und stahlen für 55 .ckl Schuhwaaren und Comptoir-Utensilien. Am 28 April 1894 verübten alle drei Angeklagte in der Fabrik von E. in der Jnselstraße in Leipzig einen Anbruch, bei dem sie außer 100 Stück Cigarren ein Reißzeug, Notizbuch u. s. w. er beuteten. Ziemlich erfolglos waren sie in der Nacht zum 1. Mai beim Einbruch in eine Pegauer Fabrik; sie stattete» daher sofort noch dem dortigen Restaurant „Zur Börse" einen Besuch ab. Aus zwei Automaten, die sie erbrachen, erlangten sie 3 50 -H, außerdem aber noch Fleisch- und Wurstwaaren, eingemachte Früchte und Spirituosen im Werthe von 70 Das Gestohlene wurde zunächst in der Garnisons-Reithalle eingestellt und nach und nach abgeholt und verbraucht. Am 1. Mai stiegen sie, angeblich praktischer Jurist wie als Verwaltungsbeamter längere! Meister, welche nicht gleichzeitig Mitglieder des Gemeinderaths waren.! eine viel schwierigere Stellung als früher dem abhängigen Gemeinde. . . . - . Zeit in den Reichslanden gewirkt erklärte sich für I Dies Gesetz wird den Gemeinden rin Maß von Selbstverwaltung ! rath gegenüber; daher sind die Vollmachten für die Regierung, die I um die Gegend sich anzuichauen, in ein verlas,enes, zum vormaligen die Vorlaae und bereuate dak die einaeborenen I geben, wir es bisher dort niemals vorhanden war und wie es I in Bezug auf die Bestellung der Bürgermeister die neue Gemeinde. I Alteugroitzscher Kohlenwerke gehöriges Wohngebäude, zertrümmerten Elsak-Lotbrmaer abaesebe» von den Berussaaitatoren sick I deutschen Verhältnissen entspricht. Es wird hoffentlich die Bevölke-! ordnung enthält, nothwendig; es wird nur im Ausnahmesall von ! darin sechs Berliner Oesen und schlugen die Fenster ein, >o daß 2liatz Lothringer. abgesehen von den VerusSagitatoren, ^ ^in Deutschlhum wieder ein Stück näher bringen. I ihnen Gebrauch gemacht werden. Die Bürgermeister repräsentiren I dem Besitzer ein Schaden von 250 bis 300 entstand. Schließlich — ... . . ^ Abg. Preitz (Elf.): Die Bevölkerung sieht mit Gleichgiltigkeit zu,! aber doch auch den Staat, daher muß die Regierung einen I zogen sie noch etwa 35 Thürschlüssel ab. die Eckart dann mitnahm. Staatssecretair von 2Iiaß-Lolhringen, Herr v. Puttkamer, I oh der Reichstag dem Gesetze zustimml oder nicht. Denn durch die I Einstuß aus ihre Ernennung haben. Wir brauchen solche Ausnahmen, I Ist der Nacht vom 2. zum 3. Mai brachen Petzold^und Pietzschker Proteststandpunctein wieseineengeren„bürgerlichen"Landsleute.! sich an die Vorschläge des Gemeinderaths halten, braucht es aber I hindern könne», daß ein Parieimann Bürgermeister wird, der für Um seine Zugehörigkeit zur Socialdemokratie den Genossen ! nicht. sondern kann ohne Angabe von Gründen in den Gemeinden I seine Freunde sorgt und seine Gegner schädigt. Von dieser uns im gegenüber bffonders zu beweisen, bedient sich der Abg. Bueb über 25 000 Einwohner ebenso wie bisher Berussbürgermeistt — ------- —- --- — -- "> ^e.-- !>.— -:„-! Verwalter ernennen. Nur IN den Worten ist die Sache geändert der gewohnten kräftigen AuSdruckswei,e, welche ihm eine ahxi: „ickft in der Sache. I» den übrigen Gemeinden kan» Rüge des so nachsichtigen Präsidenten v. Buol zuzog. Daß l^H tz. zz der Gemeindeordnung „ausnahmsweise eine" dem das Gesetz sogar vom demokratischen Standpuncle Wohl I Gcmeinderath nicht angehörige Person zum Bürgermeister oder annehmbar sei, erklärte schließlich noch Abg. Lenzmann. I Beigeordneten ernannt werden. Also auch hier sind die Befugnisse Darauf wurde in erster und zweiter Lesung die Vorlage mit! der Gemeinde factisch gleich Null. Wenn cs der Regierung paßt, ernennt! der Vorlagen, großer Mehrheit angenommen. Morgen ist wieder Schwerins- "" tag. Zur Berathung steht zunächst der Antrag der Social demokraten betr. der Versammlungs- und CoalitionSfreiheit Gesetz von 1887 gegebenen Bcsugniß haben wir nur in 19 Fällen Gebrauch gemacht Die unabhängige Presse stellt mich nicht so zu frieden wie den Abg. Preiß; ich verlange nicht Behauptungen,! sondern Gründe. Ich bestreite, daß diese Vorlage im Wesentlichen eine andere ist als die, die wir vor zwei Jahren dein Landesaus schuß vorgelegt haben. Für Len Staatsrath existirt die Continuität 80. Sitzung vom 30. April. Der Präsident eröffnet die Sitzung um 1 Uhr. Am Bundesrathstische: von Puttkamer u. A. Eingegangen: Nachtragsetat. Das Haus ist sehr schwach besetzt. Nach Erledigung der Rechnungen der Lasse der Ober rechnungskammer und des Rechnungshofes des Deutschen Reichs für die Etatsjahre 1891/92 und 1892/93 in dritter Berathung geht das Haus zur ersten und zweiten Berathung des Gesetz entwurfs, betreffend die Aufhebung des Gesetzes für Elsaß Lothringen über die Ernennung und Besoldung der Bürgermeister und Beigeordneten vom 4. Juli 1867, über. Abg. Winterer (Els ). Drei Gesetze haben unserem Lande «in drückendes Joch aufgelegt: das Dictaturgesetz, das dictatorische Unterrichtsgcsetz und das Bürgermeister-Gejetz vom 4. Juli 1887. Letzteres wirkte besonders drückend, weil es in die Gemeinde-An gelegenheiten eingriff und der Regierung das Recht gab, der Ge meinde einen Bürgermeister aufzuoctroyire». Die Zahl der Bürger meister, welche weder dem Gcmeinderath noch der Gemeinde ange hören, ist keine unbedenkliche. In Lothringen besonders würden in zahlreichen Fällen den Gemeinden Bürgermeister aufgezwungen. Diese Bürgermeister kannten die Bedürfnisse der Gemeinde nicht, sie standen ihnen ganz fremd gegenüber. In den 8 Jahren der Geltung des Gesetzes ist der Naine des Berufsbürgermeisters dadurch in Mißkredit gekommen. Die Furcht vor dem kommende» Berufs die Regierung in allen Gemeinden zum Bürgermeister, wen sie will. Wir wollen allerdings, daß das Ausnahmegesetz von 1887 beseitigt wird, wir wollen aber nicht, daß die Gemeindeordnung an seine Stelle tritt und dies ohne unseren ausdrücklichen Widerspruch ins Land geht. Der Staatssecretair hat sich auf die Zustimmung des Landesausschusses berufen. Aber der Landesausschuß ist einer der wundesten Puncte in Elsaß-Lothringen. Er ist keine eigentliche Volksvertretung und ich behaupte, kein anderes Parlament in ganz Europa ist so unpopulär wie dieses. Gewählt auf Grund eines antediluvianischen Wahlsystems, besteht seine Mehrheit aus ab hängigen und darum widerstandsunfähigen Regicrungsbeamten, Bürgermeistern rc. Die gejammte unabhängige Presse hat sich dagegen gegen die Gemeindeordnung ausgesprochen, wie ebenso die aus Grund der directen geheimen Wahl ge wählten Reichstagsabgeordneten, denn ich glaube Las auch sür die beiden socialdemokratischen Abgeordneten behaupten zu können. Wir Alle protestiren gegen dir Gemeindeordnung, welche den Bürger meister nicht zum unabhängigen Bemeindebeamten. sondern zum unterthänigen Diener des Kreisdirectors macht. Was dann den Staatsrath angeht» so sagte Staatssecretair v. Puttkamer, derselbe habe nur einen informatorischen Charakter für die Regierung. Das ist vollkommen verkehrt. Unter jämmtlichen Juristen und Cominen- tatoren der Landesververfassung in Elsaß-Lothringen besteht die Ueberzeugung, daß die Regierung den Staatsrath nicht nur an hören kann, sondern über sämmtliche Gesetze anhören muß. Daß der Staatssecretair derselben Ansicht ist, beweist ja auch eine Bemerkung, daß der Staatsrath über die Gemeinde ordnung angehört worden ist. Nun sagt der Staatssecretair, die Abg. Lcirruiarm (fr. Volksp.): Auch ich nehm<mit dem Staats- secretair an, daß die neue Gemeindcordnung, wie sie geplant ist, eine Verbesserung gegen den jetzigen Zustand bedeutet. Sie ist jedenfalls besser, als unsere vreußische Gemeindeordnung, bei der es Vorkommen kann, daß ein Oberpräsident einer Stadtverwaltung eine zu billigende Kundgebung verbietet, wie das jetzt der Ober präsident von Brandenburg gethan hat. Gegen den angekündigte» Antrag habe ich dahin Bedenken, daß dadurch das ganze Gesetz gefährdet werden könnte und das möchte ich doch vermieden wissen, aber dagegen muß ich doch protestiren, daß der Reichstag nicht, wie Abg. v. Cuny meint, das Recht haben soll, zu prüfen, ob die geplante Gemeindeordnung auf verfassungsmäßigen Wege zu Stande gekommen ist. Es handelt sich al>o nur um die Frage, ob die Prüfung des Staatsraths ein eLseutikrls eines jeden Gesetzes ist, und das muß ich bejahen. Dann handelt aber der Bundesrath verfassungswidrig, wenn er einem ohne Begut- achtung des Staatsraths zu Stande gekommenen Gesetze für die Reichslande seine Zustimmung ertheilt. Wir erwarten also, daß ein Antrag auf nachträgliche Begutachtung des StaatSraths eingebracht wird, und werden dann diesem Anträge und dem Gesetzentwürfe zustimmen. Abg. Winterer (Elsässer) erklärt, daß er auf die Stellung des angekündigten Antrags für die zweite Lesung verzichte, um das Gesetz, Las immerhin die Aufhebung eines Ausnahmgesctzes bedeute, nicht zu gefährden. Damit schließt die Discussion. Es wird sofort in die zweite Lesung eingetreten. In derselben wird die Vorlage nahezu einstimmig angenommen. Daraus vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. Regierung habe ja dem Staatsrath die Gemeindeordnung vorgelegt, I Antrag Auer, betr. Coalitionssreiheit der Arbeiter. Antrag Müller bürgermeister war eine allgemeine. Dennoch können wir der Vorlage! äfliar nicht diese, wie sie jetzt angenommen ist, aber einmal früher I Sagau, betr. Abänderung der Gesinde-Ordnung. nicht freudig zustimmen, weil an die Stelle des aufzuhebenden Gesetze- Bestimmungen der Gemeindcordnung sür Elsaß-Lothringen treten sollen, die dem Staatsrath nicht vorgelegt worden ist. Die Frage, ob Gesetze für Elsaß-Lothringen dem Staatsrathe vorgelegt werden müssen, muß aber gelöst werden. Wir werden daher zur zweiten Lesung einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen. Für die Vorlage werden wir stiinmen, aber wir übernehmen damit nicht die Ver antwortung für die einzelnen Bestimmungen der Gemeindeordnung I eine Gemeindeordnung. Aber jene Gemeindeordnung ist wesentlich 1 anders gewesen diejenige, wie die jetzt vom Landcsausjchusse ange- s nommen worden ist. Abg. Bueb (soc.): Der Vorredner hat unseren Standpunkt zu § > dem Gesetze richtig charakterisirt. Auch wir erkennen in ihm keines» j wegs ein großes Geschenk sür die Bevölkerung. Die Gemeinde- ordnung bringt eine ganze Reihe von Verschlechterungen gegenüber! ! dem bestehenden Gesetz, so bezüglich des Wahlrechts und auch sonst. Abg. v. CUNY (natl.). Unsere Stellung zu dem Gesetze ist eine! Das Gesetz von 1887 ist nicht nur angewandt worden, um franzosen weit freundlichere. Wir haben volles Vertrauen zum Landes-! freundlichen und deutschfeindlichen Bestrebungen entgegenzutreten, ausschusse, das dem Vorredner abzugehcn scheint. Unsere Sache ist! sondern stets da, wo man nicht auf den gewünschcn Cadaver- es nicht, di« Bestimmungen der Landgemeindeordnung zu prüfen,! Gehorsam gestoßen ist, den man in Elsaß-Lothringen verlangt, sonst müßten uns ja auch alle Landesgesetze für Elsaß-Lothringen ! da hat man der Gemeinde einen Berussbürgcrmeister aufgedrängt, zur Prüfung zugchen. Wir sind nicht gesonnen, den Effaß-! Das Gesetz wurde in dem Geiste angewandt, wie es dem Schluß 4'/, Uhr. C> Berlin, 30. April. Für die dritte Lesung der Zolltarif Novelle beantragen die Abgg. Hammacher und v. Salisch, die Er mächtigung des Bundesraths zur Erhebung von Kampfzöllen auf zollfreie Waarcn bis zur Höhe von 20 Procent des Werthes zu beschränken. — In der Branntweinsteuer-Commission des Reichstags sind die Nationalliberalen durch die Abg. Paasche und Frank (Baden) vertreten. Lothringern bei' Ordnung ihrer Angelegenheiten ohne Noch § Schwierigkeiten zu machen. Wir geben der Vorlage unsere Zu stimmung und überlassen die Prüfung, ob und welche Schwierig, leiten dem Inkrafttreten der Gemeindcordnung noch entgegenstehen,! dem Landesausschusse. Was die Sache selbst betrifft, so kann man ^ damaligen Leiter der Abtheilung deS Innern, der jetzt in Preußen das Ministerium des Innern leitet, entsprach. Wir können in Elsaß-Lothringen selbst gar nicht gegen die neue Gemeindeordnung auftreten. Das wird einfach nicht gestattet. Eine Versammlung, in welcher ich über diese Gemeindeordnung Gerichtsverhandlungen. Königliches Landgericht. Strafkammer III. 6. Leipzig, 30. April. In Eger wurde im vergangenen Jahre der am 15. Juli 1876 in Pegau geborene Kellner Edmund Curt Petzold zu sieben, der am 19. Januar 1878 in Gohlis geborene 'Fabrikarbeiter Friedrich Paul Pietzschker zu sechs Monaten beim Restaurateur L. verübten Diebstahl war das Einbrecher- Kleeblatt wieder vollzählig in Thätigkeit getreten. Hier fielen ihnen Gegenstände im Werihe von 114 darunter drei Sätze Billardbälle, ein Ueberzieher, niehrere Würste und ein Regenschirm, sowie ans einem Automaten zwölf Zehnpfennigstücke zur Beute. Mit derselben wandten sie sich, da ihnen in Leipzig der Boden zu heiß wurde, nach Chemnitz, hier trennten sie sich. Petzold und Pietzschker gingen in das Böhmische, während es Eckart an den Rhein zog. Ziemlich zur selben Zeit im Juli vorigen Jahres wurden sie dann wegen neuerlich von ihnen begangener Strafthaten in Eger bez. Cassel in- hastirt und nachmals auch verurtheilt. Säinmtliche drei Angeklagte sind bereits vorbestraft, bei Eckart haben sogar nach seinen Vorstrafen die Rückfallsbestimmungen nach 8. 244 des Reichs- strafgesetzbuchs Anwendung zu finden. Lediglich als Ver führter erscheint Pietzschker, ihm wurden daher auch mildernde Um stände zugebilligt, die feinen beide» Diebesgenossen versagt blieben. Da aber Petzold zur Zeit der Verübung der Einbruchsdiebstähle das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, so war gemäß der Be- stimmung im 8- 57 des Reichsstrafgesetzbuches an Stelle der aus zuwerfenden Zuchthausstrafen auf Gefängniß in gleicher Dauer zu erkennen. Es wurde daher verurtheilt Eckart zu 4 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust, sowie zur Stellung unter Polizeiaufsicht, Petzold zu 3 Jahren, Pietzschker zu 1 Jahr 9 Monaten Gesängniß. Bei Letzterem wurden drei, bei Petzold zwei Monate aus die erlittene Untersuchungshaft in Anrechnung gebracht. ** (Ccra, 29. April. Vor der Strafkammer des hiesigen Land gerichts wurde heute der vom Reichsgericht zur nochmaligen Ver- Handlung hierher verwiesene Proceß gegen den Jmpsgegner vr. Max Boehm aus Friedrichroda nochmals verhandelt. Or. Boehm ist angeklagt, in einer Reihe von Fällen Impfscheine wider besseres Wissen ansgestellt, d. h. einen Erfolg der Impfung bescheinigt zu haben, wo keiner eingetreten war. Der Angeklagte erklärt, auf dem Standpunkt zu stehen, daß durch die reichsgesetzlich vorgeschriebene Impfung Schutz gegen Blattern rc. nicht gewährt werden könne. Durch das Gesetz werde »ach seiner Ansicht nngestrebt, daß die Lymphe in den Körper eingesührt werde, um sich da mit den Säften zu vermischen, wodurch Veränderungen hervorgerufen würden. Diesen Effekt wolle er durch seine Stich-Jmpfungen ebenfalls herbeisührcn. Er impfe nur, weil das Gesetz die Impfung verlange. Jede Reaktion auf die Impfung betrachte er als Ersolg, selbst eine fieberhafte Er- scheinung nur. Als Sachverständiger traten die Herren Geheimrath Professor vr. Hofmann-Leipzig, Geh. Medicina lrath Or. Pfeiffer-Weimar und Medicinalrath vr. Häuber-Gera sür die Anklage aus, für den Angeklagten Herr Staatsrath vr. v. Walz-Franksurt a. O-, Sanitäts rath Bilfinger-Stuttgart und vr. meä. Crüwell-Berlin. Die reußische Imps-Instruction verlangt ganz charakteristische Merkmale als Zeichen des Jmpferfolges. Die waren nach der Jmpsung des Angeklagten nicht aufgetreten, weshalb sie objectiv als erfolglos von sämmtlichen Sachverständigen bezeichnet wurde. Professor Hofmann erklärte nun noch weiter, daß, selbst wenn Angeklagter die reußischen Ausführungsbestimmungen nicht kannte, er der herrschenden Meinung entsprechend wissen mußte, daß seine Impfung erfolglos war. Angeklagter suchte aber durch seine subjektiv milde Impfung einen Erfolg auszuschließen, was er neben Anderem durch Verdünnung der vom Lymph-Jnstitut Weimar bezogenen Lymphe mit Glycerin erreichte. Sei Angeklagter auf Grund seiner wissenschaftlichen Ueberzeugung Jmpsgegner, Fenrlletsir. Reisebriefe aus Schwaben. Bon Hermaa Semmtg. 6. Abschied von Schwaben. ». Geschichtlicher Ueberblick. I NaibdrlUk verboten. Von den sonnigen Höhen des Ideals und den unergründ lichen Fernen der Sternenwelt. zu denen uns am Schluß unseres letzten Briefes Schiller und Kepler emporgelragen hatten, haben uns die politifchen Ereignisse der jüngsten Zeit im Schwabenlande wieder in das Kampfgewühl irdischer Realität herabgezogen. DaS Interesse, mit dem ich die Be wegung verfolgte, hat den Abschluß meiner Reisebriefe ver zögert. Schon während meiner Anwesenheit im Lande war >ch Zeuge der tiefen Erregung, die in Folge der Handels verträge und der landwirthschaftlichen Krisis durch das Land ging; ist doch kaum ein anderes so dabei interessirt als Württemberg, das vorzugsweise Korn-, Obst- und Weinland ist. Doch über diese Debatten und Fragen kann ich jetzt wohl hinweggehen. Mit größerer Theilnahme dagegen hat man außerhalb Württembergs die politische Aufregung verfolgt, von der das Land jüngst auS Anlaß der Landtagswahlen er griffen worden war. In welchem Verhältniß steht sie zu dem Charakter des schwäbischen VolkSthumS und seiner Ge schichte? Diese Frage weckt in mir die Erinnerung an die Stunde der Andacht wieder auf, die ich bei meinem Abschied von Leonbera auf dem Engelsberge feierte. Zur erschöpfenden Lösung der Frage, die ein zu detaillirteS Eingehen in die moderne Verwickelung verlangen würde, werde ich zwar hier nicht kommen, aber ein Helles Streiflicht von glänzender, so schwäbisch wie deutsch patriotischer Färbung wird dabei doch auf den letzten Wahlkampf fallen. Der Friedhof war die letzte Stätte, die ich, bevor ich das liebe Städtchen verließ, zum Abschied besuchte, um an auch mir theure Gräber zu treten; dann stieg ich zum EngelSberg hinauf, an dessen unterem Abhang Leonberg liegt und von dem auS man eine weite Aussicht genießt. Auf dieser Höhe steht ein alter Thurm, dessen Zweck und GründungSjahr Niemand kennt; an seinem Fuß finden hier alljährlich im Beisein aller Behörden die Schulfeste statt. Und wie ich nun auf daS Städtchen unter mir hinab schaute und die Blicke wieder über die weite berg- und thälerreiche Umgegend schweifen ließ, da gewann ich von diesem Lande und Volk ein eigenartiges Bild, in welchem Kleinstädterei und Kleinstaaterei und wieder weltgeschichtliche Größe zu dem seltsamsten Gemisch von Kleinlich und Riesig zusammenflossen. Große Städte bat dieses Land, das doch mit dem KönigS- titel prunkt, überhaupt nicht — die meist geschichtlich so wichtigen Städte Ulm und Augsburg lagen wohl in Schwaben, gehörten aber nicht zu Württemberg — und selbst Stuttgart hat erst in neuerer Zeit an Umfang und Ansehen gewonnen Aber iu diesen kleinen Städten lebt es sich so heimlich zu traulich, daß der Fremde hier bald heimisch wird. Während in großen Städten sich Alles „der Neuzeit entsprechend" nivellirt, leben in den kleinen Orten noch immer alte Bräuche und Redensarten fort, an denen sich schon die Urahnen unserer Großeltern erfreuten, und diese Verkettung der Ge schlechter macht die städtische Chronik zu einer Familien geschichte. Wie viel Eigenthümlichkeiten, die noch in meiner Äugendzeit frisch und lebendig waren, hat nicht unser Leipzig seitdem verloren! AuS oft uralter germanischer Zeit hat sich überall in Deutschland eine Symbolik im Gebäck erbalten. Auch Leonberg bat sein eigenes Gebäck» „die Laugenbrezeln", die nur zum Sonntag gebacken werden; sie sind stark genug, um zerschnitten und mit Butter oder Honig bestrichen zu werden In den Dörfern der Umgegend kündigen wohl die Neu vermählten im Wochenblatt des nächsten Städtchens ihre Hochzeit an, aber bei dem Feste sind nur ihre nächsten Ver wandten ihre Gäste; alle Freunde und sonstigen Bekannten sind wohl freundlich gebeten, mit zu erscheinen, aber auf eigene Kosten. Eine Spracheigenthümlichkeit ist wohl überhaupt schwäbisch: man gebraucht — und daS kann im mündlichen und brieflichen Verkehr mit Unkundigen wobl zu Mißverständ niffen führen — daS Wort „wirklich" nicht, wie im Hoch deutschen überall, sür: „in der That, wahrhaftig", sondern in dem Sinne von „gegenwärtig, im Augenblick". Wir begegnen diesem Gebrauch auch in Schiller'« ersten Schriften; so fragt z. B. FieSco Art. H, S. 17 den Maler Romano, der ihm seine Gemälde aufgezählt hat: „Und WaS ist wirklich Ihres Pinsels Beschäftigung?" das heißt: „was malen Sie jetzt?" Nur einen städtischen Gebrauch will ich hier noch anführen, er ist so, ich möchte sagen: patriarchalisch erhebend schön, daß man die Bürger von Leonberg darum beneiden kann; eS ist die Sylvesterfeier. In der letzten Nacht des Jahres versammeln sich die Einwohner auf dem Marktplatz; mit Posaunenbegleitung singt hier die ganze Gemeinde, abwechselungs weise mit den Schulkindern, Lob- und Danklieder. Der Lieder kranz der Stadt trägt daS Leonberger „Sylvesterlied" und andere Gesänge vor. Von den Fenstern der Häuser am Markt fallen Hunderte von Lichtstrahlen auf die in heiliger Freude Versammelten, bengalische Flammen erhellen den Platz und über der ernsten frommen Feier ballen nun die daS neue Jahr verkündenden Glockenklänge über das weite Land hinweg in die schweigende Nacht. Auf den einsamen Wanderer, den diese Nacht unterwegs im tiefen Tbale oder auf ferner BergeSböhe überraschen sollte, muß der Blick auf die erleuchtete Stadt, auS der der religiöse Gesana der Gemeinde, gedämpft durch die Ent fernung, zum Himmel aufsteigt, einen feierlichen, erhebenden Eindruck machen. Wie anders mag auf den durchreisenden Fremden in unserem Leipzig der Lärm wirken, der in der Sylvesternacht die Straßen erfüllt, wenn sich um Mitternacht die Menge auf der Gaffe aus voller Kehle ihr „Prost Neujahr" zuschreit! Es bandelt sich hier durchaus nicht, weil diese Bemerkung auS Württemberg kommt, um PietiS muS oder wohl gar Bigoterie; wir meinen nur, daß man den Spruch Seneca'S: r«8 severa guuckium, den man doch über der Eingangspforte zum „Neuen ConcerthauS" angebracht hat, in der Stadt Sebastian Bach'S, dem der hier gleich verehrte Beethoven so geistesverwandt ist, wenig beherzigt. Es ist eben doch ein anderer Menschenschlag, der dieses Schwaben bewohnt und dem die großen Männer mit welt geschichtlichen Namen entsprossen sind. Woher kommt diese eigentbümtiche Kraft, auS der sie daS Lebensmark ihre- Geistes gesogen haben? AuS dem Erdboden selbst, auf dem ie erwachsen sind? AuS der Ackerkrume, die ihr Korn, ibr Obst, ihren Wein nährt? Und neben der riesigen Thatkraft, die diese Gewaltigen über die weitesten Gebiete auszeübt »aben, wieder dieses fast kleinlich enge Stillleben in dem -albvergessenen, wenig besuchten Erdwinkel, genannt Württem- ,erg, das sich so gemüthlich in den Poesien der schwäbischen Dichterschule widerspiegelt. Heinrich Heine hat diesen Gegensatz in seiner Satire „Der Schwabenspiegel" mit scharfer ?auge ätzend conterfeit. „In meiner Einfalt, schrieb er im Wonnemond 1838 zu Paris, glaubte ich anfangs, unter dem Namen „schwäbische Schule" verstünde man jenen blühenden Wald großer Männer, der dem Boden Schwabens entsprossen, jene Rieseneichen, die bis in den Mittelpunct der Erde wurzeln und deren Wipfel hinauSragt dis an die Sterne". Er bat daher einige reisende Schwaben um Auskunft. Aber sie wollten lange nicht mit der Sprache heraus und lächelten sehr sonderbar, etwa wir die Apotheker lächeln, wenn frühmorgens am 1. April eine leichtgläubige Magd zu ihnen in den Laden kommt und für zwei Kreuzer Mückenhonig verlangt. Und ich frug: „Nicht wahr, Schiller gehört dazu, der wilde Schöpfer, der die Räuber schuf? . . . Nein, lautete die Antwort, mit dem haben wir nichts zu schaffen, solche Räuberdichter gehören nicht zur schwäbischen Schule; bei uns geht'- hübsch ordentlich zu und der Schiller hat auch früh auS dem Lande hinauSmüssen. . . . Gehört denn Schilling zur schwäbischen Schule, Schelling, der irrende Weltweife, der König ArthuS der Philosophie, welcher vergeblich daS absolute Diontsalvatsch aufsucht und ver schmachten muß in der mystischen Wildniß? ... Wir verstehen das nicht, antwortete man mir, aber soviel können wir Ihnen versichern, der Schelling gehört nicht zur schwäbischen Schule... Gehört Hegel dazu, der GeisteSweltumsegler, der unerschrocken vorgedrungen bis zum Nordpol de« Gedanken-, wo einem das Gehirn einfriert im abstrakten Eis? ... Den kennen wir gar nicht... Gehört denn David Strauß dazu, der David mit der tödtlichen Schleuder? . . . Gott bewahre uns vor dem, den habe» wir sogar excommunicirt, und wollte der sich in die schwäbische Schule ausnebmen lasten, so bekäme er gewiß lauter schwarze Kugeln ... Aber um des Himmelswillen, rief ich auS, nachdem ich fast alle große Namen Schwaben» aus- gezählt hatte und bi« auf alte Zeiten zurückgegangrn war.
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