Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980216017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898021601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898021601
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-02
- Tag 1898-02-16
-
Monat
1898-02
-
Jahr
1898
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
eo «. o. iv. t.0 «II »en 01,756. WI,b06. 8S«r- ll-L kten SSZ t o. l. o. >. v i. 0. t.0 lN»rIl L1V006 1.1./7.S8 .1./S.S8 6. « 0 i. 0 t.v. i.v. k-k- ZZZ t 5^ i v ». v. l. o I o t. r> t. o t,b06. l.v. i. 0. t.o. cp.3b l.o. i o. t-v. .83? Bezugs-Preis tzt der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- oavestelle» abgebolt: vterteljührlich >14.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hans >t S.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ährlich >t 6.—. Directe tägliche Kreuzbandienduug inS Ausland: monatlich >1 7.50. Die Morgen-NuSgabe erscheint um '/,? Uhr. dir Abend-Au-gabe Wochentags um v Uhr. Le-artion und LrveLUiour Johannes,affe 8. Die Erpedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. Filialen: Otto Klemm s Lortim. (Akfrek Hahn), UnivrrsitätSstraßr 3 (Paulinum), Lout« LSsche, Katdarinrnstr. 14» Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MpWr TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Äöniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Votizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen.PreiS d?e 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg, Reklamen unter dem Redactionsstrich «4g«- spalten) 50^, vor den Familiennachrichtea <6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unfern» Pret« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Artra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbeförderuug >t W.—, mit Postbeförderung >l 70.—. Ännahmeschluß fLe Auzeizeu: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreisen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 83. Mittwoch den 16. Februar 1898. 82. Jahrgang. Die Beschlüsse der Reichstags-Commission für die Militairsirasproceßordnung. L Die ReichStagS-Commission für die Militairstraf- proceßordnung wird bei der zweiten Lesung des Entwurfes noch manchen barten Strauß mit der Regierung auSzufechten haben, aber die Mehrzahl der beschlossenen Abweichungen von der Regierungsvorlage und vor allen Dingen die Stimmung der Commission wie de- Landes, ist nicht von der Art, daß die dreißig Jahre hindurch vergebens betriebene Angelegenheit, nun sie ernstlich in Angriff genommen, noch angesichts deS HafenS scheitern müßte. Die doctrinairen Einwendungen, die den Entwurf bet seinem Erscheinen be grüßten, sind verstummt oder werden nur noch in der socialdemokratischen und einem Theile der demokratischen Presse laut. Man hat sich, wie wir voraussahen, darauf besonnen, daß es nicht gilt, für das Heer zu verwirklichen, was RechtSlehrer und Praktiker, jedoch nicht ohne in vielen wichtigen Puncten von einander abzuweichen, als Postulat« einer modernen Gesetzgebung auf dem Gebiete des bürgerlichen Strafverfahrens bezeichnen, sondern daß vielmehr der Reichstag die Aufgabe hat, bei der Reform die besonderen Daseinsbedingungen des Heeres und seine eigen artige Zweckbestimmung im Auge zu behalten. Es ist an zuerkennen, daß sogar ein freisinniges Commissionsmitglied, obwohl Jurist, auf Grund seiner als Reserveofficier ge wonnenen Erfahrungen einem Berufs- und Fractionsgenossen einen radikalen Antrag mit der einfachen Erklärung verdarb, das Vorgeschlagene vereinige sich nicht mit der Disciplin. Nicht in allen Puncten, das ist natürlich, ergab sich zwischen ComniissionSmehrheit und Militairverwaltung die Uebcreinstimmung über das militairisch Zulässige oder Nicht zulässige so leicht. Nach dieser Richtung gehen Differenzen rn die zweite Lesung mit über und ebenso in Betreff des juristisch Nothwendigen oder Entbehrlichen. Während diese Streitigkeiten jedoch an keinem Puncte tief greisen, sind die beiden stärksten Bedenken, welcde die Regierungsvorlage hervor rief, glatt beseitigt worden. Man batte zunächst geglaubt, das im Entwürfe vorgesehene kaiserliche Bestätigiingsrecht conscrvire einen Nest von Cabinetsjustiz. Diese Befürchtung ist vollständig zerstreut, die Bestätigung, wie sie bleiben soll, ist lediglich eine Formalität, kein Act der Rechtsprechung. So dann hatte es geschienen, als ob dem Kaiser das Recht Vor behalten werden sollte, im Interesse der Disciplin über den Ausschluß der Öffentlichkeit im einzelnen Falle zu befinden. ES wurde ihm jedoch nur, durchaus sachgemäß, die Befugniß eingeräumt, in allgemeinen Vorschriften die Voraussetzungen zu bezeichnen, unter denen die Verhand lungen wegen Gefährdung der Disciplin geheim geführt werden müssen. Nach dem Ausscheiden dieser principiellen Bedenken bleiben nur noch wenige Fragen übrig, die nicht Quantitätsfragen wären. Wir rechnen zu dieser Ausnahme den CommissionS- b eschluß, Verfehlungen gegen die allgemeinen (nicht militairischen) Strafgesetze, die sich Personen des Beurlaubtenstandes während ibrer Einberufung zu Schulden kommen laffen, der MilitairgerichtSbarkeit zu entziehen. Nach der herrschenden Auffassung, die auch einer militairischen Noth- wendigkeit entspricht, hat sich der Einberufene durchaus als Soldat zu betrachten. Damit wäre eS zu Ende, wenn er bei schweren Strafthaten während der Einberufung den Civilbehörden übergeben, oder wenn, bei leichteren Gesetzes verletzungen, da« gerichtliche Vorgehen bis nach seiner Ent lassung verschoben würde. Eine ähnliche Erwägung greift nicht Platz gegenüber einem weiteren Commissionsbeschlusse, der Handlungen, die vor dem Eintritt ins Heer begangen sind, den bürgerlichen Gerichten zuweist. Hier liegt eine reine Zweck- mäßigkeitSfrage vor. Eine dritte Competenzbeschränkung be steht darin, daß nach den Commissionsbeschlüssen die zur Disposition gestellten Officiere nur wegen Verletzungen von Militairstrafgesetzen vor die Militairgerichte, im Uebrigen aber vor das bürgerliche Gericht gestellt werden sollen. Wie zu erwarten stand, hat die Commission den Versuch gemacht, die Ständigkeit der Militairgerichte auszudehnen und daS rechtskundige Element in ihnen zu vermehren. Beim Standgericht soll der zweite Beisitzer gleich dem ersten auf ein Jahr commandirt werden und zu den Kriegsgerichten wären die Officier-Richter in einer vorher bestimmten Reihen folge zu berufen. WaS die Besetzung anlangt, so hat die Commission für die Kriegsgerichte zwei Juristen statt eines, und für das ReichSmilitairgericht, den obersten Gerichtshof, vier Juristen und drei Officiere vorgesehen, während der Entwurf drei Juristen und vier Officiere einsetzte. Hinsichtlich der letzteren Aenderung scheint vorläufig bei der Militairverwaltung keine Neigung zum Nachgeben zu bestehen, ebensowenig gegenüber dem Beschlüsse, der vorschreibt, daß alle geladenen Zeugen und Sachverständigen in der Hauptverhandlung vor dem Kriegsgerichte gehört werden müssen, es sei denn, das Ge richt halte die betreffende Thatsache zu Gunsten des An geklagten für erwiesen, oder es erkläre sie einstimmig für unerheblich. Nach dem Entwurf wird der Umfang der Beweisaufnahme schon durch Mehrheitsbeschluß des Gerichtshofs entschieden. Eine weitere von der Militair verwaltung energisch bekämpfte Abweichung gestattet, die Ver eidigung eines Zeugen zu unterlassen, wenn seine Aussage nach einstimmiger Ueberzeugung des Gerichts entweder offen bar unglaubwürdig oder unerheblich ist, oder wenn er, auch ohne beeidigt zu sein, offenbar glaubwürdig erscheint und wenn in den Fällen der Unerheblichkeit ober Glaubwürdigkeit die Beeidigung nicht beantragt ist. Das Recht des Ver letzten, an der Hauptverhandlung theilzunehmen, ist von der Commission erweitert worden, sie hat ferner für die Bejahung der Schuldfrage Zweidrittelmehrheit im Gerichte festgesetzt und die — durch Officiere zu führende — Verlheidigung in der Hauptverbandlung bei dem Standgerichte zugelaffen; die Verlheidigung kann hier jedoch nur durch Officiere geführt werden. Die bei diesem Capitel aufgetauchte Hauptfrage ist ungelöst geblieben. Es handelt sich — für die Militairverwaltung und die CommissionS-Meb r- heit — darum, daß nicht jeder Rechtsanwalt zur Verthei- digung bei Militärgerichten^ zugelassen werden muß. Dies verständige Princip bat gesiegt. Ueber daS Wie der Be schränkung wird jedoch erst die zweite Lesung zu entscheiden haben, ebenso über die die oberste Rechtsprechung für Bayern regelnde Bestimmung des Einführungsgesetzes. Cartellerklärung. Unter dieser Ueberschrift schreibt die „Corr. deS nat.-lib. Vereins für daS Kgr. Sachsen" Folgendes: „Einer Anregung Les Seniorenconvenls der Zweiten Sächsischen Kammer ent sprechend, haben die Vorstände der uationalliberalen, der konservativen und Fortschrittspartei im König reich Sachsen im Hinblick auf die bevorstehenden Reichstags wahlen und vorbehaltlich der Regelung der in ein zelnen Wahlkreisen bestehenden Differenzen, jeder für sich, unterm 20. v. M. nachstehende Erklärung erlassen: „Angesichts der bevorstehenden Reichstagswahlen erscheint es dringend geboten, daß an dem mit sichtbaren Erfolgen seither durch- geführten Bündniß der staatserhaltenden Parteien unter Zurückstellung von Sonderwünschen unerschütterlich sestgehalten und daß unter allen Umständen gegenüber den Feinden der staatlichen Ordnung der feste Wille bekundet und auch bethätigt werde, das Wohl des Vaterlandes und des Volkes über Alles zu stellen. Ge leitet von dem Gedanken, daß nur durch entschlossenes Zusammen wirken aller in dem bestehenden Cartell vereinigten Kräfte sichere Erfolge zu erzielen sind, und in der Erwägung, daß jede Spaltung nur den Gegnern zu Gute kommt, richten wir an unsere Freunde in Stabt und Land die dringende Bitte, durch gemeinsames Vor gehen mit den anderen staatserhallenden Parteien bei den Wahlen diese Erfolge vorzubereiten und zu sichern." Der Vorstand glaubte dieser Erklärung, die in der Haupt sache nichts Anderes besagt, als was durch gemeinsamen Be schluß des Vorstands des nationalliberalen Vereins für das Königreich Sachsen und der nationalliberalen Fraction der Zweiten Kammer vom lO. November v. I. in Dresden (vzl. Nr. 12 der Correspondenz vom November 1897) ausgesprochen war, sowohl im Hinblick auf die in Sachsen vorliegenven Verhältnisse, als auch um deswillen unbedenklich zustimmen zu können, als von maßgebender konservativer Seite die ernste Zusicherung gegeben war, nach besten Kräften an der Be hebung der in einzelnen Wahlkreise» hervorgetretenen Diffe renzen mitzuwirken. Wenn nichtsdestoweniger von einer Seite gegen die Er klärung und deren Veröffentlichung durch den ersten Vor sitzenden des Vereins Einspruch erhoben wurde, so ist dabei lediglich zu bedauern, daß dieser Einspruch ohne vorherige Rückfrage öffentlich und in einer Form er folgte, die nur allzu geeignet war, das Ansehen der gesummten Partei zu schädigen und die Wirksamkeit der Er klärung einzuschränken. Der Vorgang ist umsomehr zu be klagen, als in der Einberufung einer außerordentlichen Vor standssitzung oder auch einer außerordentlichen General-Ver sammlung die legalen Instanzen gegeben waren, Meinung? Verschiedenheiten sius irs, aber maximo cum stuckio zum Austrag zu bringen. Die Auslassungen der gegnerischen Presse zu der Angelegenheit laffen keinen Zweifel darüber, daß die nationalliberale Partei im Königreich die Kosten einer Unterhaltung zu tragen gehabt hat, die noch jede Partei unter sich abzumachen für richtig und nützlich gehalten hat. Der Einsicht und Opserwilligkeit der Parteifreunde im Lande aber ist zu vertrauen, daß sie, in nüchterner Ab wägung der in Sachsen besonder« schwierig gelagerten Verhältnisse, den vollen Werth eines gemeinsamen Vor gehens der staatserhaltenden Parteien zu schätzen und demgemäß zu handeln wissen werden, so schwer das auch in einzelnen Fällen fallen mag. Mit einer gewissen Selbst bescheidung und einigem guten Willen auf allen Seiten dürfte das erstrebenSwerthe Ziel vereinten Schlagens bei den Reichstagswahlen sich erreichen lassen. Sollten aber wider Erwarten unüberbrückbare Gegensätze bestehen bleiben und ein unter allen Umständen bedauerlicher Kampf in ein zelnen Wahlkreisen die Folge sein, so möge er mit derjenigen Rücksicht und Achtung geführt werden, die man sich gegen seitig schuldig ist und die allein die unerläßliche Unterstützung bei etwaigen Stichwahlen zu sichern vermag." Deutsches Reich. * Leipzig, 15. Februar. Ebren-Sigl kriecht zu Kreuze. Offenbar aus Furcht davor, man könne ibm in München diejenige Art von Zurechtweisung angedeihen lassen, die allein im Stande ist, bei ihm noch ein Schmerzgefühl über begangene Ehrlosigkeit Hervorzurusen, versichert er, daß er mit den untergegangenen Matrosen das gleiche Mitleiv habe, wie „die preußischen Sittenrichter", und fährt bann fort: „Wollte die Marineverwaltung einmal eine Statistik der in den letzten 6 Jahren bei der deutschen Marine vorqekommenen Schiffs unfälle und der Opfer derselben geben, so könnte auch der beschränkteste Unterthanenverstand merken, wohin sich unsere harmlose Kritik richtet." Dieser Versuch, eine auS roher Gesinnung entsprungene gemeine Hetzerei gegen die „Marinepreußen" umzulüzen in eine ehrenwerther Theilnahme für die Mannschaften ent stammende Kritik an der Marineverwaltung, beweist deutlich, daß nicht Reue über das verübte Unrecht, sondern die Angst vor Prügel Ehren-Sigl zum Rückzug veranlaßt hat. * Berlin, 15. Februar. Centrumsblättcr hatten kürzlich einen Erlaß der preußischen Minister des Innern und des Cultus veröffentlicht, worin diese infolge einer Beschwerde Be richt darüber einforderten, welche Bewandtniß es mit der Be hauptung habe, daß im Mün st erlaube sämmtliche Krankenhäuser im Besitz der Kirchengemeinden sich befänden. Ueber die Veranlassung zu diesem Vorgehen wird FeuM-ton. Apfelsinen. Bon Konrad Münch. Nachdruck verboten. Wenn die Herrschaft unseres Apfels sich dem Ende zunrigt und an unserem jungen Obste die Natur erst noch ganz im Geheimen braut und kocht, dann sendet uns der Süden, wie zum Trost und Ersatz, die schönsten seiner Früchte, — die Apfelsine und die Orange. Unser heimisches Obst in höchsten Ehren, — aber neben diesem Mädchen aus der Fremde muß es in gewisser Weise verblassen. Wo diese Früchte sich zeigen, und ganz besonders, wenn sie, wie die hübsche Sitte jetzt allgemein gemacht hat, mit ihrem natürlichen Laube auf dem Tischer er scheinen, da wirken sie in ihrer adeligen Form, mit dem un vergleichlichen Reize ihrer Farbe und ihres Duftes wie ein Gruß aus jenen Ländern der Schönheit, denen ein freundliches Schicksal die Gaben des Lebens überall reicher und voller zu gemessen hat. Und lockende Bilder von dem Lande, wo im dunklen Laube die Goldorangen glühen, tauchen vor unserem Auge auf. Aber all diese Bilder bleiben hinter der Wirklich keit zurück. Es giebt in Europa eben nicht viele Stellen, wo wirkliche Orangenhaine ihre zauberhafte Schönheit entfalten, aber jede dieser Stellen scheint dem Auge ein Paradies auf Erden zu sein. Um MiliS auf Sardinien herum liegen an die 300 Orangenhaine, die Alfred Meißner mit Begeisterung ge schildert hat. Hier stellt sich der Baum nicht in der steifen Kugel form dar, die wir aus Orangerien und Treibhäusern kennen; er streckt und reckt sein« Aeste nach allen Seiten und in seiner Krone leuchten die goldenen Aepfel, di« silbernen Blüthen. Man wandelt unter einem ununterbrochenen, schattenden, schimmernden Laubdach. Eine dicke Schicht herabgefallener Orangenblüthen deckt den Boden, kleine Bächlein sind an den mächtigen schwarzen Wurzeln vorübergeleitet, ihr Gemurmel vereinigt sich mit dem Gesang« der Vögel, die in den Zweigen wohnen. Man kann in diesem Haine >d«r Hesperiden frei umhergehen, die Zweige bei Seite biegen, die dem Wanderer ihre Blüthen in» Gesicht schlagen und von einem Duft ohne Gleichen sind, berauscht sich in dem Schatten von Orangen strecken, die so mächtig wie Waldbäume find. Anderer Art, aber nicht minder schön, sind die Orangenhaine von Söller auf der Insel Mallorca. Sie liegen in d«r Sohl« eines lachenden Thales und ziehen sich an den Berghängen, so weit das Wasser an ihnen hinaufzuleitrn war, empor, und während hier untm die kochendste aller Früchte düftereich «blüht, um starren die Wälder mächtige senkrecht aufstrebend« B«rge, von denen sich die Winterbäche schäumend hinabstürzen, und deS Südlandes ewig blauer Himmrl überspannt diese gewaltige <Pcenerie. Das find die wahren Stätten der Apfelsine und Orange; und hi«r genossen hat sie «nen unvergleichlich edleren volleren Geschmack, al» wenn wir sie, au» dem umhüllenden Papier geschält, verspeisen. Denn sie werden für den Export bekanntlich vor dem Eintritt der völligen Reife abgepflückt, und reifen dann schnell, ohne jedoch auf diese Weise je ihren ganzen Wohlgeschmack zu erreichen. In den Apfelsinenländern kümmert sich kein Mensch um die abfallenden reifen Früchte; Willkomm fand im Jahre 1846 in den Orangenhainen Algarbiens den Boden Mit abgefallenen, verfaulenden Früchten dicht bedeckt. Denn die Apfelsine spiegelt das Bild südlichen Reichthums nicht etwa nur vor, sie kann vielmehr mit Recht als «in Symbol der Fruchtbarkeit und der Ueppigkeit gelten. In guten Jahren trägt ein einzelner Baum 400—1000 Früchte, ja, im Garten des erzbischöflichen Capitels zu Milis steht ein Baum, dessen Ertrag auf 5000 Frücht« ang«geb«n wird. In der Reifezeit sieht man zuweilen in der Krone des Baumes fast mehr Früchte als Blätter. Dabei erreicht der Baum ein hohes Alter. Der Apfel sinenbaum hat eine Lebensdauer von 50—80 Jahren, die bittere Orange aber lebt viel länger; man berichtet von Orangenbäumen, die Hunderte von Jahren alt sein sollen. Auch erreichen sie unter günstigen Verhältnissen die Dimensionen echter Waldbäume; so zerstörte der harte Frost des Winters von 1789 zu Nizza einen Baum, dessen Stamm zwei Männer nur mit Mühe um fassen konnten. Nicht minder zeigt sich der üppige Reichthum >der Frucht in der mannigfachen Verwendung, die sie gestattet. Die Medicin benutzt die Rinde zur Herstellung eines aroma tischen Getränkes; die Parfümerie gewinnt aus der Schale wie aus den Blättern Wohlgerüche; der bekannte Cura^ao-Liqueur verdankt dieser Frucht seinen Wohlgeschmack, und in Mar meladen und Getränken (Orangeade!) werden Fleisch und Schalen mannigfach benutzt. So ist es denn sehr natürlich, daß die Apfelsine sich überall der größten Beliebtheit erfreut, und der Export in neuerer Zeit enorme Zahlen erreicht hat. Die Insel Mallorca führte vor dem Auftreten der verwüstenden Gummikrankheit jährlich 50 Millionen Stück aus. In England, wo der Consum ein außerordentlich großer ist und die Apfelsine die eigentliche Winterfrucht bildet, werden im Jahre etwa 650 Millionen Stück eingeführt; allein von den Azoren kamen im Jahr« 1878 etwa 115 Millionen sogenannt« Michaelsorangen an. Ueber den Import nach Deutschland können wir leider keine genauen Zahlen angeben; es steht aber fest, daß er sich im letzten Jahrzehnt außerordentlich gehoben hat. Wir erhalten unsere Apfelsinen zumeist aus Calabrien und Sicilien; Sar dinien und die Balearen führen nach Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, auch nach Süddeutschland aus, während Süd spanien und Portugal England und Nordruropa versorgen. Dem gemäß sind Triest, Genua, Marseille, Malaga, Cadix, Lissabon, Bremen und Hamburg die größten Apfelsinenhäfen. Nun stellt freilich der Baum auch nicht geringe Anfor derungen an die Natur. Er verlangt einen fruchtbaren Boden, sorgsame Pflege und gute Bewässrrung. Daher werben zwischen den Baumreihen Gräben und Rinnen gezogen, in denen während der heißen Jahreszeit täglich einmal das Wasser von Stamm zu Stamm geleitet wird. Er verlangt ferner eine ausreichende Wärme. Nachtfröste tödten ihn. Die kalten Winter von 1789 «und von 1820 Haven die Pflanzungen in der Provence völlig zerstört. Wer darum, wenn er von den Bergen der Alpen oder Pyrenäeit südwärts zu Thale steigt, „im dunklen Laub die Gold orange" zu erblicken hofft, der irrt sich. In dem jedem Reisenden bekannten schönen Giardini am Gardasee werden die Bäume noch beim Eintritt der rauhen Witterung vorsichtig durch Dach und Wände geschützt, obwohl ihre Lage eine besonders begünstigte genannt werden muß. Erst viel südlicher, in Calabrien, am Fuße des Aetna, in Sardinien und Mallorca, in den spanischen Provinzen Valencia und Murcia treffen wir wirklick)« Orangen haine. Reiche Orangenländer sind Malta, Algier, die Azoren, Venezuela. In Südafrika wird der Baum so groß wie unsere Eichen. Amerika, das die Frucht vordem von den Bahama- Jnseln und Jamaica bezog, erzeugt sie jetzt in Florida und in Californien in großer Fülle selbst. Auch in Australien wird sie cultivirt, besonders in der Gegend von Paramatta in Neu- Süd-Wales. Die Orangen, aus denen die berühmte englische Marmelade hergestellt wird, bezieht Großbritannien zumeist aus Spanien; sie werden daher gewöhnlich „Seecka-Orangen" ge nannt. Unter der Bezeichnung „Apfelsine", die die Russen von uns übernommen haben, verstehen wir die süße Orange, die die Italiener portogsllo nennen, während wir die bittere Frucht Orange oder Pomeranze heißen. Von diesen beiden Früchten ist di« Orange in Europa die weitaus ältere. Alt aber kann auch sie nicht genannt werden. Das Alterthum kannte beide Früchte nicht. Wohl erzählt die Herkules-Sage von den goldenen Aepfeln, die der Held aus dem Garten der Hesperiden holen muhte; aber es ist mit dem höchsten Grade von Wahrscheinlichkeit nachgewiksen worden, daß man unter diesen vielbesungenen Aepfeln die seit lange in Südeuropa hei mische Quitte zu verstehen hat. Dagegen hat die Antike durch Alexander «des Großen Kriegszüge in Persien Kenntniß von einer Citrusart erhallen, die 'der Apfelsine und Orange wenigstens nahe verwandt ist. Das sind jene Medischen Aepfel", von denen Theophrast nach Berichten erzählt hat; und seine Beschreibung beweist, daß er den Citronatbaum meinte, der noch heut vielleicht in Persien selbst, sicher im benachbarten Nordindien wild wächst. Diese citrus mcckica wurde in der römischen Kaiserzeit in den Gärten der Vornehmen als Zierbaum verwandt, während der eigentliche Citronen- oder Limonenbaum erst im Mittelalter (etwa im 13. Jahrhundert) nach Südeuropa gelangt ist. Etwas früher hielt die Orange ihren Einzug in unserem Erdtheile. Ihre Wanderungen kennzeichnet am deutlichsten die Geschichte ihres Namens. Denn das Wort Orange geht in gerader Linie auf das Sanscrit zurück, wo die Frucht osA-nnno heißt. Daraus ist im Hindustan oaruuxa geworden, und die Araber lauteten das Wort in nsrnnz um. Hieraus ward im Spanischen nnranja und sodann im Italienischen orrmoia und in der Sprache der Provence orange. Wie diese Wandlungen an zeigen, ist Indien die Heimath der Orange; die Araber haben sie nach Südwestasien gebracht, und mit ihren SiogeSzügen wanderte sic nach «Syrien, Palästina, Egypten, Spanien. «Sicilien kannte sie schon 1094, da ein twmaliges Dokument schon eine Po- meranzengasse erwähnt; da» nördlicher« Italien und dir Pro ¬ vence erhielten sie erst durch die Kreuzfahrer, die sie im heiligen Lande kennen gelernt hatten. Das ist der Anfang der euro päischen Orangencultur; die Apfelsine aber war noch nicht be kannt. Auch ihre Historie vermag uns ihr Name zu erzählen, denn „Apfelsine" ist nichts Anderes als Sina-Apfel oder China-Apfel. In der That sind Südchina und Birma wohl als die Heimath der Apfelsine anzusehen, auch in den Wäldern Nordindiens und in Cochinchina soll sie wild wachsen. Nach der früher all gemeinen Annahme ist sie durch die Portugiesen nach Europa gekommen. Indessen kennt schon ein florentinischer Beschreibe der Reise Basco de Gama's den Baum und seine Cultur, die wahrscheinlich durch genuesische Kaufleute aus der Levante nach Europa gebracht worden ist. Wenn es richtig ist, -daß der be rühmte Riesenbaum im Garten des Marchese von Boyle zu Milis auf ein Alter von 700 Jahren geschätzt werden darf, so würde die Apfelsine sogar nicht diel später als die Orange in die Länder Südeuropas gelangt sein. Jedenfalls ist die oft auf gestellte Behauptung, daß der Baum im Garten Les Grafen von St. Lorenzo zu Lissabon, der seit 1548 dort blühte, den Urbaum der europäischen Apfelsinencultur darstelle, nicht zu treffend. Hingegen ist es zweifellos, daß die Portugiesen im Anfänge des 16. Jahrhunderts die Apfelsine aus China mit brachten. Portugal ist noch heute ein großes Apfelsinenland, und die Bezeichnung portogallo, die sich auch bei Len Neu griechen, Albanesen und Kurden wiederfindet, weist auf den Einfluß und die Bedeutung Portugals für die Apfelsinencultur hin. Treffend und anschaulich charakterisirte V. Hehn die histo rische Entwickelung dahin, daß in den Villen der Humanisten der Renaissance die Pomeranze blühte, daß aber süße Orangen erst die schwarzen Väter Jesuiten aus den immergrünen Zweigen brachen. Trotz dieser historischen Jugend 'hat sich in wenigen Jahrhunderten die Cultur so außerordentlich entwickelt, daß heute die Apfelsine im besten Sinne eine Volksfrucht geworden ist, die man, Dank der Fruchtbarkeit des Baumes, selbst in den Ländern des Nordens zu billigstem Preise erlangen kann. Tie Gärtner haben sich des zu Abweichungen sehr geneigten Baumes mit Eifer angenommen, die fürstliche Mode, die Orangerien mit kugelrund verschnittenen Bäumen zu halten, unterstützte die Cultur, und zahlreiche Specialitäten entstanden. Risso, der hervorragende Kenner der citruo, zählt nicht weniger als 43 süße Orangen- oder Apfelsinenarten auf. Eine dieser Specialitäten, die sogenannte Mandarine, die von Malta nach Sicilien gekommen zu sein scheint, hat sich erst in unserem Jahrhundert in dm Vordergrund geschoben und gewinnt durch ihren feinen würzigen Geschmack sehr schnell an Terrain. Aber ob Mandarine oder Sevilla-Orange, ob Messina- oder Malaga- Apfelsine, — Alle zeichnen sich durch Wohlgeschmack. Duft und Schönheit wunderbar vor allen anderen Früchten aus, und Alle sind in hohem Maße gesund. Und der Leserin wollen wir noch verrathen, daß ein jeweiliges Einbeißen in rothe Apfelsinen die Lippen frisch roth erhalten soll.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite