Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980203019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-02
- Tag 1898-02-03
-
Monat
1898-02
-
Jahr
1898
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Morgen-Ausgabe eipMr.TliMlllt Druck und L«rlag voa E. Pol, in Leipzig. S2. Jahrgang Donnerstag den 3. Februar 1898. Di» Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. di» Abead-Au-gabe Wochentag- um b Uhr. Ännahmrschluß sLe Äuzeigen: Ab end-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Margen.Au«gabe: Nachmittag« -Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» smd stet« an die Expedition zu richte«. Ne-action rind Lnr-itio«v Johann»«,affe 8. Di« Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet voa früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Utto Klemm's Sortim. (Alfrel Hahn), Universitätsstraße 8 (Paulinum), Laut» Lüsche. Ditdarinenstr. 1< Part- und KömgSplatz 7. Anzeiger. AmtMatt öes Aömgliche» Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Bezug-Preis tzt d« Hauptexpedtti», oder den im Etatzs. bezirk »nd den Vororten errichteten Aus- aavestellen abgeholt: vierteilü-rlich^l-.öO, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau- »t S SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vtertestährlich tz.—. Direkt» täglich« Krruzbandiradung in« Ausland: monatlich 7.L0. A«zergeu»«rers die S gespaltene Petitzche 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionssmch läge« spalten) üO^z, vor den Familiennochrichten i6 gespalten) -0^. Erobere Schriften laut unserem Preis- verzeichnitz. Tabellarischer und Ztffernsah nach höherem Tarif. Llenkal-demokratische Heldenthaten. X. Während die Demokraten in Württemberg im Begriffe sieben, den Schwabenstreich zu begehen, durch Ab- lebnung der Beseitigung de« Stichwahlsystem« die von ihnen selbst angestrebte Wahlreform unmöglich zu machen, beweist die neue klerikal-demokratische Mehrheit in Baden ihre RegirrungSfähigkeit. Die zweite badische Kammer hat am l. d. M. mit 29 gegen 28 Stimmen wirklich den lächerlichen Antrag der Petitionscommission angenommen: Di» Petition der Ortsgruppen der Deutschen FriedenS- grstllschaft zu Mannheim, Pforzheim, Offenburg, Konstanz und Lörrach wegen Reform des Schulunterrichte« ist der grotzherzoglicheu Regierung zur Kenntnißnahme zu überweisen in dem Sinne, daß die Geschichts- und Lesebücher der Volks- und Mittel schulen einer sorgfältigen Prüfung und Sichtung des Stoffes unterzogen werden, und zwar nach folgenden Grundsätzen: 1) alle« chauvinistische Beiwerk ist fernzuhalten; 2) die Geschichte der Kriege ist nur in ihren allgemeinen Umrissen zu soffen; 3) die Cultur- geschichte der Völker ist in verstärktem Maße zu pflegen. Die Angelegenheit ist von unS schon berücksichtigt worden. Die PetitionScommission hat bekanntlich den Beschluß gefaßt, die Petition der Regierung zu überweisen. Als darauf nicht nur in der national-liberalen Presse, sondern auch in einigen klerikalen Blättern Badens, des Landes, dem noch 1870 vor dem Kriegsausbruch von französischer Seite ausdrücklich mit Verwüstung gedroht wurde, im Ernst und in wohlverdientem Hohn der Unsinn und die Würdelosigkeit jenes Beschlusses dargelegt ward, ist dies nicht ohne Wirkung auf einen Theil der Mehrheit geblieben. Man erklärte jetzt, daß man sich die einzelnen Ausstellungen der FriedenSgesellschaftcn an den badischen Schullesebüchern nicht aneianen wolle; in der Plenar debatte sprach einer der klerikalen Redner, der Abg. Kopf, voll der Verlegenheit, die sich allmählich eines Theiles der Mehrheit bemächtigt hatte, die geflügelten Worte: Die Petition verlange, daß das chauvinistische Beiwerk aus den Schulbüchern beseitigt werde. Die Commissionsmehrheit da- gegen sage, wir wissen nicht, ob solches Beiwerk drin ist (Grobe Heiterkeit bei den Liberalen) und deshalb verlang« sie nur, daß solches Beiwerk ferugehalten werde. (Ironisches Sehr gut! bei den Liberalen.) Das „chauvinistische Beiwerk" besteht, wie wir mittheilten, nach der Meinung der FriedenSgesellschaftS-Petition u. A. varin, daß in einem Geibel'schen Gedichte vom „Erbfeind" die Rede ist, ferner in der Schilderung Varnbagcn's vom Tode Schwerin s in der Schlacht bei Prag, in dem Freilig» ratb'schen Gedichte vom Trompeter von Gravelotte, in einem Aufsatz des Forlsckrittsmanns Beitzke über die Freiheits kriege und in der Schilderung der Schlacht bei Sedan von — Moltke! Nicht nur die nationalliberalen Redner, wie Fieser, Binz u. A. wiesen die Zumuthung, derartige Stücke als „chauvinistisch" auS den Lesebüchern zu entfernen, so nachdrücklich zurück, daß gleich dem oben citirten klerikalen Redner der Demokrat Heimburger zu den schwächlichsten Verlegenheitsphrasen, zu halber DeSavouirung der Einzel heiten der Petition, seine Zuflucht nahm; auch ein CentrumS- niitglied, Birkenmayer, trat kräftig gegen den Unfug auf, in dem er u. A. sagte: Der Chauvinismus sei nicht bei unS, sondern jenseits der Vogesen zu finden, wo viele Leute es heute noch nicht dazu ge- bracht haben, den Frankfurter Friedensvertrag anzuerkennen. In dem Bericht seien Autoritäten citirt zu Gunsten des Friedens, und Redner sei dem Fürsten Bismarck auch dankbar dafür, daß «r nach Gründung des Reichs seine ganze Kraft für die Erhaltung des Frieden» eingesetzt habe. Je stärker das deutsche Reich sei, desto erleuchteter seien die Franzosen. (Heiterkeit.) Nie habe Redner als Knabe eine größere Freude gehabt, als wenn von deutschen Heldenthaten erzählt oder gelesen wurde. Er habe einen alten Pfarrer in Breisach gehabt, der als Land- wehrofficirr die Kämpfe gegen die Franzosen mitgemacht habe. Wenn dieser erzählt habe, wie die Deutschen den Feind schlugen, da habe er immer sich gesagt: So machen wir eS auch einmali Napoleon III. habe gesagt, wenn die Franzosen nach Deutschland kämen, fänden sie überall die glorreichen Spuren ihrer Väter. Damit habe er wohl unsere verbrannt« Pfalz und die verwüstet«» Schlösser und Dörfer gemeint. Kein Schweizer werde Winkrlried, kein Amerikaner Washington auS seinem Lesebuch verdrängen. Und der Papst selbst habe die Türken zwar nicht den „Erbfeind", wohl aber den „Erzfeind" der Christenheit genannt und das Abendland zum Kampf gegen ihn aufgerufen. (Sehr richtig!) In Uhland'S schönem Gedicht von den „Schwabenstrrichen" stehe der Satz: „Zur Rechten sah man, wie zur Linken, «inen halben Türken heruntersinken." (Heiterkeit.) Da« müsse auch aus der Schule hinaus, wenn man der Ansicht des Berichterstatters folgen würde! Chauvinismus werde bei uns nicht getrieben. Daß Winkelried sich Speere in den Leib drückte, sei doch noch grausiger als die Kugeln, die Schwerin trafen. Der Antrag der Commission tbue seinem Gefühl förmlich wehe. Eigentlich gehöre es, die Petition zurück zuweisen, da sie nicht ordnungsgemäß begründet sei. Er hoffe, daß auch unsere Kinder sich freuen werden, daß sie in der Schule von deutschen Heldenthaten zu hören bekommen haben. (Lebhafter Beifall.) Es half aber Alles nicktS: 29 ultramontanc, demokratische und socialdemokratische Pickwickier beschlossen gegen 28 ernst hafte Leute die Ueberweisung der Petition an die Regierung. Nach den gegebenen Beispielen, was alles als chauvinistisch angesehen wird, kann man darauf schließen, daß überhaupt jeder patriotische Beitrag in gebundener oder ungebundener Rede auS den Schullesebüchern entfernt würde, wenn die Regierung der von der zweiten Kammer gegebenen An regung Folge leistete. Da bisher das deutsche Volk sich durch den Inhalt patriotischer Bücher noch nicht zum Chauvinismus hat hinreißen lassen, so kann der Petition nur der Gedanke zu Grunde liegen — sofern sie überhaupt von einem Gedanken, und nicht von höchst unklaren Em pfindungen ausgeht — den Franzosen die deutsche Friedfertig keit zu beweisen. Nun muß man aber die französischen Schullesebücher kennen, um zu begreifen, wie unangebracht dieses Entgegenkommen ist. Die französischen Schullesebücher für die Volksschulen wimmeln geradezu von gehässigen Artikeln gegen Deutschland. Hier wild nicht nur die Liebe zum Vater lande gepredigt, wogegen sich nichts einwenden läßt, sondern die Feindschaft gegen den früheren Gegner. In den Knaben soll das leidenschaftliche Gefühl erweckt werden, Frankreich in seinem früheren Umfange wieder herzustellen (rekailö la Mrie). Gegenüber einem solchen Verhalten der französischen Schule, den Patriotismus aus der deutschen Schule zu verbannen, wäre eine Feigheit und Kläglichkeit. Statt deS Patriotismus soll, so verlangt es die Mehr heit der zweiten badischen Kammer, die Culturgeschichte ge pflegt werden. Gesetzt den Fall, es würde ein Culturgeschichts- buch für die Volks- und Mittelschulen neu ausgearbeitet, so fände eS vor den Augen deS Centrums selbstverständlich ebenso wenig Gnade wie die bisherigen „chauvinistischen" Geschichtsbücher. Denn das ist doch ausgeschlossen, daß z. B. die Cultur- und Sittengeschichte der katholischen Geist lichkeit im Mittelalter oder die Haltung des Papstthums gegenüber Culturträgern wie Galiläi im klerikalen Sinne zurechtgestutzt und in dieser Gestalt in das neue Cultur- geschichtSbuch ausgenommen würden. DaS aber zu fordern ließe sich daS Centrum, unbekümmert um seine demokratischen Bundesbrüder, natürlich nicht entgehen. Nun, die badische Regierung wird die Demokraten der Verlegenheit entziehen und die Petition zu den Acten legen. Das badische Volk aber, das von dieser Mehrheit Wohl noch mehr derartige thörichte Leistungen zu erwarten hat, wird auf die Herausforderung der gesunden Vernunft und de« nationalen Anstandes hoffentlich bei den nächsten Wahlen die richtige Antwort geben. Conservativer Parteitag Deutschlands. (Unberechtigter Nachdruck vom Verfasser verboten.) H. kr. Dresden, 2. Februar. Von bekannten Persönlichkeiten sind u. A. erschienen: der Vorsitzende des Bundes der Landwirthe Abg. v. Plötz-Döllingen, Graf v. Harrach-BreSlau, General der Cavallerie a. D. v. Kirchbach-Dresden, Generallieutenant a. D. v. Zeschau- Dresden, Hosrath vr. Mehnert-Dresdcn, v. Jtzenplitz-Breslau, das Herrenhaus-Mitglied Frhr. v. Durant-Baranowitz, Abg. Professor vr. Jrmer-Berlin. Kurz vor Beginn der Verhandlungen erscheinen der Polizeipräsident Le Maistre-Dresden und Bürgermeister Leupold- Dresden. Gegen V--72 Uhr Vormittags eröffnete der Vorsitzende des Local- comitSS, Hosrath vr. Mehnert-Drcsden, den Parteitag. Redner führte aus: In vergangener Nacht hat in hiesiger Stadt ein heftiger Sturm getobt; es war das so recht ein Bild von unseren gegen wärtigen Partciverhältnissen. Auch die conservative Partei wird von einem furchtbaren Sturme umtobt. Feinde ringsum. Wir können mit Stolz sagen: „Viel Feind', viel Ehr', viel Pflichten!" (Bravo.) Unsere Gegner haben unS schon so manchmal todtgesagt. Sie haben uns längst zum alten Eisen geworsen. Aber trotzdem wird die konservative Partei von allen Seiten aufs Heftigste bekämpft. Die Socialdemokratcn bekämpfen am heftigsten die conservative Partei, weil sie ganz gut wissen, daß diese Partei das festeste Bollwerk gegen den Umsturz ist. (Rus: Sehr richtig!) Die conservative Partei ist im tosenden Meere der Parteien der Fels, an dem die Wellen der demagogischen und demokratischen Brandung zerschellen werden. (Lebhaftes Bravo.) Wir sind nach wie vor die festesten Stützen der Monarchie. Der Redner schließt mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser und den König von Sachsen. Auf Vorschlag des LandeSdirectors Jrhrn. v. Mantenffel- Crossen wurde sodann beschlossen: an den Kaiser, den König von Sachsen und an den Fürsten Bismarck Huldigungstelegramme zu senden. Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildete „Die all gemeine Stellung der Partei". Der Referent, Freiherr v. Manteuffel, äußerte sich ungefähr folgendermaßen: Mit der freiconservativen Partei werden wir nach wie vor in den meisten Fragen Zusammengehen können. Die nationalliberale Partei hat zweifellos eine Wandlung nach rechts gemacht. Wir können do« nur mit Freuden begrüßen. Ich habe die lieber- Zeugung, >n den nächsten Reichstag werden nur diejenigen Nationallibcralcn einziehen, die auf dem rechten Flügel ihrer Partei stehen. Die sogenannten Manchesterleute in der national liberalen Partei haben im Volke keinen Anhang. Ich gebe mich daher der Hoffnung hin, daß wir auf die Unter stützung der nationallfberalen Partei in den meisten wirthschaft- lichen und nationalen Fragen rechnen können. Das Centrum ist bekanntlich im Reichstage die ausschlaggebende Partei. Ich habe aber leider wenig Hoffnung, daß es uns gelingen wird, mit der Centrumspartei Hand in Hand zu gehen. Nicht in dem ver schiedenen Glauben, sondern in dem Umstand, daß die demokratische Richtung in der Ccntrumspartei immer mehr die Oberhand ge winnt, liegen die Trennungspuncte zwischen uns und der Centrums. Partei. Ich gebe allerdings die Hoffnung nicht auf, daß die katholische Wählerschaft es nicht weiter dulden wird, daß die Centrumspartei mit der Socialdcmokratie Hand in Hand geht. Unser Kampf gilt, wie bereits Herr Hosrath vr. Mehnert hervor- gehoben, in erster Reihe der Socialdemokratie. Die conservative Partei ist das festeste Bollwerk gegen die Socialdemokratie. Des halb ist es unsere Pflicht, die conservative Partei möglichst zu stärken und so viel als möglich Bundesgenossen hcranzuziehen, um die Socialdemokratie aus Tod und Leben zu bekämpfen und zu besiegen. Die Socialdcmokratie ist Gegnerin der christlichen Welt anschauung, sie verhöhnt und verspottet alle Einrichtungen des Christenthums; die conservative Partei ist von jeher das festeste Bollwerk von Thron und Altar gewesen, daher ist sie auch in erster Reibe berufen, den Kampf gegen die Sociatdemokratie zu führen. Ich gestehe der Socialdemokratie nicht daS Recht zu, an der Gesetzgebung Theil zu nehmen. (Beifall.) Die Gesetzgebung hat den Zweck, den Staat zu erhalten, die Sociatdemokratie hat aber die ausgesprochene Absicht, den Staat zu stürzen und ein Chaos zu schaffen, in dem man vielleicht gut im Trüben fischen kann, das aber dem deutschen Vaterlande, ja der ganzen Welt zum größten Verderben gereichen würde. Bezüglich der freisinnigen Partei mache ich keinen Unterschied zwischen der männlichen und weiblichen Linie. Fürst Bismarck hat die freisinnige Partei einmal die Vorfrucht der Sociatdemokratie genannt. Nun, wenn man die Frucht vernichten will, dann darf man die Vorfrucht gar nicht anbauen lassen. Leider ist die Vorfrucht bereits angebaut, es gilt daher, die freisinnige Partei, die in den meisten Fällen die Helferin der Sociatdemokratie ist, ebenso entschieden wie die Sociatdemokratie zu bekämpfen. Was nun unsere Stellung zu deu Antisemiten anlangt, so ist leider zu constatiren, daß dieselben fast ausschließlich in conservative Wahlkreise eingedrungen sind. Wohl giebt eS eine Reihe Antisemiten, die mit der conservative» Partei viel BerührungSpuncte haben. Allein im Großen und Ganzen können wir sagen: die einzige antisemitische Partei ist die conservative Partei (Beifall), denn die sociale Reform partei und di« Radauantisrmiten haben längst auf gehört, conservativ zu sein. Die Radauantifemiten haben längst den Boden des Christenthums verlassen. Diese werde» daher ebenfalls bei den Wahlen zu bekämpfen sein. Was den Bund der Landwirthe anlangt, so ist es natur- gemäß, daß derselbe lediglich wirthschastliche Ziele verfolgt. ES besteht daher die Gefahr, daß die Mitglieder des Bundes der Landwirthe für den antisemitischen Caudidaten stimmen werden, wenn derselbe verspricht, für die Forderungen des Bundes der Land wirthe einzutreten. Für den Bund der Landwirthe muß maß gebend sein, daß in einem Wahlkreise ein conservativer Candidat aufgestellt ist. In solchem Falle ist es Pflicht der Mitglieder Lcs Bundes der Landwirthe, für Len conservative» Candidaten zu stimmen. In zweiter Linie muß bei der Candidatensrage die Chancenfrage des Candidaten maßgebend sein. Von Gegnern ist mit einer gewissen Schadenfreude auf die Worte des Fürsten Bismarck hingcwiesen worden. Ich habe das Gefühl, daß Fürst Bismarck in seiner bekannten Rede nur hat auSsprcchen wollen, daß er zur konservativen Partei gehört. (Beifall.) Ei» Partei angehöriger aber, insbesondere ein Mann von der Bedeutung des Fürsten Bismarck, hat zweifellos daS Recht der Kritik. An uns ist es, diese Kritik zu beherzigen und darauf bedacht zu sein, die gerügten Fehler zu beseitigen. (Beifall.) Ich sreue mich, constatiren zu können, daß unsere Negierung in neuerer Zeit wieder eine starke, selbst- und zielbewußte ist. Pflicht der conservativen Partei ist es, dieser Regierung eine feste Stütze zu fein. Wir sind weit davon entfernt, an der Verfassung zu rüttel». Nicht einmal ist dies der conseryativen Partei eingefallen, einst aber unseren Gegnern; ich erinnere nur an die Diätenfrage. Eine starke Regierung bedarf einer Stütze an einer festen und starken conservativen Partei. Mit einer qouvernementalen Partei kann die Regierung nichts ansangeu. Die Regierung muh sich aus eine Partei stützen können, die eine» festen Boden im Volke hat. Eine gouvernementale Partei kann aber niemals Boden im Volke gewinne», dies kann nur eine starke conservative Partei. Die conservative Partei kann Remedur schaffen, wenn die Regierung einmal einen Fehler macht, sie kann aber nur einer starken, selbst- und zielbewußten, niemals aber einer schwäch lichen, schwankenden Regierung eine heilsame Stütze sein. Redner ersucht schließlich, die beiden (schon gestern im „Leipz. Tagebl." mitgetheilten. Red.) Resolutionen anzunehmen. (Fortsetzung folgt.) * Dresden, 2. Februar. (Telegramm.) In der Dis- cussion sprachen Rechtsanwalt Meher-Tilsit, Redacteur Kro- pa t s check-Berlin, Freiherr von Durant und Rechtsanwalt Schenk-Magdeburg, woraus die Resolutionen mit einem Zusatze Meher's angenommen wurden. Es folgt das Referat des Rechtsanwalts Klasing über Social- nnd Wirthschasts- Politik. In der Debatte über dieses Thema gab der Vor sitzende des Bundes der Landwirthe, von Plötz, die Er klärung ab, daß der Bund der Landwirthe, der durch und durch conservativ sei, niemals etwas gegen die conservative Partei unter nehmen und die conservativen Candidaten in erster Reihe bei den Wahlen unterstützen werde, sobald dieselben di« Gewähr gäben, für die Forderungen des Bundes der Landwirthe einzutreten. Von einer Verquickung des Bunde« mit den Antisemiten könne keine Rede sein. Der Bund, der unpolitisch sei, werde aber auch diejenigen national liberalen und antisemitische» Candidaten unterstützen, welch« erklären, die Interessen des Bundes fördern zu wollen. * Dresden, 2. Februar. Nachdem auch die übrigen Resolutionen angenommen, wurde der Parteitag geschlossen. Eingegangen ist ein Telegramm des Fürsten Bismarck, der der Partei die beste» Wünsche ausspricht. ^enilletsn. Etwas von HaifischMnen. Nachdruck verboten. Am Mittwoch voriger Woche habe ich das Vergnügen gehabt, meinen gütigen Lesern, — auf Leserinnen wegen ist kaum zu hoffen — über die Haie im Allgemeinen und über den Eishai im Besonderen kurz zu berichten. Es war dabei auch von dem Gebiß und den Zähnen der Seeadvocaten die Rede, und auf diese möchte ich noch einmal zurückkommen und zwar etwas eingehender als dort thunlich war. Diese Zähne sind, bas sei kurz wiederholt, dreieckig, mehr oder weniger gestreckt mit scharfer Spitze, gerade oder in verschiedenem Grade auf dem Blatt gebogen. Sie bestehen aus zwei Theilen, der glänzenden pfeilspitzenförmigen Krone, deren Ränder schnei dend glatt oder fein gesägt sind, und dem Sockel. Dieser, den man auch die Wurzel nennen könnte, obwohl er nur im Zahn fleisch steckt, ist etwas verdickt, rauh und am Hinterrande schwächer oder stärker ausgeschweift. Gegenüber den knorpeligen Skelettheilen sind die Zähne, wie die, freilich nicht allen Haifischarten zukommenden Floffenstacheln, außerordentlich hart. DaS ist die Ursache gewesen, daß sie sich als Versteinerungen erhalten haben, während alle übrigen Reste der oft gewaltigen vorweltlichen Vertreter der Haifischsippe ver schwunden sind. Man findet jene Zähne in mannigfacher Größe in verschiedenen MeereSformationen: abgesehen von mehr einzelnen Vorkommnissen in sehr alten Schichten, Kohlenschiefer u. s. w., sind sie stellenweise sehr häufig, wenn auch nur klein, im Muschel kalk und besonder» in d«n grünlichen, etwa» sandigen, schiefer artigen Platten, die zwischen dem eigentlichen Muschelkalk und dem nächsten Horizont deS s. g., auS Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper bestehenden Triaseln dem Keuper liegen. Zahlreicher werden sie im Jura, namentlich im schwarzen, oder Lia», der besonders schön bei Boll in Württemberg ansteht, in gewissen Schichten der Kreide und in den tertiären Kalkschiefern. Als die große englische Expedition mit S. M. Schiff „Challenger" die Tiefen der Meere untersuchte, fand man im Stillen Ocean häufig in den Schleppnetzen, die auf dem Seeboden in einer Tiefe von 3000—6000 Metern und mehr hingezogen worden Warrn, eigenthllmliche, concentrisch geschichtete Steinknollen. Zerschlug man sie, so stellte sich heraus, daß sie einen Kern ent hielten, nämlich ein Stück von unterseeischen vulkanischen Aus brüchen herührenden Bimsteins, oder ein knöchernes, äußerst festes zur Aufnahme des Gehörorgans dienendesFelsenbein von einem Delphin, oder endlich am häufigsten einen ungeheuren Hai fischzahn. Man weiß nicht genau, wie jene Steinknollen ent stehen, und ebenso wenig kann man mit Sicherheit entscheiden, ob die darin enthaltenen organischen Reste von Thieren der Ge genwart oder der Vorwelt herrühren. Für uns kommt es hier darauf auch gar nicht an, uns genügt die Thatsache, daß jene Zähne da sind und bei ihrer quarzartigen Härte alle weiteren Reste der betr. Leichen überdauert haben. Das Volk, da» auch für scheinbare Kleinigkeiten in der umgebenden Natur viel schärfere Augen hat und besonders hatte, als man denken sollte, und oft genug als die Mehrzahl der sog. Gebildeten, nannte in Deutschland die fossilen Haifisch zähne schon vor Jahrhunderten „versteinerte Vogelzungen", die Gelehrten bezeichneten sie als „glossopetrscr", „Zungensteine", oder als „fossile Schlangen-, Natter- oder Otterzungen". Der Vergleich, der in der ursprünglichen, volkSthümlichen Bezeichnung liegt — sie wurde später, wie das öfter geschehen ist, durch die gelehrte verdrängt —, ist der sehr viel bessere. Mit den Zungen gewisser Vögel, z. B. der Hühner, ist die Aehnlichkeit der versteinerten Haifischzähne weit bedeutender als mit denen von Schlangen. Sie sind dreieckig, spitz und hinten recht» und links in einen Zipfel ausgezogen, genau wie die Zunge einer Henne. Die Zungen der Schlangen hingegen sind lang, außer ordentlich schlank und vorn in zwei feine, als Fühlhörner wir kende Tastorgane tirf gespalten. Der Vergleich zwischen Schlangenzungen und Haifischzähnen ist sehr gesucht, er soll aber auch weniger auf die äußere Aehn lichkeit zielen, er hat vielmehr eine tiefere Bedeutung. Und hiermit enthüllt sich uns ein interessantes Stückchen Cultur-, um nicht zu sagen Kirchengeschichte. Das Aiterthum, in noch höherem Grade das Mittelalter, und die Leute aus dem Volke hin und wieder noch heutigen Tages, entnahmen und entnehmen die Beurtheilung von Natur gegenständen auf ihren Werth als Heilmittel hin, ein vor Zeiten sehr wichtiges Ding, die Anzeichen aus deren äußerer Beschaffen heit, aus ihrer Form, Farbe u. s. w., kurz, aus sogenannten „Signaturen". Die uralte Neigung zu der Anschauung, daß similia similibus eurantnr, Aehnliches durch Aehnliches geheilt würde, geht, wenn auch in etwas anderem Sinne wie bei den späteren Homöopathen, durch die ganze gelehrte und volks- thümliche Medicin des Alterthums und des Mittelalters bis tief in unser Jahrhundert hinein. Ein einschlagendes Beispiel — allerdings das stärkste, das ich kenne — möge zur Erläuterung dienen. Paullini empfiehlt in seiner „heilsamen Dreck apotheke", einem seiner Zeit berühmten Buche aus dem Anfänge des 18. Jahrhunderts, gegen die r o t h e Ruhr Folgendes: Rosen, Granatblüthen, rothe Corallen, gekochte Krebsschalen, rothen ar menischen Bolus und gedörrtes Blut pulverisirt und in Rothwein gekocht, als Trank. Es fehlt nur noch, daß die Medicin dann in einem roih tapezierten Zimmer dem auf einem aus Fuchspelz bestehenden Lager liegenden Patienten von einem rothhaarigen Socialdemokraten aus einer rothen Fayence- oder Wedgewood- Tasse, wenn ein Morgen- oder Abendroth am Himmel steht, eingeflößt wird! Auch auf die versteinerten Haifischzähne hatten die Wunder- Apotheker, und diesmal sehr wahrscheinlich geistlichen Standes, ist doch das Wunder des Glaubens liebstes Kind, ihre Augen geworfen. Die Sache hängt folgendermaßen zusammen: Die Apostelgeschichte erzählt (im 28. Hauptstück), daß Paulus kurz nach der Landung auf Melite (Malta) von einer Giftschlange gebissen worden sei, daß die anwesenden Ein geborenen deshalb seinen Tod erwartet hätten, und sehr ver wundert gewesen wären, als der nicht eingetreten wäre. Der Apostel sei drei Monate auf der Insel geblieben und habe allerlei Kranke geheilt. Die Legende weiß, ohne Angabe von Quellen, — über die sie ja immer erhaben ist, soll sie doch selbst Quelle sein, — noch allerlei Weiteres zu berichten. Paulus habe während der Zeit seines Aufenthaltes auf Malta sein Nachtquartier in einer Grotte genommen und am Tage mit so lauter Stimme gepredigt, daß man seine Worte auch auf den benachbarten Inseln gehört habe. Ferner habe er allen Schlangen der Insel ihre giftigen Eigenthümlichteiten genommen, so daß es auf Malta seit der Zeit keine Giftschlangen mehr gäbe. Er habe die Zungen der Schlangen in Stein verwandelt. Wenn diese rührende Geschichte wahr ist, so beweist sie zwar, daß Paulus ein wunderthätiger Heiliger war und von seiner Gabe auch bei kleinlichen Dingen Gebrauch zu machen pflegte, aber daß er als Zoolog nur auf der Höhe seiner Zeit stand. Diese Zeit nämlich — sie dauerte nach Paulo noch länger als 16 Hundert Jahre — glaubte, die Giftschlangen stächen ihre Schlachtopfer mit ihrer Zunge. Das ist, wie setzt jedes Kind weiß, Unsinn, und es ist nicht allzu wahrscheinlich, daß sich das Ding zu Pauli Tagen und auf der Insel Malta anders verhalten haben sollte, als jetzt überall da, wo es Giftschlangen giebt, oder wo sie hingebracht werden. Eine Verlegung der giftigen Eig-nschaften von der Zunge in die Zähne innerhalb einer immerhin so kurzen Zeit wäre mehr, als der stärkste Darwinismus vertragen könnte! Nun, das ist eine Sache für sich, und Jeder glaubte hierin, was ihm gefällt. Ich lasse Jedem seine (Überzeugung in natür lichen und übernatürlichen Angelegenheiten, muß aber dringend bitten, mir auch die meine zu lassen, wa» außerdem auch in sofern leichter ist, al» sie sich blo« auf natürliche erstreckt. Auf Malta, eS gehört, so viel ich weiß, wesentlich zur Kreide formation, finden sich auch fossile Haifischzähne, und unter An derem vermuthlich auch in der Höhle, in der P a u l u S während seines Aufenthalter auf der Insel sein Nachtquartier genommen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite