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Reklamen unter demRedactionsstrick (4-»» spalten) ü0^, vor den Familteanachrtchrea (ü gespalten) 40^. Größere Schriften laut anferem Preis- verzetchniß. Tabellarischer uud Ztfferusatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Poftbeförderung SO.—, mit Postbeförderuug ^l 70.—. Druck uud Verlag von E. Polz kn Leipzig. Annahmeschluß füe Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen«Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. 92. Jahrgang. Der Freiburger Exodus. Die Collectivdemission von neun an der Universität Freiburg in der Schweiz angestellten deutschen Professoren hat in der Presse ein lebhaftes Echo gefunden. Die zahlreichen Erörterungen, die der Vorgang in schweizerischen und deutschen Blättern erfahren hat, in Verbindung mit manchen höchst charakteristischen Einzel heiten, die im Laufe der letzten Wochen in weitere Kreise durchge- sickert sind, haben das Dunkel, das ursprünglich das Ereigniß umhüllte, schon heute bedeutend gelichtet; vollständige Klarheit wird man freilich, wie wir bereits früher hervorgehoben haben, erst von der in Aussicht gestellten actenmätzigen Darstellung der zuriicktretenden Docenten erwarten dürfen. Während in verschiedenen Zeitungsartikeln, die aus d:m Kreise der zurüctbleibenden reichsdeutschen Professoren stammen, wiederholt die Behauptung aufgestellt worden ist, daß der Auf sehen erregende Schritt ihrer Collegen und Landsleute im We sentlichen auf persönliche Reibereien zurllckzuführen sei, ist von Seiten der demissionirenden Herren aufs Bestimmteste erklärt worden, daß die ausschlaggebenden Gründe nicht rein per sönlicher, sondern principieller Natur sein, speciell sind an einer Stelle nationale Gesichtspunkte geltend gemacht worden. Schon dem Fernstehenden muß einleuchten, daß das ge schloffene Vorgehen einer größeren Anzahl von Professoren, unter denen sich mehrere Familienväter befinden, durch private Differenzen nicht ausreichend aufgeklärt wird. Für den, der über die Freiburger Verhältnisse r;nd ihre Entwickelung in den letzten Jahren auch nur einigermaßen orientirt ist, liegt die Unzulänglichkeit dieser Behauptung ohnedies offen zu Tage. Die Universität Freiburg (der bis jetzt übrigens noch die medicinische Facultät abgeht) will ein internationales Institut sein. Deutsch, Französisch und Lateinisch (in der theologischen Facultät) sind die Vortragssprachen. Unter den Docenten finden sich außer Deutsch- und Wälschschweizern (Letztere stammen fast durchweg aus dem Canton und bekleiden die Professur meist nur im Nebenamt) in starker Anzahl Reichs deutsche, Slaven (fünf Professoren und vier Assistenten) und Franzosen (10); nur vereinzelt sind Spanien, Jtalirn, Belgien, Luxemburg, Holland und Ungarn vertreten. Die Stu dentenschaft ist nach Ausweis des Personalverzeichnisses ganz überwiegend deutsch: unter den 141 Schweizer Studenten dominiren die Deutschschweizer, von den wälschen Eantonen kommen nur Freiburg selbst und Tessin in Betracht. Das deutsche Reich ist durch 110 Studenten vertreten. Die Zahl der französischen Studirenden ist von Anfang an so gut wie Null gewesen. Dagegen stellen die Bulgaren ein verhältniß- mäßig starkes Contingent (23); außerdem hat Rußland 19 Hörer geliefert, die ihrer Mehrzahl nach wohl polnischer Nationalität sein dürften. Sie sind bis auf zwei in der neu gegründeten naturwissenschaftlichen Facultät inscribirt. Da von Frankreich niemals ein nennenswerther Zuzug er wartet werden kann, bleibt die Anstalt fast ausschließlich auf die deutsche Schweiz und auf Deutschland angewiesen. Nur wenn sie hier Wurzel fassen kann, darf sie überhaupt auf eine gedeihliche Entwickelung rechnen. Die Freiburger Regierung scheint diese Thatsache und ihre fundamentale Bedeutung auch vor acht Jahren bei der Gründung des Instituts richtig erkannt zu haben. Sie hat deshalb nicht nur vorwiegend deutsche Professoren berufen, sondern auch den Berufenen alle wünschenswertsten Zusicherungen gemacht, daß die Universität ganz nach deutschem Mu st er eingerichtet werden und in allen inneren Fragen eine vollständige Autonomie genießen solle. Diese Forderungen hat die Mehrzahl der damals I gewonnenen reichsdeutschen Docenten, wie den „Münch. I N. N.", denm wir diesen Artikel entnehmen, bestimmt versichert j worden ist, als Vorbedingung jeder Verständigung gestellt. Auch die äußere Unabhängigkeit der Professoren hat man zu sichern versprochen, indem man ihnen (im Gegensatz zur Praxis der meisten schweizerischen Universitäten) nach Ablauf des ersten fünfjährigen Vertrages Anstellung auf Lebenszeit schrift lich und mündlich durch den officiellen Vertreter der Freiburger Cantonalregierung, Herrn Nationalrath Decurtins, zugesagt hat; einzelne Herren sind sogar im Besitze notarieller Contracte. Anfangs hatte es auch den Anschein, als ob die übernom menen Verpflichtungen von der Regierung getreulich erfüllt werden sollten. Zwar mit der Anstellung auf Lebenszeit schien man auf Schwierigkeiten zu stoßen: den in Freiburg Eintreffen den ward die überraschende Mittheilung gemacht, daß die Ver fassung des Cantons lebenslängliche Anstellung überhaupt nicht gestatte; doch wurden zugleich die beruhigendsten Versicherungen gegeben, daß man sobald wie möglich die Hindernisse aus dem Wege räumen und das gegebene Versprechen einlösen werde. In der Ausarbeitung der Universitätsverfassung ließ man dem Professorencollegium völlig freie Hand; so sind denn auch Statuten zu Stande gekommen, die von dem Vorbild der deutschen Universitäten in keinem wesentlichen Zuge ab weichen. Im Anschluß an die Statuten ward ein „Grund gesetz" ausgearbeitet, das die rechtliche Basis der ganzen Organisation bilden, die Competenzen der staatlichen und aka demischen Behörden abgrenzen, die Anstellungsverhältnisse regeln und eine Disciplinargerichtsbarkeit schaffen sollte. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß sich, wie versichert wird, ein fran zösischer Jurist um die Ausarbeitung dieses Entwurfes nicht geringe Verdienste erworben hat. Während jedoch die Statuten von der Erziehungsdirection dem Staatsrath vorgelegt und durch diesen anstandslos genehmigt wurden, unterließ es die Er ziehungsdirection trotz vielfach wiederholter Reclamationen, das „Grundgesetz" dem Großen Rathe zur Genehmigung vorzulegen. So ist es gekommen, daß noch heute, lange Jahre nach Vollen dung jenes Entwurfes, die Uir.versität ohnejederechrliche Grundlage dasteht, den Launen eines Mannes, des im Canton allmächtigen Erziehungsdirectors Python, schutzlos preisgegeben. So lange sich die Entwickelung ruhig und ungestört vollziehen durfte, wie das bis gegen Mitte der neunziger Jahre im All gemeinen der Fall war, traten die Folgen dieser schweren Unter lassungssünde nicht allzu empfindlich hervor; sie mußten sich aber mit verdoppelter Kraft fühlbar machen, sobald ernstere Conflicte drohten. Und dafür, daß diese nicht ausblieben, scheint von mancher Seite mehr als ausreichend gesorgt worden zu sein. So heterogen der Lehrkörper in Bezug auf die Nationalität seiner Mitglieder zusammengesetzt war, so hatte sich doch bald ein näheres Verhältniß zwischen verschiedenen Gruppen heraus gebildet. Besonders herzlich scheinen die Beziehungen der reichs deutschen Professoren zu ihren deutsch-schweizer Collegen und einigen französischen Docenten geworden zu sein, die gleich ihnen bei der Gründung der Universität berufen worden waren und in allen Verfassungsfragen zu ihnen gestanden hatten. Es wird versichert, daß diese Beziehungen alle Stürme der letzten Jahre siegreich überdauert haben. Dagegen stellten sich mit manchen Mitgliedern der theologischen Facultät, die bekannt lich von der Regierung den Dominikanern übertragen I worden ist (nur zwei Professoren derselben gehören nicht diesem I Orden an), schon verhältnißmätzig früh Differenzen ein, die > sammt und sonders darin ihren Grund gehabt zu haben scheinen, daß sich bei Jenen das Bestreben geltend machte, über den Machtbereich der eigenen Facultät hinaus zugehen und in fremde Rechte überzugreifen. Ja, man scheint es, wie die wissenschaftliche Beilage der „Ger mania" vom 30. December 1897 andeutet, darauf abgesehen zu haben, auf theologischem und philosophischem Gebiete den strengsten Thomismus, zu dem sich jenem Blatte gemäß die Mitglieder dieses Ordens eidlich verpflichten müssen, zur absoluten Alleinherrschaft zu bringen. Immerhin muß es längere Zeit hindurch gelungen sein, ausbrechende Con flicte rechtzeitig zu ersticken oder wenigstens auf einen kleineren Herd zu beschränken. Daß freilich nicht Alles so war, wie es hätte sein sollen, konnte man daraus schließen, daß von Zeit zu Zeit die Nachricht durch die Presse ging, der oder jener aus der Zahl der reichsdeutschen Professoren habe sein Amt niedergelegt und sei in sein Vaterland zurückgekehrt. Besonderes Aufsehen hat namentlich der Rücktritt des kürzlich verstorbenen Bonner Philosophen Professor Wolff gemacht, weil man ihn direct auf Differenzen mit den Vertretern der thomistischen Doctrin zurückgeführt hat. Auch zwischen Regierung und Professorencollegium wollte auf die Dauer nicht Alles klappen. Der erste ernsthafte Conflict dürfte schon vor mehreren Jahren ausgebrochen sein, als die Regierung nur durch die Energie verschiedener deutscher Professoren daran gehindert ward, die Universität durch gewisse Abmachungen mit Pfarrer Kneipp unheilbar zu compro- mittiren. Hierdurch war der Anlaß zu einer dauernden Ver stimmung zwischen dem Erzichungsdirector und einer Anzahl von reichsdeutschen Professoren gegeben, denn Herr Python wird nicht als der Mann geschildert, der eine Durchkreuzung seiner Pläne ruhig hinzunehmen gewohnt ist. Zur Besserung des Verhältnisses trug die Universitätslotterie seligen Angedenkens auch gerade nicht bei, da sie allen an andere Zu stände gewöhnten Docenten ein Dorn im Auge sein mußte. Ebenso wenig konnte zur Beruhigung beitragen, daß die aus Deutschland berufenen Herren sich auf die Erfüllung der ihnen bei ihrer Anstellung gemachten Zusicherungen von Jahr zu Jahr unter nichtigen Vorwänden vertrösten lassen mußten. Dennoch hätte vielleicht noch Alles ins Geleise gebracht werden können, wenn nicht die oben erwähnten Differenzen innerhalb des Lehrkörpers von Semester zu Semester an Schärfe zu genommen hätten. Die Dominikanerpat res waren von jeher ihrer Majorität nach Romanen, die den deutschen Universitätseinrichtungen fremd, ja mißtrauisch gegenüber stehen mußten. Ihrem Ideal hätten Einrichtungen, wie sie an der Universität Manila auf den Philippinen bestehen (die in den Händen der Dominikaner ist), zweifellos weit eher ent sprochen. Es liegt auf der Hand, daß bei einer so tiefgehenden Verschiedenheit der Ansichten über die Organisation einer Hoch schule immer schwerere Conflicte auftauchen mußten. Der „Neuen Züricher Zeitung" wird von glaubwürdiger Seite u. A. mitgetheilt, ein Dominikanerpater habe offen erklärt, bestimmte Professoren müßten von Freiburg entfernt werden. Außerdem seien in dem Organe der Freiburger Regierung, der „Liberts", wiederholt Artikel erschienen, welche die deutsche Wissen schaft, sowie einzelne ihrer Vertreter an der Hoschule lächerlich zu machen versucht hätten. Als Verfasser der selben habe man allgemein bestimmte Dominikanerpatres ge nannt. Zugleich sollen diese die Praxis geübt haben, Jeden, der in Universitätsangelegenheiten anderer Ansicht war als sie, auch als einen Gegner der Regierung hinzustellen. Zum offenen Kampfe scheint es jedoch erst gekommen zu sein, als der Versuch gemacht wurde, eines der nicht dem Orden angehörigen Mitglieder der theologischen Facultät, einen in der deutschen Schweiz weithin bekannten und angesehenen Geistlichen, aus der Facultät hinauszudrängrn. Dieser Vorstoß, der zu den schärfsten Auseinandersetzungen führte, hat in den katholischen Kreisen der deutschen Schweiz peinlichstes Aufsehen erregt. Lediglich diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß er mit einem Fehlschlag endete. Tiefste Verstimmung blieb als natürliche Folge zurück. Zur selben Zeit machte sich eine neue feindliche Strömung mit empfindlicher Stärke geltend: der polnische Einfluß. Dieser verbündete sich mit gewissen französischen Elementen inner- und außerhalb des Ordens und brachte es in überraschend kurzer Zeit dahin, den Streit der Nationalitäten, von dem man bisher auf dem neutralen Boden der Schweiz nur wenig ver spürt hatte, auf's Wildeste zu entfesseln. Mit allen Mitteln suchte man das deutscheElement, das unerschütterlich an seinem guten Recht festhielt, unschädlich zu machen. Wer sich zu beugen nicht gesonnen war, die „Canaille nllemanäe" wie der Kosename gewisser Kreise lautete, konnte darauf rechnen, daß ihm das Leben so sauer als möglich gemacht wurde. Dazu fand sich reichlich Gelegenheit; denn die Erziehungs direction hatte sich von der antideutschen Gruppe völlig in's Schlepptau nehmen lassen. Um den unbequemen Widerstand zu brechen, waren alle Mittel willkommen. Entgegen dem eigensten Interesse der Uni versität wurde durch die Regierung das slavische und ro manische Element ganz u n v e r h ä l t n i ß m ä ß i g gestärkt, ohne daß diese Nationalitäten in der Studentenschaft auch nur einigermaßen entsprechend zugenommen hätten. Als auch dies nicht ausreichen wollte, ging die Erziehungsdirection zu directen EingriffenindieAutonomieder Uni versität über. Verletzung der Statuten durch die Er ziehungsdirection, statutenwidrige Verbote ordnungsmäßig be rufener Plenarversammlungen, ja selbst Untersagung der Dis kussion bestimmter Fragen in Senats- und Facultätssitzungen waren nun an der Tagesordnung. Ruhige Verwahrungen und Berufungen auf verbriefte Rechte wurden vom Erziehungs director in schroffer, ja persönlich beleidigender Form zurück gewiesen. Man kann sich vom Tone dieser Ukase einen un gefähren Begriff machen, wenn man die unglaublich klingende, nichtsdestoweniger aber wohlverbürgte Thatsache vernimmt, daß der Erziehungsdirector außenstehenden Personen gegenüber ge äußert hat, er habe die Universitätsprofessoren behandelt, wie er seinen Elementarlehrern zu begegnen nicht wagen würde. Da so jede Möglichkeit, den deutschen Charakter und die Autonomie der Universität auf legalem Wege zu wahren, ab geschnitten war, mußte die Entrüstung in dem betroffenen Kreise auf's Höchste steigen. Sie ward durch die Beobachtung nicht gemildert, mit welcher unverhohlenen Genugthuung diese Erlasse von gewisser Seite ausgenommen wurden. Damit jedoch nicht genug. Die Erziehungsdirection, im Vertrauen auf eine stets gefügige Majorität, ging noch einen Schritt weiter und leugnete schlankweg die contractlich eingegangenen Verpflichtungen, die sie bisher stets anerkannt hatte; sie bebandelte Berufungsurkunden, die von dem officiellen Regierungsvertreter Herrn DecurtinS aus gestellt waren, als werthlose Papierfetzen. Zugleich ließ sie nicht undeutlich durchblicken, daß man sich auf eine völlige Neu organisation der Universität gefaßt machen müsse, da die bisher bewilligte (in Wahrheit zuletzt nur auf dem Papier existirende) „Freiheit" sich als zu weitgehend erwiesen habe. So war schon am Ende des verflossenen Semesters eine Ka tastrophe unvermeidlich geworden. Man hatte allen Wider wärtigkeiten zum Trotz ausgehalten, so lange noch die Hoffnung FerriHeton. Der erste preller'sche Odysteecyklus im Römischen Hanse und die LartonS znm dritten EhklnS im Museum zu Leipzig. Zum frohen Kreise deutscher Künstler, die sich im Winter 1830 in Rom in der „Chiavica" an der Piazza Barberini all abendlich zusammenfanden und — so schwer zu trennen pflegten, daß sie sich bezeichnend genug „die Brandwache" nannten, ge hörten auch I. A. Koch, Genelli, Fr. Preller und als gern ge sehener Gast I)r. H Härtel aus Leipzig. Entzückt von dem Leben in der ewigen Stadt und in der glücklichen Lage, seinen künst lerischen Neigungen vollauf Genüge thun zu können, faßte vr. Härtel den Plan, nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt sich da eine Villa zu bauen ganz im römischen Stil mit Portikus, ge malter Loggia, mit weitausladendem Dache und im Innern mit Fresken an Wänden und Decken. Der Mitwirkung der drei ge nannten Künstler suchte er sich sofort zu versichern und fand nach seiner Rückkehr in dem Architekten Herrmann einen geschickten Baumeister, der seine Intentionen vortrefflich verwirklichte. So entstand in den Jahre 1831/32 eins der eigenartigsten Privat gebäude unserer Stadt, das in seiner fremden Erscheinung und seiner vornehmen, träumerischen Ruhe in die Umgebung und daS jetzt rastlos an ihm vorüberfluthende Verkehrsleben wie ein Stück Poesie des Südens hineinragt. Als der Bau bendet war, ließ sich aber die geplante Ausmalung der Jnnenräume nicht nach Wunsch verwirklichen. I. Anton Koch wollte oder konnte aus Rom nicht kommen und sandte nur Entwürfe; Genelli ließ die Arbeit im Stich, nachdem er schon die sichelförmigen Stichkappen an der flachgewölbten Decke des mittleren Parterresaales mit reizenden Kinderscenen — allerhand Streichen Amors — aus gemalt hatte, und nur Preller hielt Wort. Er war nach einer langen Reihe von Lehr- und Wanderjahren in den Niederlanden und Italien nach Weimar zurückgekehrt, und den damals 28- jährigen Künstler beseelte das feurigste Verlangen, ein glän zendes Zeugniß seines Könnens abzulegen, sein Meisterwerk zu schaffen, und dann den innigsten Wunsch seines Herzens, die Verbindung mit seiner treuauSharrenden Jugendliebe zu ermög lichen. So ging er mit wahrem Hochgefühl an die keineswegs leichte Aufgabe, einem nach dem Garten sich öffnenden Saale der neuerbauten Villa durch unmittelbar auf die Kalkwand gemalte große Temperabilder den Hauptschmuck zu verleihen. Es galt in diesen Raum unter geschickter Verwerthung der architektonischen Gegebenheiten und der Beleuchtung und des Ausblicks auf den anstoßenden Garten eine ideale Stimmung und einen Abglanz südlicher Herrlichkeit zu zaubern. Seine Idee, zum Gegenstand der Bilder die Irrfahrten und Heimkehr des Odysseus zu nehmen, fand den Beifall des kunst sinnigen Besitzers um so mehr, als diese Bilder ein Denkmal glücklicher, auf einem Ausfluge nach Neapel gemeinsam verlebter Zeiten zu werden versprachen und dem Künstler volle Freiheit in der Entfaltung idealer Landschaften boten. Nachdem er seit 1832 mit mannigfachen Unterbrechungen, die eine Anstellung in Weimar nöthig machte, im Ganzen etwa zehn Monate ange strengter Thätigkeit dem Werke gewidmet hatte, brachte das Jahr 1834 die Vollendung. Es sind insgesammt 7 etwa 2 Meter hohe Wandgemälde, und zwar an der einzigen ungetheilten Breit wand 1 Breitbild flankirt von 2 Hochbildern und an den anderen Wänden zwischen Thüren und Fenstern noch 4 Hochbilder. Sie liegen alle etwas vertieft in der Wandfläche, sind von einer schmalen Goldleiste und einem breiten, braunrotsten Rande und grotesken geschmückten Pilastern umfaßt. Ueber ihnen zieht sich ein Figurenfries, der in der Art von Vasenmalereien Epi soden aus der Odyssee darstellt; er bietet nur dekoratives Interesse und geht übrigens im Entwurf auf Bruckmann in München und nur in der Ausführung auf Preller zurück. Leichtes Guirlanden- werk überspannt die Decke und läßt diese durch täuschende Linien führung höher und weniger lastend erscheinen. Die Reihe der Darstellungen beginnt links von der Fenster wand mit der Befreiung der Griechen aus der Höhle des Poly- phem. Zwischen ragenden Klippen öffnet sich die Höhle, in der der geblendete Unhold hilflos umhertastet, während die Griechen hinab zum Strande eilen, als letzter Odysseus mit fliegendem Mantel und gebieterischer Geste. Auf dem correspon- direnden Hochbilde an derselben Wand erblicken wir den Helden allein, wie er noch ohne Ahnung der ihm drohenden Gefahren mit dem erlegten „hochgehörnten gewaltigen Hirsche" auf der Schulter von einem Kundschaftsgange auf der Insel der Circe zu den muthlosen Gefährten zurückkehrt. Das dritte Bild, in ungünstigem Lichte zwischen den Fenstern, zeigt den Helden in sinnender Geberde den Worten des Götterboten lauschend, der ihm das Moly, daS schützende Kraut gegen die Zauberei der Circe, darreicht. Zu den Füßen deS göttlichen Dulders ruht ein Tiger, der sich durch seine Sanftmuth als ein Opfer der Zauberei verräth;; im Hintergründe, von hochragenden Felsen und Baum riesen umgeben, liegt der mächtige, ungegliederte Palast der Circe. Die berückende Zauberin selbst aber bekommen wir nicht zu sehen, und schon das nächste Bild, das erste Hochbild der Breitwand, versetzt uns weit weg an das Gestade der Insel der Kalypso. Unter einer Riesenpinie sitzt, ausruhend von eifriger Arbeit des Schiffsbaues, der vielduldende Held neben dem fertigen Schiffe und sucht mit der Seele die liebe Heimath, während Kalypso in königlicher Haltung und gebieterischer Geste vor ihm steht und vorwurfsvolle, aber offenbar wirkungslose Worte an den Traumverlorenen verschwendet. Dunkle über dem Meere heraufziehende Wolken scheinen neue Stürme und Gefahren an zudeuten. Sind die Farben auf diesem Bilde kühl und ge dämpft, die Scenerie einfach, so sehen wir auf dem angrenzenden Breitbilde über das glückliche Phäakenland allen landschaft lichen Zauber ausgegossen und den wunderbar ergreifenden Vorgang dargestellt, wo der meerverschlagene, von Allem ent blößte Held aus dem Gebüsch heraus die königliche Jungfrau Nausikaa um Hilfe anfleht und sie, beim Spiel überrascht, den Ball in der einen Hand und den Schleier mit der anderen in edler Schamgeberde fassend, mit freundlichem Sinne der flehen den Bitte Gehör giebt. Auf dem anstoßenden Hochbilde ruht Odysseus, von tiefem Schlafe befangen, in dämmernder Grotte auf heimathlichem Boden, die Geschenke der „hehren Phäaken" neben sich, während diese selbst mit ihrem Schiffe auf spiegelglatter See hinter einer Biegung des Ufers verschwinden. Das letzte Bild, dm Fenstern gegenüber und daher in ungünstigem Schlaglichte, zeigt Odysseus auf der weinumrankten Veranda des alten, treuen Dieners, „des göttlichen Sauhirten Eumäos", in dem Augenblicke, wo Telemach, eine herrliche JUnglingsgestalt, die Stufen herauf schreitet, von Eumäos in herzlicher Liebe bewillkommt; obwohl Odysseus im verlorenen Profil gesehen wird, verräth sich in seiner Geste und der weit vorgebeugten Haltung das Gebannt sein im Augenblicke des freudigsten Erstaunens. Und die Land schaft nimmt Theil an der Freude: heiterer Himmel, üppige Vegetation und rieselnde Quellen bieten ein Durcheinander von blau, roth, grün und weiß in übermüthiger Buntheit. Jedes der sieben Gemälde zeigt also eine Figurengruppe und eine reich ausgefllhrte Landschaft, und mit echt künstlerischem Em pfinden ist die Verknüpfung und Durchdringung dieser beiden Bestandtheile bewirkt. Da für den dekorativen Gesammteindruck die Landschaften den Hauptfactor abgeben sollten, so wählte der Künstler solch« Vorgänge auS dem Heldenliede, die sich in freier Natur abspielen, ja, in dem letzten Bilde verlegte er aus derselben Rücksicht die eigentlich im Innern des Hauses vor sich gehende Handlung ins Freie. Sobald man sich der Be trachtung der einzelnen Bilder überläßt, nehmen die heroischen Gestalten die Aufmerksamkeit überwiegend in Anspruch. In der Zahl der Figuren waltet äußerste Beschränkung, aber dafür treten die Hauptpersonen um so machtvoller und pathetischer in feindlichen oder freundlichen Beziehungen einander gegenüber. Wenn im Lineament, in der grotesken Felsbildung, im Baumschlag und sonstigen Einzelheiten der Landschaft, und ferner in dem etwas gewaltsam pathetischen Gange und Ge bühren der Figuren und ihren bauschig fliegenden Gewändern noch deutlich die Abhängigkeit von der Manier I. A. Koch's, den der junge Preller sich in Rom zum Vorbilde genommen, erkennbar ist, so übertrifft der Schüler den Meister eben durch das feine Zusammenstimmen von Vorgang und Schauplatz, während bei Koch die Landschaft dominirt und die Figuren meist äußerliche Staffage bleiben. Die Tempcratechnik auf der bloßen Kalkwand gestattete dem Künstler weder eine minutiöse Ausführung, z. B. der Gesichts züge, noch eine zarte Verschmelzung der einzelnen Töne, und brachte späterhin den Uebelstand, daß die Farben ihre Leuchtkraft verloren; jetzt erscheinen die Gemälde wie durch eine zarte Aschenschicht verschleiert und sehen alten Gobelins nicht un ähnlich, deren Farbenpracht Licht und Luft gedämpft haben. Aber auch ohne Glanz und Schimmer bewahren diese 7 Gemälde den besten Theil ihres zauberhaften Reizes und wirken noch heute außerordentlich stimmungsvoll. Man darf wohl behaupten, daß diese echt künstlerisch aus geführte Jnnendecoration für den Entwickelungsgang Preller's und auch für die Geschichte der deutschen Monumentalmalerei unseres Jahrhunderts von Bedeutung bleibt.*) Bei dieser Lösung der Aufgabe waren dem Meister so viele Probleme aufgestoßen, daß er fort und fort, jahrzehntelang, den vollkommensten Ausdruck für diese Märchenwelt der Odyssee suchte. Da brachte dann die große Münchener Ausstellung 1858 das langgereifte Werk, 14 Cartons, die später um einen vermehrt wurden und jetzt in der Berliner Nationalgalerie bewahrt weiden. Sie fanden auf der Ausstellung begeisterten Beifall, wurden preisgekrönt und machten seinen Namen ehrenvoll bekannt. Auf Grund dieser Entwürfe wurde dem Meister vom Großherzog Karl Alexander von Weimar der Auftrag zu Theil, die Bilder reihe als Wandschmuck einer eigenen Hall« farbig auszuführen. Charakteristisch für die Gewissenhaftigkeit Preller's ist es, daß er nun, bei den nahegetretenen Erwägungen über Einordnung des Cyklus in einen bestimmten Raum und über die farbige *) Photographien dieser Bilder wurden vor nicht langer Zeit von der Kunsthandlung von Bogel, Leipzig, hergestellt.