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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980125015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898012501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898012501
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-01
- Tag 1898-01-25
-
Monat
1898-01
-
Jahr
1898
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Januar 1892 ab bis zum Schlug der ver flossenen Legislaturperiode war der Wahlkreis nationalliberal vertreten, im Jahre 1893 unterlagen die Nationalliberalen mit 10 470 Stimmen gegen die Welfen, welche Dank der Unterstützung von 5529 Socialdemokraten mehr als 12 000 in der Stichwahl ausbrachlen. Um die Lage deS Wahlkreise« zu kennzeichnen, sei weiter erwäbnt, daß auch die Antisemiten ausgetreten waren und 860 Stimmen erkalten batten. Die nanoualliberale Partei bat, dem Bedürfuiß der Einigung Rechnung tragend, einen Landwind, den Hofbesitzer Jordan, ausgestellt Der Bund der Landwirthe in diesem Wahl kreise, die Antisemiten und die dortigen Eonscrvativen haben darauf einen Wahlausschuß gebildet und die Candibalur de« Hofbesitzers Feldmann proclamirt. DieS ist in einem Wahl aufruf geschehen, über dessen Inhalt bereits berichtet worden ist, der aber jetzt sammt den Unterschriften im Wortlaute versiegt. Es beißt in ihm: „WaS hat die nationalliberale Partei versprochen und was hat sie gehalten? Versprochen hat sie, dir Jnterrssen Aller wahr- zunehine»! Als es sich aber darum handelte, die deutsche Land- wirlhschast vor der Neberfluthung mit auswärtigem Getreide zu schützen und sie dadurch lebensfähig zu erhalten, da war die nationalliberale Partei e», die jene unglückseligen Handel». Verträge mit zu Stande bringen half, die einseitig auf Kosten der Landwirtschaft die Industrie bevorzugen und noch heute am Marke des Volkes zehren! Und als der Bund der Landwirthe gegründet wurde, um mit vereinten Kräften der um ihr Da- sein kämpfenden Landwirthschaft zu Hilfe zu eilen, da hatte die nationalliberale Partei für dessen Bestrebungen nicht nur kein Ver- ständniß, sondern wagte es, die Arbeit königstreuer Männer (!) als gemeingefährlich und demagogisch zu bezeichnen. Seit Jahren kämpfen die Handwerker und kleineren Gewerbetreibenden, die sich durch die Großindustrie und deren Bevorzugung um Len Lohn ihrer Arbeit gebracht sehen, für «ine Verbesserung ihrer Lage. Eine angemessene Organisation des Handwerkes, Bestrafung jedes schwindelhaften Geschäftsbetriebes, stärkere und gerechte Besteuerung der Großbazare, der Filial« und Versandtgeschäfte, durchgreifende Maßnahmen gegen unlauteren Wettbewerb und schädlichen Hausirhandel, ferner der Ausbau der Bvrsengesetzgebung sind erslrebenswerthe Ziele zum Schutze und zur Förderung redlicher Arbeit, für deren strenge Durchführung die heutige nationalliberale Partei jedoch nicht zu haben ist. Die Nationalliberalen ahnen, daß ihre letzte Stunde geschlagen hat! Nur darum haben sie, die Vertreter des Großkapitals und der Großindustrie, sich herbeige- lassen, auch in unserem Wahlkreise für die nächsten Wahlen «inen Bauer auf den Schild zu heben! Durch ihn soll der Mittelstand bewogen werden, auch dieses Mal der nationallibrralen Partei Vorspanndienste zu leisten! Laßt Euch dadurch nicht täuschen, die Grundsätze, die Ziele der nationalliberalen Partei bleiben dieselben, und sie bedeuten den Untergang des Mittelstandes! Der nächste Reichstag ist berufen, bei dem Abschluß der neuen Handels verträge mitzuwirken! Darum fort mit den Nationalliberalen, die zwar Worte sür die Landwirthschaft besitzen, aber durch ihre Thaten bewiesen haben, daß sie die Landwirthschaft der Großindustrie opfern!" So der Aufruf, welcher nickt zu wissen sick den Anschein giebt, baß in dem jetzigen preußiscken Staatsministerium an leitender Stelle die Männer sitzen, die vor dem Reichstag den russischen Handelsvertrag empfohlen und da- Auftreten de« Bundes genau so gekennzeichnet haben, wie eS eben den Nationalliberalen zum Vorwurf gemacht wird. Wir ver schmähen rS, Satz für Satz zu beleuchten, betont sei nur, daß cS eine grobe Entstellung der Thatsachen ist, wenn den Nationalliberalen vorgeworsen wird, sie seien weder für eine angemessene Organisation de« Landwrrk«, noch für Be strafung sckwindelbafter Geschäftsbetriebe, stärkere und gerechtere Besteuerung der Großbazare, Maßnahmen gegen unlauteren Wettbewerb und schädlichen Haustrhandel und weiteren Ausbau der Börsengesetzgcbung zu baden gewesen. Alle diese Entstellungen beweisen unwiderleglich, daß der Aufruf von Leuten auSgeht, die entweder die letzten Jahre verschlafen haben, oder wissentlich die Tbatsachen auf den Kopf stellen und mit einem vollständigen System der JrruLbrung auf eine urtbeilslose Gefolgschaft speculiren, um den Welsen und der Socialdemokratie zu Liebe die nationalen Traditionen des Wahlkreises zu zerstören. Um so befremdlicher ist es, daß sich unter den Unterschriften auch die folgenden drei befinden, welche wörtlich lauten: Stadt Alfeld, Kirchner, Königl. Landrath; Gemeinde Rheden, v. Rheden, Landrath; Stabt Hildesheim, Ukert, Königl. Landratb. Wir constatiren zunächst, daß in dieser Betbeilizung der Landrälbe eine Wahlbeeinflussung zu Tage tritt, wie man sie bisher nur in Ostelbien zu beklagen gewohnt war, und daß dieses Auftreten von Vertretern der localen RegierungS- gewalt lediglich eine wirksame Anfechtung deS Mandate- in- volvirt. Wir constatiren weiter, daß dieses Verhalten der Landrälbe eine direkte Verhöhnung der Politik der Sammlung bedeutet, für welche die StaatSregierung soeben die Mitwirkung der nationalgesinnten Mittelparteien beansprucht. Die „Köln. Ztg." glaubt diese Verhöhnung ad- thun zu können, indem sie ihrerseits Herrn vr. v. Miquel folgendermaßen verspottet: „Für den Biceprüsidrnten und Wortführer deS Staat-Ministeriums vr. v. Miquel muß rS ein wahres Gaudium gewesen sein, al» er den vom Bunde der Landwirthe im Wahlkreise Hildesheim gegen die nationalliberale Partei gerichteten Aufruf gelesen und dabei fest gestellt hatte, daß dieser Aufruf die Unterschriften von nicht weniger als 3 Landräthen von Beruf, Trägern und Berthridigern der Regierung-politik trägt. Wie muß es ihn, deo früheren Führer der Nationalliberalen, gefreut und erbaut haben, al» er da las, daß es gelte, die nationalliberale Partei al» ausschließliche Ver treterin deS Großcapitaltsmus und der Großindustrie zu über- winden; al» er weiter las, daß die Handelsverträge, für die auch er die Verantwortung zu tragen hat, alS unglückselig bezeichnet werden, und daß gar die Nationalliberalen für die sehr zutreffenden Worte seines landwirthschastlichen College» Frhr. v. Hammerstein- Loxten, der die Ausschreitungen der Agrarier im deutschen Reichstag als gemeingefährlich und demagogisch bezeichnet hatte, veranlwortlich gemacht werden. Der Eindruck, den dieser von den drei Land- räthen: Kirchner in Alfeld, dem jüngst auS allerhöchstem Vertrauen inS Herrenhaus berufenen Kammerherrn v. Rheden in Gronau und Ukert in Hildesheim, unterzeichnete Aufruf bei allen Ver ehrern von Treppenwitzen in der Weltgeschichte Hervorrufen muß, ist um so köstlicher, wenn man bedenkt, mit welcher sorgsamen Lieb» Vr. v. Miquel sein Lieblingskind, das er in Solingen über die Taufe gehalten, die Politik der Sammlung derstaatSerhalteaden Parteien, noch heute pflegt und fördert. Der Bund der Landwirthe giebt chm hier eine Antwort, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Daß aber die Herren Landräthe sich an solchen Kund- gedungen betheiligen, das ist, wenn auch nicht neu, so doch sehr bezeichnend sür die Autorität, deren sich Or. v. Miquel bei den von ihm abhängigen, zur Vertretung seiner Regierung-grund- sätzr berufenen Beamten erfreut, daß wir nicht umhin können, r» alS ein weitere», die vorjährigen Ereigaisie in „Puttkamerun" ergänzendes Zeugniß sestzustellen. Der nalioualliberalen Partei al» solcher kann es nur willkommen sein, daß auf diese unzweideutige Weise rechtzeitig alle Karten vor den Wahlen aufgrdeckt werden." Wenn Herr v. Miquel, bevor er zur Uebernahme der Vicepräsibentschasl im preußischen Ministerium sich entschloß, hätte ahnen können, daß unmittelbar nach dem Rücktritte seines alten Freundes v. Bennigsen vom Posten des Ober- präsitenlen von Hannover Landräthe dieser Provinz es würden wagen dürfen, die „Politik der Sammlung" in solcher Weise zu verhöhnen, so würde er wahrscheinlich auf die Ehre dieser Blcepräsiveutschaft verzichtet und sein Abschiedsgesuch erneuert haben. Für ihn muß es am allerpeinlichsten sein, vor aller Welt constatirt zu sehen, daß er trotz der neuen Würde einfach Finanzminister ge blieben ist, der zwar seinen College» in Sachen ihre» Etats viel, in anderen Angelegenheiten aber nicht» zu sagen bat. Ihm gegenüber zu dem Hohne der drei hannoverschen Land- rätbe auf seinen Sammelruf auch noch Spott zu fügen, wie dir „Köln. Ztg." eS tbul, ist daber nicht gerechtfertigt. Da gegen ist die Krage am Platze, wo eigentlich daS einheit liche preußische Ministerium steckt, dessen Bildung von von Ofsiciöien vor noch nicht langer Zeit so zuversichtlich und triumphireud verkündet wurde? ^)st daS ein Beweis seines Daseins, daß die Untergebenen deS Ministers des Innern cssen gegen die öffentlichen Kundgebungen der „Seele deS Ministerium-" auflreten und die nationalliberale Partei, sie den Kern der für die Polenpolitik diese- Ministerium« eintretenbeu Mehrheit deS preußischen Abgeordnetenhauses bildet, auf da- Schnödeste zu verdächtigen wagen dürfen? Und soll da« dem greisen Fürsten Hohenlohe, der soeben erst die Grundzüge dieser Politik dargelegt hat, Lust zum weiteren Tragen der Bürde des Amtes eines preußischen Ministerpräsidenten machen? Aber nickt nur auf die angebliche Einheitlichkeit der preußischen Regierung werfen die landräthlichen Unterschriften unter dem Hildesheimer Aufruf ein grelles Licht, sondern auch auf daS Zielbewußtsein der Reichs Politik deS führenden deutschen Staates. Läßt er eS zu, daß sein» politischen Beamten einen Feldzug gegen die Partei eröffnen, aus die, von Preußen ganz adgeieden, eine reckt ansehnliche Anzahl von Einzelstaalen jetzt ihre Hoffnungen auf Annahme de« Flottengesetzes und bei den Neuwahlen ihre Hoffnungen auf ein dem jetzigen Reichstage möglichst unähnliches Parlament setzen, waS sollen diese Staaten von der deutschen Politik Preußens denken und sagen? Sollen sie ihre politischen Beamten anweisen, an ihren preußischen College» sich ein Beispiel nicht zu nehmen? Wir hoffen, daß eS dahin nicht kommen werbe. Soll es aber vermieden werden, so werden im Bunde Srathe die Vertreter mehrerer Staaten geradezu gerwungen sein, den Reichskanzler und die preußiscken Vertreter zu fragen, ob es angängig sei, daß die Untergebenen des preußischen Ministers des Innern auf eigene Faust eine ReichSwablpolitik machen, welche die parlamentarische Grund lage einer nationalen ReichSpositik zerstört. Dem Fürsten Hohenlohe und Herrn vr. v. Miquel kann eine solche An frage im BundeSrathe nur willkommen sein, denn sie giebt ihnen Anlaß, auf die Bildung eines wirklich einheitlichen Ministeriums zu dringen, in dem für einen entweder selbst auf eigene Kaust operirenven, oder seinen Untergebenen ein solches Operiren gestattenden Minister de- Innern kein Platz ist. Ltaatssecretair von Lülow über die auswärtigen Angelegenheiten. ff Berlin, 24. Januar. (Privattelrqramm.) In der Budgetcommission des Reichstags stand heute der Etat des Auswärtigen Amtes zur Berathung. Di« Besoldungen^«» Staats- secretairs und der übrigen Beamten wurden debattetos bewilligt. Bei den Gciandtichaften und Consulaten erklärte Staatsiecretair von Bülow aus Anfrage des Referenten Prinz Arenberg, daß er über die internationale Conferenz, die in Athen statr- gehabt, und die vorgelegtea Entwürfe und gefaßten Beschlüsse aus diplomatischer Eourtoisie nichts sagen könne. Deutschland halte seine Forderungeu in bescheidenen Grenzen. Tie Rechte der deutschen Gläubiger würden mit allem Nachdruck vertreten, die Grundsätze von Treu und Glauben müßten auch im öffentlichen Verkehr auf recht erhalten werden. Dir eingesetzte Finanzcontrole bedeute keine Härte, sei vielmehr ein Segen sür Griechenland. Nur durch Liese Controle sei es Griechenland möglich, seine Finanzen zu ordnen. Im Fortgang der Verhandlungen erbittet Abg. Richter Auskunft über die Verhältnisse in Kreta uud fragt, ob der Kaiser nach Jerusalem zu reisen beabsichtige. Staatsiecretair v. Bülow er widert, bezüglich der kretischen Frage habe sich in unserer Politik nichts geändert. Deutschland habe in Kreta weder directe politiiche noch erheblichere wirthschastliche Interessen. Es habe lediglich ein Interesse daran, daß diese Insel nicht ein Gegenstand von Diffe renzen unter den Mächten oder der Busgangspunct neuer Be unruhigung und Wirren im Orient werdr. Deutschland habe ein Schiff nach den kretischen Gewässern entsendet, um durch die An wesenheit seiner Flagge seine Mitwirkung im europäischen Coucert zu markiren. Wie lauge die fremd«» Schiffe vor Kreta bleiben werden, hänge von d«n Verhältnissen ab. Auf eine Anfrage des Abg. vr. Hasse über den Stand der portugiesischen Gläubigersrage erwiderte Staatsiecretair v. Bülow: Bon portugiesischer Seite wären verschiedene Versuche gemacht morden, um durch Herbeiführung neuer Anleihen oder durch Conversionsinaßregelll die Lage der portugiesischen Finanzen besser zu gestalten. Diese Versuche hätten ein Lrgebniß bisher nicht ge habt, die deutsche Regierung wäre in der Sache bisher in keiner Weise amtlich in Anspruch genommen. Sie werde jedoch gern jeden Schritt prüfen und soweit möglich fördern, der geeignet sei, die Interessen der deutschen Inhaber von portugiesischen Werthen günstiger zu gestalte». Die Beziehungen zwischen Deutschland und Portugal wären vom Geiste gegenseitiger Freundschaft getragen. Auf den vom Referenten Prinzen Arenberg ausgesprochenen und von den Abgeordneten vr. Hasse und Vr. Hammacher Feuilleton. Der wiedergewonnene Raub -es Meeres. Von vr. Kurt Rudolf KreuSner. Nachdruck verboten. Unermüdlich nagt das Meer in hartnäckiger Minirarbeit an den Grenzen des festen Landes; die mechanische Gewalt der Wogen und die chemische lösend« Kraft des Wassers arbeiten an der Verkleinerung und Zertrümmerung des Strandes, von welchem jede Ebbe zahllose Theilchen ins weite Meer hinausführt, wo sic, dem Gesetze der Schwere folgend, zu Boden sinken. Wo die Meeresfluth, wie beispielsweise an der ganzen Westküste Frankreichs bis Dünkirchen, auf einen hohen Felsenwall trifft, macht sie nur langsame Fortschritte, und eS gelingt ihr nur müh sam, ihre Buchten in die Felsenkante hineinzuschieben. Viel leichteres Spiel hat sie dort, wo flüchtiger Dünensand die Be grenzung bildet und Marschländer, wenn Sturmfluthen die schützende Dünenkette einmal durchbrochen haben, zum Raube der Wellen werden. Diesen landschaftlichen Charakter trägt unsere deutsche Nordseeküste, und die Chroniken und Geschichtsbücher wissen zu berichten, wie viel Land hier seit den frühesten Zeiten des Mittelalters in zahllosen elementaren Katastrophen vom Meere verschlungen worden ist, wie viel Hunderte blühender Ortschaften verschwunden sind, wie viel Tausende fleißiger Menschen ihr Grab in den Wogen gefunden haben. In prähistorischen Zeiten, wo noch eine breite Landbrücke Frankreich mit England verband, lagen die Verhältnisse ungleich günstiger wie heute. Ein mächtiger Dünenwall, welcher in einem Bogen von nahezu 200 deutschen Meilen Länge von Dünkirchen bis Cap Stagen streicht, schützt daS dahinter liegende, nur wenig über den Meeresspiegel emporragende Culturland vor den Ein brüchen der Fluth. Als sich aber der Atlantische Ocean durch daS weiche Kreidegestein deS englisch-französischen Isthmus jene Bahn brach, welche er im Laufe der Jahrtausende zu dem heute an der engsten Stelle 30 Kilometer breiten Canal erweiterte, wurde die Nordsee das ewig unruhige Gewässer, als welches wir sie heute kennen. Die Zerstörung des größten Theile» der Insel Helgoland, dann die Entstehung des Zuidersees, des Dollarts, deS JahdebusenS im dreizehnten Jahrhundert, die Zer- reißung der Insel Nordstrand sind nur einige Merkpuncte auf der Siegeslaufbahn des Meere», welche» fast bei jeder größeren Fluth Stücke Lande» hinwegspült. Der Mensch, der nun einmal an der von den Vätern ererbt«» Scholle Landes hängt, auch wenn er derselben das zum Leben Notwendige mit Mühe und Lebensgefahr abtrotzen muß, führt hier seit den ältesten Zeiten einen zähen, oft von Verlusten be gleiteten, oft aber auch von schönen Erfolgen gekrönten Kampf mit dem Wassergotte. Die römischen Schriftsteller berichten, daß schon zu Cäsars Zeiten die alten Bataver, welche die Gegenden der heutigen Niederlande bewohnten, zum Schutze gegen die Hoch fluten Dämme aufführten. An die deutschen Nordseeküsten scheint die Kunst des Deichbaues merkwürdiger Weise erst mehr als tausend Jahr später verpflanzt zu sein. Eine alte Urkunde berichtet unS, daß im Jahre 1106 holländische Untertanen aus der Gegend von Utrecht mit dem Erzbischof Friedrich von Bremen einen Vertrag schlossen, laut welchem ihnen in der Nähe von Bremen Land und Indigenatsrecht gewährt wurde gegen dir Ver pflichtung ihrerseits, den der Ueberschwemmung aus gesetzten Strand durch Deiche zu sichern. Diesen ersten Ansiedlern folgten weitere, und von diesen wurden nach und nach die Flußmündungen der Elbe, Weser, Ems und Eider und späterhin auch der zwischen denselben sich ausdehnende Strand mit Deichen versehen. Hierdurch wurde dem Fortschreiten des Zerstörungswerkes, welches auch die lange Kette der ehemals mit dem Festland« verbundenen ostfriesischen Inseln vom Hinter lande losgerissen und Tausende von Quadratkilometern blühenden Landes verschlungen hatte, Einhalt gethan. Mit der erfolgreichen Abwehr des feindlichen Elements wuchs aber auch das Verlangen, den Wellen ihren Raub wieder streitig zu machen und das Ver lorene wiederzugewinnen. Hierzu eignet sich die Beschaffenheit deS untergegangenen Landes, welches daS sogenannte Wattenmeer bildet, auS mannigfachen Gründen. Diese Strecken ehemaligen fruchtbaren Marschlandes, welches vor Jahrhunderten den Wogen zum Opfer fiel, sind nämlich nur zur Fluthzeit vom Meere be deckt; bei Mittelwasser und vollends zur Ebbezeit dagegen liegen die weiten Wattenflächen, welche an den schleswig-holsteinischen Küsten einen Flächenraum von nicht weniger al» 46 bi» 50 Quadratmeilen einnehmen, trocken da. Die ungeheuren Masten fester Bestandtheile, welche die schon oben genannten nordwest deutschen Flüsse tagtäglich der Nordsee zuführen, werden nun infolge der westöstlichrn Meeresströmung, die hier vorwiegend herrscht und den fast constantrn Westwinden zum großen Theil gegen dir schleswig-holsteinische Westküste geworfen und so setzen sich bei jeder Fluth große Mengen des feinen Schlicks, wie man diesen Schlamm nennt, auf den Wattflächen ab. Aufgabe deS Menschen ist es nur, diesem natürlichen Anspülung-processe zu Hilfe zu kommen und seine Srßhaftmachung zu fördern. Zu diesem Zwecke zieht man senkrecht zur vorherrschenden Meeres strömung ein System untereinander paralleler Gräben, die soge nannten Grippeln. Das ausgeschachtete Material wird auf die zwischen den Gräben liegenden Strecken geworfen und trägt dadurch mit dazu bei, die relative Tiefe der Gräben zu steigern. Diese Gräben füllen sich binnen kurzer Zeit mit Schlick, welcher wieder ausgeschachtet und zur Erhöhung der Zwischenstrecken benutzt wird. Diese allerdings sehr mühevolle Arbeit wird so lange fortgesetzt, bis die Wattenfläche sich über die mittlere Fluthhöhe erhebt. Strandpflanzen, namentlich die sehr wurzel reiche OatudrusL aquatiea, Wasserquellgras, und die ko» nw- liriuiL, auf deutsch Schwingel genannt, tragen zur Befestigung des neugewonnenen Bodens bei, und wenn dieser eine gewisse Höhe über mittlerem Fluthstande erreicht hat, wird er durch Deichanlagen in das auch gegen Hochfluthen geschützte Festland einbczogen. Ein Stück Landes ist wieder den Wellen entrissen. Auf diese Weise ist im Laufe der letzten 400 Jahre manch schöner Landstrich der menschlichen Cultur wiedergewonnen worden. Die jetzige Halbinsel Eiderstedt ist bereits am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts auf diesem Wege durch Deich verbindungen der drei damaligen Inseln Eiderstedt, Utholm und Everschopp entstanden. DaS Gleicht gilt von der etwa 65 Quadratkilometer großen Wirdingharde, welche noch im fünfzehnten Jahrhundert zum Wattenmeer gehörte, und heute unter dem Namen Gotteskoog in einer Größe von etwa 80 Qua dratkilometern eine der fruchtbarsten Gegenden unserer Nordmark bildet, der Christian-Albrechtskoog, der Maaßbrügger Koog, der Julianentoog, der Marimkoog, der Sophien-, Magdalenenkoog u. s. w. sind nur einige bedeutendere Beispiele der zahlreichen Landerwerbungen, welche hier durch menschlichen Fleiß dem Meere abgerungen worden find. Während man so an der ganzen Westküste mit Erfolg ar beitete, und namentlich an den Buchten und Flußmündungen beträchtliche Landeroberungen machte, vollzog sich der entgegen gesetzte Proceß an den dem Festlande vorgelagerten Düneninseln, wie Röm, Sylt, Föhr, Amrum und an den noch viel schutz loseren Halligen: Langeneß, Oland, Gröde, Habel, Hamburger Hallig, Nordstrandisch Moor, Nordstrand, Südfall, Pellworm, Hooge, Süderooq, Norderoog und Seesand, sowie an den weit südlicher gelegenen Inseln Helmsand und Buschsand. Das Marschland dieser Halligen wird bei jeder Hochfluth vom Meere überspült, und es geht dabei nie ohne mehr oder minder be deutende Landverlustr ab. Mit der totalen Vernichtung dieser Inseln, welche eine Art natürlicher Wellenbrecher für das da- hintrrlirgende Festland bilden, wäre das letztere gänzlich un haltbar, und man wendet deshalb mit Recht der Erhaltung der Eilande neuerdings die größte Aufmerksamkeit zu. Die größeren dirser Inseln, wie Pellworm und Nordstrand, erfreuen sich eines sicheren Deichschutzes; auf den kleineren aber ragen bei jeder Hochfluth nur die auf künstlichen 5 bis 6 Meter hohen Hügeln erbauten Häuser und Stallungen aus dem Wasser hervor, und es ist eine Lebensfrage für die ganze schleswig-holsteinische West küste, daß diese Inseln erhallen werden. Die preußische Re gierung, welche eine derselben, die Hamburger Hallig, durch Steinböschungen vor weiterer Abbröckelung bewahrt und durch einen langen Damm mit dem Festlandc verbunden hat, ist auf Grund der Wahrnehmungen, daß hier im Laufe der Jahrzehnte noch eine bedeutende Landerwerbung möglich ist, zu dem Ent schlusse gekommen, ein schon vor Jahren von den namhaftesten Autoritäten empfohlenes Project zu verwirklichen, welches nichts Geringeres bezweckt, als den größten Theil des Wattenmeeres wieder in festes Land zu verwandeln, nachdem sie sich überzeugt hat, daß hier allgemeines Culturinteresse und voraussichtliche Rentabilität in glücklichster Weise Zusammentreffen. Man will nämlich die Halligen untereinander und mit dem Fest lande durch Dämme verbinden und in den so entstandenen Buchten di.- Landgewinnung in großem Stile betreiben. Der erste dies r Dämme, jener vom Festlande nach Oland und von da nach Langeneß, ist bereits im Bau begriffen; demnächst soll die Ver bindung von Gröde und Habel mit dem Festlande, sowie di: jenige von Norderoog, Hooge, Pellworm und Süderoog unte einander und die Verbindung von Nordstrand und Südfall, sowi? Nordstrandisch Moor mit dem Festlandc erfolgen. Daran soll sich weiter die Verbindung von Föhr und Amrum untereinander und endlich die Verbindung der großen Düneninseln Sylt und Röm mit dem Festland« anschließen. Es ist fürwahr ein großes Ziel, welches der menschlichen Arbeit und Beharrlichkeit damit gesteckt wird; aber es handelt sich um die Gewinnung einer förmlichen kleinen Provinz, wenn, wie «S hier der Fall ist, 1600—2000 Quadratkilometer Watten meer in anbaufähige» Land «mgewandelt werden können. Die Durchführung dieses großen Werkes wird sich mindestens eben bärtig jenen gewaltigen Anstrengungen zur Seit« stellen, welche di« Holländer an der Trockenlegung des Zuiderseees zu ver wenden im Begriffe stehen, und dieses Ziel deutscher Thätigkeit wird mit weniger Kosten und größerer Sicherheit erreicht werden: denn beim Zuidersee handelt eS sich darum, rin gewaltiges Merr- becken gegen die offene See abzusperren und auszupumpen, und das dann 5—6 Meter unter dem Meeresspiegel gelegen« Land gegen den Einbruch der See zu drrtheidigen, während das an d«r deutschen Nordseeküste zu gewinnende Land durchweg über dem Meeretniveau liegen wird.
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