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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950608021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895060802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895060802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-06
- Tag 1895-06-08
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Monat
1895-06
-
Jahr
1895
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410V solle und welche Beziehung er auf Friedbrrg habe. Di« »Pos. Z." dringt nun diebarmloseLösung deSRäthselSwiederinErinnerung: In den Potsdamer Gürten befinden sich, nahe dem Schlosse Cbarlottenbof, die „Römischen Bäder", «ine von Friedrich Wilhelm IV. auSgrsührte Anlage römischen Stils. Iu dem marmornen Badesaale stebt ein Bronzetisch, dessen Fuß Distelform hat und den Wahlspruch der schottischen Distel trügt: „bkemo we iwpune lacessit." Die „Römischen Bäder" umschlichen ein lauschiges Höschen voller welt fremder Einsamkeit. Man gelangt durch eine Säulen halle hinein. Hier nun, m dresem kleinen, ganz in Grün eingebetteten Hofe traf der Kronprinz Friedrich Wilhelm regelmäßig jeden Freitag Nach mittag mit dem Zustizminister Friedberg zusammen. Dem Kronprinzen war aber der Weg durch die Säulenhalle nicht recht, unk so ließ er in die Hintere Mauer, zu der nicht ein mal ein Pfad führt, sondern die man im dichten Gebüsch erst aussuchen muß, eine ganz kleine Thür brechen. Sicher hat er sich mit seiner hohen Gestalt erst bücken müssen, um bindurchzukommeo. Den Schlüssel hat er stets in der Tasche gehabt. Jahrelang wiederholten sich diese ver schwiegenen Zusammenkünfte während des ganzen Sommers. Die „Römischen Bäder" stehen unter der Aufsicht eines wunder lichen Castellans. Der alte Lehmann, ein hoher Siebziger, suckt seines Gleichen. Er erzählt den Besuchern mit ver blüffender archäologischer Gelehrsamkeit die seltsamsten Dinge über altrömisches Leben, weiß auf dem Capitol und iu de» Ruinen des Colosseums Bescheid, al» hätte er Jahrzehnte am Tiber gelebt. Dem liebenswürdigen alten Manne, dem die Hofgesellschaft manche köstliche Stunde verdankt hat, ist bei der legten Nomreise des Kaisers die Freude geworden, daß er mildurfte. Der alte Lehmann weiß auch zu berichten, wie der jetzige Kaiser vor drei Jahren den Tisch mit der Distelinsctirift sinnend betrachtete und den Alten fragte, ob er wisse, was die Worte bedeuten sollen. Ja, er wisse eS. Kurz darauf bekam Friedberg das Bild des Kaisers mit jener Unterschrift. Es ist hiernach kein Zweifel, daß der Kaiser dem Freunde und Vertrauten seines verstorbenen VaterS eine besondere Aufmerksamkeit erweisen wollte. * Berlin, 7. Juni. Der „Fall Hammerstein" nimmt immer seltsamere Formen an. Im „Neuen Wien. Tagbl." ist zu lesen: „Um die Briese, welche der Chefredakteur der „Krcuzzeitung" Baron Hammerstein an Fräulein Flora Gaß (eine jüdische Dame) gerichtet, wied«r zu erlangen, reiste er kürzlich nach der Schweiz, wo diese Dame gegenwärtig wohnt. Vom Inhalte der Briefe haben außer dem Minister Freiherrn v. Berlepsch auck Freiherr v. Manteuffel und ein zweiter conservativerAbaeordneterKenntniß. Diese Briefe Hammerstein's werden im Processe gegen die Frankfurter „Kl. Presse" ihre Rolle spielen. Die Personen, welche die Briefe gelesen haben, werden als Zeugen vorgeladen werden." — Die „Kleine Presse" selbst schreibt: „Herr von Hammerstein hat nunmehr gegen die Herren Leopold Sonnemann und vr. Albert Zacher Privatklage wegen Beleidigung erhoben, und zwar wegen eines im politischen Theil der Nr. 78 der „Kleinen Presse" erschienenen Artikels. Es dürfte vielleicht für weitere Kreise von Interesse sein, zu erfahren, daß Herr von Hammerstein keineswegs wegen aller in jenem Artikel be haupteten Thatsachcn als Klüger auftritt, sondern nur die Puncte herauögegrisfen hat, die sich auf seinen Lebenswandel und auf die Vermögenslage der „Kreuzreitung" beziehen. DaS ergiebt sich wenigstens aus der Klagejchrift, die Herrn Sonne mann zugestellt worden ist, und man darf wohl voraussetzen, daß auch in der gegen Herrn vr. Zacher gerichteten Klage dieselbe Zurückhaltung geübt wurde. Es sei hiermit aus drücklich fcstgcstellt, daß Herr von Hammerstein die ihn nach allgemeinem Urtheil am meisten belastenden Behauptungen und Beschuldigungen wegen des PensionSfondS und wegen der Papierlieferungen nicht zum Gegenstand der Klage gemacht hat." — Die Commission für das Bürgerliche Gesetzbuch wird, dem Vernehmen der „Kreuz-Htg." nach, noch in diesem Monate die zweite Lesung abschlicßen. DaS Gesetzbuch in seinem ganzen Umfange wird daher dem Reichstage schon zu Beginn seiner nächsten Session zugehen. Die beiden letzten Bände des Bürgerlichen Gesetzbuches sollen am Dienstag im Buchhandel erscheinen. — Nachdem die „Palatia" den Nordostsee-Canal glücklich passirt hat, schreibt die „N. A. Z." : „Es mag bei der selben Gelegenheit bemerkt werden, baß die Behauptung, eS Ware bei der Anberaumung der Eröffnungsfeierlichkeiten auf den Monat Juni überhastet verfahren, jeder Grundlage ent behrte. Die berufenen sachverständigen Stellen haben den genannten Termin als den Zeitpunkt bezeichnet, zu welchem der Kanal in allem Wesentlichem fertig gestellt und in Sicher heit befahrbar sein würde, und auf Grund dieser Erklärungen der Bauleiter sind von Sr. Majestät dem Kaiser die Befehle hinsichtlich der Eröffnungsfeier gegeben." — Im Juli dieses Jahres feiert der Cardinal Graf LedochowSki das Jubiläum seiner üOjäbrigen Priester- thätigkeit. Die polnische Presse und die ihr affiliirte klerikale deutsche Presse weist schon jetzt auf dieses Ereigniß hin, das anscheinend zn großartigen Huldigungen für den ehemaligen »PrimaS von Polen" benutzt werden soll. Besonders über schwänglich grberdet sich der Arakauer ,LzaS", indem er aus das „Frühling-Hosiannah" hinweist, das durch die Lüfte er klang, als Graf LedochowSki im Jabre 1806 seinen feierlichen Einzug in Posen gehalten hatte. Aus der Absicht, den Car dinal in Deutschland selbst zu feiern, wird iudesieu wohl nicht» werden, nachdem Anspielungen auf einen Besuch de» früheren Erzbischof» iu seiner Diücrse nicht viel Anklaag ge- sundeo hatten. — Wie man der „Franks. Ztg/' meldet, wird in München demnächst gegen einen dortigen Schriftsteller wegen eine» in einem Berliner Blatte erschienenen Artikels verhandelt werden. Die Ofkcialklage gründet sich aus die Erzählung der HeirathSangelegenheit einer Schauspielerin, in der einem preußischen Prinzen eine active Rolle zugeschriebeu wird. Die Berliner Gerichte, einschließlich des Kammergericht», wollten den Angeklagten in Berlin zur Rechenschaft ziehen, und e» war ihm die Vorladung zur Verhandlung bereit» zu gegangen. Das Reichsgericht erkannte aber, daß München der That- und GerichtSort sei. — Bekanntlich hat vor Kurzem eine Fachausschuß über die Revision der Civilproceßordnung im Reichsjustizamt beratheu. Im Herbst wird eine Commission mit der Revision de» Handelsgesetzbuches sich beschäftigtu. — Der hiesige württembergische Gesandte Freiherr von Baru- büler ist vom Urlaub «ach Berlin zurückgekehrt. * Tanzt«, 6. Juni. In der gestrigen Sitzung de» Ber- baudStaaeS der Gewerkvereine sprachen der VerbandS- anwalt Vr. Max Hirsch-Berlin und H. Kamin-Berlin über die Frage: „Wie können die Gewerkvereine die Lohn- und ArbeitSzenverhältnisse praktisch verbessern?" Es wurden folgende Grundsätze aufgestellt: Ausbreitung und Verstärkung der GewerkverriaS-Oraanisatloa, Erhöhung der LeistuugSsLhigkrit der Mitglieder durch Förderung der fachlichen und der allgemeinen, besonders der volkswirthschasttich- socialpolitischen Bildung; Verhütung des UeberangebotS von Arbeits kräften durch Regelung der LehrlingSanuahme, sowie der Arbeit der jugendlichen und tveiblichen Arbeiter unter Mitwirkung der Gesetz gebung. Pflege der periodischen Lohn- und Arbeitszeitsiotlstik, Durch- sührung localer und nationaler Arbeitsnachweise, Beseitigung der abnorm niedrigen Löhne und überlangen Arbeitszeiten, Gewährung ausreichender Reise-, UebersiedclungS- und Arbeitslosen-Unterstützung, Anregung, Förderung und Anrufung aller eine Annäherung und Vereinbarnng zwischen Arbeitgebern und Arbeitern bezweckenden Einrichtungen, besonder» der Schiedsgerichte und Einigungs ämter, möglichst im Anschluß an die reichSgesrtzlichen vewerbegrrichtr, Entgegentrete» gegen die mißbräuchliche Herabdrttckung der Accord- löhne, im äußersten Falle unter Anwendung des gesetzlichen Rechtes der Arbeitseinstellung in energischer, aber besonnener Weise mit dem Ziele möglichst baldigen dauernden Friedens. * Breslau, 7. Juni. Das Cousistorium sprach 6 hiesigen Geistlichen in einem Schreiben seine ernste Miß billigung aus, weil sie die öffentliche Erklärung von 40 liberalen Geistlichen über ihre freie Stellung zum Apostoli kum unterzeichnet hatten. * ülotha» 7. Juni. Der Landtag erklärte die Regierungs vorlage über die Organisation des Ministeriums für ungenügend und fordert eine andere Regelung. * Mainz, 7. Juni. Der Dachdeckerausstand ist beendet. Den Gehilfen wurde eine Erhöhung des Wochenlohnes gewährt. (S. Z.) * Neustadt a. H., 7. Juni. Die Regierung zu Speyer hat die (gestern mitgetheilten. Red.) Verbote in Betreff des freisinnigen Parteitags aufgehoben. * Stratzburg i. E., 7. Juni. Der Verband deutscher Müller nahm in seiner heutigen von ca. 300 Mitgliedern besuchten Generalversammlung einstimmig eine Resolution gegen den Antrag Kunitz an. — Die hiesigen Social demokraten hatten bei der Stadtverwaltung die lieber- laffung der größten Halle der Stadt, des ehemaligen Stadt- bahnhosc», beantragt, um darin eine Versammlung abzubalten, in welcher der Reichstagsabgeordnete Bebel über die Reichs- tagSsession berichten sollte. Der Gemeinderath hat mit Rücksicht auf einen früher gefaßten Beschluß, wonach städtische Gebäude und Locale zur Abhaltung von Versammlungen politischen oder confesstonellen Charakters nicht hrrgegeben werden, da» Ansuchen abgelehut. Oesterreich-Ungarn. * Wie», 7. Juni. Im Wahlreformausschusse erklärte Graf Khuenburg, die Linke stimme einem Eintreten in die Spccialdebatte zu in der Erwartung einer Verbesserung der Vorlage. Sie bekämpfe die Zwritheilung der neuen Wahl- curie, wünsche eine weitere Ausdehnung des Wahlrechts, Ver mehrung der Mandate, Garantien gegen das Eindringen radicaler Elemente dadurch, daß die bisher Wahlberechtigten das Plural wahlrecht neben den Wählern der neuen Curie behalten. * Wien, 7. Juni. Die Abhaltung der von der social demokratischen Parteileitung für den 9. Juni in einem Local im Prater eiuberufenen Volksversammlung mit der Tagesordnung „Die Wahlreform" ist mit Rücksicht aus die ungesetzlichen Straßendemonstrationeu nach ber am 30. Mai in der „Volkshalle" abgehaltenen Versammlung seitens der Behörden untersagt worden. Dem Ansuchen aus lieber- laffung der „Rotunde" für eine Versammlung mit derselben TegeSordmmß k«nnle feite»« de« HandeKmiuistrriamS kei,e Folge gegeben werde». * W»eu, 8. Juni. (Telegramm.) Wahlreformaus schuß. Krau» (Deulschnational) erklärt, er werde für den Uebergang zur Tagesordnung stimmen. Meuger ist dafür, daß in die Specialdebatte eingelreten werde; er bezeichnet als Hauptmangel der Vorlage die Zweitheilung der neuen Curie. Graf Hohenwarth giebt zu, daß die Schöpfung de» Subcomits» keine Partei befriedige, allein daS Subcomits glaube seiner Aufgabe entsprochen M haben, einen Mittelweg für die verschiedenen Parteiwünsche zu finden. Redner steht für die Arbeit de» SubcomitLS ein, spricht sich gleich ber Regierung für Vermehrung der Arbeitermandate aus, erklärt, er werde niemals einer Vermehrung der Abgeordneten um 88 bis 108 Mandate zustimmen, und empfiehlt zum Schluß eia schleunigstes Eintreten in die Specialdebatte. Graf Ria in Ski hält den Entwurf für abänderungsbedürftig und spricht für die Specialdebatte, da zu einer Ablehnung » Irwin« kein Grund vorliege. Die Verhandlungen werden daun abgebrochen. * Bräun, 7. Juni. Als Urheber der jüngste» Bomben anschläge wurden vier junge GeschäftSpraktikanten ver haftet, die erklärten, eS sei ihnen nur um eine „Hetz" zu thun gewesen. * Pest, 7. Juni. Die Versammlung der Briefträger, Post- und Telegraphen-Bediensteten ist ohne Beschlußfassung verlausen. Nach der Versammlung kam e- zwischen den iu der Waizner Straße angesammelten Theil- nehmern an der Versammlung und der Polizei zu einem Zusammenstöße, bei welchem mehrere Personen ver wundet und mehrere verhaftet wurd»u. Von 1600 Bedienstete» verabredeten 800, morgen zu streiken. Frankreich. * Part», 7. Juni. Mehreren Blätter» zufolge macht sich beim Senatspräsidenten Challemell-Lacour ein Verfall der geistigen Kräfte bemerkbar, der große Besorgnisse einflößt. — Die Negierung wird einen Credit von 60 000 FrcS. für eine Trauerkundgebung am Todestage Carnot» begehren. * Paris, 7. Juni. Die HeereS-Commisson der Kammer hat dir Ausarbeitung des Gesetzentwurfs, betreffend die Spionage abgeschlossen und sich dafür entschieden, die Gesetzentwürfe über Spionage and Berrath in einen einzigen Entwurf zusammeuzufassen. * Paris, 7. Juni. Der Grubenarbe,tercongreß hat einen Antrug angenommen, welcher fordert, daß die Verantwortlichkeit der Grubenbesitzer für alle Grubeu- uufälle gesetzlich festgestellt werde. Der deutsche Delegiere Bunte hatte den Antrag befürwortet. Der Congreß wählte sodann einen internationalen Ausschuß, dem die deutschen Delegirten Moeller und Horn angehören, und bestimmte als nächsten Congreßort Lüttich, fall« daS belgische Auöweisungsdecret gegen Basly und Lamendin zurückgenvm- men wird; andernfalls soll ber Congreß in London tagen. Hierauf wurde der Congreß geschlossen. * Cherbourg, 7. Juni. Die spanischen Kriegsschiffe werden auf der Rückfahrt von Kiel hier anlausen. Belgien. - Brüssel, 7. Juni. Die Creditforderung zu Gunsten deö CongosiaateS beträgt 7'/r Millionen. Die Creditforderung für die Congobahn ist eudgiltig aufgegebc n. (Magdb.Ztg.) Spanien. * Madrid, 8. Juni. (Telegramm.) Wie nunmehr fest- steht, wird das spanische Geschwader, daS der Eröffnung des Nordostseecanals beiwohnt, am 11. Juli in Cher bourg einlausen und dort vier Tage bleiben. Schweden und Norwegen. * Ehristianta, 7. Juni. Das Storthiug nahm heute nach kurzer Debatte die am 30. Mai verabredete Tages ordnung mit 90 gegen 21 Stimmen an. (S. d. Leitartikel im heutigen Morgenbl. D. Red.) * Ehriftiania, 7. Juni. Storthiug. In der Lev>.»F über die heute angenommene Tagesordnung wies Steen auf die Ereig nisse vom Jahr 1860 hin; mit Rücksicht auf diese Ereignisse wolle er für die Tagesordnung stimmen, besonders aber weil sie ein be sonderes norwegisches Ministerium des Auswärtigen zur Voraussetzung habe. Ltndboe (Linke) erklärte, er müsse gegen die Tagesordnung stimmen, weil die Erfahrung lehre, daß Norwegen bei Verhandlungen nie sein Recht erlangt habe. Ulk mann bezeichnet« die Tagesordnung als zweideutig, er wolle aber in dem selben Sinne wie Steen sich äußerte, Lasur stimmen. Schweig- gard hob hervor, wenn auch die Rechte für die Tagesordnung stimme, so halte sie doch an ihrer Auffassung über die Sachlage fest. Rußland. * Petersburg, 7. Juni. Nachdem vor einigen Tagen der Director der politischen Abtheilung des Polizei-DepartementS, StaatSrath Lerche, spurlos verschwunden ist, erregt ein anderer Fall bei der Petersburger Polizei das größte Auf sehen. In der Casse der Stadthauplmannjchaft sind bedeutende Unterschlagungen entdeckt worden, deren Höh« »och mcht ge«aa festgestellt ist. vor einige» Tage» erschien dort der Millionair G., der biSver wegen Verschwendung unter Curatel stand, jetzt aber wieder über sein Vermögen verfügen darf, um seine ia der Casse depouirtrn Werthpapiere in Empfang zu nehmen. Dabei kam an den Tag, daß fällige Coupon» im Betrage von 50 000 Rubeln von den Papieren abgeschnittrn worden sind. Sobald Stadthauptmann v. Wahl hiervon erfuhr, ließ er die Sache untersuchen. Die Untersuchung ergab, daß der fehlende Betrag noch größer sei, al» man Anfang» an genommen hatte. Heute spricht man von mehr als 100 000 Rubeln. Ein Beamter de» StadthauptmannS, Oberst- lieutrnant P., wurde al» der Unterschlagung verdächtig ver haftet. Die Entdeckung erfolgte kurz vor der beabsichtigten Abreise des StadthauptmannS v. Wahl rum Curgebrauche nach CarlSbad, die infolge dessen aufgeschovea wurde. * Warschau, 7. Juni. Der Pastor und Superintendent der Warschauer Diöcese Carl Gustav ManitiuS wurde an Stelle de» verstorbenen Bischofs von Everth zum General - Superiateodeutea von Warschau ernauut. Orient. * Basta, 8. Juni. (Telegramm.) Der Unter suchungs-Ausschuß hat seine Arbeiten beendet, ohne Stambulow vernommen zu haben. E» beißt, der Ausschuß habe in seinem Bericht an die Sobranje beantragt. Anklage gegen Stambulow wegen Verletzung der Verfassung und wegen Mißbrauchs der StaatS- gelder zu erheben. Aste«. Die „Polit. Torr." brachte in letzter Zeit mehrfach Zu schrift«» au» Petersburg, wonach Rußland iu der oftaftatischn» Frage, abgesehen von seinem gemeinsamen Vorgehen mit Deutsch- land und Frankreich, nebenher noch eine selbstständige, gegen den japanischen Einfluß in Korea gerichtete Action unter- nommea Hab«. Wie das „Verl. Tagebl." erfährt, ist in hiesigen gut nnterrichteteu Kreisen von dieser einseitigen Action Rußland» nicht» bekannt. DaS Programm, welche« die drei Mächte Ruß- land, Deutschland und Frankreich ihren gemeinsamen Vorstellungen zu Grunde gelegt haben, umfaßt olle Puncte, welch« eine jede der drei Mächte gegen den FriedenSschluß von Shimonoseki einzuwendeu hatte. Dieses Programm ist nicht geändert worden. ES kann also keine Veranlassung zu einer be sonderen Acttoa Rußlands in Ostasien gegeben sein. Die Meldung der „Polit. Lorr." dürfte also nicht sowohl die Thatsachrn, als dir Wünsche gewisser russischer Kreise wiederspiegel», die mit der gegenwärtigen, maßvollen Haltung der russischen Regierung Japan gegenüber nicht einverstanden sind. Die „Polit. Corr." scheint sich also zum Werkzeug dieser russischen Kreise zu machen, die ihre Regierung, ohne ihr nach außen hin direct zu präjudiciren, in eine Politik der schärferen Tonart Japan gegenüber hineinziehen möchten. Afrika. * Aus Tanger meldet ein Telegramm des „B. R." vom 4. Juni: „Vier Wagenladungen mit eingesalzenen Köpfen befinden sich unterwegs von Marakesch nach Fez. ES sind die Köpfe der aufständischen Rahamnas. In Rabat mußten die Köpfe aufö Neue eingesalzen werden, weil sie der Verwesung nahe waren. Juden mußten die Arbeit zwangs weise verrichten." — Spanien hat nunmehr den Rest der ersten Rate derKriegSentschädigung Marokkos cingezogen; 401 979 DuroS (1 607 916 >L) wurden auf dem Kreuzer „Isla de Luzon" in Tanger verschifft und zunächst nach Cadix geschafft. Die genannte Summe besteht, wie man der „Allg. Ztg." auö Madrid berichtet, aus lauter Silberinünzeu, deren Zählung viele Tage in Anspruch genommen hat. Wie eS scheint, hatten die Marokkaner es versucht, eine große Menge von falschen Silberstücken oder außer CourS befindlichen philippinischen Münzen mit unterzuschieben; es mußte daher viel hin- und hergefeilscht werden, ehe die Söhne des Propheten sich dazu verstanden, mit echten Stücken herauözurücken. Amerika. * Washington, 7. Juni. Olney, bisher Chef des Justiz departements, ist zum Staatssecretair ernannt worden. Hum Chef des JustizdepartementS wurde Judson Harmon aus Cincinnati ernannt. * Madrid, 7. Juni. Der Ministerrath beschloß, daS kubanische BesatzungScorpS auf 30 000 Mann zu bringen. Die Operationen gegen die Aufständischen stocken wegen Regenzeit. * Madrid, 7. Juni. Nach Meldungen aus Cuba fand bei Tranquilidad ein Scharmützel statt. Ein Officier und 25 Mann wurden von einer fünfmal stärkeren Abtheilung Rebellen angegriffen, doch gelang eS ibnen, die Angreifer zurückzuschlagen, wobei sie 4 Rebellen tödteten und mehrere verwundeten. Die Spanier selbst hatten 4 Todte und 5 Ver wundete. darf ich diese Mittheilnng schon machen, mit der Bitte, selbe als eine vertrauliche zu betrachten! Die präsumtive Braut meines Neffen ist Wilhelmine von der Golze." „Ah — dir Tochter des Grafen von der Golze?" „Ganz recht, des Obersten der Garde-Grenad»ere." „Aber die Familie ist enorm reich!" Der Hanptmann lächelte. „Das ist kein Fehler, verehrte Frau." „In der Tbat — da haben Sie recht." Frau Goldstücker war ganz verwirrt. DaS war wirklich «ine überraschende Mittbcilung. Jbre Gouvernante, welche ibr stets wie eine Art höherer Dienstbote erschienen war, die künftige Schwägerin der Erbtochter veS gräflichen Hauses von der Golze, einer Familie, welche dem Herrscherhause nahe stand, stets bei Hose verkehrte und zu den edelsten des Lande« zählte. Da mußte man denn doch mit Fräulein v. Erbach m Zukunft ein wenig glimpflicher umgehen, und um gleich den Anfang zu machen, sprach sie: „Ich werde Ihnen recht egoistisch erscheinen, daß ich Ihre Gesellschaft für mich so aussckließiich in Anspruch genommen habe. Selbstverständlich müssen Sie Ihrer Nichte noch Mit- theilungen zu machen haben und ich bitte, dies ganz ungenirt thun zu wollen." „Leopoldine", fuhr sie lauter fort, „komm zu Mama und gieb Deine nur allzu nachsichtige Lehrerin jetzt frei." DaS kleine Mädchen kam fröhlich dahrrgrsprungen, der Hauptmann erhob sich, um Abschied zu nehmen, und auch ValeSka und Hardenberg näherten sich langsam, scheinbar iu ein ernstes Gespräch vertieft. Bald saßen Onkel und Nichte in der Nische de» Erker fensters im anstoßenden Cabinet plaudernd beisammen, wäh rend Frau Goldstücker ihrem Gatten und dem Gaste die große Neuigkeit mittheilte, welche sie eben vernommen. Da sie der DiScretion dieser Beiden sicher war, machte sie sich weiter kein Gewissen daraus, da« angelobte Schweigen zu brechen. „Ich kenne Wilbelmine von der Golze nur oberflächlich", meinte ValeSka nachdenklich, „sie ist eine schöne, stolze Er scheinung und dürfte vortrefflich zu Siegsried paffen, auch wa» Eharakleranlage, Neigungen und Lebenöausichtr» betrifft." „Gewiß, daS Glück Deine« Bruder» wird durch dies, Verbindung für immer begründet sein, und wenn Du dir« bedenkst, wirst Du nicht zögern, auch Deinerseits ein Scherf- lei» dazu beizutragen." „Sicherlich, doch zweifle ich, daß dies in meiner Macht leht." „Im Gegentheil, und der Zweck meines Besuches war in erster Linie, Dich um diese Gefälligkeit zu ersuchen." „Da mußt Du dich schon deutlicher erklären, lieber Onkel, Du siehst, ich besitze nur eine geringe DivinationSgabe." „Erinnerst Du dich »och an Deine Jugendfreundin, Klotilde Saatfeld!?" „Ei ja, ich hörte lange nichts von ihr, seit der traurigen Kunde, daß ihr Vater, der Regierungsrath Saalfeldt, uner wartet gestorben sei. Klotilde wollte sich nach Potsdam zu den Verwandten ihrer Mutter begeben." „Das bat sie auch gethan, was Du aber ignorirst, ist, daß Siegfried mit dem extravaganten Mädchen in gewisse Beziehungen getreten ist, welche die der Freundschaft weit überschritten haben." „WaS Du mir da sagst, Onkel, ist mir allerdings völlig neu und versetzt mich einigermaßen in Bestürzung, wenn ich die Nachricht von Siegfried'- bevorstehender Verlobung damit in Zusammenhang bringe." „Hm — so schlimm, wie die Sache auSfiebt, ist sie nun gerade nicht. Es sind mindesten» keine bindenden Versprechungen von Siegfried'S Seite gemacht worden. DaS wäre auch eine reine Kinderei gewesen, denn die vermögenslose Waise hätte kaum je Aussicht gehabt, die Gemahlin de» armen Garde- osficierS zu werden." „Und dennoch —" „Ja, dennoch haben die beide» jungen Leute eine Liebelei angesponnen, und dies war von Seite Klotilde'S eine große Unvorsichtigkeit, die sie jetzt büßen muß." „Sie muß dieselbe büßen, die gemeinsam begangene Schuld, wenn hier überhaupt von einer Schuld die Rede sein kann", entgegnete ValeSka nickt ohne Bitterkeit. Der Freiherr begnügte sich damit, die Achseln zu zucken, wa» sollt« er auch erst Worte verliereo, um über Sachen zu streiten, die nun einmal icststanden. „Selbstverständlick", fuhr er unbeirrt fort, „hat der Bruch mit Siegfried dem Mädchen eine tiefe Wunde geschlagen; doch zu stolz, um die» der Welt und dem früheren Geliebten gegenüber zu zeigen, hüllt Klotilde sich in Schweigen, und das hat immer etwa« Unheimliches, denn Frauen, welche viel sprechen, bandeln nicht, während im Gegentheil dir wortkargen Racke brüten." „Wenn Ihr fürchtet, Klotilde könnte daS thun, dann de- urthrilt Ihr sie sehr ungerecht." „Ach, Kind — die Frauen im Allgemeinen sind un berechenbar und nun gar noch, wenn sie zu den verlassenen und aufgeopferten gehören. UebrigenS, verstehe mich recht, fürchten wir weder Gift nock Dolch oder ein Flacon Vitriol, sondern irgend eine Taktlosigkeit, deren ich eine junge Dame, die sich selbst zu den Emancipirten zählt, Wohl fähig halte." „Und waS kann ich in der Sache thun, Onkel? Soll ich mit Klotilde verhandeln?" „Ganz recht. Siegfried war nämlich so unvorsichtig, ihr eine Anzahl Briefe zu schreiben, voll von LiebeSbetheuerungen und wer weiß was für Versprechungen —" „Die er jetzt gebrochen —" „Freilich, sie waren ja nie ernst gemeint. Diese Briefe aber könnten in der Hand eines rachsüchtigen Weibes zur gefährlichen Waffe werden. Wilhelmi von der Golze, die viel umworbene Schönheit, darf nie erfahren, daß der Mann, welchem sie (den Vorzug gegeben, wenige Monate vorher in den Banden einer Anderen geschmachtet. Eine kleine In diskretion würde genügen, die kaum geschloffene Verbindung zu lösen." „Klotilde ist einer so niederen Handlung unfähig!" „Pah, ich habe viel Erfahrungen in meinem Leben gemacht und sagte Dir schon, daß Frauen in dergleichen völlig un berechenbar sind. Du wirst gewiß als gute Schwester handeln und ein kleines Opfer nicht scheuen, um das LrbenSglück Deine« Bruders zu sichern. Es ist ein unangenehmer Gang, daS gebe ich ja zu, aber anderseits eine Mission, so recht für eine zartsinnige ;ungr Dame geschaffen. Fahre, wenn möglich schon morgen, zu Fräulein Saalfeldt und händige ihr dies Päckchen em. Es sind die Briefe, welche sie an Siegfried ge schrieben, dann versteht cs sich ganz von selbst, daß sie Dir im Austausch diejenigen ihre« früheren Geliebten giebt." Der Hauptmann zog ein Etui von schwarzem Leder auS der Brusttasche seine» Rocke» und reichte r» ValeSka, dann fuhr er fort: „Ich vergaß Dir zu sagen, daß Klotilde Saalfeldt sich nicht mehr in Potsdam befindet, sondern seit zwei Tagen in Berlin weilt. Sie bat von einer ihrer früheren Lehrerinnen, die jetzt eine Näb- oder Stickschule etablirt hat, ein Zimmer abgemietbet und will sich ganz der Kunst widmen." „Klotilde besaß ungewöhnliches Talent rur Malerin." „Ganz reckt. Siegfried sagte mir, daß sie schon hübsche Sachen gemacht hat. Bei ernsten Studien kann sie eS zu etwa» bringen." „Vielleicht findet Klotilde Trost und Entschädigung für den zerstörten Herzenstraum in der Kunst, welcher sie sich geweiht." „Hoffen wir daS", meinte kühl der Hauptmann, „aber, um auf ein anderes Thema überzugehen, sage mir doch, fühlst Du Dich immer noch wvhl in Driver Stellung iu diesem Hause?" „Ich habe mich über nicht» zu beklagen." „DaS läßt sich denken. Frau Goldstücker scheint eioe recht nette Dame zu sein, etwas geschwätzig und neugierig — nun, daS hat sie mit vielen ihres Geschlechtes gemeiu; doch glaube ich, daß sie ein gute« Herz hat." Das junge Mädchen begnügte sich damit, eine bejahende Geberbe mit dem Kopfe zu macken. Der Oheim schien auch gar keine andere Antwort erwartet zu haben, deun er fragte hastig weiter: „Wie gefällt Dir denn Herr Hardenberg? Ich muß ge stehen, daß mir seit langer Zeit keine so interessante Erscheinung iu unserer Gesellschaft begegnet ist". „Nach den Ansichten zu schließen, welche er mir gegenüber im Gespräch entwickelte, scheint er ein sehr vernünftig denkender Mann zu sein", erwiderte ValeSka ruhig. Der Freiherr lachte etwas gezwungen. „Wahrlich e« ist befremdlich, unsere jungen Damen, zumal jene, welche sich einen Berus gewählt haben, von der Männerwelt reden zu hören. Unsere Jugend ist blasirt und zugleich mit der Senti mentalität ist ihr das Gefühl abhanden gekommen, sie ist keiner Begeisterung mehr fähig." Jetzt war eS ValeSka, die in fröhliche« Lachen auSbrach; den Obeim schelmisch anblickend meinte sie: „Ich sehe wirklich keinen Grund, mich für Herrn Wolf gang Hardenberg, Firma Hardenberg L Söhne, zu begeistern." „DaS verlangt auch Niemand von Dir, meine Bemerkung war eine allgemeine — höchsten» könntest Du Dich iu de» schönen Mann verlieben." -.Ah!" In dem einzigen Laute lag ein sehr «uergischer Protest und nicht wenig Entrüstung ausgedrückt. (Fortsetzung solgU
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