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Bezugs-Preis Abend-Ansaabe. > k der Hauptexprdition oder den im Stadt« W bezirk und den Vororten errichteten Aus« b»ÜllS K--4V08 «ll». r. ross. Z. «.SSL 8.. 6. 98S 8. b. 8V6 8. 8. 8. 8. 8. 8. Ltilbar. i. 8. 8. 8. 6. 8. 6. 8- 8. 8. 8. 8. 8. 6. 6. 6. 8. 8. 6. 8. 6. 9,63-,, 166,30 23b,2S 285.— 84,95 98.80 234 50 100.48 59,42>>2 121.50 48.1 / >2 9,63 59.42 1.30»« 119,— vüclisr, vieäsr 73>!« S8>« 25»8 97 >i, 34-2 3?-lr 28-2 30', „ nisvks V'll kesk Ne» 6,62. llelLLLts ««I 6,87. »oii 9,00, .5«. VLll 8, liLlld- sä — 12. 0o»I llLlsszts 729.— 67,37-!,. 421,50 m 93,10 2612 1-. SSll l'm- ildrixen seMie»»- 150'« 516 685 620 362 ,i 444 unk 497 70.60 147,80 103.50 99,— S4,39 71,— 43.50 79,75 83.70 119,50 »130 102,90 74,75 127,25 gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS Haus 5.50. Durch die Post bezöge» sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung in» Ausland: monatlich 7.50. 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Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Ertzedittsn zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. 289. Sonnabend Juni 1895. 89. Jahrgang, Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Juni. Die gestern an dieser Stelle mitgetbeilte Klage eines in Brasilien lebenden Schlesiers darüber, daß wiederum auf eine Neclamation des Blumenauer Consuls von der I liegenden d euts chen Gesa nbischaft in Rio der Bescheid gekommen sei, die deutsche Negierung müsse auf Geltendmachung der Ansprüche geschädigter ReichSangehörigcr verzichten, und zwar verzichten auf Grund des columbischen Vertrags mir seiner berüchtigten Klausel*), wird, wie es erfreulicher Weise scheint, die letzte ihrer Art sein, denn die „Nordd, Allgem. Zeitg." kann die gestern gleichfalls mitgetbeilte Meldung der „Nat.-Ztg.", daß Verhandlungen mit der brasilianischen Regierung angeknüpst seien, folgendermaßen ergänzen: „Dem Vernehmen nach sind die von dem kaiserlichen Gesandten in Rio mit der brasilianischen Regierung geführten Verhandlungen wegen der aus Anlaß der jüngsten Revolution erhobenen Ent- schüdigungsforderungen deutscher Ansiedler einem be friedigenden Abschluß nahe. Die brasilianische Regierung hat den größten Theil der deutschen Rcclamationcn als berechtigt anerkannt, und auch da, wo die Höhe der Entschädigung noch streitig ist, solche Angebote gemacht, die eine Grundlage der Verständigung zu bilden vermögen. Unter den anerkannten Reclamationen befinden sich auch diejenigen der Eolonisten aus Blumen an wegen des durch Revolutionstrnppen entstandenen Schadens." Zu beklagen ist nur, daß es so lange gedauert bat, bis der deutsche Gesandte in Rio ermächtigt wurde, die Ansprüche geschädigter Reichsangehöriger seinerseits anzuerkennen und Schritte zu ihrer Anerkennung auch von Seiten der brasilia nischen Regierung zu thun. Immerhin ist es erfreulich, daß solche Schritte endlich getban worden sind, die nach den Erfolgen, welche der französische und der italienische Consul in Rio erzielt haben, bei rechtem Nachdruck nicht erfolglos bleiben können und zu der Hoffnung berechtigen, daß auch der columbische Vertrag auf dem Wege der Unterhandlung wenigstens eine Interpretation erfährt, die dem Interesse der im Gebiete Columbiens lebenden Deutschen und dem deutschen Nationalbewnßtsein einigermaßen entspricht. rial? die gegen die „Brüder" angeordnete Untersuchung einstellte und damr Anklage gegen Mellage »nd Genossen erhob." Und hierzu bemerken heute die „Hamb. Nachr": „Die Staatsanwaltschaft ist bekanntlich den Anordnungen des Jnslizminislers unterworfen und es ist nicht anzunchuic», Laß diese in einem so großes Aussehen erregenden Falle wie dem vor- ausgcbliebcn, oder daß sic im Sinne der Revisions einlegung erfolgt sein sollten. Auch würde die Staatsanwallschait, die bei der ersten Verhandlung, ganz abgesehen davon, daß sie mit ihren Anträgen unlcrlag, auch im Allgemeinen nicht sonderlich abgeschnittcn hat, jedenfalls bei cincm neuen Processe noch ungünstigere Erfahrungen machen. Wie sich im Lause des Processes zur Genüge hcransgestellt hat, war die An- ordmliig der Strafverfolgung eine verkehrte und die Leute auf der Anklagebank gehörten ans die Zeugenbank und umgekehrt. Das dann ergangene Urlheil entsprach derart dem allgemeinen Rcchtsbewiißtscin, daß es durchaus unverständlich sein würde, wen» der Versuch gemacht werden sollte, cs anzufechten." *) Diese Klausel hat folgenden Wortlaut: Unter den vertrag schließenden Theilen besteht ferner darüber Einverständnis), daß die deutsche Regierung mit Ausnahme der Fälle, in welchen ei» Ver schulden oder ein Mangel an schuldiger Sorgfalt seitens der Behörden Columbiens oder ihrer Organe vorliegt, die columbische Regierung nicht verantwortlich mache» wird sür Schäden, Bedrückungen oder Erpressungen, welche die Angehörigen des deutschen Reichs in dem Gebiete Columbiens bei Empörungen oder Bürgerkriegen seitens Aufständischer zu erleiden haben sollten, oder welche ihnen durch wilde, der Regierung ungehorsame Stämine zugefügt werden. Gegen das freisprechende Urtheil im Proces; Meltaue hat, wie das „Echo der Gegenwart" meldet, die Alexianer Genossenschaft durch ihren Vertreter Revision an gemeldet. Daö kann nicht überraschen, wenn die Nachricht sich bestätigt, daß die Staatsanwaltschaft beabsichtige, das Urtheil anzufechten, weil sie die völlige Freisprechung von Mellage und Genossen für rechtsirrthümlich balle. Einstweilen findet diese letztere Meldung allerdings nur in ullramoiitanen Kreisen Glauben. Die „Nat.-Ztg." bemerkte zu dieser Nachricht: „Uns scheint diese „Nachricht" lediglich die äußere Form sür eine Zumuthung zu sein, deren Erfüllung der Justiz minister nur gestatten könnte, wenn es ihm gleichgiltig wäre, ob die Rechts- pslege, wenigstens der von der Staatsanwaltschaft vertretene Zweig derselben, in den schärfsten Gegensatz zu dem öffentlichen Rechts- bewußtsein käme. Nicht die vollständige Freisprechung Mellage's bedarf einer Sühne, sondern das Verhalten der Aachener Staats anwaltschaft, welche angesichts des von Mellage gesammelten Male. In Oesterreich complicirt sich die politische Lage in der ernstesten Weise und spitzt sich rasch und aufs Schärfste zu, nnd sehr bald wird die doppelte Entscheidung falle», ob die Coalition und das Ministerium Windischgrätz weiter bestehen können oder nicht. Wir erhalten zum gegen wärtigen Stand der Krise folgendes Privattelegramin: * Wien, 15. Juni. In der gestrigen Abendsitzung des Wahl reform-Ausschusses, welcher der Ministerpräsident nnd der Minister des Innern beiwohnten, wurde mit großer Majorität beschlossen, in die Spe cialdeba t te über den Entwurf des Subcomitss cinzutretcn. Von der heutigen Entscheidung des WahlreformauSschusses wird die Regierung ihre Entschließungen ab hängig machen. Im Falle der Ablehnung des Elaborates des Sub comitös durch den Ausschuß wird das Cabinct sein Temissions gesuch einreichcn und dasselbe damit motiviren, daß es die Wahl resorm, die den wichtigsten Punct seines Programmes bildet, mit der es steht und fällt, nicht durchzubringen vermag. Außer der Cilliersrage, die den Bestand der Coalition gefährdet, ist die Obstruction der Jungtschcchen bei der Steuerreform das Haupthinderniß jeder regelrechten parlamentarischen Verhandlung. Die Z e r k l ü f t u n g der Parteien nimmt immer größere Dimensionen an. Die Lösung der Parlamcntskrise ist äußerst schwierig geworden. Was die Wahlreform anbetrifft, so weiß man, daß die deutsche Linke erklärt hat, sie werde zwar in die beute im Wablresormausschuß stattfindende Spccialdebatte eintretcn dort aber sofort erklären, daß sie nur dann für den Entwurf des Subcomitös votiren werde, wenn derselbe — in seiner gegen wärtigen Gestalt bekanntlich nichts als ein neues Mittel zur Ver mehrung des conservativ-klerikalen Einflusses — wesentliche Abänderungen (Verzicht ans die Zweitheilung der neuen Wähler- curie, Vermehrung der Mandate der Arbeiterbevölkerung rc.) erführe. Nack der bisherigen Haltung der Regierung und speciell nach der obigen Wiener Meldung ist nicht daran zu denken, daß das Cabinet Windischgrätz sich auf weitgehende Amendements einlassen wird, und da auch die übrigen Par teien allerlei an dem vom Subcomitö zu Stande gebrachten Niemanden recht befriedigenden Elaborate auszusetzen haben ist es nicht ausgeschlossen, daß daö Coalitionsministerinm heute oder morgen schon sein Ende findet. Aber auch wenn das Un erwartete geschehen, wenn die Regierung den von dcntschlibcraler und anderer Seite zu erwartenden Abäiiderliiigsanträgen zustimmeii sollte, so droht ihrem Bestände von anderer Seite her eine nicht inindci-Egroße Gefahr: die Cillier Frage. Man darf sich billig wundern, daß diese Nationa litätenfrage plötzlich wieder austaucht und eine so ansschlag gebende Bedeutung gewinnt. Als das Coalitionsministeriuiii ins Lebe» trat, galt als eme der G rui^i?tasse'lbe sein Zustandekommen ^ unangetastet zu eines ffowe- Ausnabine -Niiiisierium habe in diesem Bestand der Coalition und nickt rn gefährden. Jetzt aber Sitnat,on m,t einem Schlage geändert: emma eine Gestalt bekommen, in der sie der deutsch laffe» , »ui, ji Och m » Die hätte, liberale Partei bcrubiglc innerem Witcr>lrcbeii, um den damit dsi Wahlrcform nickt ^ sich die die Wablrcfcrm bat bat P-r,-i im e>rad- -tlräM isi, i-d-mn über den für das Cillier liberalen hat der anöschuß, - , . von der Regierung verlangten Posi.n um großen Erstaunen wo Gymnasium beratben wird, der Vereinigten deutschen Linken er klärt daß für das gegenwärtige Ministerium auch nicht einmal eine formelle Verpflichtung wegen emer Zusage früheren Negierung den Slowenen gegenüber Cillis vorliegc, daß das Cabmet aber tiotzdem an de Budaetposten bestehe, und endlich gab der Muster hockfabrender und verletzender Weise sehr deutlich z verstehen, daß die Negierung nicht gewillt sei, einmat beschlossene Maßnahme wegen einseitigen En'sprechens von politischen Parteien ztirnckzunehmen, womit v ,.Nadeys, -i- i ^ -r.-- cioiniO-vinni ücki um die weitere deS der Sachen zu der essen kund that, daß das Ministerium sich um Porculösetz-unJ der doalrtion, nämlich das versprechen Ministerpräsidenten, keine einzelne Partn majorisiren lassen, nickt mehr kümmere. Entweder muß sich nun in nächsten Sitzung des BiidgetailSschusies die deutsche Linke niederstimmen lassen, 'da auch die Polen sich für Cilli er klärt haben, oder sie ist genölhigt, aus der Coalition auö- zutreten. Eine Parteiversammlniig hat bereits einen ein stimmigen Beschluß in letzterem Sinne gefaßt und am Mon tag wird ein bindender Beschluß des Clubs der Vereinigten deutschen Linken erwartet, der nicht anders anssallen wird. Es ist nur wenig Hoffnung vorhanden, daß der Budget- ansschuß sich noch in letzter Stunde darauf besinnt, daß cs ein unglaublicher Fehler ist, um der sieben slowenischen Abgeordneten willen die große liberale Partei auS der Coalition hinanSzudrängen, und so wird voraussichtlich am Montag der Austritt rer deutschen Linken erfolgen. Daß dann aber auch die Stellung der deutschliberalcn Minister Plcner und Wurmbrand, ja selbst die des Ministerpräsidenten, nnhall bar, das Coalitionsministerium mithin gesprengt ist, braucht nickt erst gesagt zu werden. Also Demission des Gesammt Ministeriums wegen der Wahlreform oder partielle Krise wegen Cilli, das ist die augenblickliche Signatur der Lage in Oester reich. Mag aber das Eine kommen oder das Andere, oder mag es gelingen, die klaffenden Abgründe noch einmal zu Überdrücken, erfreulich ist der Ausblick auf die inner- politischen Verhältnisse der verbündeten Nation nicht, denn der österreichische Parlamentarismus ist csrrupt bis in die Wurzel, so daß auf gesunde Früchte desselben kaum mehr zu hoffen ist. Das zeigten vor Kurzem von Neuem die Vor kommnisse bei der Wiener Bürgermeislerwahl, dafür spricht noch deutlicher die gegenwärtig beliebte unerhörte Obstructions Politik der Jnnct chechen im Abgeordnetenhause, die sie ledig lich in Scene setzten, weil die großartige Steuerreform, ber auch sie ihre Zustimmung nicht versagen können, das Werk Plcner's, also eines deutschliberalen Ministers ist. Wie wir voranssagten. ist die Opposition in der italienischen Kammer gleich in den ersten Sitzungen an der Arbeit, Verwirrung anzurichtcn und jede positive Arbeit un möglich zu machen; daß aber ein auf dem Namen CriSpi's gewählter Politiker, auf dessen Wahl zum Kammerpräsidenten Crispi selbst so großen Werth gelegt hatte, noch vor dem Eintritt in den Kern der Verhandlungen fahnenflüchtig werden und zur Opposition überlaufen würde, das hatten wir und wohl schwerlich auch sonst Jemand, nicht vermuthet. Die Felonie des Präsidenten Villa besteht bekanntlich varin, daß er in den Wahlprüfungsausschuß so viel Ver treter der Opposition — und unter ihnen die heftigsten und erbittertsten Gegner CriSpi's — berief, daß die Regierung in dieser Commission nur über eine Stimme Mehrheit verfügt, und daß er aus diese Weise der Opposition eine sehr gefährliche Waffe gegen die Regierung in die Hand gab, deren Schärfe in erster Linie gegen Crispi selbst versucht werben wird, wenn nicht Villa zum Rücktritt veranlaßt und ein anderer Ausschuß berufen wird. Bleibt der Wahl- prüfuligsausschnß auf seinem Platze, dann kann man auf die Beanstandung der Wahle» Crispi'S und der Hauptstützen der Regierung sicher zählen. Der Grund des plötzlichen Abfalles des Kailimerpräsidellten zur Opposition liegt darin, daß die äußerste Linke ihn mit EnthüllunAen und Skandalen bedrohte, falls er de» Radicalen nicht zu Willen sei. Da Villa, der frühere Vertheidiger der Banca Romana, aus diesen und anderen Gründen alle Ursache hat, gewisse Angriffe zu fürchten, so ließ er sich von der Opposition ködern. Daß er nicht der Mann ist, in den stürmischen Zeiten, die jetzt über den italienischen Parlamen tarismus hereiliHebrochen sind, das Präsidium zweckdienlich zu führe», Uebergriffc der Intransigenten in gebührende Schranken zuriickznweisen, die Würde und die Autorität seines verant wortungsvollen Postens zur Geltung zu bringen, hat sein schwächliches Zukreuzekriechen vor den Drohungen der Oppo sition bewiesen. Seine Rolle als Kammerpräsident .er scheint damit auSgespielt. Wenn es auch nachträglich demeu- tirt wird, daß Crispi unter dem ersten Eindruck der Treu losigkeit Villa's seine und seiner College» Entlassung an geboren habe, so darf man andererseits an den festen Willen deS Ministerpräsidenten glauben, nöthigenfalls die stärksten, nach der Staatsraison zulässigen Pressionsmittel anzuwenden, um freie Bahn für eine Politik zu gewinnen, für welche er das Placet seines königlichen Herrn besitzt, und an deren Stelle die Opposition nichts Besseres zu setzen hat. Die Kammerinehrheit muß sich darüber vollkommen klar sein, daß ihr keine Wahl bleibt, als unter allen Umständen die Erwar tungen der Regierung und des Landes zu rechtfertigen, oder sich selbst vor der Oeffentlichkeit und den Wählern für immer unmöglich zu machen. Die Lage in Italien erscheint nach dem Vorgefallenen wohl ernst, aber keineswegs aussichtslos. Kritisch könnte sie nur werden, wenn das schwachmüthige Verhalten Villa's in den Reihen der Kammermehrheit Nach ahmer fände. Auf ihre Rechnung aber würden die Scandal- macher dock nicht kommen, so lange CriSpi der Vertrauensmann seines Königs bleibt; denn daß er selbst vor dem äußersten Mittel, der Diktatur, nicht zurückscheut, hat er schon mehr als einmal zu verstehen gegeben. — Heute wird, wie unS ge meldet wird, dem Vernehmen nach der Justizminister aus Ersuchen LeS Generalstaatsanwalts das Aktenstück in der Giolitti'schen Angelegenheit der Deputirtenkammer vorlegen, Barzilai und Bonajuto werden Anfragen über den Proceß Giolittt einbringen, und schon bei dieser Gelegenheit wird die Kammermehrheit zeigen können, ob man mit Recht oder Unrecht ein böses Omen in dem Zwischenfall Villa erblickt hat. 117.— 159.75 124,50 144 50 153,20 203 — 172.50 76.10 97FO 169.25 122,- 245,80 130,— 219.25 95,25 171,20 135.50 167,30 219.50 217,40 219,50 89,75 10140 288,50 148,40 160,60 73.— 1«7,— 169.90 151.90 153,— 108,75 105 60 104,30 8tIU. - vLwpfer !llä»wpksr on » in ne- von n»n> Feuilletsii Haus Hardenberg. 81 Roman von Ernst von Waldow. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) In der Zwischenzeit hatte Hardenberg mehrere Briefe an ValeSka geschrieben, aus denen allerdings eine herzliche Zu neigung sprach. Aber das große, mit feinen Quadraten bedeckte Papier, die regelmäßigen, langzezogencn Schristzcichen — eine richtige Kausmannöhaiid — hatten diesen Liebesbriefen einen Geschäftsstempel ausgedrückt. Sie waren auch in der That auf demselben mächtigen Schreibtische, im Privatcabinet des Kaufherrn, geschrieben worden, wo ihm die Briefe der jungen Leute deS Geschäfts zur Unterschrift vorgelegt wurden und wo fortwährend Anfragen nnd Besuche den Biclbeschäftigten unterbrachen. Gerade um diese Zeit drängte sich viel zusammen und wichtige Entscheidungen waren für den Chef der Firma zu treffen/ Deshalb war cs Hardenberg auch nicht möglich, eher als einen Tag vor der Trauung in Berlin einzutrcffen. Durch das letzte Telegramm, welches diese Entschließung brachte, ward Baleska tief niedergeschlagen. Sie hatte es sich so schön gedacht, mit dem Bcrlobten noch einige Zeit lang in jener stillen Genügsamkeit und GlückSerwartung binzuleben, die oft genußreicher ist, als der vielbesungene Honigmond. Kannte sic doch den Charakter Hardenberg s, seine LebenS- gewohnheiten und Neigungen zu wenig, und dann hoffte Valeska noch ganz im Geheimen, daß während des Allein- seins mit dem Bräutigam so köstliche Augenblicke sich wieder holen würden, wie jene unvergeßlichen im Grunewald. Der Mai mit seinem Prangen lockte inS Freie, und »m doch etwas frische Luft und Sonnenschein zu genießen, machte Valeska häufige Spazierritte mit Onkel Dietrich in den Thiergarten. Die schöne Reiterin aus dem edlen Pferde erregte all gemeine Aufmerksamkeit und manch bewundernder Blick folgte ihr, sogar a»S dem Fond der Hofeguipagen, welche die Oncr- allee passirten. GaleSka'S Brust hob sich hoch. Das war freilich etwas anderes, als wie früher mit Frau Goldstückcr eine Promenade zu machen, die kleine Leopoldine an der Hand. Die arme Erzieherin war kaum beachtet worden, während die einstigen Freunde und Bekannten sich beeilten, sie voll Zuvorkommenheit zu grüßen und ihre Glückwünsche ans- zuspreckcn. Alle diese Leute hatten nicht den mindesten Vortheil davon, daß sie einen Millionair heiratbete, auch nichts von diesem zu hoffen, warum also diese plötzliche Wandlung? War das Geld an sich denn etwas, vor dem man sich neigen mußte, das Respect, ja Ehrfurcht einflößte? Unwillkürlich legte das junge Mädchen sich diese Fragen vor, ohne eine Antwort zu finden, und dann kam ihr der beschämende Gedanke: ob sie selbst sich nicht auch habe von dem Ncichthuiil Hardenberg's blenden lassen, und ob sie ihn gewählt haben würde, wenn er ein armer Teufel ge wesen? — Die Trauung war vorüber, daS junge Paar machte sich reisefertig, während die Gäste noch an der reichbesetzten Tafel ihr Frühstück beendeten. Man sprach von der Braut, die Herren mit voller Be wunderung ihrer Schönheit, die Damen mit gleichem Ent zücken von der Toilette, der weißen Brocatrobe mit der Spitzengarnitur on poin 8-E, xjnem Hockzeitsgeschcnke der Frau Goldstücker, und den Brillanten deö Bräutigams. Die Engelmann'schen Töchter starben beinahe vor Neid, aber sie waren doch bemüht, so viel Süßigkeiten wie möglich hinab- zuschlucken, denn einem alten Aberglauben nach bringen die „Oontetti" eines HochzeitsmahleS Glück, besonders jungen Damen, die sich zu verbeirathen wünschen. Später gab es einige Redereien über die Hochzeitsreise. Warum ging daS Paar nicht nach Italien — dort war cS jetzt zu heiß — gut denn, dann bleibt die Schweiz — der Rhein — „ein abgetretenes Gebirge", meinte Luise Engel- mann, und ihre Schwester setzte hinzu: „Der Rhein' ist ein so viel besungener Fluß, daß er förmlich langweilig ge worden ist." Also Schweden, Norwegen, daS ist noch dazu in der Mode. Die Neuvermählten aber gingen nach Thüringen. Wie kann man eine Hochzeitsreise nach Thüringen machen, wenn man einen Millionair beiratbet? Aber Hardenberg hatte Geschäfte in Erfurt und deshalb hatte man Thüringen gewählt. Ach so — der Mann war auS der Provinz, daS ließ sich eben nicht verleugnen, hätte er nicht zufällig Geschäfte in Erfurt gehabt, würde er wahrscheinlich nicht erst die Zeit mit einer Hochzeitsreise verloren haben — das hastet sich und plagt sich, alle sind vom Geldsieber befallen. Das flüsterte man selbstverständlich, denn im Hause eines Geldmaniies wie Samuel Goldstücker schmäht man nickt das goldene Kalb, ebenso wenig, wie es anständig wäre, im Hause eines Gebeulten vom Stricke zu sprechen. Inzwischen waren die Neuvermählten nach dem Anhalter Bahnhof gefahren. Eine Viertelstunde später trug sie daS Dampfroß durch die öde Sandwüste, wo der Sage nach der Schmied von Jüterbog! den Tod durch eine List lange Jahre auf einen Apfelbaum gebannt hatte. Sie dachten nicht daran, eS war ja ein so herrlicher Maitag und die Apfelbliithen leuchteten weiß und roth durch das Blättergrlln — vom Tode war nichts zu sehen, der war längst erlöst und ging seinen Geschäften wieder nach. NH. In ihrem blauen Salon saß Gräfin Sophie Charlotte v. d. Golze, in ein sehr ernstes Gespräch mit ihrem Neffen Kurt vertieft. Cie war eine stattliche Matrone, groß, das blonde Haar leicht ergraut, aber das Gesicht mit den regel mäßig geschnittenen Zügen bewahrte noch jugendliche Frische. Ein Tuch aus schwarzen spanischen Spitzen war durch goldene Nadeln am Hinterhaupt befestigt und siel auf das graue Seidenkleid herab, daS Profil vvrlheilhaft einrahmend. Der Kammcrherr Kurt v. d. Golze war just nicht eben das, was man eine aristokratische Erscheinung zu nennen Pflegt. Kleui, fast vierschrötig, mit seinen breiten Schlittern und der blühenden Gesichtsfarbe glich er weit eher einem Land,linker, dem selbst ein längerer Aufenthalt in der Residenz sein gesundes A»S,ehc» nicht zu rauben vermag. „Und Sie wissen das gewiß, lieber Kurt?" fragte die Gräfin. ' " „Ja, gnädige Tante, wenigstens sagte man es mir so, und die Perlon, mit welcher ich über die Angelegenheit sprach, schien gut unterrichtet." „ „Darf man wissen, wer dieser Vertrauensmann ist?" „Ein höchst anständiger Mensch, ein Maler. Fritz Breit kopf, der Sohn unseres Pastors in Dittmannsdorf. Er ist letzt auf dein c-ckkoffe beschäftigt. Die Bilder in der Galerie haben durch die abscheuliche Nässe gelitten, welche die Schnee falle im letzten Winter veranlaßt. Eine Restauration in schajtcr, aber er erbot sich sofort r!. - - R-staurationSarbeit zu übernehme,,. Wir waren cttttin"'im Schlosse, beim Speisen stets beisammen. Wenn er eine Flasche Wein getrunken hat, wird er melancholisch und er zählt seine Lebensgeschichte. Er nennt sich einen Freund des verlassenen Mädchens, vielleicht hofft er auch, zum Liebhaber zu avanciren. Jedenfalls steht fest, daß der Herr Lieutenant sich nicht correct in der Sache benommen hat." „ES scheint so", meinte kalt die Gräfin, „im klebrigen trägt das junge Mädchen wohl mehr Schuld daran. Da sie von guter Familie ist, muß ihre Erziehung arg vernach lässigt worden sein. Von großem Belang ist die Sache übrigens nicht." „Meine Cousine dürfte anders darüber denken." „Ich wünsche nicht, daß Wilhelmine davon erfährt." Der Kammerherr verneigte sich schweigend, seine schmalen Lippen preßten sich dabei fest wie im Krampf zusammen, aber nur einen Moment, dann gelang eS ihm vollständig, sich zu beherrschen und er fuhr mit seiner etwas schnarrenden Stimme fort: „Erbach's Schwester, ein recht hübsches Mädchen, hat ja vor acht Tagen geheirathet. Man sagt, daß sie eine sehr gute Partie gemacht hat, der Mann ist ein reicher Kaufmann, ein Wittwrr mit Kindern, schon ältlich; nun, für eine arme Gouvernante ist daö in unserer Zeit ja immer noch rin Glück zu nennen." „Was ist ein Glück zu nennen?" fragte eine Helle Stimme, und ein junges Mädchen, sehr groß, aber ebenmäßig gebaut, mit einem schönen Gesicht, das eine Fülle lichten, seidig glänzenden Blondhaares umgab, trat durch eine Seitentbür in daS Gemach. „Pardon, Mama, wenn ich stören sollte — guten Morgen, Cousin Kurt — wollen Sie nicht die Güte haben, meine Frage zu beantworten: WaS ist ein Glück?" „Wenn eine arme Erzieherin einen reichen Mann hcirathct", erwiderte der Kammerherr, sich erhebend und tief verneigend. Seine kleinen Augen funkelten vor Vergnügen und er klemmte sein goldenes Lorgnon ein, als wollte er daS schone Mädchen genauer betrachten, eigentlich aber, um seine freudige Erregung über den unerwarteten Eintritt Wilhelmine'S zu verbergen. Diese fuhr unbefangen zu fragen fort: „Aber von wem ist denn eigentlich die Rede?" „Ei, von Fräulein v. Erbach. Ganz Berlin sprach ja von der brillanten Partie, welche sie gemacht; e- ist jetzt acht