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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187806277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780627
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780627
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1878
-
Monat
1878-06
- Tag 1878-06-27
-
Monat
1878-06
-
Jahr
1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1878
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Echt Leilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 178. DomrerStag den 27. Juni 1878. 72. Jahrgang. der de- Landtag. —otr. Dresden, 25. Juni. Nicht die Schwer? Zeit, wohl aber die geradezu barbarische Hitze Juni lastet schwer aus der Ständeverfammlung, so schwer, daß noch nicht einmal heute früh um 1l Uhr die Tagesordnung der um 1 Uhr be ginnenden Sitzung der Zweiten Kammer in dem Han-stur de- Landhauses angeschlagen war. Die Sitzung selbst gehörte heute den Holzinteressenten und ihrem Generaladvocaten vr Heine, dem enragirten Gegner der deutschen Differentialtarif- Wirtschaft. Drei Gegenstände standen auf der Tage-ordnung. Zunächst stimmte die Kammer auf Antrag der durch Kirbach vertretenen Finanz- deputation A dem Anträge der Ersten Kam mer bei, welchen derselbe zu Pos. 33e de- AuS- gabebudaet« bez. Pos. 26 des Einnahmebudgets gefaßt Hatz er lautet: die Staatsregierung zu ermächtigen, die Verwendung des aus den Ein künften der Zoll- und Steuerstrafgelder gebildeten Fond-, außer wie seither nur auf die AusficbtS- veamten, auch auf die Bureaubeamten des Zoll- und Steuerdepartements auSzudehnen. Der letzte Gegenstand war ein auf Abänderung der Landtagsordnung gerichteter Antrag de- Abg. Pen zig, dahin lautend, daß tz. 24 der Landtagsordnung fortab so gefaßt werde, daß jedem Petenten und Beschwerdeführer, der an die Ständeversammlunq kommt, eine kurze Be nachrichtigung über Erfolg seiner Eingabe zu- zustellen fei. Derselbe wurde im Namen dcS Antragssteller- durch Abg. Roth zurückgezogen. Dazwischen fiel die Berathung der Petition der sächsischen Holzinteressenten, über welche der Abg. Zeuner Bericht erstattete. Genannter motivier in längerer, bei der großen in der Kammer bcrrschenden Unruhe aber fast gar nicht verständ lichen Rede das Votum der Deputation: die Peti tion der sächsischen Holzinteressenten, insoweit sie aus Abänderung der auf internationalen Verträgen beruhenden Tarife sich bezieht, der königlichen Staatsregierung zur Kenntnißnahme, im Uebrigen aber zur Erwägung zu überweisen, und betonte namentlich, daß für Sachsen, obgleich eS an nicht weniger als 69 DurchgangSlinien participire, doch nicht der Durchgangsverkehr, sondern der Binnen verkehr die Hauptsache sei. Secretair Richter beantragte, die Petition vollinhaltlich der Regierung zur Erwägung zu überweisen. Die Sache sei wahrlich wichtig genug. Nicht allein die Holz- interefsenten beschäftigten sich lebhaft mit der Angelegenheit, auch die am 15. August in Dresden tagende Versammlung deutscher Forst leute würde sie discutiren und er sei zum Referenten bestellt. Redner charakterisirt unter Hinweis aus daS frühere Tarif-ChaoS in Deutsch land die neuen Tarife immerhin als einen Fort schritt, denn man habe die Rohmaterialien ganz richtig in eine niedrigere Tarifclaffe gesetzt als verarbeitetes Material. Nur sei zu beklagen, daß man gerade beim Holze von diesem Grundsätze abgewichen fei. Redner bittet daher die Regierung, ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß das Nutzholz auS Specialtarif II in Tarif III herunter- esetzt werde. ES würde dadurch die Rentabilität der sächsischen Staatsforsten um deswillen gehoben, weil einzelne unserer Eisenbahnen vorwiegend >olzwege seien. (Heiterkeit.) Die Differential- arife seien ein Werk der Willkür der Eisenbahn- Verwaltungen und für den Consumenten lediglich in abnormen Fällen von Nutzen. ES müsse dafür Lorge getragen werden, Zustände zu beseitigen, welche e« z. B. ermöglichen, daß ein ungarischer Holzhändler auf sächsischen Bahnen billiger ährt alS der sächsische Holzhändler. Walter st mit dem Vorredner nur in der Behand- ung der Petition einer Meinung. Im Uebrigen tehen seine Ansichten denen Richter'- diametral zegenüber. Ein Verkehr auf dem Continent ohne Differentialfrachttarife sei schlechterdings gar nicht mehr denkbar. Einheitstarife seien nur möglich und am Platze in einem Lande wie England. Wenn wir allein sie in Deutschland einführen, geht der ganze Verkehr hübsch um Sachsen herum, wir sind fein isolirt und setzen die Rentabilität unserer Bahnen geradezu muthwillig herunter. Sehr wahr!) Die anderen Bahnen hab-m denn doch auch ein Wort mit hincinzuieden, wir allein können nicht wider den Strom schwimmen, vr. Heine wünscht ebenfalls Ueberweisung der ganzen Petition a« die Regierung zur Erwägung. In nahezu einsiündiger Rede macht er seinem Unmuthe über die Tarrfwirthschasl Luft, und jeine vielfach von attischem Salze gewürzte Rede rief ebensoviel Beifall und Zustimmung auf der einen, wie Miß fallen und Widerspruch auf der anderen Seile hervor. Er beklagte, daß die Tarifangelegenheit di-lang nur in den Kreisen der Tariftechniker, der EifenbahnverwaltungSbeamten erörtert worden ist, während da- Volk, über da» die Tarife „verhängt" j würden, der Krage noch gar nicht näher getreten ist, wie DieS auch wieder der vorliegende Bericht illustrire. Jetzt stehe die Sache so, daß man, um nur da- Fracht-EngroS- Geschäst de» Durchgangsverkehr- — bei dem mau at» den« keinen Pfifferling verdiene! — zu machen, .e heimischen Steuerzahler durch die Generaldirection oer Staatseisenbahnen mit doppelten Steuer- mthen peitschen laste. Diese Importprämie auf da» Ausland fei der Hauptgrund der jetzigen ge werblichen Missre, es se, da» ebenso, alS wenn ein Familienvater Demjenigen, der ihm das Brod auS dem Hause trägt, noch einen Thaler als Prämie giebt. Diese total verkehrte Einrichtung sei auch schuld, daß vielfach die Eisenbahnen auf nahe Ent fernungen gar nicht mehr benutzt werden, sondern wieder Botensuhrwerke eingerichtet werden, wie z. B- von Leipzig auS; KaufmannSaüter, welche dem hohen Specialtarife unterworfen feien, würden eben wieder per Are tranSportirt. DaS sei aber doch nicht etwa ein gesunder Zustand im Eisen bahnzeitalter zu nennen. Schließlich kommt Red ner mit seinem bekannten ceternm censeo: der Forderung nach ziffermäßigen Nachweis, daß bei der Differentialsrachttarif - Mißwirtschaft durch Steuern nicht zugebüßt werden müsse; er schließt mit folgenden Worten: „Mag ich mich nun über Bedeutung und Folgen deS jetzigen Tarissvstems täuschen öder nicht, so viel, meine Herren, steht fest, auf einen grünen Zweig sind wir damit bisher nicht gekommen!" Reg.-Comm. Geh. Rath. Thümmel sagt die Erwägung der Petition der Holzinterestenten und der durch dieselbe angeregten Fragen seitens der Regierung zu. Reg.-Comm. Geh. Finanzrath Hosfmann bemerkt, daß die neuen Tarife keines wegs gegen die früheren erhöht seien; vielmehr seien sie auf allen Linien niedriger als ehedem, eine Ausnahme mache nur die Leipzig-DreSdner Bahn. Redner sucht in längerer, mit Zahlen reich durch spickten Rede nachzuweisen, daß die sächsische Re gierung ihrerseits ganz und gar NichlS gethan habe, um fremden Hölzern Importprämien zu ver leihen. Die Einfuhr fremder, namentlich unga rischer Hölzer basire aus ganz anderen Ursachen alS auf den niedrigen Tarifen. Uebrigcns könne die sächs. Regierung allein nach Lage der Sache absolut Nichts zu Äenderung der bisherigen Ver hältnisse thun. Man würde sonst Sachsen eben isoliren und ihm allen Durchgangsverkehr entziehen. Auch sei jr durch die vom preuß. Hanbelöminister geschaffene Tarifcommission eine Instanz inS Leben gerufen worden, welche eine Äenderung der Tarife berbeizuführen in der Lage fei — Nunmehr wird ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen und sodann Richtcr's Antrag. Finanzminister v. Könneritz wohnte der Sitzung nicht bei; er verrichtete heute Führcrdienst bei der Ersten Kammer, deren Mitglieder die neue Bahn Pirna- Bautzen befuhren; bei heutiger Temperatur auch keine — kühle Sache! Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. Tie Tonkünstlcr-Vcrsammlung zu Erfurt.*) Begünstigt von der herrlichsten Witterung wurde am 22. Juni in Erfurt die diesjährige Versammlung deS „Allgemeinen Deutschen MusirvereinS" durch ein geistliches Concerl »n der schönen gothlschen Barfüßer kirche eröffnet. Nicht genug zu rühmen ist es, daß obengenannter Verein die Initiative zur jährlichen Versammlung deutscher Musiker ergriffen hat. Jenes Erfurt, daS im Mittelalter in fernen zahlreichen Klöstern der edlen Mufika treue Heimstätte bereitete, das in seiner Si. Pauli-Kirche schon im 14. Jahr hundert ein für damalige Zeiten ganz bedeutendes Orgelwerk besaß, war für dieses Jahr als Sammel platz der Tonkünstler erkoren, und nachdem alle Vor> bereüungen getrosten, öffnete Erfurts gastfreundliche Bürgerschaft in der uneigennützigsten Weife ihre Lhore und aus allen Gegenden, „soweit die deutsche Zunge klingt", za noch aus fremden Landen zogen die Musiker herbei. Erfurt ist die Geburtsstadt eines der vorzüglichsten Organisten, nämlich Pachelbel's, geboren 1885. Sein Präludium in llmoll für Orgel eröffnete den Reigen der Programm-Nummern. Ihm folgte das Ehoral-Vorspiel von I. S. Bach: „Der Tag der ist so freudenreich." Beide Stücke wurden von Herrn Schieck, Organist an der Kirche, in welcher daSEoncert stattfand, tadellos und sehr stilvoll gespielt. Ter 84. Psalm für Solobarvton, Männerstimmen, Solo auarlett und dreistimmigen Männerchor, componrrt von Carl Müller-Hartung, wurde durch die Herren Hungar (Berlin), Kahler (Erfurt), Thiene (Weimar), Treitzchke (Erfurt- und dem Männerchor der Erfurter Singakademie trefflich zur Geltung gebracht, wie denn überhaupt der vocale Theil des Eoncertes in ferner Wirkung durch die die Sänger unterstützende Akustik der Kirche (wenn zahlreiches Publicum anwesend ist, weit günstiger sich gestaltete, als die Instrumental- resp. Orgelvorträge, weil sich die Orgel rn nicht sehr gutem Zustande befindet. Die Orgelbegleitung führte Herr Organist Sülze aus Weimar mu genauem Eingehen auf die Intentionen deS Componisten aus. Nach dieser allen Männer chören sehr zu empfehlenden Eomposition spielte Herr Organist Hänlein auS Mannheim ein gerade nicht sehr bedeutsames Concerlstück für Orgel von Gabe op. 20, l-'äur, wo namentlich das unästhetische Schnarren der Zungenstimmen der Orgel die Wirkung sehr beeinträchtigte. Herr Concertmeister Petri aus Gondershausen jprelte im Verein mit Herrn Preitz das ,^ir ' m Oclur von Goldmark. Herr Petri spielt sicher und rein, sollte aber mehr auf schönen lang gezogenen Ton sehen. Wie schön spielte diese- Stüc unser Concertmeister Echradieck »m letzten Concer des Riedel'schen Vereins! Herr Degenhardt au- Eschwege spielt« dann ein Präludium und Fuge, betitelt „Psingstseier" von Piutti. Derselbe, ein früherer Schüler de- Leipziger Konservatorium-, er wies sich alS ein fertiger, geistig durchgebrldeter Orgel- Virtuose, hätte aber weit bester gethan, sich e»n bedeu lendereS classischeS Stück zu wählen. Zu Gerock's herrlicher Poesie in dem Gedichte: „Die heilige Nacht" aus den „Palmblättern" schrieb Lassen eine reizvolle Musik für drei Frauenstimmen mit Be gleitung von Violine und Orgel. Sämmtliche AltS- sührende waren bemüht, diese schätzbare Komposition bestmöglich wiederzugeben: Frl. Breidenftein (Erfurt), Fr. Fischer (Zittau), Frl. Lancow (Weimar), Herr Concertmeister P a u l i (Odessa), Herr Preitz (Leipzig). ES folgte Gustav Merkel' Orgel-Sonate »p. 42, UI. Satz. Da Referent zugleic > der Ausfiihrende ist, so enthält er sich jeder Kritik, *) Der Bericht mußte erheblich gekürzt werden. Die Redaction. kann aber nicht umhin, bei dem allgemeinen Streben nach neuen Orgel Kompositionen jene Merkel- wie diejenigen von vr. Herzog und E. F. Richter angelegentlichst zu empfehlen. AuS dem eigentlich mit Orchester gedachten Cello Concert von Svendsen wachte Herr Kammervirtuos Wlhan aus Sonders hausen mit Herrn Preitz (Orgel) den Mittelsatz vorzüglich zu Gehör. Herr Sülze spielte noch seine Variationen für Orgel über ein Thema auS dem „Hirtenspiel" (Christus, Oratorium) von Franz Liszt. Dergleichen Sei itänzereien auf der Orgel sind allerdings zum Mindesten eine übergroße Verkennung des Wesen-, deS Zweckes und des Standortes dieses herrlichsten aller Instrumente. Mr Orchester geschrieben würde ich nicht anstehen, ie gut zu nennen; aber für Orgel? Diese chromati- chen Sextaccord-Gänge durch die halbe Klaviatur bei vollem Werke, diese Kadenz und noch als Krone das Glockengeklimper am Schluffe dieses laut Programm 15 volleMinuten dauerdenOpusü Lebte ke«n Bach?? )err Sülze, der ein ausgezeichneter Orgelspieler ist, kann seine Fähigkeit gewiß an anderen Meisterwerken der Orgel Literatur zeigen. Winterberger's Lieder werden in geistlichen Concerten gern gehört und so wurde auch sein op. 57 Nr. 3 „Seelenfrieden", so einfach es auch sein mag, sehr beifällig ausgenommen. Herr Hungar sang es entzückend schön. Wenn ich — zu einem anderen Gesang übergehend — mir etwas denken kann, das sowohl im Texte als auch in der Komposition dem Ideale des Edlen und Schönen wirklich am nächsten kommt, so ist es jenes Lied, das dem „Vater unser" des poesievollen P. Cornelius entnommen ist, über die Worte: „Ge heiligt werde Tein Name". Herr Hungar entwickelte im Vortrag dieses LiedeS eine solche Meisterschaft und Gefühlswärme, daß ich den noch jugendlichen, am Anfänge seiner Künstlerlaufbahn stehenden Sänger für diese Leistung unbedingt deS höchsten Preises würdig achte. Herr Preitz begleitete so gut wie es mit der hülfsbedürftigen Orgel ging und verdient für daS genaue Anschmiegen an den Sänger und die ent sprechenden Nüancirungen der Stärkegradc alles Lob. Zum Schluß spielte ein ehemaliger, allerdings schon lange in Amt und Ehren stehender Schüler des hiesigen Konservatoriums der Musik, spcciell deS Herrn »r. Pap peritz, Herr Seminarlehrer Billig, I. S. Back s Passacaglia für Orgel in 6 m»». Sauberkeit und tiefes Eindringen in den Riesengcist Back, genaue Abwä gung der Stärkegrade durch die Wahl der Register zeichneten das Spiel dieses geachteten Musiklehrers in Erfurt vortheilhast aus. Daß Herr Billig fast der ganzen Komposition durch die Wahl der Register ein mehr dunkles, der Trauer entsprechendes Kolorit gab, liegt wohl an der mißlichen Beschaffenheit der Orgel. Jedenfalls bat sich jeder gefreut, dieses Stück von einem solchen Meister gespielt zu Horen. Schon hier sei erwähnt, daß während der fünf Festtage einundvierzig Solisten, darunter LiSzt, Bülow, Grützmacher, Rappoldi, Fr. Erd- mannSdörfer-Fichtner, Franz RieS, Concert- meister Kömpel, Fräulein Breidenftein, Herr Lederer rc. auftraten. Die Reihe der weltlichen koncerte eröffnet« am gleichen Tage Abends 7 Uhr ein Lrchester-Concert un Theatergebäude des Theater- und Concert-Vereines. Den Stamm deS Orchesters bildete die herzoglich son- dershausensche Hofcapelle, verstärkt durch Mitglieder der Müller-Harmng'fchen Orchesterschule und anderer Künstler. Dirigent war M. Erdmannsdörfer. Es war der Deutsche Musikverein versammelt; — wenn wir uns bei den irtzigen Zeitverhältmssen in g» oberer Anzahl zusammenfinden und in unserem Vaterlande der Männer gedenken, denen wir es zu verdanken haben, daß wir auch politisch eine ein heitliche Nation repräsentiren, waS »st da wohl naheliegender, als daß wir in erster Linie den Namen unseres Helden-Kaiser- feiern. Lies mag auch der leitende Gedanke bei der Zusammenstellung dieses Concert-ProgramineS gewesen sein, an dessen Spitze der Kaisermarsch von R. Wagner glänzte. Die gute Akustik deS ca. 1000 Zuhörer aufnehmenden Thealer- saales sowie eine von zehr praktischem Sinn Zeugniß ablegende Aufstellung des Orchesters und EhoreS, der Feuereifer aller Milwirkenden, die gehobene Stim mung, in der sich Ausführende wie Zuhörer befanden; dies Alle- wirkte zusammen und bereitete einen Erfolg, wie er größer wohl kaum wird gedacht werden können. Ihre warme Antheilnahme an dem Werke und dem Zwecke, unserm Kaiser einen Act der Huldigung darzubringeu, bezeigte die gesammte Zuhörerschaft, indem sie, LizSt und Bülow an der Spitze, beim Eintritt des Chores, gegen den Schluß h»n, sich einmüthig von den Sitzen erhob und nach Beendigung de- Stückes in einen ungeheuren Beifallsjubel auSbrach, der schließlich in einem dreimaligen „Hoch" auf das Wohlergehen unseres erhabenen Kaisers gipfelte. Gespielt und ge sungen wurde das Werk ohne allen Tadel und der Soller'sche Verein in Erfurt darf sich diese Thal wie auch da- Orchester mit goldenen Lettern »n seine Annalen eintragen. Unter der Direction des Herrn Musikdirektor- Golde in Erfurt sang der Soller'sche Verein daS Ie Demo (Ambrosianffchen Lobgesang) von Fr. Kiel, op. 48, für Chor, Sologuartett und Orchester; Frl. Beck, Frl. Schulze, Herr Thiene, Herr Hungar ver traten wirksam d»e Solopartien. Die Komposition ist, wie von Kiel nicht ander- zu erwarten, nn Ganzen rem und gut gemacht, besonder- hat er den Vocalsatz vor trefflich behandelt. Neue- jedoch wird man in ihr vergeblich suchen, auch ist der gegen den Schluß hin erscheinende Fuaensatz nicht besonder- glücklich an gelegt und dieser hält noch dazu die schnelle Weilerentwickelung zum Schluffe hin auf. Herr Srdmannsdörfer brachte ein Vorspiel eigener Komposition zu „Narciß" (Drama von Brach vogel) zur Aufführung. Die Komposition bietet in engem Rahmen viel Abwechselung, nur find der An klänge an Wagner rc. so viele, daß man fast versucht ist, die Selbstständigkeit von ErdmannSdörfer'» Schaffen in Abrede stellen zu müssen. Der Vortrag durch da- Orchester war sehr lobenswerth; eS folgte ganz genau seinem Führer, Herrn Kapellmeister ErdmannSdörfer, und erzielte durch fein exactes Spiel einen wohl- thuenden Eindruck. Friedrich Grützmacher au» Dresden spielte da- 0 moll Concert für Cello und Orchester besonder- in der Kantilene meisterhaft. Sein au-ge-eichnere- Spiel trug ihm mehrere Hervorrufe ein. Nicht unerwähnt dar hier die musterhafte Haltung de- Orchester- in der Begleitung diese- ConcerleS sein. Von Felix Draesecke stand eine Symphonie in Oäur op 12 auf dem Programm. Man hat früher nicht mit Un recht die Kompositionen Draesecke'S alS etwa- unklar, wmbaftisch und nicht sorgfältig auSgearbeitet in der Instrumentation erklärt. Daher mag eS wohl ommen, daß Viele mit einem gewissen Vor- urtheil dem Werk entgegenkamen. Draefecke aber erscheint in dieser seiner neuesten Komposition, Tank einem eifrigen Studium, als ein ganz Anderer; er ist «u einer so lichtvollen Klarheit und zu so vollständiger Beherrschung der Form durchgedrungen, daß die Symphonie ivon Anfang bi- zum Ende nicht nur allein da- regste Interesse, sondern sogar großen Enlhu- iasmus erweckte. Durch daS ganze Werk zieht ein jugendlich frischer Geist; die streng thematische Glie derung und die ausgezeichnete Instrumentation tragen um großartigen Eindruck wesentlich bei. Jedenfalls ist, wenn wir einen Vergleich machen wollen, die neue Symphonie von Draesecke nickt unter die erste von Brahms »n 6 mall zu stellen. Den Schluß machte der 13. Psalm für Tenorsolo, Chor und Orchester, componirt von Fr. LiSzt. Das Tenorsolo ang Herr vr. Gunz ungemein innig und er über wand die zahlreichen Schwierigkeiten, die in dieser Stimme Vorkommen, bis aus ein kleines Versehen sehr >ut. Der Cbor unter Musikdirector Golde'- Leitung, lestehend aus den Mitgliedern des Sollcr'schen Vereins, 'eistete, waS Ausdauer anbetrifft, hierin Großes. Wären hier und da auch ein wenig besser die dyna mischen Zeichen beachtet worden, so stünde ich nicht an, den Vortrag dieses schwierigen Tonstückes in der lcbotenen Weise als eine Musterleistung darzustellen, oiszt selbst wurde stürmisch gerufen und dankte nach allen Seiten hin, besonders den Ausführenden. Er erhielt auch einen Lorbeerkranz. Trotz der tropischen Hitze verlief das Concert gut, es hätte allerdings von zahlenden Zuhörern besser besucht sein können AmlSonntag Nachmittag 3 Uhr fand die eigent- iche ossicielle Eröffnung des deutschen Musiker- tageS durch das Direktorium des Allgemeinen Deut- chen Musikvereins statt. Ferner hielt im Anschluß neran Herr Musikdirector A. Hahn au- Königsberg einen angckündigten interessanten Vortrag über die chromatische Klaviatur, verbunden mit Vorträgen auf einem nach diesem Slffteme eigens construirten Con- certflügel von Beckstein. Die erschienene zahlreiche Zuhöerschaft folgte den Ausführungen des Redners mit sichtlichem Interesse und sehr gut kam eS dem ausgezeichnet klar redenden Musiktheoretiker zu statten, die Beweise für die Ausführbarkeit seiner Vorschläge ofort auf dem anwesenden Flügel führen zu können. Wir werden später einmal Gelegenheit baben, näher daraus zurückzukommen. Der Abend brachte ein zehr interessantes Concert ,m Theater unter Direction des Herrn HofcapellmeisterS ErdmannSdörfer. Saint-Saon'S symphonische Dichtung „Pha.-ton" eröffnete das Concert. Dem Pro gramm war eine Erklärung des durch die Musik Ge schilderten von R. Pohl beigedruckt und dadurch wurde das Berftändniß des zu Gehör kommenden Werkes sehr erleichtert. Die Komposition erregt auch ohne Programm große- Interesse, das Programm ist aber genau innegehalten. Diese Eomposition darf wohl als eines von Saint^a-ms besten Werken gelten, err Petri, Concertmeister aus Sondershausen, sielte die Bruch'scbe Romanze für Violine mil irchesterbegleitung und erntete durch die Wabl des ansprechenden Musikstückes wie auch du>cl> seine schöne Spielweise reichen Beifall. Haus von Bülow war vertreten auf dem Programm durch ein Notturno und äll.-gro risalul«. fu, Orchester. Diese zwei reizvollen Stücke, von denen namentlich daS leider etwa« kurze Allegro eine zün dende Wirkung hervorruft, wurde vom Publicum mit dem reichsten Beifall belohnt. Der Componist mußte sich den» Publicum zeigen. Den größten Triumph feierte Frau Pauline Fichtner - ErdmannS dörfer mit dem Bortrage der Ungarischen Phantasie für Pianoforte und Orchester von LiSzt. Die Dame spielte die lebendige, frisch empfundene Komposition so gut, daß man unter den obwaltenden Umständen auf eine Wiederholung des Werke- einging, da sich daS Publicum nur dadurch in seinen Beifallsbe zeigungen beruhigen ließ. Die Schwierigkeiten, welche in der Solo-Clavierpartie aufgehäuft sind, besonders die wirkungsvollen Glissando-Stellen, brachte die Spielerin ausgezeichnet zur Geltung. Die Erfurter Singakademie trug unter Leitung ihres Dirigenten Mertel und unter Mitwirkung deS Frl. Bre»dru ft ein Raff's „1>e proluittli«'' vor. Die ganze Komposition ist großartig, fast zu breit angelegt. In der ersten Hälfte ist cs nicht gut, daß der Chor durch daS Orchester so oft unterbrochen wird; dadurch werden die Textesworte zu sehr zer rissen und der Cbor hat da fast nur Interjektionen auSzuführen. Uebrigens ist die Stimmung im All gemeinen gut getroffen, obgleich man in der ganzen Komposition den rechten Kern vermißt. Frl. Ärei be nst ein sang daS Solo mit edlem Vorträge und schöner Stimme. Im Verlaufe des circa dreiviertel Stunden dauernden Stückes ermüdete die zu häufige Wiederkehr der Textesworte ungemein. Am Montag, den 24. Juni, war Mittag und Abend- je ein Concert für Kammermusik veranstaltet. Vor mittag- 11 Uhr kamen zur Ausführung: 1) Quartett von Brahms «p. 87, väiir, vorgetragen durch die Dresdner Herren Rappoldi, Feigerl, Ries und Grützmacher. Es hatte eine recht bewegte und frische Färbung, läßt aber Origina lität vermissen. Der zweite Satz ist recht gesang- reich; jedenfalls haben die Aussührenden durch den femcn Vortrag des Stückes das meiste zur Wirkung desselben beigetraqen. 2) Vier Klavierstücke von Scbulz-Beuthen. Ich lasse absichtlich da- Beiwort „heroisch" auS dem Titel weg; denn Nr. 2, 3 und 4 und Nr. 1 zum größten Theil sind ganz elegisch gehalten. Die Komposi tionen sind gut und kamen durch deutliches Spiel de» Herrn Fehnenberger auS Stargardt zur Geltung, ernteten auch reichen Beifall. 3) Z,vei Terzette für Frauenstimmen von Eduard Sach-, ap. 18, Nr. 2 und 3, gesungen von Fräu lein Beck, Frau Fischer, Fräulein Lancow, am Klavier begleitet vom Komponisten. ES sind Kompositionen von ernstem und höchst stimmungs vollem Gepräge. Die Zusammenstellung der
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