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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187809273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780927
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780927
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- Saxonica
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- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1878
-
Monat
1878-09
- Tag 1878-09-27
-
Monat
1878-09
-
Jahr
1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1878
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5110 Vergnügen, allen mitzutbeilcn, daß sie al- diejenige, welche da» Mandat de- CongresseS von Pisa annahm, heute die unterbrochenen Arbeiten wieder aufnimmt, und alle Eectionen und alle italienischen und aus ländischen Eocialiften einladet, sich mit ihr in Ber- Hindun« zu setzen, auf daß sie, von ihnen unterstützt, «anz ihre Wicht erfüllen könne. Genua, b.Sept. 187 v." Unterzeichnet: „Die correspondirende Commission." Aus einem von Herrn Eairoli, dem Minister präsidenten, an den Vorstand d«S Arbeiterverein- ra Bologna gerichteten Antwortschreiben ergiebt sich, daß sich die italienische Regierung mit der Fraß« der juridischen Anerkennung der Arbeiter vereine beschäftigt und dieselbe nach den fortschritt lichen Principien zu regeln gedenkt. A«S New-OrleanS- wrrd vom 25. September gemeldet: Gestern sind hier 58 Personen am gelben Fieber gestorben; in Memphis ist die Krankheit wieder im Zunehmen begriffen; am Montag und Dienstag kamen daselbst 120 Todes fälle vor. Rach in New-Hörk eingeganaenen Nachrichten ist der mexikanische Conareß am 18 d. M. mit einer Botschaft de- Präsidenten Porphyrio Diaz eröffnet worden. In der Botschaft wird hervorgehoben, daß die mexikanische Regierung Frieden mit allen Nationen, insbesondere mit den Vereinigten Staaten wünsche. Vom Reichstage. ** Berlin, 25. September. Die «e setz-Com Mission trat heute in Socialisten- die Berathuna der einzelnen Absätze deS 1« ein. Absatz 1 des- selben lautet: „Personen, welche es sich zum Geschäft machen, die rm 8- 1 bezeichneten Bestrebungen zu fördern, oder welche nach rechtskräftiger, auf Grund dwseS Gesetzes erfolgter Verurtheilung wegen einer darauf begangenen Zuwiderhandlung gegen dasselbe rechtskräftig zu einer Strafe verurtheilt worden sind, kann der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt werden. Wenn sie Ausländer sind, können sie von derLandcspolizeibchörde auS dem Bundesgebiet auS- gew esen werden." Hierzu waren verschiedene Abände- rungSantrüge gestellt. Am wenigsten entfernte sich von der Regierungsvorlage derjenige deS Abg. v. Schwarze, welcher den Ausdruck „eS sich zum Geschäft machen, die in 8. 1 bezeichneten Bestrebungen zu fördern", durch Gewohnheit-- oder gewerbsmäßig die in 8. 1 bezeichneten Bestrebungen fördern" ersetzen wollte. Ferner hatte der Abg. Glichst einen Antrag gefüllt, dessen Grundgedanke »ndeß in einem Anträge v. Schauß eine schärfere Ausgestaltung erhalten hatte, so daß Herr Gneist sich demselben anschloß. Dieser Antrag von Schauß lautet: „Gegen Personen, welche sich die Agitation für die in 8- 1 bezeichneten Bestrebungen zum Geschäfte machen, kann im Falle einerBerurtheilung weaen Zuwiderhandlungen gegen die 88.1L—15 dieses Gesetze- neben der verwirkten Strafe auf die Zulässigkeit der Einschränkung ihres Aufenthaltes außerhalb ihres Wohnorte- erkannt werden. Auf Grund diese- Er kenntnisse- kann dem Verurtbeilten der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten durch die Lartdes- polizerbebörde versagt werden. Gegen solche Anord nungen findet Beschwerde nur an die Aufsichtsbehörde statt." Ein Nnteramendement Reichensperger beantragte ferner noch, statt „Strafe" zu setzen „Freiheitsstrafe". Am lebhaftesten trat dem An träge v. Schauß der preußische Minister Graf Eulenburg entgegen. Der Antrag, meinte er, mache es unmöglich, diejenigen Agitatoren, welche in Ver einen und in der Presse gar nicht hervortreten, aber gerade die allergefährlichfte Wirksamkeit entfalten können, zu treffen. Außerdem bezeichnete er es nach dem 'ganzen Geiste deS Gesetzes für unzulässig, daß die Frag«, ob eine gewerbsmäßige Förderung der in 8. 1 bezeichneten Ziele vorliege, -er richterlichen Cognition unterworfen werden solle. Diese von con- seroativer Seite getheilten Einwände wurden indeß von liberaler Seite, namentlich durch die Abgg. LaSker und Gneist, widerlegt und schließlich der Antrag v. Schauß mit dem Unter-Amendement Reichensperger,jedoch unter Beibehaltung deS die Ausländer betreffenden SatzcS der Regierungsvorlage, mit 13 gegen 8 Stimmen ange nommen. Als Rest des Paragraphen wurde folgende vom Abg. von Kardorff amendirte Fassung ange nommen: „Gastwirlhen, Schankwirthen und Perso nen, welche Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus treiben, kann der Betrieb ihre- Gewerbes untersagt werden, wenn sie trotz ergangener Warnung der Poli zeibehörde in ihren Localen Agitationen für die in 8. 1 deS Gesetzes bezeichneten Bestrebungen durch auf reizende Reden zulassen oder sich selbst bei solchen Agita tionen betheiligen; wenn sie auf Grund de- 8 6 diese- Ge setzes verbotene Druckschriften auslegen oder eS dulden, daß die Tbätigkeit der auf Grund dieses Gesetzes ver botenen Vereine bei ihnen im Geheimen fortgesetzt wird. Desgleichen kann unter denselben Voraus setzungen Personen die Befugniß zur gewerbsmäßigen »der nichtgewerbSmäßigen Verbreitung von Druck schriften, sowie die Befugniß zum Handel mit Druck schriften im Umherziehen entzogen werden." — AIS 8-17 wurde an Stell« der Regierungsvorlage folgender Antrag de- Abg. LaSker mit 1L gegen 8 Stimmen angenom men: „DaS Verfahren wegen der ConceskonSent- ziehung ltz. 10. Abs. 8 u. 3) erfolgt nach den Handels- gesetzlichen Bestimmungen für d»e in der Gewerbe ordnung vorgesehenen ConcesfionSentziebungen." 8-18. (Strafbestimmungen) wurde ohne Discussion ange nommen. Bei 8- 18, welcher von dem besonderen BundeSrathSauSschuß handelt, steht man auf- Neue vor dem Problem der RecurSmstanz. Die Debatte kann nicht über die Anfänge hinaus; sie wird erst in der morgigen Sitzung ernstlich ausgenommen. « « Di« „Provinzial-Lorrespondenz" erwähnt die Arbeiten der Socialistengesetz-Commission in einer Weise, welche von den diesbezüglichen Aus lassungen der „Nordd. Allgem. Zeitung" sehr erfreulich absticht. DaS anerkannte Organ der Re gierung sagt Nicht- von Beschlüssen, welche von den verbündeten Regierungen voraussichtlich für unan nehmbar erklärt werden würden. Betreff- der bis herigen Tbätigkeit der Commission bemerkt eS: „Nach lebhaften Erörterungen und mehrfach wechselnden Ab stimmungen find in einzelnen wichtigen Beziehungen vorläufig Beschlüsse gefaßt worden, welche jedenfalls einer erneueten eingedendenErwägung behufs schließlicherBer- «inbarungunterliegenwerden. Diezweite Lesung in der Commission selbst wird hierzu Gelegenheit bieten." DaS ist unseres Grachten- der Standpunkt, welcher einer «bjectiven Ueurtheilung der Sachlage entspricht, zu gleich aber auch der einzig« Standpunkt, den die Loyalität zuläßt. Die „Prov.-Lorr." hält ausdrücklich an der Hoffnung fest, daß eine Verständigung über daS Gesetz schon in der Commission erreicht werden könne. Um so verwunderter wrrd man fragen, wie die „N. A. Z." ihrerseits dazu kam, thalsächlich bereit- von der Commission an da- Plenum deS Reichstages zu appelliren und sogar da- Droh- und Schreck gespenst einer nochmaligen Auflösung in Scene zu setzen. Der Artikel der „Provinzial-Correspondenz" lautet vollständig: Von vornherein wurde in der Commission die von Seiten der Socialdemokratie drohende Gefahr und die Nothwendigkeit der Bekämpfung derselben mit den Mitteln deS Staate- allseitig anerkannt, — aber in Betreff des daber einzuschlagenden WegeS trat alsbald eine durchgreifende Scheidung hervor. Eine Mehrheit (von 13 Stimmen), bestehend auS den konservativen und den nationalliberalen Mit gliedern, stellte sich grundsätzlich mehr oder weniger entschieden auf den Boden deS Regierungsentwurfs, während die Minderheit (von 8 Stimmen), auslden Vertretern de- CentrumS und der Fortschrittspartei bestehend, statt der speciell gegen die Socialdemo kratie gerichteten Vorlage nur gewisse Verschärfungen deS allgemeinen Strafrecht- vorschiug. Auch die M.hrheit aber, welche ein Gesetz wesent lich auf den von der Regierung in Aussicht genom menen Grundlagen zu Stande zu bringen ent schlossen ist, spaltet sich vielfach in Bezug auf die Gestaltung und Fassung des Entwurfs im Ein zelnen. Namentlich ist ein Theil der National liberalen bestrebt, Bürgschaften gegen eine etwaige mißbräuchlich« Auslegung und Ausdehnung des Gesetzes durch einschränkende Bestimmungen zu ge winnen, in welchen aber die Regierungen und die Conservativen theilweise eine Gefährdung der un mittelbaren Wirksamkeit des Gesetzes erkennen. Nach lebhaften Erörterungen und mehrfach wechseln den Abstimmungen sind rn einzelnen wichtigen Be ziehungen vorläufig Beschlüsse gefaßt worden, welche ledenfallS einer erneuten eingehenden Erwägung oehufS schließlich«!Vereinbarung unterliegen werden. Die zweite Lesung in der Commission selbst wird hierzu Gelegenheit bieten. Es ist dringend wünschenSwerth, daß die volle Verständigung schon in der Commission erfolge, da anderen Falls die Erreichung derselben im Hause mit ungleich gröberen Schwierigkeiten verknüpft sein würde. Noch scheint daS Wort der Hoffnung begründet, welches ein nationalliberales Blatt aussprach: „Halten die Mitglieder der Commission, welche vom Ernst der Lage durchdrungen sind, immer den großen Zweck vor Augen, der erreicht werden soll: die Herstellung und Sicherung deS öffentlichen Frie dens, dann werden sie sicher auch die Verständi- gungSpuncte für einen gemeinschaftlichen Weg nicht verlieren." Von dem Gelingen hängt der innere Friede und die gesammte weitere Entwickelung unserer öffent lichen Zustände, — es hängt davon die Mög lichkeit des neuen AuflebenS des öffent lichen Vertrauens wnd damit des so lange ersehnten neuen Aufschwungs vonHandel und Wandel ab. Deshalb folgt das deutsche Volk den Berathungen zunächst in der Commission mit lebhafter Theilnahme und mit wechselnder Hoff nung oder Besorgniß. * » * Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" versucht ihren Angriff zu rechtfertigen, bezw. die eigent liche Bedeutung desselben abzuschwächen. Den Vor würfen gegenüber, daß derartige Ausfälle daS Zu standekommen des Gesetzes gefährden müßten, versichert sie, den „aufrichtigen Wunsch" zu hegen, „daß in dieser Session mit diesem Reichstage ein wirksames Gesetz zur Bekämpfung der Socialdemokratie verein hart werde." „Aber", fährt sie fort, „Niemand kann von uns verlangen, daß wir in den Amendements deS Herrn LaSker eine Förderung dieses Wunsches erblicken." Der Artikel deS„freiwtllig-gouvernementalen" Blattes lautet wie folgt: Unser Artikel über die Verhandlungen der So- cialistengesetz Commission hat einer Anzahl liberaler Blätter die willkommene Veranlassung zu erbitterten Angriffen geboten. Der Aufwand von Entrüstung, der hierbei getrieben worden, scheint unS im vor liegenden Falle.weniger als ie im rechten Verbält- niß zu unseren durchaus ruhigen und sachgemäßen Bemerkungen zu stehen. UnS lag die Absicht einer Polemik durchaus fern. Wenn wir unseren Be sorgnissen darüber Ausdruck gaben, daß die eigentliche Führung der Commission mehr und mehr Herrn LaSker zuzufallen scheine, so sprachen wir nur auS, was von allen conservatio Ge sinnten im Lande gedacht wird. Jeden, dem daS Zustandekommen deS Gesetzes am Herzen liegt, muß eS mit Schmerz erfüllen, zu sehen, daß eine Anschauungsweise, welche dem praktischen Bedürf nisse so wenig Rechnung trägt, welche aber bei jeder Gelegenheit, mag sie passen oder nicht, immer wieder auf gewisse, allein seligmachende Doctrinen zurückkommt, auch heute noch eine so gewichtige Rolle spielen kann. Wir hegen mit allen Conser vativen den aufrichtigen Wunsch, daß in dieser Session, mit diesem Reichstage ein wirksame- Gesetz zur Bekämpfung der Socialdemokratie vereinbart werde. Ader Niemand kann von uns verlangen, daß wir in den Amendement- deS Herrn LaSker eine Förderung dieses Wunsche- erblicken. * * Wo da- zutrifft, wird eS jetzt wobl rncht ganz an Regungen fehlen, nach erfolgter Vereinbarung emes wirkscnn ernschneidrnden Socialiften - Gesetze- wieder auSeinanderzugehen. TheilS droht ja der Gegner sich ins Dunkle zurückzuziehen und für die öffentlich« Erörterung ungreifbar zu werden: theUS und vor Allem aber wird man besorgen, bei dem großen Publicum nicht mehr da- bisher gewohnte Maß von Interesse und Sympathie zu finden. Wenn die Polizei so viel erfolgreicher mit revolutionairen Agitatoren aufräumt, mag Mancher denken: wozu da noch viel Vereinsthätigkert? DaS würde aber doch auf einen ähnlichen Fehlschuß hinauslaufen, wie rhn der Genußsüchtige macht, wenn er neben den ihm vom Arzte verordneten Pillen oder Tränken gar keines MaßhaltenS in seinen geliebten Schwel gereien zu bedürfen wähnt. DaS gewaltsame polizeiliche Einschreiten gegen Schriftsteller und Redner ist ein leidiger Behelf, um die acuten Fol gen des Nebermaßes von Aufhetzung abzustellen. Es wirkt zunächst nur äußerlich; erne tiefergreifende Gegenwirkung kann allein von dem gesunden Geiste der Nation auSgehen, wofern er sich in dieser be stimmten Richtung lebendig bethätigt. Je schwieriger es werden mag, nach der Unterdrückung der schlimm en den Kampf sterr Wühlblätter und Hetzversammlunae> mit dem Feinde unseres inneren Friedens noch fort- zusetzen, desto verdienstlicher wird eS sein, und desto nölhiger ist eS, daß gerade die alten liberalen Streiter ihn nicht aufgeben. Wir sind im Grunde wohl Alle etwa- durch nur halb erstrittene und verdiente poli tische Erfolge verwöhnt. Krone, Diplomatie und Heer haben in.den entscheidenden Jahren 1K68 und 1870/71, wenn auch auf Grund langjähriger Vor arbeit von anderen Kräften, die Hauptsache geleistet. Jetzt ist eS nun einmal an dem deutschen Bürgerthum selbst, den Löwenantheil nicht der Beute, sondern de- Kampfes zu über nehmen. DieSmal kann ihm kein Anderer, auch die Regierung nichtmitibr en verschied e- nenOrganen,den schwerftenTheil der Müde und Verantwortlichkeit abnehmen. Es hieße daher den Sieg noch vor dem ersten eigentlichen Feld zuge preisgeben, wollten wir am Tage nach der An nahme des Socialiften-Gesetzes die antisocialisti- !schen Vereine schließen. Im Gegentheil: wo es noch keine giebt, sollten sie sich bilden, um der nothwendig und geflissentlich verwundenden Wirkung deS Gesetzes ihre eigene heilende Tbätigkeit auS- gleichend an die Seite zu stellen. Bis jetzt steht noch nicht einmal der Text des Gesetze- und folglich auch nicht der Umfang fest, in welchem es die socialdemo kratische Agitation zu Boden werfen und vernichten wird. Dann aber giebt es neben der dem Gesetz erreichbaren Propaganda auch eine ihm unerreichbare. Einer woblgeleiteten, energischen und geschickten Ver- einSthätigkert wird eS bis auf einen gewissen Grad gelingen können, auch dieser entgegenruarbeiten. Was endlich von nicht geringer Bedeutung ist: auch ohne den geschworenen Socialdemokraten ihren Wahn zu beneh men, läßt sich auße: ordentlich viel thun, um dem Aergsten vorzubeugen, namentlich dadurch, daß noch nicht an- aesteckte Volkskreise gerade gegen diese Art von Trug bildern sichergetzellt werden. Das ist jene wichtige Prophylaxe, welche gar keine gefährlichen Epidemien aufkommen läßt. Die Massen deS Volks sind gegen wärtig in hohem Grade empfänglich für Verstän digung und Aufklärung über wirtschaftliche Fragen. Soll diese Stimmung unbenutzt bleiben ? oder wollen wir ihr entgegenzukommen außer den socialdemokra tischen Propheten bloS jenen literarischen NahrunqS- fälschern überlassen, die auS Broschüren-Fetzen und Zeitungsartikeln vom vorigen Jahre schncllfertige Sensations-Schriften für leichtbefriedigte Verleger zu sammenstücken? Eine verständige Vereins- thätigkeit ist hier durchaus nothwendig. damit daS Rechte geschehe statt des Zu fälligen. Kein mit Socialdemokratie be hafteter Wahlkreis sollte sich dieser dringen den vaterländischen Pflicht entziehen. zu treten braucht, um m eine vielleicht taissend Fuß tiefe Schlucht zu stürzen, und fortwährend vor dem auf unS lauernden Feinde aus der Huth sein — dies ist kein Spaß, viele, viele brav« Kameraden sind den Mühsalen und Strapazen des -b arsches unter- legen, und so Mancher, der mit seinen Kräften zu Ende war und der Truppe nicht folgen konnte, ,ft von den Türken erstochen und enthauptet worden. Der ärgste Marsch war nach Zepce- wir sind aus dem Kamm der Gebirge marschirt bei stockfinsterer Nacht, und ein Gewitter ist loSgebrocben, wie ich noch kein- erlebt habe, unheimlich und Grausen erregend krachte der Donner und zuckten die Blitze über unseren Häuptern, uns gähnende Abgründe und stürzende Bäume aus Momente erhellend. Endlich, nachdem wir drei Stunden hcruntermarschirt sind, langten wir unter fortwährendem strömenden Regen in Zepce an. Unser Lager wurde auf einem türkischen Friedhofe aufgeschlagen, und bis auf die Haut burchnäßt, legte ich mich zwischen zwei Gräbern am Rande eines Baches nreder. In der Frühe wachte ich mit den Füßen im Bache auf, zog mich an, um weiter gegen »serajewo zu marschiren. In einem Thale vor Kiseljak leistete das Regiment Sr. Majestät den Fahneneid, worauf unser Oberst an unS eine feierliche Ansprache hielt und unS ermahnte, getreulich bei unserer Fahne auszuharren, allen Mühsalen und Stürmen deS Krieges tapfer Trotz zu bieten, da wir einen erhabenen Zweck verfolgen und Pioniere der Cultur und Civi- Issation im Onente sind. Lieber Freund! Bis jetzt haben wir leider schon genug Noth und Mangel zu dulden gehabt. Vier Tage haben wir kein Brod bekommen unb 50 kr. zahlte ich für ein kleines, winziges Laibchen, um nur keinen Hunger zu leiden. Lieber Freund! E- erfordert manch mal eine sehr große Standhaftigkeit und Ausdauer, um auSzuharren, um Hunger und Durst auS»uhalten und weiter zu marschiren. Man sagt, die armen Familien der Rerservisten sind schleckt daran; glaube mir, unS geht eS noch schlechter. Glücklich würde ich mich manchmal schätzen, in strömendem Regen die elendeste Erdhütte als Obdach zu haben; aber leider geht dieS niät, und man muß mit allen seinen Kräften auSharren. Eine fürchterliche Theuerung herrscht hier in Bosnien überall, und manchmal würde ich mir ein Gläschen Rum oder sonst etwas kaufen, wenn es nicht gleich 40 oder 50 Kr. kosten würde. Bei Gott< ich wundere mich manchmal, wo her wir Alle die Kräfte nehmen, um so Vieles aus- zuhaltcn. Der Papst an Nina. .*** Nom. L5. September. (Telegramm.) Wie die „Agenzia Stefan»" erfährt, richtete der Papst ein Schreiben an den Staatssecretair, Cardinal Nina, in welchem er zunächst unter Ausdrücken deS Schmerze- an daS Ableben des Cardinais Franchi erinnert und sodann unter Anerkennung der Verdienste Nina'S diesem erklärt, daß er sich an ihn wende, um ihn mit seinen Anschauungen bekannt zu macken. Weiter sagt der Papst in dem Schreiben: AlSbald nach ferner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl habe er eine Encyclrka an alle Bischöfe gerichtet, in welcher er die gegenwärtig in der Gesellschaft herrschende Ver wirrung beklagt und die Wohlthaten der Kirche her vorgehoben habe, die auch heute noch alle Kraft besitze, um den moralischen Nebeln der Gesell schaft entgegen zu wirken. Von diesen Gefühlen geleitet habe sich der Papst an die Häupter der Nationen urd selbst an diejenigen derselben gewendet, die nicht durch dre Bande der katholischen Religion mit ihm verknüpft seien und sie eingeladen, ihre mächtige Unterstützung der Kirche nicht zu versagen. Er habe sich daher auch an den erhabenen Kaiser der deutschen Na- Die Dauer der CommissionSberathungen j betreffend, bemerkt da- genannte Blatt: Die Berechnungen der Presse in Bezug auf die I muthmaßliche Daue r der Berathungen der Eocialistencommission scheinen jetzt doch etwa- zu weit gegriffen. In der Commission hält man an der Hoffnung fest, daß die Beratbungen im Plenum noch innerhalb der nächsten Woche werden beginnen können. Bestimmte- läßt sich freilich darüber bei dem gegenwärtigen Stande der An gelegenheit um so weniger Vorhersagen, als in der! Commission selbst wichtige Entscheidungen noch der j zweiten Lesung Vorbehalten bleiben. Die WahlprüfungScommission hat nach einer § nochmaligen genauen Revision de- Stimmenverhält nisses die Wahl de- Juftizraths Stellter in Königs-! berg i. Pr. für gültig zu erklären beschlossen. Den gleichen Beschluß faßte sie über die Wahl de- Re-1 dacteur- Stötzel in Essen. Bürgerpflichten. In den letzten Jahren find mehrfach politische Vereine hauptsächlich oder selbst einzig und allein zu dem Zwecke entstanden, dem Umsichgreifen der socialdemokratischrn Partei Schranken zu setzen. Die Okkupation Bosniens un- -er Herzegowina. Mit der Niederlage der Aufständischen in Ost - BoSnien und der Capitulation von Bihacs ist vie Insurrection, welche sich der Occupation entgegengestellt hatte, im Großen niedergewoifen und dieselbe nur noch auf wenige Puncte, Petrovac, Livno, im westlichen BoSnien und Korjenici in der Herzegowina, beschränkt. Die versprengten Banden Ost-BoSnienS halten zwar noch bei Visearad, Gorozda und Foca Stand, doch sind diese Aufenthalte nur noch Etap pen auf der Flucht nach dem Paschalik von Novi- Bazar, dem gemeinsamen Sammelplätze aller unzufriedenen Elemente der ganzen westlichen Bal kan-Halbinsel. Die Occupation BoSnienS und der Herzegowina kann somit inihren großen Zügen als beendet betrachtet werden, denn die wenigen Cantone, wo die In» surrrction sich noch behaupten könnte, werden in zwischen von den k. k. Truppen besetzt sein. DaS Ränberwefen wird allerdings wie in BoSnien, o auch in der Herzegowina sein Dasein weiter» risten, und man wird ebensowenig im Stande ein, demselben daS Lebenslicht vollends auSzu- »lasen, wie die türkische Regierung dieS thun onnte. Die Keime deS Aufstande- werden eben ortleben und sowohl au- dem Innern der Occu- »ationS-Länder als auch von Novi-Bazar auS. wie von Seiten der albanesischen Liga genährt werden. Nach vollständiger Durchführung der Occupation wird demnach an die Armeeleitung die Forderung herantreteu, die mit Blut und materiellen Opfern errungenen Erfolge, sowie die Ruhe in den beiden Provinzen sicherzustellen. Diese Forderung wird Oesterreich zwingen, wenigsten- im Anfänge eine bedeutende Truppenmacht in jenen Ländern zu erhalten, wofür übrigen- auch politische Motive sprechen dürften. * * » Einem auS Serajewo vom l8. d. datirten Feldpostbriefe entnehmen wir Folgende-: Sestern um 11 Uhr vormittags ist unser Regi ment unter klingendem Spiel endlich in Serajewo «inmarschirt. Die Mühsal« de- Marsche-, welcher elf Tage ununterbrochen dauerte, kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Ein Marsch im Gebirge bei Nacht, bei Regen. Blitz und Donner, an gähnenden Ab gründen vorbei, wo man nur einen Schritt seitwärts Non gewendet, die wegen der schwierigen Lage der Katholiken ganz besonders die Fürsorge des heiligen Stuhles erheische. Dieser einzig in dem Wunsche unternommene Eckritt, Deutschland wieder den religiösen Frieden zu geben, habe günstige Aufnahme seitens deS Kaiser- ge funden und das erfreuliche Ergebniß ge habt, daß freundschaftliche Unterhand lungen eingeleitet worden seien, bei wel chen eS nicht seine (des Papstes) Absicht gewesen sei, einen Waffenstillstand zu er zielen, sondern einen wahren und dauer« hasten Frieden zu erlangen. Die Wichtigkeit dieses Zieles, von der hohen Weisheit derjenigen, welche die Geschicke deS deutschen Reiches in ihren Händen halten, richtig erwogen, werde dieselben, wie der Papst vertraue, dahin führen, ihm die Freun deshandzureichen,umdaS Ziel zu erlangen. Die Kirche würde ohne Zweifel glücklich sein, den Frieden in Deutschland wiederhergestellt zu sehen, aber auch daS Reich würde glücklich sein, welche-, nachdem die Semütber beruhigt wären, in den Söhnen der katholischen Kirche wie ehedem seine treuesten Unter- thanen finden würde. Seine, des Papste-, Auf merksamkeit sei auch auf den Orient gerichtet, wo sich Ereignisse vorbereitem die für die Kirche vielleicht von höherem Interesse sein könnten. Der heilige Stuhl werde alle Anstrengungen machen, um die Interessen der Kirche zu fördern. ES sei dem nach sein Zweck, die wohlthätiae Action der Kirche und deS PapftthumS auf die gesammte gegenwärtige Gesellschaft zu erstrecken. Ueberdies werde der Car dinal Nina seine ernste Aufmerksamkeit der schwie rigen Lage zuwenden müssen, welche dem Papst in Italien und in Rom in Folge de- AufhörrnS seiner weltlichen Macht geschaffen worden sei. Der Papst wolle sich nicht dabei aufhalten, von den Rechten deS päpstlichen Stuhle- oder von der Beunruhigung Vater ohne wahre der Katholiken zu sprechen, die ihren Batei Freiheit, ohne wirkliche Unabhängigkeit sähen, aber er könne nicht umhin, zu bemerken, daß, während die aeiftliche Macht der weitesten Freiheit bedürfe, dieselbe unter den gegenwärtigen Verhältnissen der gestalt behindert sei, daß die Regierung der allge meinen Kirche sehr schwierig werde. Der Papst er innert in dieser Beziehung an die Klagen fernes Vor gängers über die Aufhebung der religiösen Corpora- tionen, über die Aushebung der Kleriker für die Armee, über die Errichtung häretischer Kirchen und Schulen in Rom und über den confessionslosen Unter richt. Der Papst beschwert sich sodann über da- Exr quatur der Regierung für die bischöflichen Ernennungen, über ihre Weigerung einige Bischöfe anzuerkennen und über die langen Formalitäten, die zu ihrer An erkennung nöthig seien. Der Papst spricht da- könig liche PatronatSrecbt denjenigen ah, welch« «egen dre Kirche seien und schließt mit der Erklärung, daß er unter diesen beklagenSwerthen Umständen die Pflichten seine« apostolischen Amte» nicht verkenne.
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