Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187802015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1878
-
Monat
1878-02
- Tag 1878-02-01
-
Monat
1878-02
-
Jahr
1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1878
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
( Grfchrmt täglich früh 6*/, Uhr. Le*«ii»» »ut CmeXtr«» JvhaumSgasse s.r Lprcqpootnl der Vedarttsa: Vormittags 10-12 Mir. Nachluittags 4—6 Udr. Annahme der für dir nächst- sota ende Nummer besttmnurn Jmcrate an Wochentagen bis 8 llhr Nachmittags, an Loun- «mb Feftragr» früh bis V,9 Uhr. Ja de« Filiale« siir Z«f Xnnalnne: Otto Klemm, UnivcrsitätSsrr. 22. LoutS Lüfche.jkalharincuür.t'i.v. nur bis '/»3 Uhr. ^ Tagclilall Anzeiger. OlW für Politik, Localgeschichte, Handels- and Gcschästsvnkchr. Auflage 15,25S. H>»aac«k»t«prtt§ viertelt. incl. Brinarrlohn L Mt dunb dce Post bezogen k Mt Jede einzelne Stummer 2L Pf. Belegexemplar 10 Pf Äebübrcu für Extrabeilage» ohne Postdesörderung 3K Mt ,nit Postbeförderung 4L Mt 7 astrale Laesp Petitzrile 20 Pt Größere Schriften laut unserem Preisverzeichnis — Tabellarffcdcr Satz nach höherem Tarif. Ueclawea nuter dem »edaetiaaaßem, di« Spaltzril« 40 Vf. Inserate sind stets au d.LepebM»« zu senden. — Rabatt wird nrch. gegeben ZablungkirasnnwsramK» oder durch Postvorschuß .M 32. Kreitag den 1. Februar 1878. 72. Jahrgang. Bekanntmachung. Aus Anlaß der allgemeinen Einschätzung zur diesjährigen Einkommensteuer werden Arbeitgebern rc. gegenwärtig Formulare zur Anfertigung von Lobnverzeicbnisscn bebändigt, welche nach Maßgabe der 88. «5 und 68 des Einkommensteuergesetzes vom 22. December 1874, verbunden mit 8- 1? der dazu gehörigen Aus führungsverordnung vom 6. December 187«, binnen acht Tagen, von der erfolgten Behändigung ab gerechnet, ausgefüllt an die Stadt-Steuer-Einnabme, Georgenhalle, 2. Etage links, einzureichen sind. Sollten einzelne Arbeitgeber rc. Lobnliftenformulare in nicht genügender Anzahl, oder bis jum 4». Februar u. e. überhaupt nicht erhalten haben, so haben sich dieselben behufs deren Erlangung eben falls an die Stadt-Steuer-Einnabme zu wenden. Leipzig, den 30. Januar 1878. Ter Rath Per Stabt veipjia. Vr Gorgi. Taube. Bekanntmachung. Die am 28. vor. Mo«, zur Verpachtung versteigerten Rpthcilnngen 2 und L der Heybertviefcn in Connewitzer Flur sowie die Lehde (Parcelle Nr. 2786 der Stadtflur) unterhalb des Güterfahrwegs nach dem Berliner Bahnhofe sind für die darauf getbanen Höchstgebote ;ugefchlage», hingegen ist der Zuschlag der Abtheilung 4 der Heybcrwicscn für die darauf getbanen Gebote abgelehnt und dieselbe aus freier Hand verpachtet worden. Es werden daber in Gemäßheit der Versteigerungsbedingungen die Vieler, deren Gebote nickt berück sichtigt worden sind, derselben hiermit entlasten. Leipzig, den 2». Januar 1878. Ter Rath der Stadt Leipzig. 0r. Tröndlin. Cerutti. Bekanntmachung. Ter am l. Februar b. I. fällige erste Termin der Grundsteuer ist nach der zum Gesetz vom 13. December vor. Jahres erlassenen Ausführungs-Verordnung von demselben Tage mit drei Pfeuntgeu Grundsteuer von jeder Steuereinheit zu entrichten, und werden die hiesigen Steuerpflichtigen hierdurch aufgefordert, ihre Steuerbrträge nebst den städtischen Gefällen an Psg. von der Steuereinheit von genannte« Tage ab dt» späteste»» 14 Tage nach demseldrn an d»e Stadt-Steuer-Einnabme hier — Ritterftraße Nr. 15, Georgenhalle. 1 Treppe links — zu bezahlen, da nach Ablauf der Frist die gesetzlichen Maßregeln gegen die Säumigen eintreten müssen. Leipzig, den 30. Januar 1878. Der Rath der Stadt Leidig. vr. Georgi. Laude. Bekanntmachung. Denjenigen Grundstücksbesitzern bez. Gatteninhabern, welche ihre Bäume, Sträacher, Hecken rc. bis jetzt nickt oder nickt genügend baden von Raupen säubern lasten, wird bierdurck unter Hinweis auf die Be stimmung in 8- 388^ des Strafgesetzbuches bei Vermeidung von Geldstrafe bis zu sechs;«, Mark oder entsprechender Haft ausgegeben, ungesäumt und längstens bis Ende Februar dieses Jahre» gehärig raupen, sowie die Raupennester vertilgen zu lassen. Leipzig, am 19. Januar 1878. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georg». vr. Reichel. Leipzig, 31. Januar. Das Kanzler-Stellvcrtretungsgesetz wird allseitig eingehend, aber in ziemlich nüchternem Tone besprochen, und cs >sk charakteristisch, daß es weder völliger Anerkennung noch völliger Ab lehnung begegnet. Das ist das Schicksal aller Vermittelungsvorschläge. Wir baden uns bereits gestern darüber ausgesprochen, daß die Vorlage vom nationalen Standpunkte aus nicht sehr befriedigen kann. Indessen wollen wir hoffen, daß gerade dieser Umstand der Ausnahme des Entwurfs in denjenigen Kreisen günstig sein wird, die einer umfassenden Reorganisation der Reicdsdekörden widerstreben. Eine solche würde einer Verfassungs änderung bedürfen, zu deren Hintertreibung 14 ÜWMmen im Bnnbestatbe genügen. Es ist wo dl kaum zweifelhaft, daß Bauern, <Lachscii und Würt temberg sich vereinigt und mit Hülse ibics Vierzehn stimmen-Vcto die Reform zu Falle gebracht haben würden. Je bescheidener nun die Reform auftrikl, je mehr sie dem Bestehenden Rechnung trägt, desto mehr hat sie Aussicht auf Annahme, und da uns nicht an schönen Programmen und papierenen Projecten, sondern an wirklichen Fortschritten liegt, so werden auch wir unS darein schicken müssen, nach dem Motto: „Wer verschmäht die kleinen Gaben, soll die großen auch nicht haben!" Und die großen Gaben können sich aus den kleinen entwickeln, wie die Frucht aus dem Keime. Die Vorlage ist entwickelungsfähig in der Richtung der Reichsministerien, und unter dieser Voraussetzung wird sie, wie wir gleichfalls gestern bereits anbeutetcn, von den nationalen Ele menten unterstützt und ausgebeu'et werden. Diese Entwickelungöfähigkeit finden wir sehr eindringlich und überzeugend Hervorgeboben in einem Artikel der ,.Weser-Ztg." Auch dieses Blatt räumt ein. daß es sich allerdings nicht um eine fertige organische Einrichtung bandle und daß es auch nach erfolgter Annahme des Gesetzes immer vom Gutdünken des Reichskanzlers abbängen werde, ob er von der neuen Einrichtung dauernd, vorübergehend oder gar nickt Gebrauch macken wolle; aber eS betont zugleich, daß die organische Einrichtung von selbst aus dem jetzt anzubahncnden Zustande berauswachsen müsse, wenn derselbe gehörig ausgenutzt werde. Daß die wichtigsten öffentlichen Institutionen ans solchem rein thatsäcklicken Boden entstehen und sich sestsetzcn können, lehre das bekannte Beispiel des britischen Cabinets. dessen Eristenz ja bekannt lich ;eder gesetzlichen Grundlage entbehrt, das ledig lich ein Erzeugniß der gebieterischen Bedürfniste ist und daS gleickwobl den Schlußstein des ganzen Staatslebens bildet. Man dürfe wohl ohne Wei teres als gewiß annehmen, daß Fürst Bismarck, wenn er eine solche Vorlage macke, entschlossen sei, sie nickt brach liegen zu lasten. Auch die „Weser- Ztg." glaubt, daß die bescheidene Gestalt, in der die Reform auftritt, mit Bedacht gewählt worden ist, um sie dem Bundesratbc mundgerechter zu macken. Selbst wer von Reichsministerien Nichts wissen wolle, werde dock die Notbwendigkeit einer Ver tretung des Reichskanzlers nickt von der Hand weisen. ,.lieber die Notbwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer in selbstständigen Ministerien fungirenden Centralregierung kann man Jahrzehnte läng dis- putiren; aber man wird niemals Den überzeugen, »er in einer solchen Centralregierung seine eigene Degradation erblickt. Es ist sogar unleugbar, daß die Stellung verantwortlicher Reicbsminiiter neben dem Bundesratbc sich nickt reckt construircn läßt; dce Gegner haben cs leicht, die Schwierigkeiten uachzuweisen, welche sich entaegentbürmen; man thut daher klüger, diese Diskussionen zu umschiffen und einen Weg zu vcrsuckien. der es möglich macht, auf dem Wege der Praris Dasjenige herzustellen, waS der gelehrten Construclion sich entzieht. Und die Nothwendigkeit einer Stellvertretung des Reicks kanzlers kann Niemand leugnen. Ganz abgesehen von Urlaub und Erkrankung, liegt es in der Natur der Dinge, daß ein einzelner Mensch, und wäre er körperlich und intellectuell ein Hercules, nicht im Stande ist. alle Functionen, die verfassungs mäßig dein Reichskanzler zugewiesen sind, per sönlich wahrzunebmen. Darüber ist man auch, als die Verfassung vereinbart wurde, sich klar ge wesen. Niemand Kat glauben können, daß der Reichskanzler wirklich und thatsäcklich sämmtlicbe Geschäfte der Reichsregierung besorgen werde und solle. Ist aber das Bedürfniß der Stellvertretung selbst unter ganz normalen Verhältnissen unbestreit bar, so unbestreitbar wie daS menschliche Bedürfniß des Sck'lafenS und Essens, s» ergiebt sich auch ganz von selbst die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Stellvertretung festen Regeln zu unterwerfen. Es wird den Gegnern sehr schwer fallen, dieser Folge rung auszuweichen. Der Reichskanzler wird all seitig Glauben finden, wenn er erklärt: ich bin dauernd behindert, »eben den auswärtigen Ange legenheiten und der obersten Leitung der Reicchs- inkcrestcn noch die Justiz-, die Finanz-, die Ver kehrs-, die Sanitäls-, die elsaß-lothringischen Sackeil. die Marine und das Heerwesen mit meiner persönlichen Verantwortung zu umfasten; er wird, einmal im Besitze der jetzt beantragten Befugnis;, für die verschiedenen Verwaltungszweigc die Er nennung ständiger Stellvertreter beim Kaiser nach suchen ; diese Stellvertreter werden innerhalb ihres Faches selbst verantwortlich sein; sic wer den wie wirkliche Minister verwalten und cs wird ihre Aufgabe sein, den thatsäcklicken Nach weis zu führen, daß ihre Wirksamkeit mit der des Bundesralhs sich vertrage. Die Stellung des Reichskanzlers wird in eminentem Sinne die eines Premierministers sein, der sein Ea- binet fick selbst bildet, — eine Stellung, die bekanntlich Fürst Bismarck wiederholt als sein Ideal bezeichnet hat. Ja, seine Macht wird sogar noch über die des herkömmlichen Premier hinaus gehen ; er wird nickt allein die Personen der Stell vertreter bezeichnen, sondern auch die Grenzen ihres Geschäftskreise« bestimmen. Denn nur von ihm wird es abhängen, wie weit er sich „be hindert" erachtet. Hierin liegt der Charakter der Maßregel. Sie ist augenscheinlich dem Wüchse des jetzigen Reichskanzlers angepaßt; für die Dauer und für seine Nachfolger wird man kaum eine solche Elasticität der Machtbefugnisse zweckmäßig finden. Für jetzt kommt es aber vor Allem daraus an, in einen widerstrebenden, schwierigen Bau grund die ersten festen Pfähle einzutreiben und dazu den starken Arm des Fürsten in Tbätigkeit zu setzen. Man muß dann den weiteren Ausbau der Zukunft anvertrauen." Diese Erwägungen baden in der Thal viel Einleuchtendes, und der Reichs kanzler wird zur Durchdringung seiner Vorlage weder im Bundesrathe noch im Reichstage beson ders starker Druckmittel bedürfen. Die Nachricht, daß der Kanzler von der Annahme des Skellvcr- tretungsvorschlags sein Verbleiben im Amte ab hängig gemacht habe, wird denn auch allgemein als unbegründet bezeichnet. Die Ansichten in Ab- aeorbnetenkreisen gehen noch auseinander; dock beißt cs die Sachlage durchaus verkennen, ivenn man. außerhalb des CentrumS und vielleicht der Fortschrittspartei, eine grundsätzliche Opposition gegen den Plan schon jetzt Voraussagen will; im Geqentheile sprechen sowohl conscrvative als natio- naliiberalc Parteiführer offen die Ansicht aus, daß man angesichts der ungewöhnlichen Verhältnisse auch über manche Ungewöhnlichkeit der vorge schlagenen Maßregel bi.nvegsehen müsse. Vom Waffenstillstände ist auch heute nur zu berichten, daß er nickt besteht und bis jetzt noch nickt unterzeichnet worden ist. Im Geaentbcil deutet die lebhaftere Bewegung aus allen Pnncten des .Kriegsschauplatzes daraus bin, daß die Sieger sich anschicken, die äußersten Consequenzen ibrer bis herigen Erfolge zu zieken. Gleichzeitig wird von Petersburg aus nntgethcilt, das; die von der „Morning Post" gemachten Angaben über die rus sischen Friedens beb ingungen ungenau sind. Die „Nordd. Alla. Ztg." kann Dem lnnzusügen, daß auch die Mittheilungen des Ministers Norlkcote der Genauigkeit entbehren, ein Umstand, welcher ebenso wie die Aeußerungen deS Ministers über die Anschauungen Oesterreichs zunächst wohl aus die österreichisch-ungarische Botschaft in London (Gras Benst!) zurückzufübrcn sei. Auch die Acußcrun gen über die russischen Absichten bezüglich Bulgariens werden von der „Agence ruffe" für unrichtig er klärt. Augenscheinlich spielt die Frage der Be setzung von .Konstantinopel — zu Lande durch die russische Armee, von der Seeseite durch die europäischen Flotten — gegenwärtig in den Verhandlungen der Mächte eine größere Rolle als äußerlich erkennbar ist. Die dem englischen Par lament vorstelegte diplomatische Correspondenz ent hält Mittkeilungen aus einem russisch-englischen Notenwechsel, aus welchem sich ergiebt, daß Fürst Gortschakoff, welcher bereits im December vorigen Jahres erklärt hatte: politische Erwägungen könn ten es für Rußland nothwendig machen, nach Kon- stantinvpel zu gehen, noch vor Kurzem ausdrücklich die Freiheit der Action als das Recht jedes.Krieg führenden für Rußland in Anspruch genommen bat. Tagesgeschichtliche llebersicht. LelpziA, 31. Januar. Man nimmt an, daß der Kaiser den Reichs tag in Person eröffnen werde. DaS Befinden des Kaisers, der bisher von der Verlesung der Thron rede bei Beginn der Legislaturperiode des Reichs tags nur in .Krantheitsfällen Abstand nahm, ist ein so vortreffliches, daß ein Einspruch der Acrzte kaum zu befürchten stebt. Mit großer Spannung sieht man dem Inhalte der Thronrede entgegen. Voraussichtlich würbe in derselben auch die Stellung Deutschlands zu den orientalischen Verwickelungen nickt unberührt bleiben. Zur Friedensfrage bemerkt die „Prov- Corrcsp.": „Die Friedensaussichten, welche durch die Verhandlungen der beiden kriegführenden Mächte eröffnet worden sind, hatten in der vorigen Woche eine augenblickliche Störung erfahren durch das plötzliche Hervortrcten einer größeren Beunruhigung aus Seiten der englischen Regierung und durch die Ankündigung militairischer Vorsichtsmaßregeln in England." Das ministerielle Blatt thcilt dann das Thatsächlickc in Kürze mit und schließt mit den Worten: „Der Abschluß des Waffenstillstandes, welcher in Adrianopel, woselbst das russische Haupt quartier am Sonntag (27.) eingerückt ist, statt finden soll, hat sich bisher verzögert, — es scheinen dabei vorzugsweise Anstände in Bezug aus die militairischen Vorbedingungen für den Waffenstill stand obzuwaltcn." Die „Nat.-Ztg." tritt wiederholt für den Frieden unter den liberalen Parteien ein: „Fasten wir den Ernst der Sache in daS Auge, so sind wir der Ansicht, daß das bisherige Fractionü« wesen sich vollständig überlebt hat und den wirk lichen politischen Strömungen nickt mehr ent spricht. Wir verweisen nur zum schlagenden Erempel daraus, daß nach einem Bericht der „Franst. Ztg." eine jüngste fortschrittliche Vcr- einsversammiung, zu der ausgedehnte Spccial- cinladungen ergangen waren und über welche die Zeitungen lange Berichte brachten, 85 Tbeil- nehmer zählte, während die socialdemokratlscke und christlich-sociale Fehde vor mehreren Tausend Personen ausgefocbten wurde. Es ist das einer der vielen Züge, die über den Untergrund deS politischen Lebens mehr sagen als lange Leitartikel und Parlamentsredew Daß Diejenigen, welche sich in den Spalten und Ritzen eingenistet baden, welche die staatstreuen und freisinnigen Elemente noch äußerlich trennen, ihr Specialgebiet mit verzweifel ter Energie vertbeidigen werden, darauf sind wir gefaßt. Was sollte denn aus ihnen werden, wenn man ihnen die gewobnte Polemik und den ange stammten Phrascnvorrath entzöge?" Die Ernennung desConsistorialpräsidenlcn Ball- born (Königsberg) zum Präsidenten des Ober- kirchenratks bat an Wahrscheinlichkeit gewonnen. Damit ist zugleich gesagt, daß vr. Herrmann'S Ausscheiden aus dem preußischen Staatsdienst mit einiger Sicherheit erwartet werden darf. Herr Bauborn wurde in sein jetziges Amt durch vr. Falk berufen, dem es vor drei Jahren daraus ankam, die Königsberger Präsivialgeschäste nickt länger durch den Generalsuperintendenten v. Moll, son dern durch ein weltliches Mitglied führen zu lassen. Seine Berufung würbe eine glückliche zu nennen sein, weil Bauhorn, ein ausgezeichneter Jurist, ganz den kirchenpolitischen Standpunct de» vr Herrmann und deS Cultusministcrs vr. Falk ein- nimmt. Von den Aeußerungen der Presse über die Stell vertretungsvorlage ist besonders eine kurze Bemerknng der „Kieler Ztg", des Hänel'scheu Organes, von Interesse, welches anerkennt, daß der Gesetzentwurf „der Ausgangspunct einer neuen, noch lückenhaften, aber immerhin Balm brechenden constitutionellen Reichsorganisation sein könne." Soll er das nach der Absicht deS Reichskanzlers sein, so ist die Unbestimmtheit Vcr Fassung obne Zweifel gewählt, um, wie die „.Kieler Ztg." sich ausdrückt, „das schließlich Unvermeidliche der» Bun- desratb in einer ihm annehmbaren, ja von ihm kaum zuttickzuwcisenden Gestalt zu präsentircn." Unter dem Titel: „Die Steuer-Reform" hat der Abgeordnete Freiherr von Zedlitz-Nenkirck eine Brochure veröffentlicht, welche die Ansichten der freiconservativen Partei widerspiegelt, zum Theil wohl auch diejenigen des Kanzlers. In den einleitenden Worten wird die finanzielle Lage ge schildert und hervvrgehoben, baß die sreiconserva tive Partei die Steuer-Reform in Reich, Staat und Gemeinde zu einem Tbeile ihres politischen Programme« gemacht und Herrn v. Zedlitz beaus tragt habe, dieses ihr Programm im preußischen Abgeordnetenhause zu entwickeln. Dieses Auf trages entledigte Herr von Zedlitz sich durch die am 2. November gehaltene Rede, deren ans diese Angelegenheit bezüglicher Theil im Wort laut mitgetheilt wird, ' woran sich dann nock eine Beleuchtung schließt, einerseits der gegen den Inhalt derselben erhobenen Ausstellungen, andererseits der mit Rücksicht auf den ohnehin großen Umfang der Auseinandersetzung nur neben bei berührten Puncte, insbesondere der Be ziehungen der Reform zu den« constitutionellen Reckte. In dieser Hinsicht wird ausgefübrt, daß eine Abänderung des H 109 der preußischen Ver sassung, welche die Brücke zur Quotisirung der Einkommen- und Elassensteuer bilde, die Voraus setzung für die Durchführung des freiconservativen FinanzplancS sei. Eine Verzichtlcistung der Re gierung aus das ihr durch die Bestimmung des H 109 gesicherte Reckt der Steuererhebung sei nicht zu gewärtigen, so lange dafür nickt in Bezug aus die Sicherheit des Staates und der Regierung ein ausreichender Ersatz geboten sei. Ein solcher Ersatz würde in der durch die Einführung des Tabaks monopols ermöglichten sickeren und festen Ordnung der Reicks- und Staatssteuern liegen. Als Curiosum sei eine Fabel erwähnt, die der bekannte ultramontane Publieist Jörg ausgeheckt bat und in seinen „historisch-politischen Blättern" zum Besten giebt. Danach wird Spanien der Alliirte Deutschlands im nächsten Kriege gegen Frankreich sein. Spanien sott dafür freie Hand gegen Portugal und Algier erkalten, dafür aber die Philippinen an Deiitsckland abtreten! In der Provinz Sachsen würbe in letzter Zeit die Oberlandesgericbtssrage sehr lebhaft be sprochen. Die Frage ist nun endgültig gelöst. Das Herrenbaus hat beschlossen, das Obertandesgericht für die Provinz Sachsen nach Naumburg zu verlegen. Zunächst wurde über Halle, dann über
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite