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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187802202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780220
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780220
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1878
-
Monat
1878-02
- Tag 1878-02-20
-
Monat
1878-02
-
Jahr
1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1878
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«94 tig au-; hier ist kein Haus ohne reichen Kähnen schmuck. Die Anzahl her glänzenden Equipagen, die seit 4 Uhr von den Linden her sich nach dem Schloßportal bewegen, scheint unermeßlich zu sein. Aus dem Lustgarten steht eine Schwadron reitender Schutzmänner zur Aufrechthaltung der Ruhe und zur Verhütung von Unalllcksfällen im Gedränge. Die Menschenmassen wachsen stündlich. Im Rolhen Salon de- kronprinzlicben PalaiS hatte am Sonntag Mittag die Prinzessin Char lotte die reichen Gaben aufgebaut, welche ihr al- Zeichen der Liebe und Verehrung zu ihrem Hochzeitstage dargebracht worden sind. — Die Majestäten hatten ihrer Enkeltochter ein prächtige« Perlenhalsband geschenkt, dessen hoher Werth daraus ersichtlich wird, daß in vier Reihen 480 Perlen in fleckenloser Reinheit leuchten, der Preis der kleinsten Perle beläuft sich auf 80 Mark. Die Kaiserin hatte außerdem noch ein goldene- Armband, da« ihr vorzüglich gelungene- Portrait vn reliek zeigte, überreicht. Die Königin Victoria hatte ein kost bare- Armband überreichen lasten; gewistermaßen ein FamilienerinnerungSstkck in so fern, alS eS eine genaue Nachbildung eine« gleichen Armbandes, ivie winer Zeit die Königin eS der eigenen Tochter, der Prinzessin Charlotte erlauchten Mutter, zu deren Vermählung mit dem Kronprinzen von Preußen geschenkt hatte. Die Gaben deS krön prinzlichen Paare« hatten bereit« in der für da« jurme Ehepaar eingerichteten Billa bei Potsdam passende Verwendung gefunden. Vom Prinzen von Wale« zeigten sich drei goldene, mit Rubinen, Diamanten und Saphiren besetzte Armspangen, vom Herzog Bernhard von Meiningen ein breites gol dene- Armband, besten Mitte ein mächtiger Saphir schmückte. Die jüngeren englischen Prinzen und Prinzessinnen schenkten ein silberne- Theeservice, der Erbprinz selbst, der glückliche Bräutigam, hatte zwei Armbänder verehrt, dereü eine- zwei Sma ragden enthielt, während da« zweite aus seinen Gliedern die preußischen und sächsischen Wappen zeigte. Weiter prangten aus dem Tische von der Prinzessin Luise von England ein goldne- Kästchen, vom Herzog von Connaught eine prachtvolle Cha- telaine, von der Königin von England noch ein Paar Ohrringe von Perlen, von den jüngeren Geschwistern ein Ring mit fünf großen Smaragden, von der Prin zessin Äisabeth ein Armband mit einem Saphir, von der Prinzessin Marianne der Niederlande ein Diadem, von der Großherzogin von Baden eine Uhr mit Garnitur von altem Porzellan, vom Herzog von Cambridge ein goldener Chronometer mit Barometer, von besten Gemahlin ein herrlicher Fächer. Die Mitte der Tafel nahm der silberne Tafelaufsatz der Stadt Hildburghausen ein, neben ihm stand die silberne Schale der Hamen Meiningen«. Die Gemahlin de- großbritannischen Botschafter«, Lady Odo Russell, hatte fünf Vasen überreicht, Miß Napier einen fein gearbeiteten Handspiegel, Miß Mac Donald eine Chatelaine mit Uhr, Miß Grant Duff einen originellen Hals schmuck mit eigen« zu diesem Zweck nachge bildeten alten Münzen auS dem Kensington- Museum, die Fürstin v. Talleyrand-Perigord einen Fächer,^die Fürstin Biron v. Curland einen Blumen tisch, d»e Gräfin Marie zu Münster einen Kamin schirm. Von anderen Geschenken sind noch zu nennen ein Petschaft vom Baron v. Stockmar, eine Schreibgarnitur in italienischem Style von Frau SaliS Schwabe, ein reizendes Tabouret von den Kindern der Frau Iachmann-Wagner. besten saubere Stickerei auf die Rollen gemeinsam ge lesener dramatischer Stücke deutete, eine Aquarelle von A. v. Werner, einen Italiener darstellend, ein venetianische« Motiv in Aquarell vom Professor Willberg, eine dreitheilige spanische Wand von Hermann Gerson mit dem Namenszuge und den beiden Wappen deö Brautpaare«. Zur Vermählung der Prinzessin Charlotte mit dem Erbprinzen von Sachsen-Meiningen und der Prinzessin Elisabeth mit dem Erbgrößherzog von Oldenburg bringt die „Post" folgenden Gruß : „Zwei Prinzessinnen au« den, mächtigsten deutschen Fürstenhause, die eine Enkelin de« Kaisers und Tochter de« Kronprinzen, die andere Tochter de« Prinzen Friedrich Carl, reichen die Hand zwei der einst zur Herrschaft in ihren Staaten berufenen deutschen Prinzen zum Bunde für« Leben. Kein politisches Intereste hat zu diesen Verbindungen geführt, nur die reinste, innigste HerzenSneigung. In dem Schooße glücklichsten und schönsten Fannlien- lebenS erzogen, bringen die jugendlichen Prinzessinnen ihren Gatten alle Tugenden zu, welche das Haus des Herrschers wie de- Bürgers und den^Heerd de- Aermftcn und Niedrigsten verschönern; Muster von Zucht und Sitte, doppelt werthvoll in einer Zeit, in welcher alle Grundlagen der Gesellschaft und der Familie stürmisch bedroht werden. Möge Gott den Neuvermählten Glück und Segen im reichsten Maße verleihen und möge es dem kaiser lichen Paar, welches so reichen Segen um sich er blühen sieht, vergönnt sein, sich noch lange an dem Anblicke de« jungen Glücke- zu freuen. Da« ist der Wunsch, den da- ganze preußische Volk mit un« theilt!" Ein Telegramm au« Washington ohne Quellen angabe meldet die Ernennung de« rühmlickst be kannten Publicisten, ReiseschriststellerS und Dichters Bayard Taylor zum amerikanischen Gesandten in Berlin. Derselbe war schon für mehrere diplo matische Posten in Vorschlag gebracht. Er ist ein enthusiastischer Bewunderer unserer Literatur, hat Goethe'S „Faust" vortrefflich übersetzt und sich während de- letzten französischen Kriege- mehrfack al- Freund der Deutschen erwiesen. Die ultramontane „Kölnische Volkszeitung" läßt sich au- Berlin schreibe: „Gestern Abend hielt die EentrumSfraction eine Sitzung ab. Bor dem Eintritt in die Berathungen gedachte der Vor sitzende, Frcih. zu Frankenstei», de- verstorbenen H. Vater- und gab den Gefühlen der Trauer um »en Dftbingeschiwenen wie der unentwegten An hänglichleit an den päpstlichen Stuhl in warmen und beredte» Worten Au-druck". Rach de» öfter wiederholten Versicherungen de- Herrn Windthorst soll da- Centrum keine consessionelle Partei sein, sondern auf einem rein politischen Boden stehen, welcher den Angehörigen aller Consessionen gleichen Raum gewähre. E« wäre interessant, zu wissen, ob Herr Windthorst auch in der „unentwegten An hänglichkeit" an den päpstlichen Stuhl das Zeichen einer rein politischen Partei erblickt. AuS Wien, 18. Februar, wird gemeldet: Am Mittwoch werden gleichzeitig in Wien und Pest die Interpellationen über die Orient frage be antwortet werden; die Antwort wird friedlich, aber entschieden lauten. Rücksichtlich der freien Schifffahrt aus der Donau ist eine Einigung in Berlin erzielt. Im englischen Unterhaus« erklärte auf eine Anfrage des Deputirten BereSford der Schatz kanzler Northcote. e« sei nicht wahrscheinlich, daß die Angelegenheiten Polen- aus dem Congresse zur Sprache gebracht werden würden. — Dem Marqui- von Hartington erwiderte Northcote, Admiral Hornby habe im Einvernehmen mit dem Botschafter Layard die Flotte nach der Mud auia- Bai, in eine bequemere Stellung gebracht. Hin sichtlich de- Congresse« habe er Nicht« mitzu- theilen. Graf Derby habe vor einer halben Stunde eine wichtige Mittheilung erhalten, die aber der Regierung noch nicht unterbreitet worden sei. — Dem Deputirten Dilke entgegnete Northcote, der Regierung sei über eine Besetzung einer Redoute innerhalb der neutralen Zone durch die Russen Nicht« bekannt. — Den Deputirten Monk ersuchte der Schatzkanzler Northcote, keine Debatte bei der dritten Lesung der Credit bill anzuregen, da eine Debatte im gegenwärtigen Augenblicke un- thunlich sei. — Die Bill wurde darauf in dritter Lesung ohne Abstimmung angenommen. Au« Rom, 18. Februar, wird gemeldet: Der heute früh celebrirten Heiligen Geist-Messe wohnten alle Botschafter und viele Mitglieder des Adels bei. ES folgte hierauf die Verlesung der päpstlichen Con stitutionen, auf welche die Cardinäle das Gelöbnis; der Treue und des Stillschweigens zu leisten haben. Heute Abend werden sich die Cardinäle in die für da« Conclave bestimmten Zimmer einschließen. Anderweitigen Iournalmeldungen entgegen ver nimmt die „Ägenzia Stephani", daß bei den Vor berathungen der Cardinäle alle Beschlüsse, mit Ausnahnie der aus den Ort des Conclave bezüg lichen, ohne Opposition gefaßt wurden. Die Car dinäle haben im Vatican ein jeder 3 Zimmer als Wohnung erhalten, von denen da« eine für die Person des Cardinal«, eine zweites für dessen Secretair, da« dritte für dessen Diener bestimmt ist. Pius IX. hat in seinem Testamente bestimmt, daß die dem heiligen Stuhl gehörigen Gegenstände von den Cardinäien Bilio, Simeoni und Monaco übernommen und seinem Nachfolger übergeben werden sollen. Sein Privatvermögen hat der Papst seinen drei Neffen überlasten; allen deposte- dirten italienischen und auswärtigen Fürsten sind Legate auSgesetzt. Der Herzog von Genua hat sich nach Lissabon begeben, um dem Könige von Portugal ein die Thronbesteigung des Königs Humbert kundgeben de« Handschreiben zu überreichen. Der „Agence Rüste" zufolge soll die Wahl Baden-BadenS al« Congreßort, sowie die An wesenheit der Minister der auswärtigen Angelegen heiten daselbst als wahrscheinlich gelten; doch seien noch keine endgültigen Festsetzungen darüber ge troffen. Der Großfürst Thronfolger und der Groß fürst Wladimir sind in Petersburg eingetroffen. Gemlik, der neue Ankerplatz der englischen Dardanellenflotte, liegt an der Küste von Anatolien, i» gerader Linie etwa 8 bis 9 deutsche Meilen von Konstantinopel entfernt, an dem äußersten Winkel der Bucht von Mudania, die sich vom Marmara Meere au« südlich des Golfe« von JS- mid nach Osten erstreckt. Eine SpecialauSgabe der „Times" enthält ein Telegramm au« Pera vom 17. Februar, worin es heißt: Die Rüsten ziehen Truppen vor den VertheidigungSlinien von Koustantinopel zu sammen; zur Zeit liegt aber auch nicht das ge ringste Anzeichen für eme Vorwärtsbewegung der Russen vor. Aus Konstantinopel, 18. Februar, wird ge meldet: Die Rüsten haben die in der neutralen Zone gelegene Nedoute Samedie geräumt. Landtag. -r- Dresden, 18. Februar. (Erste Kammer. — Schluß.) Zum Project der Erbauung einer Secundairbahn Pirna - Berggießhübel bemerkt der Referent der Majorität der Deputation, v. ErdmannSdorff, daß von den sächsischen Staatsbahnlinien 25 kein Erträgniß liefern. Den noch glaubt Referent, daß Sachsen noch der Er bauung verschiedener Bahnen bedürfe, die aber mit möglichster Sparsamkeit als Secundairbahnen ge baut und alS solche betrieben werden müßten. Wichtig sei es, daß die Adjacenten neu zu errich tcnder Bahnen daran verhindert würden, mit den Erpropriationskosten Wucher zu treiben. Die Frage, ob die Secundairbahnen norm al oder schmal spur,g gebaut werden sollen, überläßt Referent der Entscheidung von Fall zu Fall. Der Referent beantragt ferner Namens der DeputationSmehr heit den Beitritt zum Beschluß der II. Kammer auf Erbauung einer normalspurigen Bahn von Pirna nach Berggießhübel, dagegen die Ablehnung de« jenseitigen Beschlüsse«, die Herstellung eine« Ladequai« in Pirna betreffend, und die Verweisung der Petitionen um Fortführung der projectirteü Bahn bi- nach Gottleuba an die Regierung zur Kenntnißnahme (die II. Kammer hatte Verweisung zur E«väauag beschlossen). Die Erbauung der Linie Wilka»-Kircbberg beantragt Referent v. ErdmannSdorff Namen- der ganzen Deputation abzulehnen. Lande-ältester Hempel schlägt im Name« der Minorität der Deputation die Ablehnung der fämmtlichen Beschlüsse der II Kammer bezüglich der Errichtung der Linie Pirna-Berggießhübel vor, da diese« Pro/ect noch lange nicht genügend vor bereitet sei. An der Debatte betheiligen sich Graf Rex, Oberbürgermeister vr. StÜbel, Seiler und Finanzminister v. Kön neritz. Letzterer betont die billigere Herstellung und den billiger» Betrieb der schmalspurigen Eisenbahnen. Er würde es ungerecht finden, jetzt die Gemeinden, die noch keine Bahnen haben, zu den Kosten für die Errichtung derselben heranzuziehen, nachdem dies früher nie geschehen sei. Die Kammer lehnt (dem Minoritätsgutachten entsprechend) den Bau der Linie Pirna-Berg gießhübel mit 24 gegen 15 Stimmen ab, wo durch auch die Gottleubaer Petitionen erledigt sind. Den Bau der Linie Wilkau-Kirchberg lehnt die Kammer einstimmig ab. -r.-DreSden, 18. Februar. (Zweite Kammer. - Abendsitzung: Schlußberathung des Berichts der Finanzdeputation über die Steuerreform.) Zunächst gelangt der Gesetzentwurf v (Revi- dirte» Einkommensteuergesetz) zur Special- berathung. H. 1 wird nach der Vorlage, tz. 2 (BeitragS- pflicht nach der Staatsangehörigkeit) nach dem Vorschlag der Deputationsmajorität, also im Wesentlichen nach der Regierungsvorlage ange nommen. 8. 3. gelangt nach der Vortage zur Annahme. Eine Petition de- Vorstandes des Dresdner Thierschutzvereins um Befreiung dieses Vereins von der Einkommensteuerpflicht läßt die Kammer auf sich beruhen. Die 5—11 werden unverändert nach der Vorlage angenommen. Bei H. 12 wendet sich Vicepräsident Streit gegen die Besteuerung der Einkommen von 250 Mk. Er wünscht ferner eine Erniedrigung der Steuer für die ersten fünf Steuerklassen, und warnt vor zu hoher Besteuerung de« Renteneinkommens, weil dieselbe den Zinsfuß hinaufschraube und auch das Capital durch zu hohe Besteuerung aus dem Lande getrieben werde. Redner beantragt als Steuer satz für ein Einkommen von über 300—400 Mk.: eine halbe Mark, von über 400—500 Mk.: 1 Mk., von über 500—600 Mk.: 2 Mk., von über 600 bis 700 Mk.: 3 Mk., und von über 7«0—800 Mark: 4 Mk. Abg. Frey tag beantragt zunächst die Be freiung de« Einkommen- blS zu 500 Mk. von der Einkommensteuer. Er tritt im Interesse deS Landes für die fortgesetzte Progression der Steuererhebung auch in den höheren Classen ein, und bezeichnet den gegen eine solche Progres sion geltend gemachten Grund, daß dieselbe die Rentiers aus Sachsen heraustreibe, als einen Standpunkt de« Dresdner Stadtraths. Redner erklärt sich für da« Minoritätsgutachten des Abg. Starke, eventuell auch de« Referenten Kirbach (nach Steuerclasse 19 noch 5 weitere Steuerclasscn hinzuzufügen). Abg. vr. Hein» lehnt alle Verantwortung für die Steuerscala ab, die nach seiner Ansicht die Bevölkerung nur über die Unfertigkeit unseres Steuergesetzes ausklären würde. Er wird für die Scala nur stimmen, weil er überhaupt abstimmen müsse. Redner glaubt nicht, daß die Rcntenbe- steuerung die Rentier- vertreiben werde. Abg. ilhlemann befürwortet einen Minoritäts antrag auf höhere Besteuerung von Renten, durch einen Zuschlag von 20 Proc. bei der Berechnung der Steuer für dieselben. Abg. Roth findet, daß die Erhebung der Steuer nach der Regierungsvorlage dem Steuerzahler keine richtige Beürtheilung de« auf ihn entfallenden Steuersatzes gestalte. Finanzminister v. Könneritz berechnet, daß bei fortgesetzter Progression in den höheren Classen nach Aufhebung der Gewerbe- und Personalsteuer da« Einkommen über 9000 Mk. 5 Proc. Steuern geben müßte, — eine Ungerechtigkeit, die dem Staate keinen Nutzen bringen konnte, da durch sie Personen mit größerem Einkommen auS dem Lande ver trieben würden. Abg. Oehmichen ist zu tz. 12 Referent der Deputation-Majorität und erklärt, daß in kleinen Dörfern Personen mit weniger al« 300 Mk. Ein kommen allerdings steuersähig seien (die Majorität der Deputation beantragt in dem Bericht die Be steuerung deS Einkommens von 250 Mk. an). Referent Abg. Kirbach befürwortet einen von ihm und dem Abg. Starke (Mittweida) gestellten MinoritätSantrag, welcher die Abschaffung der niedersten Steuerclasse und Ermäßigung der unte ren Steuerklassen bezweckt, eventuell den Antrag des Vicepräsidenten Streit. Der Antrag de« Abg. Freytag wird in der nunmehr erfolgenden Abstimmung mit 58 Stimmen abgelehnt. — Weiter wird der Antrag de« Vicepräsidenten Streit mit 37 gegen 31 «nd der Majorität-antrag aus Annahme de« tz. 12 (mit der beschlossenen Streit'schen Abänderung) gegen 6 Stimmen angenommen. — Der Minorität« antrag (des Abg. Starke und eventuell de« Referen ten) auf Errichtung von noch 5 Classen nach Classe 19 wird mit 45 Stimmen abgelehnt. — Alle übrigen Anträge zu tz. 12, darnnter der Antrag de« Abg. Uhlemann aus Erhöhung der Besteuerung des Renteneinkommen«, werden abgelehnt. tz. 13 wird nach der Vorlage angenommen und hierauf die Berathung abgebrochen Das Keichsgesundheilsarul hat eine Denkschrift ausqearbeitet und vertheilea lassen, die da- weite und schwierige, aber auch lohnende Arbeitsfeld, dessen Anbau die neue Be hörde sich zur Ausgabe gemacht, und die Wege, aus denen sie ihre Ziele zu erreichen hofft , vor unS ausbreitet. Seine Hauptaufgabe bezeichnet da- Gesnndheit- amt als eine doppelte: e- will die öffentliche Ge sundheitspflege zu einer förmlichen Wissenschaft susbilden; dann aber will es sich zum Vermittler zwischen der Wissenschaft und den staatlichen Or ganen machen und Sorge dafür tragen, daß alle aus de», Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege aufgedeckten Wahrheiten für einen zeitgemäßen Aus bau und für die Erweiterung der Medicinal- und Veterinärgesetzgebung zur Verwerthung gelangen. In der ersten Zeit seine« Bestehens war da« Ge sundheitsamt wesentlich auf eine vorbereitende Thätigkeit angewiesen. ES hatte sich zunächst die Quellen zu öffnen , auS denen ihm da- Material für seine Thätigkeit zufließen sollte. Au- dieser vorbereitenden Thätigkeit erklärt es sich, daß bisher verhältnißmäßig wenig über die Wirksamkeit de- Gesundheitsamte« in die Oeffentlichkeit gelangte. Vor Allem richtete man die Aufmerksamkeit auf Anbahnung einer genügenden Medicinalstatistik. welche einen nothwenvigen Theil der Gefundheics Wissenschaft bildet. Zu diesem Zwecke ist das Oe sundheitsamt mit den Magistraten sämmtlicher deutschen Städte von mehr al- 15,000 Einwohnern, mit den Behörden der Armee, der Marine und der Reichspost, mit der Mehrzahl der deutschen Eisenbahnverwaltungen mit Knappschaften und Gewerbsgenoffenschasten in Verbindung getreten, um statistisches Material zu erhalten, und es ist beniüht, das über ganz Deutschland gespannte Netz möglichst zu erweitern. Ein anderer Zweig der Thätigkeit ist die Ergründung der Entstehung-- und Vcrbreitungsbedingungen der großen Volk-- und Wandcrseuchcn, desgleichen der Viehseuchen. In engstem Zusammenhänge hiermit stehen umfang reiche Ermittelunaen und Beobachtungen über dre Beschaffenheit de« Trinkwassers, die Verunreinigung und Durchfeuchtung de« Boden«, Beschaffenheit der Wohnungen, Verunreinigung der Wafferläufe, De- infection u. s. w. Von großer Wichtigkeit ist die Thätigkeit de« Gesundheitsamtes hauptsächlich in Betreff des Geheimmittelschwindels und der Verfäl schung der Nahrung«- und Genußmittel. Bezüguch des ersteren Mißstandes ist dem Reichs kanzleramte eine Vorstellung behufs Einführung besonderer medicinalpolizeilicher Vorschriften unter breitet worden, und bezüglich des letztgedachten liegt bereit« ein Gesetzentwurf vor, dessen Inhalt wir bereits mitgetheilt haben. Derselbe geht darauf hinaus, daß man Untersuchung«- und Controlinstitute mit amtlichem Charakter und sehr iveitein Wirkungskreise einzurichten gedenkt, deren Personal sich aus sachverständigen Technikern, Chemikern, Aerzten und Thierärzten mit Unter stützung von Polizeibeamten zusammensetzen soll, und daß man die strafrechtlichen Bestimmungen, so weit sie hier in Frage kommen, einer Revision zu unterwerfen gedenkt, um sie dem augenscheinlich vorhandenen Bedürfnisse mehr anzupaffen. In richtiger Erkenntniß, daß die besten Gesetze wirkungslos bleiben müssen, wen» es an den ge eigneten Ausführungsorganen mangelt, hat da- Gesundheitsamt auch diesen wichtigen Punct in den Kreis seiner Thätigkeit gezogen, und folgende Grundsätze aufgestellt: Die Handhabung der Ge sundheitspolizei, als ein Theil der Polizeigewalt überhaupt, steht der Ortspolizei zu; für jede größere Stadl, beziehungsweise für jeden größeren Communaleerband ist ein GesundheitSaus- schuß einzuseyen; für jeden Bezirk ist ein ärztlicher Gesundheitsbeamter anzustellen; der Vorsitz im Gesundheitsausschuß steht dem Vorsteher der Poli- zeiverwaltung zu. Wie ferner au« den jüngsten Reich-tagsverhand- lungen hervorgeht, sind drei wichtige Gesetzent würfe, das Leichenschauqesetz, ein Gesetz über die Anzeigepflicht bei anstehenden Krankheiten und ein Viehseuchengesctz so weit in der Vorbereitung vor geschritten. daß ihre Vorlegung während der letziaen Session de« Reichstage« erwartet werden darf Außerdem bezeichnet die Denkschrift noch eine ganze Reihe von Arbeiten, welche sich im Flusse befinden und ihren Abschluß durch die Gesetzgebung erhalten sollen. Sie betreffen den Gesundheitsschutz der Kinder, den Schutz der Irren, die Hygicine der Fabrikarbeiter. An diese Arbeiten werden sich noch viele andere reihen ; denn da« Feld, welches da« Gesundheitsamt für seine Thätigkeit in Anspruch nimmt, ist geradezu unerschöpflich. An neuen Gesetzen ist zwar jetzt kein Mangel, doch hat die Gegenwart nun einmal das Schihsal, die Unterlaffung-sünden der Ver gangenheit möglichst auszugleicyen und in rüstiger Arbeit nachzuholcn, was bei den hinter un- liegen den Zuständen versäumt werden mußte. Da- Ge sundheitsamt aber hat begründeten Anspruch cAf. den Dank des Volkes. Dre Mittel, welche es ztzi Vermehrung, Verbesserung und Ausbreitung seiner bereits in« Leben gerufenen Institute, sowie zur Vermehrung seiner technischen HülfSmittel und seiner Personalien verlangt, werden ihm voraus sichtlich mit Freuden bewilligt werden. »riü, Vorxolckorol uns 1iII»»«r«l, KLllmonssdrlll, l.»»er von 6I»rckiii«i>««1mk«u u. 8»I4«», 8pi»r«lxlil,vr ». V»kÄ»1»«
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