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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187805164
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780516
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780516
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1878
-
Monat
1878-05
- Tag 1878-05-16
-
Monat
1878-05
-
Jahr
1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1878
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2VI4 ewesen; „denn wenn ich, ruft er auS, meinen erstand gehabt Hütte, Hütte ich Jeden M-i troffen, aus den ich gezielt." Der Untersuchungs richter Stadtgericht-rath Johl, machte ihn daraus aufmerksam, daß eS sein Wille einzig und allein gewesen, den Kaiser zu erschießen, ihm aber die-, dem Pimmel sei Dank, nicht geglückt. — Hödel gab m seinen. Verhör am Montag auch einen Nadlergesellen Bau mann, der in einer Gesellenherberge ress), in einem Hause, wo fremde Gesellen verkehren, in der Krausenstraße l l, wohne, al- Zeugen an, dem er mitgetheilt, daß er sich erschießen wolle. Dieser Baumann, der noch Mon tag Abend zum DienStag geladen wurde, äußerte dem Boten, der ihm die Vorladung überbrachte, in nicht allzu feiner Weise: „Morgen'kann ich nicht, da verlasse ich Berlin: ich reise schon früh ab." Der Nuntius machte iyn daraus aufmerksam, daß er, wenn er nicht erscheine, schon gefunden würde und verließ den Nadler. Bon anderer Seite wird gemeldet: Der Alten tater ist bis jetzt noch immer zu keinem Gestündniß zu bewegen. Er hatte den DienStag zwei Con- srontationen zu bestehen' zu beiden wurde er, an Händen und Füßen gefesselt, geführt und trat ttetS mit einem lauten „Schönen guten Morgen" ein. Als er am Nachmittage von dem Unter suchungsrichter Herrn StadtgerichtSrath Johl Herauskain, lachte er ganz laut auf. Als ihm die Aussagen des Registrators Herrn Köhler, sowie mehrerer anderer Zeugen vorgehalten wurden, welche mit Bestimmtheit bekundeten, daß er den Laus seines Revolvers aus das Haupt des Kaisers gerichtet hatte und daß die Zeugen diese ihre Aus sagen beschworen Hütten, bemerkte er und zwar in Gegenwart aller dieser Zeugen: „Die können viel beschwören. Ich schwöre alle Tage was Sie wollen und waS Sie nick wollen." Die Aussagen deS Kaisers und der Frau Grvßhcrzogin von Baden sind bereits am Montag zu den Acten eingereicht worden. Der „B. B.-C." theilt Folgendes mit: Die Frau Großherzogin von Baden hat im Kreise der königlichen Familie und auch zu anderen Personen, die den Vorzug hatten, sie zu sprechen, sich dahin geäußert: „Sie habe mit großer Genauigkeit ge sehen. wie Hödel aus einer Entfernung von vier oder sechs Schritten den Revolver gegen den Kaiser abgefcuert und wie er direct aus ihren Vater ge zielt habe; cs sei ein Wunder, daß die Kugel nicht getroffen habe." Diese eine Aussage wird ver muthlich genügen, das ganze VerlhcidigungS-Systcm über den Haufen zu werfen. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die Frau Grvßherzogin im Palais als Zeugin vernommen, und daß ihre AuS sage im Protokoll ausgenommen werden wird. Die „Tribüne" schreibt: Es ist uns aus sicherer Quelle bekannt geworden, daß die erste Kugel deS Attentäters so dicht an der Stirn deS Kaisers vorüberflog, daß dieser, aufspringend, mit dem Rücken der linken Hand Uber die Stirn fuhr in dem Glauben, er sei verwundet. Der Kanonier Hugo Speer deS schlesischen Fuß Atilleric-Negiments Nr. 6 faßte, wie man der „Post" »littheilt, den Lehmann, der sich eben wn einer Frau, die ihn sestzuhaltcn versucht hatte, Ivdc. "rissen und einem Herrn entgegenstürzte, am Halse und hielt ihn so lange fesst bis die Schutz leute zur Stelle waren. Bevor die Schutzleute eintrafen, nahm der Leibjäger dem Mörder die Papiere ab. Ausfällig erscheint es, daß die von Hödel abge schossenen Kugeln nicht ausgefunden worden sind. In einer so sauberen Straße, wie die Linden, und bei so vielen Augen, die danach suchten, hätte doch wenigstens eine Kugel von den vieren zum Vorschein kommen miissen. Der Fundort der Kugeln würde auch wesentlich zur Klarstellung deS Bor- ganges selbst beitragen. Zu dem Verhalten der socialdemokratischen Abgeordneten im Reichstage bei der Ovation für den Kaiser in der gestrigen Sitzung wird noch Folgendes gemeldet: Der Abgeordnete Fritzsche, über sein und seineS FractionS Genossen Ri tting Hausen Verhalten bei der im Reichstage stattgehablen Ovation für glückliche Errettung des Kaisers befragt, erklärte, die svcialdemokratiscke Partei habe durch die An wesenheit der genannten beiden Mitglieder „ihren Abscheu über die ruchlose Thal des Hödel aus- drücken wollen. In daö Hoch auf den Kaiser ein zustimmen habe ihnen ihr Parteistandpunet nicht gestattet." ES muß bemerkt werden, daß die Herren Fritzsche und Rittinahausen, nm die Aufforderung deS Präsidenten v. Forckcnbeck, sich zu Ehren Sr. Maj. von den Plätzen zu erheben, zu umgehen, ihre Plätze gar nicht eingenommen Hallen, sondern zwischen den Sitzreihen promeuirten. Eine Kundgebung, die eben so rührend in ihrer Naivctät wie erwähnenswert!, wegen der sonst da bei in Betracht kommenden Umstände ist. mag auch noch hier ihren Platz finden Sie datirt auS Straßburg und wird von da in folgender Fassung mitgetheilt: Ein Ossicier bespricht in einem Friscurladen das aus unseren Kaiser verübte Atten tat. Da mischt sich ein alter Elsässer, anscheinend ein Bauer, der in dem Laden ist, in daS Gespräch mit den Worten: „Ach Herr Ossicier, den Kaiser bewahrt der liebe Herrgott. Wav denkt sich denn solcher Kerl? Glaubt er, daß unser Herrgott den Kaiser hat 82 Jahre alt werden lasten, damit solch' Lumpenkerl ihn todtschwßt'? — Der alte Kaiser ist geheiligt." Der Präsident de« Senates von Bremen hat am Sonnabend, sofort nachdem er die Nachricht von der Errettung deS Kaisers erhalten hatte, ein Glückwünschtelegramm abgesandt. Die in Karlsbad weilenden deutschen Curgäste haben anläßlich der glücklichen Errettung deS Kaiser- Wilhelm aus Lebensgefahr in der evangelischen Kirche einen Dankgottesdienst ver anstaltet. Aehnliche Kundgebungen werden von zahlreichen deutschen und außerd«»tschen Orten gemeldet. Ta-es-eschichtliche Ueberstcht. 15. Mai. ES heißt, die SÜickkehr de- ReichSkanzlerS sei numnchr in nächster Zeit, vielleicht schon Ende dieser Woche zu erwarten. Der Leibarzt deS Fürsten, l)r. Struck, ist auS FriedrichSruhe wieder in Berlin eingetroffen und hat sehr beruhigende Nachrichten über daS Befinden des Reichskanzlers mitgebracht. An den Geschäften de- Reichstags wird sich Fürst Bismarck jedoch kaum noch oder nicht mehr viel bctheiligen können. Die Arbeiten werden bis dahin so gefördert sein, daß nur noch die letzte Abwickelung einer Reihe von Geschäften bevor steht. Auch die Tabakenquetevorlage dürste bis dahin die zweite Lesung passirt haben und damit bereits vor dem Eintreffen des Reichskanzlers daS Schicksal dieses Gesetzes entschieden sein. Die zweite Lesung der Enquetevorlage wird wohl Frei tag stattsinden. Die nächste Woche, die letzte dieser Session, wird dann vorzugsweise mit dritten Lesungen ausgefüllt werden. Die Abgeordneten drängen auss Lebhafteste dem Schluffe der Be rathungen entgegen und eS machen sich hier und da auch bereits wieder bedenkliche Anzeichen einer zweifelhaften Beschlußfähigkeit geltend. Als Nachfolger des Grasen Otto zu Stolberg Wernigerode als Botschafter in Wien wird der „K. Z." zufolge Graf Lehndorsf, General und Flügelad>utant Sr. Majestät de« Kaisers, ernannt werden. Der „NeichSanzeiger" schreibt: In mehreren Zeitungen fand sich vor einigen Tagen die dem „Hirsch'schen Telegraphen-Bureau" angeblich aus Konstantinopel zugegangene Mitteilung abgeoruckt, daß am 3. d. M. Abends in Ga lata eine große Schlägerei zwischen Matrosen der dort statio nirten deutschen und britischen Kriegsschiffe statt gefunden habe und in Folge dessen die Eomman darrten dieser Schiffe ihren Mannschaften verboten hätten, an ein und demselben Tage auszuqchen. Nach amtlichen Nachrichten ist in Konstant«nopel von einer solchen Schlägerei Nicht- bekannt. Nach einer Meldung der „Presse" auS Bukarest setzen die Russen ihre Vorrückung gegen die in der kleinen Wallachei concentrirte rumänische Armee von Osten und Süden aus fort; die von Kronstadt durch den Turzburgpaß nach Pileschti führende Straße wurde von den Rüsten verlegt und gleichzeitig werden in Widdin russische Truppen conccntrirt; Russisch-Bestarabien ist von den Rüsten bereits gänzlich besetzt. — Der zur Zeit rn Bukarest weilende rumänische Agent in Peters burg, Ghika, dürste kaum mehr dahin zurückkehrcu, da die Verhandlungen wegen der russisch-rumäni schen Convention vollkommen abgebrochen sind. Die Lage ist sehr ernst. DaS österreichische Consulat zu Mostar wurde telegraphisch verständigt, daß österreichische Unter- thanen in Folge eines Einfalles bosnischer In surgenten in Vergovac sich nach Ljubuschki ge flüchtet und den Schutz des ConsulS angeruffn hätten. Unter der Bevölkerung jener Gegend herrsche eine wahre Panik; der türkische Mutestarif, von dem Consulate benachrichtigt, habe sofort eine Abtheilung türkischer Truppen nach Ljubuschki be ordert. Die Pariser Journale bespreche», mit AuS nähme einiger ultraradiealer Blätter, daS gegen den Kaiser Wilhelm verübte Attentat i» einer Weise, die unsere aufrichtige Anerkennung verdient. Ein im „Journal deS DebatS" veröffentlichter Brief des Generals Türr über diplomatische Vor gänge iin Jahre 1870 ergänzt die Enthüllungen des Prinzen Napoleon, macht jedoch wegen seines sernlwgenden Interesses nur in enaern politischen Kreisen einiges Aufsehen. Mehr Beachtung ver dient der letzte Artikel der „D6batS", der in einem Rückblick aus die rustensreundliche Politik des Her zog« DecazeS entwickelt, daß die jetzige französische Politik diese auf unbegründeter Furcht vor deutschen Angriffen beruhende Haltung ausgegeben hat und eine aus Vertrauen begründetes Verhältniß mit Deutschland und England anstrebe. Man hält den Artikel für einen berechneten officiösen Wink an Rußland. Die Nachrichten lauten allgemein günstix für eine friedliche Lösung deS russisch-englischen ConflictS. Wie auS Rom gemeldet wird, wird der Paps zu dem nächsten Consistorium. daS im Laufe deS MonatS Juni abgehallcn werden soll, oie Nuntien von Wien, Paris, Madrid und Lissabon nach Rom berufen und sie zu Cardinälen ernennen. Wie bereit- gemeldet, ist der Earl Rüssel sehr schwer erkrankt und gicbt sein Zustand zu den schlimmsten Besorgnisten Anlaß. Gras Ruffel ist 1792 geboren al- dritter Sohn deS Herzogs von Bedförd Bon 1830— 18Ü6 ist er wiederholt Mitglied der verschiedenen Whigregicrungen ge wesen und hat in dieser Stellung sowie als Mitglied de- Parlaments in lebhafter Weise sür die liberale Entwickelung deS staatlichen und kirchlichen Lebens Großbritanniens und Irlands gewirkt. Nock vor wenigen Tage» widmete ihm die Presse seines Landes Dankartlke in Erinnerung an die von ihm vor fünfzig Jahren erkämpfte Aufhebung der Testacte, durch welche alle Nichtstaatükirchlichen von dem Heer und Staats dienst ausgeschlossen waren. Die nonconsormistischen Geistlichen hatten zu Ehren deS TageS (9. Mai eine Deputation behufs Ucberreichung einer Adresse an ihn abgelandt, doch war er so leidend, daß er die Abgesandtschaft nicht persönlich empfangen konnte: Lady Russell mußte statt seiner die Adresse in Empfang nehmen. Die „TniieS" dementirt ihre eigene Meldung daß die Türke» die Rüumung der Festun gen beschlosten hätten und fügt hinzu, daß bisher keine diesbezüglichen Abmachungen getroffen worden seien. Auch eine türkische Meldung besagt: Die Ver Handlungen wegen Räumung der Festungen durch die Türken und wegen de» gleichzeitigen Rück uae- der russischen Truppen von San Stefano « bisher resultatlo« geblieben. Gerüchtweise verlautet, Gras Schuwalosf werde auf seinen Posten nicht wieder zurückkehren, ondern den Posten de- Minister- de- Auswärtigen innehmen, welchen der Reichskanzler in Folge einer hohen Jahre und seiner zerrütteten Ge- undheit verlassen werde. AIS Candidaten zu dem Botschafterposten in London nennt man den Fürsten Woronzow, den Commandeur deS X Corps. Er ieht zu der englischen Aristokratie in nahen ver wandtschaftlichen Beziehungen. Nach einer Notiz, die sich in der Wiener „Presse" abgedruckt findet, ist in dem Befinden des Fürsten Gortschakoss eine Verschlimmerung eingetrelen, welche daS Ableben desselben als nahe bevorstehend erwarten laste. Die Gicht sei in die Brustorgane getreten und befinde sich der Fürst in einem Zu- tande der Lethargie, welche ihn bereits seit drei Tagen völlig theilnahmloS für äußere Vorgänge gemacht habe. Der Kaiser laste sich dreimal täglich nach oem Befinden deS Reichskanzlers erkundigen. Eine ernste Wendung in dem Leiden des Reichs kanzlcrS stand bei dem hoben Alter desselben immer in dem Bereiche der Möglichkeit. Wie weit die vorstehenden Meldungen gerade den Thatsachen ent sprechen, müssen wir dahingestellt sein lasten. AuS Konstantinopel wird gemeldet: Die Russen werfen in der Umgebung von San Stefano neue mit Geschützen armirte Verscharr ungen aus. Ein in San Stefano unter dem Vor sitze des Generals Totleben abgehaltener Kriegs- rath hat beschlosten, die Räumung SchumlaS bei der Pforte energisch zu betreiben. Ein Rückzug über Tschataldja hinaus wirb von dem russischen Hauptquartier nicht in Aussicht genommen. — Die Insurgenten im Rhodope-Gebirge haben durch Albanesen namhafte Verstärkungen erhalten; neue Kämpfe werden aus dem insurgirten Gebiet gemeldet. Die Bemühungen der Beschwichtigungs- ommission sind bisher ohne Resultat geblieben Der Gesundheitszustand in Philippopcl und Adria nopel hat sich neuerdings verschlimmert. AuS New-Bork, 14. Mai, wird telegraphirt: Nach aus Can ada eingelangten Nachrichten haben die dortigen Behörden gegen jeden Versuch, einen Einsall der Fenier zu Wege zu bringen, mili- tairische Vorsichtsmaßregeln ergriffen. * Leipzig, 15. Mai. Wenige Tage vor dem Attentat auf den Kaiser äußerte sich einer der socialistischen Hauptagitaloren, der Abg. Most, im Reichstage bei Berathung der Gewerbegesetznovclle und zwar aus Anlaß der von den Socialdemo kraten verlangten Einführung eincS Normalarbeits tagcS, wie wir dem stenographischen Bericht ent nehmen, in folgender Weise: „Jetzt blicken die Arbeiter ganz Deutschlands aus Sie; die deutschen Arbeiter erwarten aber auch von Ihnen, daß endlich eine Maximalarbeilszeit festgesetzt werde, weil sie der Meinung sind, daß nun, wo die Ge werbeordnung resormirt werden soll, doch nicht wiederum etwas HalbeS aus der GesetzgebungS stütze hervorgehen dürfe. Daß weder die Regie rung noch die Commission einen darauf hin- zielenden Vorschlag gemacht haben, halte ich aller dings für sehr schlimm, aber ich denke, cs ist immer noch Zeit, die nölhigen Zusätze in bas Gesetz zu bringen. Es ist sonderbar, daß cs gerade die Socraldemokraten, die man als die Revotulio- naire kennt, sind, welche Ihnen hier den Weg der Reform so dringend an das Herz legen. Sie thun dies eben deshalb, weil sie überzeugt sind, daß bei den obwaltenden socialen Mißständen nur zwei Wege offen sind, die zum Ziele führen können, der Weg der Reform und der der Revolution, und wir wünschen nicht, daß der letztere beschritlen wird, denn wir halten ihn sür einen sehr bedenk lichcn, für einen Weg, unter dem die Gesammtheit, also auch die Arbeiterschaft, ganz entschieden zu leiden haben könnte. Daher verlangen wir aber auch ganz energisch, daß der Weg der Reform rechtzeitig cingeschlagen werde, weil wir allerdings andererseits auch der Ueberzeugung sind, daß sonst die Revolution nicht ausbleiben wird " — Die Herren lasten unS also nur die Wahl zwischen „Reform", d. h. der Reform, welche die Social dcmokralie anstrebt und uns zu dictiren für gut findet, und Revolution. Man droht offen mit dieser und spielt mit dem Feuer, und kommt es dann zu gewaltsamen Ausbrüchen, so wäscht man seine Hände in Unschuld. So machen e« die Socialistcn jetzt mit dem Hödel'schen Attentat Erst Hetzen und schüren sie au« Leibe-krästen, und hinterher blicken sic ganz unschuldig drein. Die Mohrenwäsche wird ibnen aber nicht gelingen; wir kennen unsere Pappenheimer Reichstag. * Berlin, 14. Mai. In der heutigen Sitzung stand zunächst die Interpellation deS Äbg. Windt- horst über daS Pserdeauösuhrverbot auf der Tagesordnung. Der Interpellant begründete die Anfrage, ob und wann da- durch kaiserliche Ver ordnung vom 7. Juli vor. I. angeordnete Pferde- auSfuhrverbot aufgehoben werden wird, mit der Ausführung, daß eine dringende Nothwendigkeit für die Ausrechterhaltung dieses Verbot- nicht »>ehr vorlicge, daß die Pserdezucht erheblich dar unter leide und damit auch die Wehrkraft des Lande- geschädigt werde, und daß die dem König- bergcr Markte gewährte Ausnahme im Interesse der Gerechtigkeit auch anderen Märkten zu ge währen sei. Der Präsident deS RcichSkanzleramts, Hosmann, wies dagegen auf die ungemein milde Ausführung des Verbot- hin. welche- lediglich al- eine Eontrolmaßregel zur Constatirung etwaiger Mastenankäusc für fremde Regierungen gehandhabt werde, und erklärte es gegenwärtig noch nicht sür thunlich, da- Verbot auszuheben. Aei der Be sprechung der Interpellation erklärt der Abg. Bamberger^ da» Verbot für einen^ großen Kehler, ß der die Pferdezucht und die Wehrkraft beein-j terliche Thätigkeit gestatte» dürfe trächtigen müsse, ist aber doch au- politische» Gründen zweifelhaft, ob in dem heutigen kri- tischen Augenblicke da- Verbot auszubeben sei; man könnte darin im AuSlaude leicht eu, politisches Moment zu Gunsten de- Krieg« er kennen. Auch Abg. v. Saucken-Julienselde beklagt die Nachtheile, die der preußischen Pferdezucht durch das Verbot zugefügt worden, wogegen der KriegSminister v. Kameke die Maßregel damit rechtfertigt, daß eine sorgfältige Berechnung der Militairverwaltung zu der Befürchtung Anlaß gegeben habe und gebe, daß wir bei der in Au«, sicht stehenden massenhaften Ausfuhr leicht i, Falle einer Mobilmachung selbst an guten Pferde» Mangel leiden könnten Nach einigen kurze, Schlußworten deS Abg. Windthorst ist die Inter pellation erledigt. — Sodann begründete der Abg Windthorst seine weitere Interpellation, ob uns wann ein Gesetzentwurf betreffend, den Vollzug der Freiheitsstrafen, zu erwarten sei. Er führte für die Dringlichkeit eine- solchen Gesetze« hauptsächlich die Mißstände an, die sich bei der Abndung der politischen und Preßvergeheu ergebe, hätten. Staatssecrctair vr. Friedberg theille darauf mit, daß im Reichsjustizamt bereits em Entwurf auszearbeitet ist, der am 3. Ich einer Versammlung von StrafanstaltSbeam ten zur Begutachtung vorgelegt werden soll Es folgte die'Berathung deS Antrags aus Er stellung des gegen den Abg. Most anhängige, Strafverfahrens. Es konnte nicht fehlen daß bei der andauernden Erregung der Gcmüther bei dieser Gelegenheit das Attentat in die Debatte gezogen wurde. Der Abg Beseler bekämpfte den Antrag, die Abgg. Lasker,' Windthorst, Richter und v. Hell- dvrf warnten aber davor, die persönliche Stimmung in die objective Beurtheilung des Gegenstandes hineinzutragen und in der Erregung von einer bisher stets befolgten Regel abzugehen. Der Abg Rittinghausen protestirte energisch dagegen, das man daS Attentat mit den socialdcmokratisitei Bestrebungen in Verbindung bringe. Der Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen. Ein, längere Debatte, an der sich die Abgg. Molinau Lasker, v. Kardorff, Bambergcr betheiligten, erbeb sich sodann über den Handelsvertrag m,l Rumänien, sie streifte natürlich auch daS Gebin der allgemeinen Zoll- und Handelspolitik, drarg aber doch nicht tief in diese hochwichtige Frage ein. Der Vertrag wurde an eine Commission rra sieben Mitgliedern zur schleunigen Berichterstattung überwiesen , und alSdann noch der Auslieferung vertrag mit Schweden-Norwegen in erster Lesunz durchberathen. Die Ausführungen deS Kriegsministers v. Kami! über das PserdeauSfuhrverbot lauteten: Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch die Militairverwaltung sich durchaus bewußt ist, daß das PserdeauSfuhrverbot einen außerordentlich wichtig Industriezweig des deutschen Reicks aufS EmpsindlM, belästigt. Die Verwaltung hat mit allen Herren Pserdezücktern dasselbe Interesse, nämlich, daß der Pserdebestand unseres Landes möglichst gemehrt und gebessert werde. Daraus geht schon hervor, daß sich dieselbe nur mit dem allersckwersten Herzen entschlossen haben kann, ein Ausfuhrverbot zu beantragen. De: Zwang ,st aber eben größer gewesen, als der M Wille, cs nickt zu tbun. Wenn ein Moment einlnn. wie im vergangenen Jahre, wo zwei große Staale» eine große Anzahl von Pferden zu kaufen genöibi« sind wegen ihrer Kriegszwecke, wenn zugleich ,we große Staaten mit großem Pferdereichthum Auö'ubn Verbote erlassen, so ist eS ganz natürlich, da» jene die Augen aus das Land Wersen, wo noch Pferde zu haben sind, nämlich auf Deutschland; und wenn der Mililairverwaltung dann ziemlich deutlich an die Hand gegeben wird, da» eine große Zahl von Contracten über die Lieferung tsich liger kriegsbrauckbarer Pferde abgeschlossen werde» soll, so muß sie sich die Rechnung machen, ob sie M selbst im Falle der Mobilmachung an tüchtige» Pferden Mangel leiden werde. Auf dem Wege dieses Rechenezempels ist das PserdeauSfuhrverbot zu Stande gekommen. In den fremden Staaten sind seit,ener "eit die Ausfuhrverbote nickt zurückgenommen worden, sie Interpellationen und Anträge im preußischen Abgeordnetenhause haben die Regierungen veranlaßt, nochmals die Verbältnisse zu revidiren. Indessen bai sich ergeben, — es liegt ja, Gott sei Dank! nicht nale — das eS die Pflicht Desjenigen ist, der auch für die Zukunft alles in Bereitschaft halten muß, daraus zu dringen, daß das Verbot aufrecht erhalten bleibe, lu der Friede vollkommen wieder hergestellt ist. Es ist wahr, daß das Reickskanzleramt und zwar in vollem Reckt Ausnahmen von dem Verbot gestattet; denn es ist ja nicht die Absicht, die Zuckt der jungen Pserde zu treffen, sondern nur die Ausfuhr kricgsbrauchbarei Pferde. Es kann sich also lediglich darum bandeln, den Stand der kriegsbrauchbaren Pserde zu erhalten Daß wir alles andere Krieasmaterial, wie Pulver. Geschütze, Gewehre rc. ausführen lassen, liegt daran, daß wir damit vollauf versehen sind, und wäre der Pserdebestand in Preußen größer, so würde die Mili tairverwaltung der Ausfuhr derselben kein Hindern» in den Weg gelegt haben. Sie dürfen mit der größ ten Zuversicht darauf rechnen, daß die Militairver waltung, sobald der schreiende Uebclftand gehoben ist aus eigener Initiative die Aushebung deS Pserdeaue fuhrverbots beantragen wird. Aus der Debatte über den Antrag der Abgg. Fritzsche und Gen., betr. die Einstellung des ge gen den Abgeordneten Most bei dem Stavtgerich! zn Berlin wegen Beleidigung der evangelisch Geistlichkeit anhängigen Strafverfahrens, sei nc Kolgendens mitgetheilt: Abg. Ilr. Beseler tritt dem Anträge entgegen Wenn auch daS HanS bisher solchen Anträge stets zugcstnnmt, so sei doch der vorliegende Fa ein solcher, daß er bitten müsse, die Zustimm nicht zu ertheilen. ES sei bekannt, daß der geordnete Most seit längerer Zeit in Ver! eine Agitationölhätigkeit entfaltet, die dam auSgeht. die bestehende Ordnung umzusiür," Wenn derselbe bei einer solchen Thätigi deren Folgen mit uns in diesen Tagen da- go Land beklagt, mit dem Strafrichter in Consi kommt, so glaubt Redner nicht, daß sich da» unter diesen Umständen einen ^
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