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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187803068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780306
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780306
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1878
-
Monat
1878-03
- Tag 1878-03-06
-
Monat
1878-03
-
Jahr
1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1878
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Erschetut täglich früh 6'/. Uhr. A«««cst»» ,»» -cprstltoa Johannisgasse »L. »Mrchkmtr« »cr »chactt-,: Sormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 4—k Uhr. «»nähme der für dir nächst- M«r»»e Nummer deftimmkrn Insi-rate an Wochentagen dio lltzr Nachmittags, an Sonn- «U» Festtagen früh dis '/,V Uhr. I» »rn Mtale» skr Zaf. ^»»ahwr: Ona Ktem«. UniverfitLtSstr. 22, L»»i« Lösche, Katharinen str. 18,p. mir bi« '/H Uhr. Anzeiger. L>MN str Politik, Localzeschichtc, Handels- und Geschäftsverkehr. «aflage 15,Lsi«. Ztdoulln«rn«^rct§ Viertels incl. Brinaerlohn ö Mk., durch die Post bezogen n Ml. Jede einzelne Nummer 2S Pf. Belegexemplar 10 M Gebühren für Extrabeilagen ohne PostbelSrderung :i« SU!, mit Postbesörderung 4b Att. lasceatr Sgesp Petitzeil« 20 Pf. Größer« Schriften laut uusrrrm Preisverzeichniß. — Tabellarischer Satz nach höberem Tarif. Ueclamrii uuler »cm ttr»acti«>»sk>ch dir Spaltzeile 40 Pf. Inserate sind stets an d. GageDstiaa zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben Zahlung praonvwona-l« oder durch Postvorschuß. 85. Mittwoch den 6. März 1878. 72. Jahrgang. Im Monat Februar IM erhielten das hiesige Bürgerrecht: Herr Lindenhayn, Albrecht Julius, Kaufmann. . Glöckner, Wilhelm Albert Andreas, Schneider. . Schwarzkopf, Andreas Gottfried Friedrich, Schänkwirlh. . Strigel, Friedrich Bernhard, Kaufmann. - Stankovsky, Franz, Schneider. . Frey er, Paul Albert, Kaufmann. - Iß leib, Valentin Julius Adolph Ferdinand, Kaufmann und Hausbesitzer. » Frank, Karl Christian. Kaufmann. » Nackmahr, Joseph, Stellmacher. » Kretzschmar, Franz Emil, Agent. » Gebhardt, Carl August, Aaent. » Laux, Christian Robert Albin, Kaufmann. » Franke, Ernst Bernhard, Schieferdeckermeister. - De de, Gottlob August, Getreidehändler. - Weiß, Rudolph, Kaufmann. > Wacker. Arthur Louis Curt, Kaufmann. Herr Dämmer, Karl Hermann Louis. Portefeuille- Fabrikant. Levv, Max, Kaufmann. Müller, Karl Ernst. Schneider. Flechsig. Paul Emil, vr. meä. und Professor an hiesiger Universität. Baensch, Albert Richard Ernst, Kaufmann. Groschupf, Bernhard Louis Theod. Gottfried. Kaufmann. Seelig, Jacob Heinrich, Kaufmann. Schreiber, Johannes Conrad Emil, Kaufm. Kalitzsch, Friedrich Julius Theod., Schriftsetzer. Jäger, Robert Louis, Kaufmann. Gau blitz, Emil Bernhard, Lehrer. Ludwig, Wilhelm Georg, Lithograph. Näbe, Friedrich Wilhelm, Hausmann. Roth, Christian Göttlich, Hausmann. Zimmer mann, Friedrich Wilh., Rathsdiener. Im Monat Februar find vom Stadtrath angestellt morden: als Controleur bei der Stadtsteuereinnahme: Franz Hermann Seidel- als Sebulaufwärter: Hermann Schützholdt: als Expedient beim Lagerkofe: Georg Hermann Dreßler; als Raths diener Richard Löwenberz Brückner. Bekanntmachung. Wir lasten gegenwärtig die Lage und Beschaffenheit der Straßenschleußen der inneren Stadt durch unser Bauamt untersuchen. Um bei dieser Untersuchung feststellen zu können, ob die Kellersohlen der anstoßenden Gebäude nach den Scbleußen entwässert werden können, ist es nothwendig, die Tiefen aller Keller der Häuser der inneren Stadt messen zu lasten. Zu diesem Zwecke ersuchen wir die Besitzer und Administratoren von Grundstücken, den mit jenen Messungen beauftragten Personen, welche von unserem Bauamle ausgestellte Legitimationsscheine bei sich führen werden, den Zutritt zu den Grundstücken und Kellern gestatten zu wollen. Leipzig, den 4. März 1878. rer «ath der Stidt Let -»t «. l>r. Georgi. Messerschmidt. Bekanntmachung. Wir bringen hierdurch das bezüglich des Fahrens und NeitcnS auf den Wegen des JohanniSthales bestehende Berbot in Erinnerung und werden Zuwiderhandelnde von uns unnacksichtlich mtt einer Geld strafe von 15 >6 oder mit entsprechender Haststrafe belegt werden. Leipzig, den 28. Februar 1678. Der Math der Stadt Leiprstl Nr. Georgi. Wangemann. Bekanntmachung. Hierdurch werden die Pächter und Päcbtcrinnen von klärten im Johannisrhale veranlaßt, sich in Person wegen Erneuerung ihrer Packtcontracte resp. Entgegennahme einer Eröffnung mit der betreffenden Einnabmestelle, Nascbmarkl Nr. 1, II. ungesäumt in Vernehmen zu setzen. Leipzig, den 5. März 1878. Die Deputation zum JohauntShospitale. Leipzig, 5. März. Was im russisch-türkischen Friedensver- trage steht, darüber ist etwa« Positives und Authentische« bis zur Stunde noch nicht bekannt. Doch verlautet so Mancherlei über die Puncte, die nicht darin enthalten sind und diese negativen Auf schlüffe haben durchweg etwa« ungemein Beruhigendes. Rußland setzt die Summe, die e« als Kriegskosten entschädigung verlangt, auf ein billiges Maß herab; da« ist eine gute Botschaft für die Gläubiger der Türke,, die außer in Frankreich besonder« dickt in England und Oesterreich sitzen. ES fordert nicht die Abtretung eine« Theil« der türkischen Panzer- flotte und nicht die zeitweise Ueberlaffung deS eqyptischen Tribute«; den Engländern ist daniit ein Alp vom Herzen genommen. Das neue Fürsten- thum Bulgarien, auf dessen Tribut Rußland gleich falls keinen Anspruch erhebt, soll zwar über den Balkan hinUberareifen, die griechischen Provinzen aber draußen lassen und weder Salonichi noch Adrianopel einschließen. Daß Serbien auf Kosten Bosniens gar nickt oder dock nur sehr unbeträcht lich vergrößert werden soll, wurde schon früher ge meldet, und so dürfte denn auch Oesterreich über Mangel an Rücksicht nicht zu klagen haben. Ueber die T)ardanellcnfrage, über die in Bosnien einzu- ricktende Autonomie, über die Neugestaltungen in Bulgarien und besten Stellung zur Pforte, über die rumänisch - bcssarabische Angelegenheit und die damit zusammenhängende Frage der freien Donau- schiffsabrt wird man sich auf derConferenz zu einigen haben, deren Zustandekommen Rußland selbst jetzt betreiben wird, da e«, wie es einräumt, für die gültige Abänderung de« Pariser Vertrags von 1856 des europäischen Siegels bedarf. Die Er folge Rußlands mögen in England und Oesterreich verstimmen; aber sie stehen einmal al« vollendete Thatfachen da und ziehen mit eiserner Logik ihre Consequenzen. Wollen jene Mächte die Consequen- zcn, die Folgerungen beseitigen, so muffen sie vor erst die Prämisse, die Voraussetzung umstoßen; sie müssen Rußland« Erfolge rückgängig machen, und Da« können sic nur mit dem Schwerte in der Hand. Sie werden sich aber hüten, sich wegen etwa in ferner Zukunft drohender Gefahren, wegen eine» Mehr oder Minder in den russischen For derungen — sobald diese ihre Lebensinteressen nicht direct angreifen — in einen unabsehbaren Krieg zu stürzen; in einen Krieg, der im allerqvnstigsten Falle mit der Wiederaufrichtung der Türke,, mit der künstlichen Zusammenlegung e,ne« durch und durch brüchigen Zustandes enden würde, der über kurz oder lang zu einem neuen Kriege führen müßte. Es bleibt also dabei, daß Kürst Bismarck Recht hatte, als er in der Orient debatte de- Reichstage« die Unwahrscheinlichkeit eine« Weltkrieges darlegte. Die Rüstungen in England und Oesterreich haben die Bedeutung einer Pression, die schon jetzt bei den Frieden-Ver handlungen ihre Wirkung aethan und namentlich auck auf der Eonferenz zu spüren sein wird. ES ist auch recht gut, wenn die siegestrunkene Militair- partei in Rußland weiß, daß e« noch andere Mächte in Europa giebt, die trotz aller Friedens liebe und Geduld doch ,m Nothfalle bereit sind, ihr den Daumen aufs Auge zu drücken. Um so leichter wird die Eonferenz zur Verständigung kommen und hoffentlich einen recht dauerhaften Frieden für » Europa ausarbeiten. Brauchen könnten wir ihn wahrlich recht sehr. TagcsgeschichUiche Ileberficht. Leist,i-, 5. März. Da« Gerücht ist unermüdlich in der Aufstellung von Candidaten für die Nachfolgerschaft Camp hausen'«. Unter den vielen Namen, die in dieser Beziehung genannt werden, wird besonder« der de« Oberpräsidenten von Posen, Günther, betont, der auch im Präsidium der Seehandlunq Camphausen's Nachfolger war. Herr Günther befindet sich augen blicklick in Berlin und Dies mag jenem Gerüchte scheinbar eine gewisse Unterlage geben. Die An wesenheit des Oberpräsidenten in Berlin hat jedoch nur die Theilnahme an den im Ministerium des Innern stattsindcnden Conferenzen über eine Kreis- und Provinzialordnung für Posen zum Zweck. Es wird überhaupt zuverlässig versichert, die Dinge seien noch nicht so weit gediehen, als daß man schon jetzt eine bestimmte Persönlichkeit als Nach folger Camphausen's inS Auge fassen könnte und die zur Zeit umlaufenden Gerüchte entbehrten jeder Begründung. Abgeordnete, die der letzten parla mentarischen Soirsc beim Reichskanzler angewohnt haben, bestätigen, der Kaiser habe das Camp- hausen'sche Entlassungsgesuch dilatorisch behandelt, d. h. fürS Erste vor einen, entscheidenden Reicks- tagsbeschluffe in der Steuerfrage einen ausschlag gebenden Grund zum Rücktritte deS Finanzministcrs nicht anerkannt. Die „Nat.-Ztg." meldet: Der Präsident des Ober- Kirchenraths, vr. Herr mann, ist aus Hannover nach Berlin zurückgekehrt. — Der Abg.v. Bennigsen hatte am Sonntag eine längere Zusammenkunft mit dem Reichskanzler Fürsten Bismarck. — Be züglich de« Rücktrittes deS Herrn Finanzministers Cämphausen schreibt die „Kreuzzeitung": „Man glaubt bestimmt annehmen zu sollen, daß der Fi- nanzminister zurücktreten und daß dann seine Stelle sofort definitiv besetzt werden wird." In Abgeord netenkreisen wurde der dem Herrn Finanzminister vom Kaiser ertheilte Bescheid als eine Annahme der Demission mit Aufschub bi« zur Ernennung des Nachfolgers gedeutet. Ueber den eventuellen Nach folger lausen eine Reihe von Gerückten um; die selben entbehren jedoch nach unseren Informationen bislang jeden positiven Anhaltes. — Die national liberale Fraction deS Reickstages hielt eine Sitzung ab, in welcher den autonomistischen Ab geordneten Elsaß-Lothringens Gelegenheit gegeben wurde, ihre Ansichten Uber die zukünftige Verfas sung des ReichSlander zu entwickeln. Nationalliberale Abgeordnete bestreiten entschie den die Wahrheit der Mittheilung, wonach der Kaiser am Freitag bei Hofe Bennigsen seine Abneigung gegen Veränderungen im Ministerium kundgegeben haben soll. Derselbe Berliner Corre- svondent deS „Hamburger Correspondenten", wel cher jene Nachricht verbreitet hat. wirst jetzt der nationalliberalen Parte, an der Hand der Kennt- niß der nationalliberalen FractionSverhandlungen „politische Heuchelei" vor, insofern sie sich durch das Monopolproject de« Reichskanzlers überrascht estcllt habe. E« berührt peinlich, daß der Ver- reiter der beiden vorgenannten „Enthüllungen" kein Anderer ist, al« der zweite Redacteur der „National-Zeituna", Herr Klöppel. Die deutsche Reichspartei beabsichtigt, wie ihr Organ mittheilt, in der Budgctcommission und eventuell ,m Plenum des Reichstags einen Antrag einzubringen, durch welchen die Tabaksteuer vorlage abgelehnt und der Reichskanzler ersucht würde, die nothwendigen Ermittelungen anstelleu zu lasten, welche Art der Besteuerung deS Tabak- sich als die zweckmäßigste erweise, um d«e eigenen Ein nahmen des Reiches in einer die erstrebte Steuer reform ermöglichenden Weise zu vermehren. Der Reichskanzler soll zugleich ersucht werden, die zu diesem Zwecke etwa nöthigen vorbereitenden GesetzcSvorlagen noch in der gegenwärtigen ReichS- taqssession zu machen. Die deutsche Reichspartei will also, wie man sieht, thun, waS die Regierung, wie neulich an der Hand der Eampbausen'schen Ausführungen nackgewiesen, hätte thun sollen. Im Allgemeinen wird sich Nicht« dagegen einwenden lasten, daß die betreffenden Erhebungen angestellt werden. Indeß, wenn dies aus Grund einer An regung deS Reichstags geschehen soll, so wird doch u erwägen sein, daß in der diesbezüglichen Rcso- ution eine auSgicbige Besteuerung des Tabaks nicht allein als die Vorbedingung der Steuerreform bezeichnet werden kann. Die nationalliberale Fraction hat über Ver besserungsanträge zu der Stellvertretungs vorlage berathen, die voraussichtlich für die zweite Lesung eingebracht werden sollen. Die Richtung geht, wie man hört, namentlich dabin, daß die Institution deS VicekanzlerS, welche der tz. l be stimmt. eine gewissermaßen mehr obligatorische, jedenfalls dauernde Form erhielte, also nicht nur in Fällen der Behindernr»g eintreten und mit der selben wieder verschwinden würde. Der Wunsch nach einer solchen dauernden Einrichtung war auch schon, wie erinnerlich, hervorgetreten, als die ur sprüngliche Vorlage an den BundeSrath gelangte. Von einigen Seiten soll gewünscht worden sein, im tz.2 die einzelnen AmtSzweigc für welche die Stellver tretung eintreten kann, näher zu präcisiren, oder unter Anerkennung, daß die Aufsicht-rechte nur von den, Kanzler und dem Vicekanzler wahrzunehmen seien, die Definition dieser Amtszweige in tz. 2 wcgzulafsen. Doch wurden gegen eine derartige Abänderung des tz. 2 auch Bedenken erhoben, mit dem HinwecS, daß die Motive zu dem Gesetzentwurf die nöthigen Anhaltspuncte darbieten. Der tz. 3, welcher dem Reichskanzler gewisse Geschäfte vorbe hält, wurde mehrsack alS cn seiner Fassung nicht glücklich und im Grunde überflüssig angesehen. Das Letztere war, wie es hieß, auch im BundeS rath von einigen Seiten ähnlich bemerkt worden. Schließlich wird an der Annahme des Gesetzentwurfs, aus dessen Verbesserung die National-Liberalen mög lichst hinwirken werden, nicht gezweifelt. Die zweite Lesung wird wahrscheinlich ebenfalls im Plenum stattsindcn. ES fehlt nicht an Finanzkünstlern (so schreibt man der „Franks. Ztg."), welche der Regierung auS der Verlegenheit helfen wollen und deshalb eine neue Art der Tabaksbesteuerung Vorschlägen. So lchlägt z. B. Jemand vor, man solle Alles beim Alten lasten und nur eine Raucher- besteuerung in der Weise einführen, daß Jeder, der raucht — und natürlich ancb schnupft und kaut — sich am Anfang des Jahres dazu für das lausende Jahr eine Erlaubnißkarte gegen Erlegung von 3 Mk. lösen soll. Rechnet man in Deutschland lv Millionen Raucher, so würden dadurch gerade die 30 Millionen, welche die Regierung verlangt, aufgebracht werden. Es müßte dann also jeder Raucher, so wie jetzt die Jäger ihre Jagdkarten, künftig seine Ranchkarte (!) bei sich führen, falls er sich nicht einer Bestrafung ivegen Steuerdefrauda tion aussetzen will, und da eS besonders in großen Städten mit vielen Polizeibeamten lästig werden könnte, alle paar Minuten nach der Rauchkarte gefragt zu werden, so würde es sich alS zweckmäßig empfehlen, dieselbe sichtbar am Hut oder vielleicht auch um den Hals zu tragen. Vielleicht sollen auch der Eontrole wegen die Cigarren- und Ta bakverkäufer darauf vereidigt werden, daß sie Nie mandem ihre Waare verkaufen, der sich nicht durch eine Steuerquitlung alS rauchberechtigt lcgitimirt! Eine neue Brochure gegen Bismarck ist in Berlin erschienen, die an die Debatte über die Stellvertretung deS Reichskanzlers anknüpft, vor züglich aber darauf berechnet ist, dem Fürsten Bcsmarck in der „liebenswürdigsten" Form einige Malicen zu sagen. Die Brochure führt den Titel: „Aus Anlaß einer Botschafter-Audienz. Das Stellvertretung-recht und die Zukunft Deutsch lands. Kritische Betrachtungen von P. S. Eudonym." Die Autorschaft des Herrn von Loü in Paris ist nach der Schreibweise kaum zu verkennen. Die Brochure geht von der Audienz auS, welche der neue französische Bot schafter, Graf St. Ballier, gelegentlich der Ueber- reichung seiner Creditive beim deutschen Kaiser ge habt hat, bei der er sagte, daß er Repräsentant sei „Frankreichs, das im Besitze einer republikani schen, parlamentarischen, conservativen und liberalen Verfassung sei". Der Verfasser wundert sich zwar darüber, daß der Botschafter die Gelegenheit benutzt habe, einen kleinen Discours über die französische Verfassung zu halten, aber er ergeht sich zu gleich in Eonjecturen, waS wohl die Botschafter anderer Länder bei einer solchen Gelegenheit sagen konnten. „Der englische Botschafter hätte nne leichte Aufgabe. Er könnte sagen: „England, eine neutrale Macht während des Krieges, furchtbar kriegerisch nach geschloffenem Frieden, im Besitze einer monarchischen und parlamentarischen Ver fassung. die den Frieden deS Hause- und die Frei heit des ärmsten Staatsbürgers sichert, während die Verfassung des Kaiserreichs nur die Freiheit Eines großen Herrn garantirt." Auch der öster reichische Botschafter könnte sich leicht auS der Verlegenheit ziehen: „Oesterreich, eine zweitbeUigc parlamentarische Monarchie, in solider Weise sich stützend auf seine geographische Nothwendigkeit." Dem russischen Gesandten würde seine Regierung die Sache erleichtern. Er würde sagen: „Da Rußland weiß, waS es will, so hat mein Kaiser mir untersagt, von seinen Wünschen zu reden." Unlösbar aber wäre die Schwierigkeit für einen Botschafter des Kaisers von Deutschland. Es würde ihm schwer sein, eine Definition der Reichsverfasiung zu geben, schwer wird er hinauskommen über die ersten Wörter: „Deutschland, im Besitze .... im Besitze — von was?" — Dann aber müßte er fortfahren: „im Besitze einer Verfassung, die weder monarchisch, noch parlamentarisch, weder conservativ, noch liberal, aber hervorragend diktatorisch ist, gegründet auf die Achtung, die man einem glorreichen und ehrwürdigen Herrscher schuldig ist, sich stützend auf einen legenden schreibenden Kanzler, der durch die Last der Jahre und seine Täuschungen erschöpft, und durch den ewigen Kampf gegen unaufhörliche, aber eingebildete Verschwörungen abgenützt ist." Zum Schluß werden gewisse Vorschläge zur Umgestaltung der Reichsverfassung gemacht und es heißt dann am Ende der gelammten Aus führungen wie folgt: „Man wird vielleicht die vor stehenden Ausführungen als einen Angriff auf den Reichskanzler deuten wollen. Nichts wäre falscher. WaS man auch gegen den Reichskanzler sagen und waS man auch gegen ihn auf dem Herzen haben möge — es wäre thöricht, kindisch und unpatrio tisch, sich von persönlichen Gefühlen zur Ver kennung der Thatsache verleiten zu lassen, daß ohne den Reichskanzler die Schöpfungen von 1866 und von 1871 an ihren eigenen Widersprüchen zu Grunde gegangen wären. Eine principielle, auf da« Interesse de- Reiche- gegründete Opposition «gen den -anzl«r würde erst dann berechtigt Mn, wenn es sich Herausstellen sollte, daß seine Person daS Hinderniß allgemein verständlicher und nicht von dem Befinden oder dem Leben eines Einzelnen abhängiger Institutionen ist." Das ist der „kleine Krieg", den fem Fürsten BiSmarck seine „intimen Feinde" von Paris und sonst woher machen. Nach amtlicher Feststellung sind bei der ander weiten Wahl eines ReichstaaSabgeordneten im 3. Kasseler Wahlkreise (Fritzlar, Homberg, Ziegenhayn) im Ganzen 5887 Stimmen abgegeben worden. Hiervon erhielt der bisherige ReickStagS- abgeordnete Geb Regierunasrath vr. Wehren- Pfennig (nat.-lib.) 4086, Landrath Weyrauch i« Kaffel (conserv.) 1145, Landrath v. Eschwege in Fritzlar 507 Stimmen. Der nationalliberale Can- didat ist sonach trotz seines Eintritts in die Re gierung mit großer Mehrheit wiedcrgewählt. Der jetzt in Berlin weilende Kronprinz Rudolf von Oesterreich fuhr am Sonntag Nachmittag, nachdem derselbe zuvor den hohen Herrschaften
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