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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187803194
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780319
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780319
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1878
-
Monat
1878-03
- Tag 1878-03-19
-
Monat
1878-03
-
Jahr
1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1878
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Erscheint täglich früh 6»/, Uhr. Netactto» aut Lepebttto« Johannisgaffr SS. D»rrchß»»Ir» Irr Lrtacü«»: Vormittags tü—12 Uhr. Nachmittags 4—S Uhr. Annahme der für die »ilchft- slamdk Nummer besttmmten Zmrrate an Wochentagen bis 3 uhr Nachmittags, an Ssn»- und Festtagm früh bis '/,d Uhr. Io tr» Bllatr« für Z«s. Xooahmr: Otto Klemm, UniverfttLtsstr. 22, Lout« Lösche, Latharinrnstr. 18, p> um bis '/.3 Uhr. WpMtrLagMM Anzeiger. Organ fir PMk, Localgeschichte, Handels- md Geschästsvcrkchr. IS.«»«. Lbo»»e»e»t»»rrt« viertelt. 4'/, Vtt, incl. Brmgeriodn 5 Ack, durch di« Post bezogen 6 Mt. Jede einzeln« dtummer 25 Ps. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage» ohne Postbefvrdernng se SV. Mit Postbefvrdernng 45 SN. Inserate bgesp- Petitzeile 20 Pf. Gröbere Schriften laut nuferem Preisverzeichnis—Tabellarischer Satz nach höherem Tarif. vtlia«eu unter dem ürdactt«a»ßrtch die Spaltzeile 40 Pf. Inserate sind stet« an d. SkPedttia» zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr»«uaw«»vä» oder dunch Postvorschuß. ^ 78. DievStag dm 19. März 1878. 72. Jahrgang. Bekanntmachung. An unserer Nealfchnle II. Ordunng find zu Ostern d. I. drei ganze Freistellen, welche auch in sechs halbe zerlegt werden können, neu zu besehen. Diese Freistellen können nur an vorzüglich befähigte Kinder hiesiger unbemittelter Einwohner und unter der Bedingung vergeben werden, daß sich die Eltern oder Vormünder derselben verpflichten, ihre Kinder oder Mündel die Schule bis an das Ende des Cursus besuchen zu lassen. Die Bewerbungsgesuche um die oben gedachten Freistellen sind bis zum S. April d. A. bei unS einzureichen und werden Formulare zu den beizubringenden Schulzeugnissen auf unserer Schul expedition. Rathhaus, 3. Etage, Zimmer Nr. 8 unentgeltlich ausgegeben. Leipzig, den Ik. Mär, 1878. Der «ath Per Stabt Leipzig. Dr Georgi. Wilisch, Ref. 8it2unF des arxtlicrken IZe/irksvvreins äer 8trult I^ipniK Dienstag <len 19. Ilürr Abends 6 6kr im 8»ale «ier krsten Dürgersckule. laxvaoränuux: I) Deriekt äes 8tsn<ie8su88etni88e8 über «eine 8teIIung in arrtlieben kkrengerickt88»eben (Des. De. k. ^ Sei88ner). — 2) Derickt »Ie88e>ben Tu88cku8«e8, ?en8ion8c«88en detr. (Del. Dr. Ilenrici). — 3) Deriekt üe« 8»nit.-Xu88cku88e8, Deickell»c1,«uge8etr detr. Ilr. k1»8X. Taaesgeschichtliche Uebersicht. Leipzig. 18. März. Zwischen dem Reichskanzler und dem Grasen Otto Stollberg-Wernigerode finden unaus gesetzt Berathungen statt. Man will wissen, daß der Reichskanzler nach der Publication des Stell vertretungsgesetzes mit einem kait aecompli vor den Reichstag zu treten gedenkt, vor welchem Herr Camphausen wohl schwerlich mehr erscheinen werde. In Beantwortung der Anfrage des Reichs kanzlers, wie die Regierungen sich zu der Frage d«S TabakSmonopol« stellen würden, hat sich nach dem „Dtsch. MtgSbl." die Mehrzahl der größeren Bundesregierungen, namentlich Bayern, Sachsen und Baden gegen die Einführung des Monopols ausgesprochen und die eingehende Erörterung der Frage als nothwendig bezeichnet, ob die Fabrik« tst euer in Deutschland eingeführt werden könne. In Folge dessen habe daS preu ßische Staatsministerium beschlossen, die in Aussicht genommene Enquete auch auf die Fabrikatsteuer auSzudehnen, während nach der ursprünglichen Absicht der preußischen Regierung der Gesetzentwurf, betreffend die statistische Erhebung über die deutsche Tabaksindustrie, die Einführung des Monopols vvvhereiten sollte. Der Finanzminister Camphausen habe sich außer Stande erklärt, die so in ihrem Zielpun-te veränderte Vorlage vor dem Reichstage zu vertreten und dicserhalb auf der sofortigen Ge nehmigung seines EntlassunaSgesuchs bestanden. — Der augenblicklichen Anwesenheit des bayerischen FinanzratheS Mayer, des bekannten Verfechters deS Tabaksmonopols, in Berlin schreibt man in Reichstagskreisen eine gewisse Bedeutung zu und meint, daß dieser Staatswirthschafter möglicher- iveise von Reichs wegen zur Bearbeitung der Tabakssteuervorlage rc. zugezogen werden dürfte. Nach der „Tribüne" verhält es sich mit der beabsichtigten TabakSsteuer-Enquöte folgender maßen : Cs handelt sich nicht einfach, wie officiöS geschrieben worden, um die „Ermächtigung" des Reichstags zur Anstellung von Ermittelungen in jener Richtung, sondern es handelt sich um die Bewilligung eines namhaften Credits zu diesem Zwecke, wie es heißt, in Höhe von 200,000 Nach der „Nat. Ztg." sind es vornehmlich zwei Puncte, welche einer näheren Aufklärung bedürfen: einmal die Feststellung des gegenwärtigen Zu standes der .deutschen TavakSindustrie durch eingehende statistische Erhebungen, insbesondere auch Über den Kleinbetrieb und die Hausindustrie, zweitens die Sammlung umfassenden und zuver lässigen Materials über die Details der Hand habung und die Ergebnisse der Fabrikaisteuer in ven Vereinigten Staaten. Wenn der angekündigte Gesetzentwurf in den Reichstag gelangt, wird dieser wohl auch nähere Aufklärungen darüber erhalten, worauf die beabsichtigten Amittelungen gerichtet und in welcher Weise sie au-geführt werden sollen. Eine Zusammensetzung aus entschiedenen und aus gesprochenen Vertretern der „Monopol-Idee" würde den Auffassungen der großen Mehrheit deS Reichs- tags wohl wenig entsprechen. Nach einer der „Nat.-Ztg." zugehenden Mit theilung hat der Papst dem deutschen Kaiser in einem Antrittsschreiben von seiner Besteigung de- päpstlichen Stuhle- Mittheilung gemacht. Auch der „Köln. Ztg." meldet man aus Berlin, daß Papst Leo XNI. em freundliche- Schreiben an den deutschen Kaiser gerichtet habe; so werde wenig sten« von Personen erzählt, die im Palais verkehren. SS wehe sichtbar eine milder« Lust über die Alpen her, und man habe die Bemerkung gemacht, daß die ultramontane Presse bereit« anfange, den Mund nicht mehr so voll zu nehmen zu« Preise von Pio Nono, unter dessen schwacher Regierung die Ie- suitenpartei das Heft in Händen hatte. — Und au- Rom meldet man der „Köln. Ztg.": Die ver söhnlichen Absichten der Curie Deutschland gegen über bestehen unverändert fort. Bezüglich dcrAn- l Meldung der Thronbesteigung des Papste- m Berlin Ikann ich alS durchaus gewiß melden, daß ein Brief zde« Papste- an den deutschen Kaiser dem Wiener itius zugeschickt wurde. Ob, wann und wie Letzterer denselben weiterbefördert, ist mir noch un bekannt. Man glaubt hier, der Reichskanzler halte den Kaiser ab, zu antworten; doch scheint mir dies durchaus unw»hrscheinlich. Ueber das Auftreten der „sta atssocialisti- schen" Pastoren und Professoren veröffentlicht Irosessor Boretius in Halle soeben in den „ Deutsch- cvangelischen Blättern" eine Kritik, die zu dem Besten gehört, waS auf diesem Gebiet bisher er schienen' ist. Boretius citirt aus dem „Staats socialist" den Satz: „Es ist eine Thalsacke, daß die ökonomischen Grundlagen der heutigen Gesell schaft von der Wissenschaft alS schlecht, reform bedürftig verworfen werden." Dazu bemerkt er: „Nein, das ist keine Thatsache, sondern eine un wahre Behauptung. Richtig ist nur, daß die wirth- sckastlichen Zustände heute ebenso wie zu allen Zeiten früher ihre Schwächen und ungesunden Auswüchse haben und »«besserungsfähig sind, und richtig ist ebenso, daß eine Anzahl Schriftsteller und Professoren der Nationalökonomie, dieser verhältnißmäßig jungen, erfahrungsarmen und der historischen Perspective noch all zu sehr entbehrenden Wissenschaft, unsere wirthschafmcken Verhältnisse für grundschlecht er klären und von Grund aus umgekehrt wissen wollen, zum Theil, weil sie als schiffbrüchig ge wordene Politiker, nervös überreizte Stubenge lehrte, eitle Wicktigthuer und trotz guten Ein kommens Nimmersatt nach Zulage rufende Beamte der Unbefangenheit in Beurthcilung der Verhältnisse entbehren. Aber richtig ist ebenso, daß diese Schrift steller und Professoren, so weit sie überhaupt alS Ver treter der „Wissenschaft" in Betracht kommen können, noch zu zählen sind und die übergroße Mehrzahl wissenschaftlich denkender Männer die Grundlagen unseres wirthschaftlichen Lebens nicht einfach als schleckt der Menge hinstellt, Privateigenthum, Ver tragsfreiheit und Erbrecht nickt „verwirft". Und es ist nicht minder richtig, daß. wie viel auch heute noch Elend im Lande ist, zu keiner Zeit die ökonomische Lage des deutschen Volkes im Durchschnitt besser war als sie heute ist, daß, was in einseitiger ttebertreibung oft hervorgehoben wird, die großen Vermögen aller dings gegen früher zugenommen haben, aber die kleinen und mittleren in noch viel höherem Maße und zahlreicher geworden sind, daß das Handwerk noch immer goldenen Boden hat, wenn es mit Fleiß und Verstand betrieben wird, daß unser Gesinde mit mehr Rücksicht auf sein Wohlbefinden behandelt wird als früher, daß unsere niederen Clasien gesunder leben, sich besser nähren, ja selbst am Luxus der Zeit größeren Antheil haben als je zuvor, daß Hunger und ansteckende Krankheit heute entfernt nicht so gefährlich drohen, als in allen früheren Zeiten unserer deutschen Geschickte, wo sie oft genug buchstäblich die Todfeinde der niederen Clasien waren. Die Redensart „die Großen verschlucken die Kleinen", welche im „Staatssocialiften" als Signatur unserer Zeit ausgegeben wird, ist noch niemals statistisch belegt worden und wird nie belegt werden können. Das Donnern gegen den CapitaliSmus, sofern dieser als eine ganz eigenthümliche modernste Zeiterscheinung ausgcgeben wird, mag dem großen laufen gegenüber höchst dankbar sein; wer selbst- tändiger denkt und etwas Geschickte kennt, wird es leicht abgeschmackt finden. Schon bald nach der Erfindung der Buchdruckerkunst un Jahre 1K3I hat Ulrich von Hutten in seinem Gespräche über die „prst-änoes" viel amüsanter gegen den CapitaliSmus der Geldsäcke und Pfeffersäcke, der Kausleute und Bankiers gedonnert, als sämmtlicbe Mitarbeiter und Gesinnungsgenossen des „Staatssocialiften" zusammen- genommen, die bei ihrem volksfreundlicben Eiter und ihren Versprechungen besserer Zeit dessen zugleich ein gedenk bleiben sollten, „daß überall die Menschen sich gequält, und hier und da ein Glücklicher gewesen." Nach dem „Dtsch. MtgSbl" ist oie Zuversicht auf die Erhaltung de« europäischen Frieden« in den entscheidendsten Kreisen so groß, daß schon jetzt Vorbereitungen getroffen werden, die den Besuch Kaiser Alexander'« zum Curgebrauch in Ems für die* Jahr außer allen Zweifel stellen. Die Zeit dieser Cur sei so bestimmt worden, daß der Ezar wieder zum Theil wenigstens mit unserm Kaiser gleichzeitig in Ems verweilen werde. Von Wien an- verlautet, daß die Schwierig keiten betreff- des Zustandekommens de- Con- aresse« dahin geschlichtet wären, daß durch eine Vorverhandlung entschieden werden solle, wieviel von dem Frieden-Verträge dem Congresse vorzu legen sei. Die hochofficivse Wiener „Montaasrevue" hält da- Zustandekommen des Congresse- nnnmehr für gesickert, bin Berliner Telegramm desselben Blattes bezeichnet den 31. März oder 1. April, den Geburtstag Bismarck'«, als Tag deS Zu sammentritt-. Die „MoutagSrevne" bezeichnet ferner die Nach richten über eine Mission des Prinzen Alexander von Hessen und des Prinzen Peter von Olden burg an den Wiener Hof als müßige Combinationen und weist ferner darauf hin, dah die von Eng land erhobenen formalen Schwierigkeiten durch die bevorstehende Publication de- Friedensvertrages als beseitigt zu betrachten seien. Ein Berliner Telegramm der „Pall Mall Ga zette" meldet über den Congreß: Die Mächte vereickneten je'zwei Bevollmächtigte für den Congreß, und zwar Deutschland den Fürsten Bismarck und, falls dieser behindert sein sollte, v. Bülow und den LegationSrath Busch; Oesterreich den Grafen Andrassy und Freiherrn v. Calice; Rußland den Fürsten Gortschakoss und, falls dieser behindert, den General Ignatieff und den Fürsten Laoauow- Nostowski, den früheren Gesandten in Konstanti nopel; Frankreich den Minister Waddington und den Grafen Saint-Ballier; England Lord Lyons und Lord Odo Russell; die Türkei Savfet Pascha und Sadullah Bey; Italien vor der Minister krisis DepretiS und de Launay. Pariser Nachrichten zufolge verweigert Rußland die Zulassung Griechenlands zum Congresse und will ihm höchstens eine berathende Stimme zuaestehen. Die republikanischen Kreise (nament lich die „Röpublique fran^aise") verfechten die Be theiligung Griechenland-, mit Hinweis auf die wichtige Rolle, welche dieses im Orient zu spielen berufen ist. Die „Agcnce Russe" erklärt die Nachricht, daß Rußland Lege» die Vertretung Grieche«la»ps auf dem Congresse Widerspruch erhoben habe, für unrichtig und bestätigt, daß, da der Congreß nur aus Vertretern der Großmächte bestehen könne, die Staaten zweiten RangeS und die sonst Interesfirten nur in Betreff der sie angehenden Fragen durch Delegirte vertreten werden dürfen. Die Ratificationsurkunden de- russisch-türki schen Frieden-Vertrag- sind am Sonntag in Petersburg ausgewechselt worden; die Publica tion des Vertrag- wird erfolgen, sobald derselbe den Großmächten mitgetheilt worden ist. Reouf Pascha trat sofort die Rückreise nach Konstantinopel an. Für die allmälige Rückkehr der russischen Ar mee in der Türkei sind bereits die erforderlichen Vorbereitungen getroffen. Die Garde setzt sich zuerst in Bewegung und wird einige Zeit in der Nähe von Kiew Ruhequartiere beziehen. Aus Bukarest. 16. März, wird berichtet: In den Kammern ist ein Gesetzentwurf über die Bildung eines neuen Ministeriums eingebracht, dessen Ressort die Verwaltung der Staatsdomainen und der Landwirtschaft sein soll. DaS Ministerium der öffentlichen Arbeiten soll in ein Mnisterium für Straßen und Communicationen umgewandelt werden und die Leitung des Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesens übernehmen. Die Deputirten und Senatoren haben gestern eine außerparlamen tarische Sitzung abaehalten, in welcher die Regie rung die Schwierigkeiten der Lage Rumäniens im Falte eines europäischen Krieges auSeiuandersetzte. Dem „Reuter'schcn Bureau" wird aus Kon- stantinopel telegrapbirt, eS feien in Folge der neuerdings dort herrschenden Gährung und in Folge der stattgehabten Verbreitung aufrührerischer Placate militairifche Vorkehrungen, insbesondere Patrouillengänge bei Tag und bei Nacht ange ordnet. Man erwartet die Ankunft der Truppen, die in Schumla und Varna standen, sowie von 16,000 Egyptern. , Aus Konstantinopel vom 8. dS. Mts. wird der „Post" geschrieben: Man wird sich erinnern, daß im September v. I. mehrere Teilnehmer am Consularmorde in Salonichi von den tür kischen Behörden freigelassen worden waren. Die Pforte gab damals aus die Vorstellungen des deut schen Botschafter- die bündigsten Versicherungen ab, daß sie allezeit bemüht sei, ihre eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen und entschuldigte die momentane Außerhastlassung dreier Verurtheilter mit der nothwendig gewordenen UebersUhrung der in Widdin Internirten nach einem vom Kriegs schauplätze mehr entlegenen Orte. Wie jetzt aus Salonichi zuverlässig gemeldet wird, befindet sich trotz jener feierlichen, amtlich abgegebenen Erklä rungen der Pforte einer der am Morde Bethei ligten. Mehmed Cavaß, in Salonichi auf freiem Fuß; ein Beweis, wie wenig auf die Zusicherungen der türkischen Regierung und d»e türkische Rechts pflege zu geben ist. Die Telegramme über neuerdings in Syrien, namentlich in den Städten Konia und Smvrua vorgekommenen Unruhen werden von türkischer Seite als vollkommen unbegründet erklärt. Der frühere Präsident der Bereinigte« Staaten, General Grant, hat sich von Athen nach Neapel begeben. Dem Minister der auswärtigen Ange legenheiten, Delyannis, gegenüber bemerkte der General, er werde stets eine hohe Achtung für das griechische Volk und seinen König bewahren. Er sei mehr alS jemals davon überzeugt, daß Griechen land eine hervorragende Stellung unter den Na tionen einnehmen könne. Die Fraueuemancipati-n urr- die Socialdemokratie. 8.-6. „Die Emancipation des weiblichen Ge schlechts, ein Hauptbestandtheil der socialen Frage", so lautete die Tagesordnung einer „Großen Volks versammlung" in Dresden, zu der besonder- auch die Frauen einaeladen waren. Letztere hatten denn auch den Saal gehörig mit füllen helfen, vorher auch einen Hauptzweck nicht vergessen: de« Tellergroschen, die Beisteuerung zur Unterhaltung der agitatorischen „Genossen", zu opfern. Eine Anzahl solcher Arbeiterfrauen saß vor mir, um einen größeren Tisch placirt. Sie schienen jedoch einer Emancipation durchaus nicht bedürftig zu sein, da sie einestheilS durch Lachen und Allotria- treibcn ihre vollständige Gedankenabwesenbeit, also Gleichgültigkeit gegen den Vortrag bewiesen, an- derntheil« aber durch fleißiges Biertrinken, Brezel essen rc. nach Kräften ihre Langeiveile zu ver treiben suchten. Der Vortrag selbst, welcher mit allgemeine« geschichtlichen Bemerkungen eingeleitet wurde, ging sehr bald ins rein socialistische Fahrwasser über. Es würde zu weit führen, die bekannten Umsturz theorien, die selbstverständlich jedem Thema ange paßt werden, in ihrer Anwendung auf die Frauen- srage zu beleuchten. Nur darauf sei hingewiesen, daß auch hier, nachdem das gewöhnliche dürftige Material der Herren „Redner" in allen Schat- ^ tirungen erschöpft war, besonders die Religion herhalten mußte. Die Religion habe schon die Gesetze des Alter- thum« zu „göttlichen Bestimmungen" gestempelt, um die Ehe als eine göttliche, die Unterdrückung der Frau alS eine gerechtfertigte hinzustellen. Sage doch Paulus frei herauS: die Frau soll dem Mann unterthan, er soll ihr Herr sein. Pfaffen und Jesuiten hätten recht gut gewußt, daß da- empfind same Gemüth der Frau ihrer Einwirkung besser zugänglich sei, als das deS Mannes, und hätten dem entsprechend ihre religiösen Festsetzungen ge troffen. Durch diese Verdrängung veS natürlichen Rechte- durch erworbene Rechte sei schon von vornherein daS Recht der Frau unterdrückt worden. Man solle nicht etwa glauben, daß in unserem Jahrhundert, welches alS das aufgeklärteste und irrthumfreicste gilt, die Sache anders sei. Reicke die Religion nicht mehr aus, die Knechtung^ Unter drückung und Rechtsverminderung der Fra« zu bewirken, so suche man auf anderen Gebieten trif tige Gründe hierfür zu finden. Man habe jetzt wissenschaftlich herausgeklügelt, daß die Stellung der Frau eine inferiore, dem Manne untergeord nete sein müsse; die Frau sei mehr den GemüthS- regungen unterworfen und könne mit der ver- standeSmäßigen Stellung deS ManneS keine Gleich berechtigung verlangen. Nachdem Redner hierauf die Aufstellung der sogenannten Wissenschaft als eine verrückte bezeichnet hatte, führte er als Beweis dieser Behauptung an, daß die Wissen schaft lehre: eine Frau könne schon deShalo mit dem Manne keine Gleichberechtigung haben, weil der ersteren Gehirn kleiner sei, als das des letzteren. Wenn dieses wahr sei, dann müsse ja ein Ochse noch viel gescheuter sein, weil er ein weit größere- Gehirn habe (stürmisches Bravo, specicll von den Frauen, denen diese Logik bedeutend ein zuleuchten schien). Die heutige Frau sei eben keine natürliche, sondern ein Product der kranken Ge sellschaft. — Redner malte hieraus den Zustand der „freien Liebe" alS da- einzig Menschenwürdige aus und suchte etwaige Zweifel durch Vorführung der Schattenseiten der heutigen Ehe zu verscheuchen. Er rief auch die Statistik zu Hülse, indem er be hauptete, daß heutzutage auf je 10 Ehe« 9 kämen, die auS Geld- und sonstigen Gründen, nur nicht au- Liebe und Zuneigung geschlossen würden. Die zuhörenden Krauen mochten sich Über die Ansichten der freien Liebe eben etwa- beruhigt haben, als ihnen eine neue Wahrheit gepredigt wurde, die noch weniger alS die vorgenannte bei ihnen Anklcmg zu finden schien. Weil ver Arbeiter sich in einer unterdrückten Lage befinde — meinte Redner —, weil er tagtäglich geknechtet, gedrückt, geärgert würde, müsse er Jemanden haben, an dem auch er seinen Unmuth, Zorn', Aeraer auSlassen könne, und dieser Jen,and sei — seine Frau!! Al- etwa-Natürliches, Selbstverständliches wird also die Rohheit gepredigt von der segenbringenden Zu- kunstSpartei! Schließlich — und da^> war de- Pudels Kern — wurde den Frauen außer der passiven noch eine active Rolle zngedacht: sie sollten nicht nur mit Anstrengung aller Kräfte für die Weitcrverbreitnng und Einwurzelung der socialistischen Lehren agit,« ren, nein, sie sollten auch solchen Männer«, dz^rj lckwcick —--
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