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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1877
- Erscheinungsdatum
- 1877-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187704044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18770404
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18770404
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1877
-
Monat
1877-04
- Tag 1877-04-04
-
Monat
1877-04
-
Jahr
1877
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1877
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Schaar' der Angehörigen de- deutschen Heere-, I welche )u Zeugen des großen Tage- berufen waren, »st in gelösten Reihen vo« Altar her dem kaiserlichen Zuge uachgestrvmt und hat vor den Stufen ihren Platz genommen. Der Kaiser hat seine Ansprache gehalten und seinen Entschluß ausgesprochen, der Aufforderung der deutsche« Fürsten entsprechend, mit Wieder herstellung d^t deutschen Reiches die deutsche Kaiserwürde für sich und seine Nachfolger an der Krone Preußens zu übernehmen. Nunmehr ist die Aufrichtung des deutschen Reiche* verkündet, uud der erste, welcher den deutschen Kaiser begrüßt, der zu« ersten Male wieder das seit fast ernem Jahrhundert verklungene Wort laut Hinausrust, war der Großherzog von Baden, der das Hoch auf den Kaiser Wilhelm aus- briugt. Und mächtig lodert die Flamme der Begeiste rung empor, die, lange zurückgehalten von dem feier lichen Ernst der Verhandlung, sich stürmisch Aller bemächtigt. Von »I den Helden, die hier im Saale versammelt stud, wie von Denen, die draußen auf den Sängen stehen, braust es tausend stimmig durch die Säle Ludwig'- XlV und pflanzt sich fort wie eine Lawine durch die Hallen und Treppen des »eiten Schlöffe-, hinunter zu den Regimentern, die in Parade aufgestellt fiud — und während oben die letzten Tonwellen in den breiten Gewölben »erhallen, klingt e* von unten durch die Fenster wieder heraus, immer weiter und weiter durch die von deutschen Truppen ge füllte Residenz der französischen Könige fortrollend. Dies ist der Augenblick, den der darstellende Künstler ergriffen hat; der Augenblick aufflam mender Begeisterung, als sich Herren und Häude erheben, den Kaiser ru begrüßen, der die Träume unserer Jugend zur Wirklichkeit erhoben und dem deutschen Reiche seine Einheit und Würde wieder gegeben. WaS wir an dem mächtigen Werke Anton v. Werner'- vor Allem bewundern, ist die Ruhe, die historische Sicherheit, die bi- zu einem ge wissen Trade nüchterne Objektivität, mit welcher er diesen Vorgang in seiner ganz besonderen Er scheinung erfaßt hat. E- wäre so verführerisch gewesen, au- dieser Menge prächtiger, farbenreich gekleideter Gestalten, deren bunte Uniformen und blanke Waffenstücke ein reiche- Material boten, malerisch ausgebaute Gruppen zu compouiren, durch jene bekannte, etwa- willkürliche Verlbeiluug von Licht- und Scbattenmaffen gewiffe Mittel punkte der Composilion herauszuarbeiten und somit jene prachtvoll dekorativen Wirkungen zu erzielen, die wir bei Werken der Benetianer oder der Niederländer in den Gastmahlen, Schützen- au-zügen und Aehnlichem bewundern. Aber hier war die Aufgabe eine andere. Jener geschichtliche Moment konnte da- Recht beanspruchen, in seiner Wirklichkeit gemalt zu werden, gleichsam alS ein Dokument dessen, WaS geschehen. Werner hat seiue deutschen Soldaten uud seine deutschen Fürsten nicht zu Figuranten einer leiden schaftlichen Composition gemacht, sondern er hat sie dargestellt leibhaftig, wie sie sind und wie sie sich führen, voll mächtiger Ergriffenheit, aber doch gemessen in ihrer Bewegung, selbst in dem Augenblick, da sie die Helme hochschwenke», den Kaiser zu begrüßen, in dem Bewußtsein und in der natürlichen Gewöhnung des Solvatenthums in strammer Haltung, erfüllt von dem Ernst jener kriegerischen Tage. Aber eS ist nicht die Absicht und Berechnung de- Künstler-, welche diese Ver sammlung von Männern so gestaltet, wie sie vor un- steht. Da- kann kein Mensch erfinden, da muß da- Auge de- Künstler- erschaut und nach ernsthaftem Erfassen wiedergeaeben haben. Die- Bild ist ein Zeugniß von der Würde de- deutschen Heeres, wie eS mcht größer und vollwichtiger gedacht werben kann. Wer auch nur einmal in seinem Leben ein Bild, sei e- auch nur ein Portrait, hat entstehen sehen, der mag sich eine Vorstellung davon machen, waS eS heißt, 200 Figuren, und darunter über 1KO Portrait-, mit dieser Strenge und Gewissenhaftig keit ausführen, dazu 39 Fahnen, an denen jedes Band, jeder silberne Nagel seine bestimmte Stelle, seine Geschichte hat. Die technische Leistung an sich ist ftaunen-werth. Trotz des GewühleS von Figuren ist jede einzelne mit so vollständiger Richtigkeit in der Perspective und m der Verkürzung jede- Theiles durchgeführt, daß da- Ganze eine wunderbare Lebendigkeit er hält. Jede Figur scheint sich loszulösen und in Bewegung zu gerathen. Wenn da- Bild auf dem Fußboden steht und vor ihm eine Versammlung sich bewegt, wird die Täuschung fast eine voll kommene, die Versammlung scheint sich tief in den Hintergrund des Bilde- hmein fortzusetzen. Aber vor Allem staunen-wcrth ist e-, daß es dem Maler trotz dieser Gebundenheit im Detail so vollauf gelungrn ist, dem Bilde eine würdige malerische Gesammthaltung zu wahren. Die deutsche Kunst hat sich m diesem Werke der größten Aufgabe würdig gezeigt, welche die »euere deutsche Geschichte ihr zu stellen hatte, und wir dürfen diese- Werk ebenso alS eine Errungen schaft der historischen Kunst begrüßen, wie wir es als ein Dokument dieses großen Tages hoch- fchätzen. Die Photographie de- Werke-, im größten Maßstabe ausgeführt, ist vorzüglich gelungen und wird die Verbreitung de- Bilde- nach allen Rich tungen hin wirksam fördern. Gelteralversammluny -es Museums str Völkerkunde. Die die-iäbr<ge Generalversammlung des „Mu seum * für Völkerkunde", welche am29 März im Saale der Ersten Bürgerschule obgebalten wurde, fand wie die früheren eine sehr schnelle Erledigung. Die verhältnißmäßig zahlreich besuchte Sitzung wurde vom Vorsitzenden des Aufsichtsrathes, Herr» Geheimen Hofrath Professor vr. Br uh ns. eröffnet, welcher zunächst in Kürze emen Ueberblick über die Ereignisse de- vergangenen Irhres 1876 gab, dem er den Bericht llver die Eafsenverhält- visse folgen ließ Herr Stadtrath Fleischhauer als gewählter Eaffenrrvisor theilte darauf mit, daß die Jahres rechnung von ihm und Herrn Gustav Meher geprüft und vollständig in Ordnung befunden worden sei, worauf der Cassirer ohne jegliche Debatte von der Versammlung entlastet wurde. Hierauf fand die Wahl von vier Aussicht-- rathSmitgliedern statt an Stelle der statutenmäßig ausfcheideuden Herren Kaufmann Teorg Lampe- Bender, Professor vr. Georg Eber-, Kauf mann Gustav Meyer *nd Rechtsanwalt vr. zur. Täschner. Das Resultat der Abstimmung ergab die Wiederwahl der Herren Georg Lampe- Bender und vr. Täschner, während die Herren Legationsrath Keil und vr. Richard Andree neu gewählt wurden. ES fand nunmehr noch die Vorlage de- nächst jährigen HauShaltplane* statt, welcher gleichfalls ohne jegliche Debatte von der Versammlung ge nehmigt wurde, woraus die Generalversammlung, die vierte seit dem Bestehen de- „Museums für Völkerkunde", von dem Vorsitzenden, Herrn Geh. Hofrath Professor vr. BruhnS, geschloffen wurde. Seueralvrrsammluny des Vereins für Volksk'nderyarten. Die am 31. v M im Verein-Hause, Brau straße 12, durch den Vorsitzenden deS Verein-, Herrn Consul Beckmann, abgehaltene General versammlung galt für die zwei Jahre 1875 und 1876. ES wurde zunächst die finanzielle Aufgabe behandelt und e- ergab sich d«dei au- dem von Herrn v. Bi hl erstatteten Bericht, daß während der letzten Jahre die Mitgliederbeiträge trotz der ungünstigen Geschäft-Verhältnisse nur eine sehr geringe Verminderung erlitten haben. Dagegen sind die außerordentlichen Geschenke in höchst er freulicher Weise gestiegen; eS bestanden dieselben grvßtentheilS in Antheilschuldscheinen bez. de- Verein-Haufe-, welche einzelne Verein-Mitglieder dem Verein überlassen hauen. Der Herr Vor sitzende sprach den gütigen Gebern im Name« der Anwesenden ur.o de- Verein- den herzlichsten Dank auS. -i Es erfolgte hierauf dnrch Herrn vr Scb u*,? ^ der Bericht der pädagogischen Sektion de« Verein«. Die Zahl der Zöglinge ist die von Aubeginn in- Auge gefaßte von 120 geblieben, da die Räume eben nicht mehr zu fassen vermögen; die Zahl der angemeldeten Kinder beträgt aber jede Ostern das Drei- b,S Vierfache der leerwerdenden Plätze nud während die große Anzahl der Anmeldunge« die All-wahl der Bedürftigsten nicht wenig er schwert, so beweist sie doch am besten, wie sehr die Eltern, für deren Kinder der Volkskiudergarten de- Vereins ausschließlich gegründet worden, denselben zu schätzen wissen. Im Allgemeinen sind die Kiuder von Krank heiten wenig heimgesucht gewesen; nur in letzter Zeit traten die Masern häufig auf, doch ging diese Calamität rasch genug vorüber, um nicht weitere Maßregeln nöthig zu machen. — ES haben während der letzten zwei Jahre drei Schülerinnen ihre praktische Ausbildung zu Kindergärtnerinnen im Institut de« Verein« ge- fuudeu; zu der bei der Anstalt ihre Lehrzeit noch beendenden tritt zu Ostern eiue neue. Der Vorsitzende bemerkte hierauf, daß der Vor stand bereit- seit mehr als Jahresfrist sich mit der Frage der Errichtung eine- zweiten Volks- kindergarlens beschäftigt habe, daß auch vom Rath für den Fall, daß eine solche Errichtung thunlichst bald vor sich gehe und dabei die vom Verein scho» längst als geeignetster Wirkung-Platz bezeichnete Nähe der Ulrichsgasse berücksichtigt werde, eine Beihülfc von 600 ^tk rugesichert worden. Die Schwierigkeit aber, in diesem Stadttheile geeignete, mit einem Garten verbundene Räumlichkeiten zu miethen, sind bisher trotz vielfacher Bemühungen nicht zu überwinden gewesen. Herr Baumeister Uhlmann, der Vorsitzende der Localsection, ist daher mit mehreren Anderen der Meinung, daS Bestes«, einen Bauplatz nebst Garten im Johannis thals dem Rathe abrukaufen und ein entsprechen de- Gebäude aufzuführen, zumal da man an dem Verein-Hause in der Braustraße so gute Er fahrung gemacht habe» ES wurde zu weiterer Betreibung dieser Sache da- bereit- bestehende Comils ersucht, die erforder lichen Unterlagen zu beschaffen, worüber eine ge legentlich einzuberufende Generalversammlung ent scheiden soll. Der stellvertretende Vorsitzeude, Herr Schul- dircctor Krauß, berichtet ferner, daß die Bildung des Frauencomits des Verein- in nächster Zen vollendet sein und diese- seine Wirksamkeit für die verein-zwecke beginnen werde. Schließlich wurden die Dahlen vorgenommen, und zwar wurde« die der Reih« nach au- dem Vorstand auSscheidenden Herren A. F. Dürbig, Direktor Krauß, Professor vr. Mayer, Dir. vr. Odermann, Dir. Schöne, Dir. Thomas sämmtlich wieder gewählt, während für Herrn Professor vr. Thomas, der Leipzig »erlassen, eiue andere ärztliche Kraft zugeführt werden soll. Zur Ergänzung der in der pädagogischen Sektion de« Vereins entstandenen Lücken wurden gewählt die Herren Lehrer Bölitz, Hartung und Schob. Aus Stadt und Land. —r. Letpff-, 3 April Seiner Gewohnheit getreu hat der Reichstag auch »euerding« die Eingabe einesehrmaligen Soldaten, welcher glaubt, daß erst in späteren Jahren hervorge- tretenes Siechthum eine Folge der Strapazen tm deutsch-französischen Feldzuge sei, und für diese > giebt. er gleichzeitig auch seinen Willen ausspricht, Behauptung einige- BewnSmatenal beigebracht hat, an die Reicksregierung zur nochmaligen Prüfung und eventuellen Berücksichtigung überwiesen. Die betreffende Petition gab m der Sitzung am 23. März zu einer längeren Debatte Anlaß. Von einer Seite wurde darauf aufmerksam ge macht, daß man das Wesen der erlassenen Gesetze schädige, wenn der Reichstag den aussührenden Behörden die Befugniß ausdränge, gegen das Ge- fetz Gnadengaben zu »erlheilen, für diese Gnaden gaben sei die Kaiser-Wllhelm-Stiftung für deutsche Invaliden vorhanden, indessen die Darlegungen von anderer Seite, welche darauf fußten, daß man in besonderen Fällen nicht absolut nach dem Worte de- Gesetzes entscheiden, sondern Gnade für Recht ergehen lassen solle und insbesondere in Fällen, wo eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben sei, daß die Veranlassung de- Leiden- in den Stra paze» während de- Feldzuge- liege, fanden be- merkenswerthe Berücksichtigung und e- wurde ein deni Petenten günstiger Beschluß gefaßt. — r. Lehmig, 3. April. Wir haben schon mehr fach darauf Hinweisen können, daß die Gemeinde lasten in unserer Stadt, so rapid sie auch in den letzten Jahrzehnten gestiegen sind, noch lauge nicht dasjenige Verhältmß erreicht haben, welche- in anderen deutschen Städten besteht und wir haben auf da- veispiel von Dre-drn, Chemnitz und auderen Orten hingewiesen. Ganz außer ordentlich scheint sich die kommunale Steuerdelasiung auch in den preußischen Städte» am Rhein ver mehrt zu haben, wie in der Sitzung de- Reichs tage- am 23. März hervorgehoben wurde. So sind beispielsweise in Düsseloorf die Communal- steuern in diesem Jahre von 17* Procent plötzlich aus 30» Procent gesprungen, in »er Stadt Boppard, won man früher, bi- vor etwa zwei Jahren, gar keine Communalsteuer be zahlte, sind im vorigen Jahre sofort 75 Procent gefortert worden, uud ganz ähnlich verhält e- sich m der Stadt Köln, wo bereit- Spuren einer Aus wanderung wegen der hoben Gemeindesteuern de iner klich geworden sind. Wir bemerken ausdrücklich, daß diese Mitteilungen nickt etwa der Neigung nach noch höhnen Steuern in Leipzig ihren Ur sprung verdanken, im Gegeutheil, eS erfüllt unS der lebhafte Wunsch, baß keine «eitere Steigerung eintreten möge, wenn eS bie Verhältnisse nur irgend gestatten. Wir haben an der Hand von Tyatsachen und Zahlen eben nur ausS Neue be weisen wollen, daß Leipzig mit seinen beträchtlich höher gewordenen Gemeindelasten durchaus da- unabwendbare Geschick vieler anderen größeren Städte im Reiche ttzeilt. lH Leipzig, 3. April. Die gestrige theatra lische Adendunterhaltung de« „Bürger- club«", dessen Aufführungen sich immer durch Mannichsaltigkeit auS;eicknen, bot zunächst den durch Verwechselungen höchst komischen Schwank „Nickte und Tante" von Görner, der von allen Mitspielenden charakteristisch gespielt und nament lich von „Schnepper" uud „Burgharbt" mit dem nölhigen Humor au-gestattet wurde. Daran schloß sich die Moser'sche Posse: „AuS Liebe zur Kunst", die eine eben so große Heiterkeit hervor rief, wenn auch die GesangSeinlagen wegen In disposition der Stimmen nicht in dem Maße wie soust klappten, klebrigen- wurde aber auch in diesem Stücke mit Munterkeit und Frische gespielt, so daß bie einzelnen Auftritte — namentlich die de-Hau-wirthS Neumann — stürmische- Gelächter erregten. Den Schluß der Abendunterhaltung bildete wie gewöhnlich ein Tanzvergnügen. * Gohlis In der Nacht vom ersten zum zweiten Feiertage ging e« in einer Restaura tion der Stiststraße hoch her. Ein mehrstimmige- entsetzliche- Gebrüll drang daran- hervor, unter brach die Stille der Nacht und störte die ruhige Nachbarschaft nicht aller« im ersten, sondern auch im Morgenschlafe. Ein Jndiviouum wurde ge waltsam an die Luft gesetzt und kam dabei züm Fallen, wodurch e- nicht unbedeutende Verletzungen davongetragen haben mag. Noch am Vormittag de- zweiten Feiertage- zeigte die Osterfonne vor dem betreffenden Eladlissement eine starke B utlache. — AuS Dre-ben melden die „Dr. N": Um der übermäßigen Ausdehnung derAnnen-Real« schule zu steuern, hat der Stadtrath bereit- vor dem AmtSantrit' de- jetzigen Rector- Victor die Beseitigung der unteren Parallelklassen in Aus sicht genommen. Es wurde beschlossen, zu Ostern eine Sexta der Annenschule aufzuheden und durch strenge* Jnnehalten der Maximalzahlen der Schüler in den Classen allmälig jährlich eine der dritten Parallelklassen in Wegfall zu bringen. Insoweit wird man den Ausführungen de- Heu» ritzen Oster-Programm- der Annenrealschule nur berzupflichten haben. Bedenklicher hingegen möchte man werden, wenn man in dem Programm auf folgenden Satz stößt: „Mit den Gesundheits- Verhältnissen der Schule konnte man meist zu frieden fein; nur einige Schüler der obersten klaffen erlagen zeitweilig der geistigen Anstrengung und wurden zu längerer Ab Wesenheit gezwungen". Dieser Satz, so kahl, ohne ein einzige- Wort de- Bedauern- hingestellt, muß auf jede- fühlende Eltcrnherz geradezu erkältend willen WaS? De geistigen Anstrengungen de- Schulunterricht- bringen die Schüler zum Erliegen und dies wird weder beklagt noch erläutert? Sollte diese Thatfache begründet sein, so erwüchse dem Herrn Rector augenblicklich die Pflicht, den Lehrplan so zu gestalten, daß in Zukunft keine Schüler mehr erliegen. Trifft die Schuld des Erliegens die Schüler, die Lehrer, den Rector? Dar da- ArbeitS-Pensum so ungleichmäßig vertheilt, daß Schüler erliege» mußten? Wir dürfen hoffen, daß die Scbul- Jnspection Sorge trägt, daß solche beklagen-, werthen Zustände sich nickt wieder ereignen Mindesten- dürfen die Eltern, die ihre Söhne einer städtischen Schule anvertrauen, «warten, I daß, wenn der Rector solche Zustände bekannt der Wiederkehr derartiger Verhältnisse vorzubeugeu. Frcilich läßt da- Annenschul - Programm ganz eigene Einblicke in die Lehrthätigkeit Einzelner thun. Muß man sich nicht bei einer Uebersicht der Aufsatz-Tdeinata fragen, ob nicht in der Thal der Geiste-thätigkeit der Schüler seiten- eine-Ober lehrer- Aufgaben zugemuthet werden, die allerdings selbst der Verstand der Verständigen schwer lösen wird? So hat Oberlehrer vr. Maaß in Unter- Secunda einen deutschen Aussatz über folgende- Thema aufgegeben: „KrimhildenS Liebe, Leid und Rache, oder ein Mal ist kein Mal." Wie diese- sinnverwirrende Thema von Unter-Secundanern gelöst wurde, darf man wohl begierig fei« zu erfahren. Verschiedenes. — Die HerzenSgüte unsere- Kaiser- erhellt, so schreibt die „Th Osid. Z ". aus- Neue au- folgender unS zugehenden Mittheilung. Eine Thorner, in ihren Vermögen-Verhältnissen zurück gekommene Wittwe stand in einem Processe, bei welchem e- sich für sie darum handelte, auS den früheren besseren Tagen eine nickt unbedeutende Summe zu retten. Der Proceß schwebte beim Appellation-gericht in Marien Werder, da aber die Wittwe einen erforderlich werdenden Kostenvor schuß nicht zu leisten vermochte, so mußte sie auf Fortführung de- Processe- verzichten. Damit war denn der letzte Hoffnung-stern der Armen erloschen. Da faßte sie vor einiger Zeit in ihrer Hülflosigkeit und im Vertrauen auf ihre gute Sache den Entschluß, dem Kaffer selbst ihre Sache vorzutragen, da dieser gewiß nicht dulden werde, daß ihr Unrecht geschehe. In voriger Woche reiste sie in Begleitung ihre- Sohne- nach Berlin ab. ES gelang ihr auch, Zutritt zu Sr. Majestät zu erlangen, und unterstützt durch ihre Aktenstücke, trug sie dem Monarchen vor, waS sie bedrückte. Mit der gewinnenden Leurseligkeit, welche unfern Kaiserau-zeichnet hörteerdieschlichtearmeFrau an, ve> sprach ihr, den Fall untersuchen zu lassen und, wenn er auch nicht in den Gang der Recht-Pflege etngreifcn könne, sich ihrer anzunehmen. Während der Audienz wurde die bejahrte Frau in Folge der leickt erklärlichen Aufregung unwohl; sofort ließ der Kaiser einen Arzt holen, sie von diesem ver pflegen. und da der Arzt einen kurzen Aufenthalt in Berlin für nothwendig erklärte, ihr «ne Geld summe für den Aufenthalt in der Hauptstadt, sowie für die Hin- und Rückfahrt auSzablen. Mit neuen Hoffnungen kehrte die Wittwe Ente voriger Wocke, nachdem sie sich erholt, nach Thorn zurück, de- LobeS voll über den Kaiser, der jedem seiner lilntertharen Wohlwollen und HerzenS- güte entgegenbringt. — Au- Oberstdorf (bei Jmmenstadt) wurde dem Reich-tag-abgeordneten vr. Volk für die kaiserliche Geburtstagsfeier eine Partie Edelweiß zugeschickt; daraus ließ Derselbe auf schwarzem Sammet ein bilden und sandte e- an da- kaiserliche Cabinet mit der W-dmung „Rü dem obersten Dorfe de- deutschen Reich?« dem Kaiser zum 80 Geburt-tage" (wa- nur annähernd zu nehmen ist, da in der dortigen Gegend z. B. Hindelang und Hinterstein, ebenso das bekannte Bad Kreuth höher liegen). Der Geh. CabinetS- rath von Wilmow-ki bat in einem überaus freund lichen Schreiben den Bewohnern von Oberstdorf dcS Kaffer- große Freude über die sinnige Spende auS der oberstgelegenen Gegend de- deutschen Reiche- kundgegeben und ihnen den herzlichen Dank desselben ausgesprochen. (Eingesandt.) Achriflftekrr und Luchhändler. Zwar bin ich der Ansicht, daß dieser Gegenstand nicht geeignet ist, in Ihren Spalten besprochen zu werden, da er aber einmal darin angeregt worden, und der Einsender, dem gewiß die meisten Schriftsteller beipflichten werden, doch eine Be merkung gemacht, die Sie gewiß ebenso entschieden wie ich bestreiten werden, so gestatten Sie mir vielleicht einige Worte der Erwiderung Er sagt nämlich, man dürfe „an schriftstellerische Erzeug« niste nicht den Maßstab der Waare im kaufmänni schen Verkehr anlegen" (ich citire nach dem Gedächtniß, glaube aber, mich de- Wortlaute richtig zu erinnern). Dieser Satz nun scheint mir grundfalsch zu sein und in- gerade Gegentheil umgekehrt werden zu müssen. Daß die Herren Verleger, freilich mit günstigen Ausnahmen, ein schriftstellerisch?- Erzeugniß, nur von ihrem Stand punkte au-, nicht aber von dem de- Schriftsteller-, al- eine Waare betrachten, die verwerthet werden muß, d«S eben ist da- Unglück der Schriftsteller. Der Verleger ist Kaufmann und hat al- solcher da- Recht, die Waare nach dem Marktwerts abzuschätzen und entweder zu kaufen oder abzu lehnen. Ebenso aber muß doch wohl dem Schrift steller da- Recht auf Bezahlung seiner Arbeit zu gestanden werden und zwar unter allen Umständen. Hat der Verleger Verlust an der von ihm ge kauften Waare, so ist er eben Kaufmann und muß sich den Chancen unterwerfen. Da- Zu- muthen an den Schriftsteller aber, feine Leistung oder Waare ohne Entschädigung hinzugeben, wie da- leider so oft vorkommt, sollte doch wohl al- ebenso ungerecht und verkehr-- und Vernunft« widrig verschrien und verurtheilt werden, alS wenn ein Kaufmann ihm angebotene Waare geschenkt »«langen wollte. Natürlich ist hi« bei Waare nicht c»n Leben-mittel «. dgl zu denken, die stet- ihren Werth behalten, sondern an Mode- und LuxuSartikel, welche einen relativen W«tb baden, we-halb ja auch de- betreffenden Einsender- Klage üb« Verzögerung der Rücksendung eines Manu skripts vollständig gerechtsert'gt ist. Mehr üb« diesen Gegenstand hier vor,«bringen, wäre, wie gesagt, nicht am Platze. Ueberhaupt heißt es hi«: „daS Uebrigc ist Schweigen."
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