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ä12 ihren trüben Stunden trösten und erheitern. Eben als ich Josephincn, von ihren Worten zur innigsten Liebe hingerissen, erklären wollte, daß ich ihr bis ans Ende der Welt zu folgen bereit wäre, wurde ich aufgeweckt, und der trübe, ncblichte Morgen bildete zu dem rosigen Traume einen recht grellen Kontrast. — Wir marschirten auf Namur zu. Den gan« jen Weg über beschäftigte mich das Traumbild, und als ich dieThürme der Stadt erblickte, inwel- cher ich sic wieder sehen sollte, fühlte ich mich so von Sehnsucht ergriffen, daß mir jede Mi nute zur Ewigkeit wurde. Wir betraten noch an diesem Vormittage Namur, und kaum hatte ich fünfzig Schritte in die Stadt gethan, so sah ich Josephine in Gesellschaft mehrerer Bür- gcnöchtcr. Sie erkannte mich auch sogleich, und ein Blick, den sie mir unvermerkt zuwarf, ließ mich glauben, daß sie sich über mein Er scheinen freue. Ich halte sic indcß bald aus den Augen verloren, und im höchsten Grade darüber unwillig, daß wir nur eine Nacht in Namur zubringcn sollten, sah ich vorher, daß ich Josephine nicht einmal würde sprechen kön nen. Ich erhielt mein Quartier in einer der Hauptstraßen angewiesen, und von einem hüb schen Knaben begleitet, der sich zu meinem Führer erboten, hatte ich bald den Ort meiner Bestimmung erreicht. Ich trete in das Haus — und wer kommt mir entgegen? — Jose phine. Sie flüsterte mir zu, daß ich sie am Abend in Gesellschaft einer ihrer Freundinnen sehen würde, und verschwand. Ich fühlte mich ganz glücklich und um nicht vor Sehnsucht nach dem Abende zu vergehen, warf ich mich, sobald es die Dienstpflicht erlaubte, aufs Lager und schlief ruhig bis zur Dämmerung. Ich sprang rasch auf, kleidete mich an und eilte fort. Kaum trat ich aus dem Hanse, so war auch Josephine mit ihrer Freundin da. Die Freude sich als meine Retterin anzusehcn, wirkte so sehr auf ihre äußeren Reize, daß ihre Anmuth und Liebenswürdigkeit mich mit unnennbarem Zauber erfüllte, und ich gestand ihr offen, daß ich sie, hätte ich sie nicht wieder gesehen, für eine himmlische Erscheinung gehalten haben würde. Ich verband mit dieser Bemerkung die bescheidene Frage, auf welche Weise cs ihr mög lich gewesen, die Gefahr, in der wir schwebten, zu erfahren. Ihrer Erzählung zufolge beseelte den Päch ter gegen alle Deutsche, deshalb der glühendste Haß, und mit ihm die glühendste Rache, weil er seine drei Söhne durch den Krieg verloren. Er sah die Feinde seines Vaterlandes für die Mörder seiner Kinder an, und hatte längst bei sich beschlossen, jedem Deutschen, den das Schicksal in sein Haus führen würde, den Un tergang zu bereiten. Als wir demnach in sein Haus traten, waren wir bereits als Opfer sei ner Rache auscrschen, und Josephine hatte zu fällig den Pächter belauscht, wie er seinen Knechten Befehl gab, das Hintergebäude, in welchem für uns das Nachtlager bereitet war, anzustccken. Sie als wcitläuftige Verwandte des Pächters, war seit einiger Zeit in seinem Hause und daher mit dem Innern desselben vollkommen bekannt. Gerade an jenem Abende hatte sie der Pächter unter mancherlei Vor wänden aufgcfordcrt, die Nacht bei einer Freun din zuzubriiigen, und so wurde ihr unsere Ret tung noch leichter, da ihre Abwesenheit aus dem Hause dem Pächter hinlänglich bekannt war. Uebrigens würde dieser, unsere Rettung nicht im entferntesten ahnen, und sei gewiß der Meinung, sein Rachcplan wäre ihm gan; ge lungen. Am Schlüsse ihrer Mittheilung lobte Jo sephine den Pächter für die siebe, mit der er sie ausgenommen, und sagte mir, daß sie noch Deutschland, und zwar nach der preußischen und braunschweigischen Gränze zu einer alten Tante gehen würde, sobald es nur die Sicher heit der Wege erlaubte, eine solche Reise zu unternehmen. Ueber eine Stunde unterhielt ich mich mit dem reizenden Wesen, dann nahm sie von mir Abschied und obgleich sie unver- holen die Hoffnung aussprach, daß sie mich i»