Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich früh 6»/,Uhr. Nkialtion und Expedition IobanaeSgasse33. Lpitchllniiörn der Urdaction: Vormillags 10—12 Uhr. .Vachmiiiagj 5—6 Uhr. -! t>r zit>a,»dc kin»r>-nklkr Mauuicript« mach! ftch ti« Itedacuoa ruchl rerdmdlich. bimabme Ser sür die nächstfolgende liumuier bestimmte» Inserate an ^ochrittngcu bis L Nvr Nachmittags, auk»»»: >!»d Festtage» früh bis ,,9 Uhr. Zn Lrii Filiale» für Tns.-Ännahme: tu» Klemm, Universitätsstraße 21, Louis Lösche» Kathariaeustraße 18, p. nnr »t» '/,» Uhr. UchMcr Anzeiger. Organ für Politik, socalgeschichte, Handels- «nd Gefchastsverkchr. Auflage Äliouurmrntüprtis virrrclj. 4'/j. Mil. inck. Bringerlohn 5Mk, durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf Belegexemplar 10 Pf. Bebüdren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gefalzt) ohne PoslbesSrderung 80 Mi. »nt Postbesördcrung 48 Mk. Inserate Ogeipaltene Petitzeile 20 Pf. «rohere Schrlsie» laut »ns. Preisverzeichnih. Tabellanjcher u. Ziflernsatz »ach höherm Tarif. tirclainen »Mer dem Redaclionsstrich diel gespült. Zeile öO Pf., vor de» Faniilieiinachrichten die kgcipalienc Zeile 40 Pf. Inferale find lielS an die vrpcditio« zu jenden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pnrenumentlxio oder durq Post- Nachnahme. ,N 74. Sonntag den 15. März 1885. 79. Jahrgang) Amtlicher Thetl. Selsentliche Sitzung der Stadtverordneten Mittwoch, am 18. Marr I88S, Abends «'/, «hr, im Saale der L. Bürgerschule. TageSord nung: I. Bericht de« BrrsassungS-, Bau» und Finanzausschusses über ein Abkommen mit dem Nlcolaikirchendorstande^und Neubau der Predigerhänser. II. Bericht über die Rathsvorlage betr. Vollziehung eines Reverses wegen des Personals, welchem die Reuvermessung der Stadt Leipzig und Umgebung übertragen ist und soweit hierbei da« Terrain der Leipzig-Eilenburger Bahn in Frage kommt. III. Bericht des Oekonomieausschufle« Uber Herstellung der verlängerten Borksiraße. IV. Bericht de« Finanz- und OekonomieauSschusses über Umbau der RathScapelle in der Kirche zu Stötteritz. V. Bericht dcS BauauSschusseS über: a. Conto 35 »Buden"; b Specialbudget „Armencasse" Spccialconto X „Brod- bäckerei" Ausgaben Pos. 11, Specialconto 6 „Armen bauS" Ausgaben L Pos. 2 und S, Specialconto v „Georgenhaus" III (Arbeits- und Versorganstalt) Aus gaben 0 Pos. 4, IV (Badeanstalt) Ausgaben Pos. 12, „Mcndc'sche Stiftungen für Blinde" Grundstückscapital conto Ausgaben 8 Pos. 1. In Gemäßheil der Bestimmungen in tz. 18,2 der Control ordnung vom 28. September 1875 wird hiermit bekannt gcmachl, daß die Königliche Ersatz-Commission Leipzig-Stadl :m Anschluß au daS diesjährige MusteruuaSgcschäst Donnerstag, den S. April ». Vormittags S Uhr 1L, Partrrm lt»-S, versammelt sein wird, mn über etwaige Gesuche von Reservisten, Landwehr ' " ' " - »ist« I. E !eulcn und Ersatzreservisteu I. Ela 'ö, d« Stadt . . Elaste im N Leipzig k»- Zurückstellung aus Anlaß «Heer "häuslichen und gewerblichen Verhältnisse im Falle einer Mobilmachung und außerordentlichen Verstärkung de« HeereS Entschließung zu i»!sen. Diejenigen, welche auf Berücksichtigung Anspruch machen, haben ihre Gesuche ungesäumt beim Stadtralhe Hierselbst unter genauer Darlegung der militairischen, bürgerlichen und JermögenSverhältnisse, durch welche die zeitweise Zurück stellung bedingt werben soll, anzubringen. Tic betreffenden Antragsteller haben in diesem Termine persönlich zu erscheine» und der wetteren Eröffnung gewärtig zu sein. Leipzig, den 13. März 1885. Der Civtlvorfitzeude der Königlichen Ersatz«Kommission deS AuS- hebungSbezirkS Leipzig - Stadt. vr. Grünler, Regierungsrath. Aus der Apel'sche« Stiftnng zur Bestreitung der -osten des AusvingenS und LoSsprechens und zur Beschaffung von Lchrbetten für arme Knaben, welche die Schneider- oder die Schuhmacher-Profession erlernen wollen, sind einige Spenden zu vertheileu. Bewerbungen darum sind längstens bi« zum 11. April laufenden HahreS schriftlich' bei uns (LingangSbureau, KalbbauS l. Elaae, Zimmer Nr. S) einzureichen. Hierbei bemerken wir, daß solche junge Leute, welche bereits in der Lehre stehen oder außerhalb Leipzig« in die Lehre treten wollen, nicht berücksichtigt werden können, und daß bicr ortSangehörigen Bewerbern in der Regel vor aus wärtigen der Vorzugzu geben ist. Leipzig, den 1l. März 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Krumbiegel. Vrkanntnmchllng. 10 - 46 Iin Monat Februar d. I. gingen beim Armenamte ein 20 .all — als Buße in der Privatklagsache S. M. 7.L. durch Herrn Rechtsanwalt Hagemann, durch „Adresse Anton". Ergebniß einer Sammlung bei dem am l6. Fe bruar im Restaurant „Große Feuerkugel" statt- gesundenen Narren - Abend, durch Herrn Hugo Oertel. als Sühne in Sachen I. H.'/. M. F. durch daS Gewerbeschiedsgericht. Vergleichszahlung in der GewerbeschiedSgerichtS- sache D.'/.E., von Herrn C. R. Dietrich, als Sühne von F W. B. « - in Sachen D.'/.E. s durch d. Gew.» « » « » Frau M.'/.M.k SchiedSger. - - - K. /. K. ld. Herrn Frie- » - - « T.H./.HO. ldenSr. Conrad. « - » « S. G.A W.f durch Herrn - - - - I. H 7-F. G l Frieden«» « - - « A A H P I richte« H. P/. G. MI Nagel. P. V-» . durch Herrn Friedensrichter G. A. Iauck reu. B B p- ^ V 50 tz - — 29 Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Deutschen Kaisers wird Sonntag, den 22. dss. Mts., Nachmittags » Uhr ein Festmahl im Krystallpalast stattfiuden. Diejenigen Herren, welche sich daran betheiligen wollen, werden ersucht, die Tafelkarten a 4 ^ bis zum Abende des 21. dss. Mts. auf der Nuntiatur im Rathhause zu entnehmen. Leipzig, den 10. März 1885. Der Rath -er Stadt Leipzig. ür. Georgi. Hentschel. >23 Ll 35 ^ Berichtigung: In der Bekanntmachung vom 13. Februar soll es heißen anstatt 50 .^l — 150 zur Ver heilung von Brennmaterial an würdige Arme. Dankend quittiren wir hiermit. Leipzig, den II. März 1885. Der Nitl, der Stadt Leipzig. tArmenamt.) ' ^olsi Ludwig-Wol Lange Den Herren Professoren, Tocenten und sonstigen Mit gliedern unserer Universität theile ich hierdurch mit. daß zur Feier deS Geburtstages Sr. Majestät des deotschen Kaisers Sonntag, de» S2. diese» Monat» Nachmittags 3 Uhr ein Festmahl im Krystallpalast stattfinden wirb, zu welchem Tafelmarken L 4 .L bis zum Abend deS 21. dsS. MtS. aus der Nuntiatur im Rathhause ausgegeben werden. Leipzig, am 14. März 1885. Der Rector der Untpersttät. Winds ch ei v. PekaunlMchmig/ Für den Termin Ostern diese« Jahres sind vier AuS- stattun-sstipendien im Betrage von 77 8 67 45 unD zwei Mal 40 .4! 47 an hiesige unbescholtene, arme Bürgerstöcbter, welche sich in der Zeit von Ostern vorigen IahreS bis Ostern dieses Jahres verbeirathrt haben, von uns zu vergeben, und sind schriftliche Gesuche um diese Stipendien unter Beifügung der EhesckließnngSbescheinigung, eines von zwei hiesigen Bürgern bei deren Bürgerpflicht aus gestellten Zeugnisses über die Unbescholtenheit und Bedürftig keit der Bewerberin, sowie waS daS eine, nnr an ehelich Geborene zu vergebende Wicderkchrcr'sche Stipendium von 40 47 ^ anlangt, einer GeburtSbcschciniaung, bis zum v. April dieses Jahre« aus dem Rathhauje, Zimmer Nr. 15, rinzureiche». „ . Leipzig, den 11. März 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. Iw. Georgi. Krumbiegel. Bekanntmachung. Nachdem der hiesige Bezirkothwrarzl die Maul- und Klauenseuche in den Ställen deö Grundstücks Mühlgassc Nr. 6 hier für erloschen erklärt bat. werden die in dieser Beziehung von unS durch Bekanntmachung vom 26. vorigen Monats angcordneten Maßregeln hiermit wieder aufgehoben. Leipzig, am 14. März 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. Ür. Georgi. Hennig. WaldpSanjcn-vrrkaut. Von dem städtischen Forstreviere Burgaue können in diesem Frühjabre durch den Revierverwallcr Herr» Dicke in Forstbans Burgaue (Post Böblitz-Ebrenberg) ngchstebciide Holzpflanzen zu den beigesetzten Preisen gegen Baarzahiung oder Nachnahme und gegen vorherige Änincldung bezogen werden. Eiiick Holzart r Höbt. Meter ä Sil!« M. I Pf. ä Himdcrt Mk. s PH 2000 Eichen 2-2'/. — 15 — 20000 - 1jährige Saat. . — — 1 — 8000 Eschen 1'/,-2 — — 10 — 1000 - zu Nlleebüumen . 3-4 — 60 50 — 1500 Graueschen (k'rnx. puhesceus) 2-3 — — 40 — 200 Linde» zu Allecbäumcn . 2',.-3 — 90 75 — 500 Lindenbüsche 2 — 60 50 — 2000 bergt 1-1'/, — 50 40 -- 2000 Eschcnblätteriger Ahorn . 4—5 — 60 50 — 200 Birken ....... 4—5 — 60 50 — 200 Ebereschen ...... 3—4 — 50 40 — 1000 Kastanien ...... 1V.-2 — — 10 — 600 Fichten mit Ballen. , . — 50 40 — 1000 - - » , . . ?/.-2 1 — 90 — 400 » - «... 2'/,—3 1 25 120 — 200 * - «... 4-5 1 50 140 — Leipzig, am 17. Februar 1885. DeS Raths Forstdeputation. Vreunljolz-^uction. Mittwoch, den l8. März o. sollen von Nachmittags 3 Uhr an im Forstreviere Eonnewitz ca. 300 Hausen klein gemachtes eickeneS Stockholz und eine Partie Abraum und Lchlagreihigdausen unter den aushängenben Bedingungen und der üblichen An zahlung an Ort und Stelle meistbietend verkauft werden. Zusammenkunft: auf dem Kahlschlage am Gautzscher Fußwege durch die sogen. Fnchslöcher. Leipzig, am 7. März 1885. DeS RathS Forstdeputation. Nichtamtlicher Thetl. Der Reichstag und die Postdampfervorlage. Wenn der Reichstag ein Schauspielhaus wäre, dann konnte man sagen, daß die vorgestrige Verhandlung sehr interessant war. da der Reichstag aber die Vertretung deS deutschen Volke- ist. so kann man daS Schauspiel, welches die Sitzung vom >3. März gewährte, nur ein trauriges nennen. Ter lang»-» Rede Winblhorst'S kurzer Sinn war: „Schassen Sie den Culturkamps aus der Welt, dann werden wir den inneren Frieden haben." Für ein deutsches Reich, in welchem der Papst die Hauptrolle spielt, würden die Vertreter des CrntrumS in der Colvnialpolitik mit der Negierung Hand in Hand gehen, aber ohne diese Untenversung bewilligt die gedachte Partei nur das AUernothwendigste. Der Reichskanzler hat klar und deutlich gesagt: Ohne D.unpsersubvention keine Cvlonialpolitik. Windl- borst sagt dagegen: Wir haben 4 Millionen für die Cvlomen bewilligt, da darf man u»S keine Vorwürfe machen, wir können nicht mehr bewilligen. Das Centrum will also nur der ostasiatischen Linie seine Zustimmung geben »nd zu einer Zweiglinie von Triest über Brindisi nach Alexandrien. Der Reichskanzler und der BundcSrath werden auch diese Abschlagszahlung acceptircn, wenn sie vorläufig nicht mehr erreichen konncii, aber aus di« Dauer wird das den verbündeten Regierungen nicht genügen, und deshalb hat der Reichskanzler den folgenden Satz forniulirt: „Zur Colonialpolitik brauchen wir Geld; wenn Sie daS nicht bewilligen wollen, so müssen Sie eS klar auSfprechcn, nicht niil Rückhalten, wenn Dies und wenn Das wäre. Wir werden Sie zwingen. Farbe ,u bekennen vor Ihren Wählern, wie Sie zu der Colonialpolitik stehen." Darin lag die Bestätigung Dessen, was der Reichskanzler bei einer anderen Gelegenheit sagte, als eS sich um den NachtragSctat sür Colonialzwecke handelte. Wenn der Reichslag die Colonialpolitik der ver bündeten Regierungen nicht rückhaltlos unterstützt und die nvlhigen Gelder dazu mit vollen Händen spendet, dann wird er aufgelöst, und die Ncnwahlcii sollen den Beweis liefern, ob die Wähler aus Seilen des jetzigen Reichstages stehen oder nicht. Es ist in der Thal so, wie eö Windthorst behauptet hat: Die Hauptursache. deS inneren Unfriedens in Deutschland ist der Culturkamps. Aber die Führer des Centrums haben diesen Kamps durch ihre unerfüllbaren Forderungen herbei- gesiihrt, nicht der Reichskanzler, dieser hat nur den ihm zu- aeworseiicn Handschuh ausgehobcu. Daß eine Sprache, wie sie von Pius IX. gegen Kaiser und Reich geführt wurde, nicht ruhig, hjüxr on'men werden konnte, ist' so klar, daß eine ^Reinitiiaevr? i.^enbeit in dieser Beziehung überhaupt nicht bestehen r».nii. Die Prälension, daß alle Christen, welche die Taufe empsangen haben, dem Papste a»- gehvrcn, würde einer Verneinung des Protestantismus gleich kommen. Die Wähler des Centrums haben leider nicht cingcschcn, daß mit Leuten, welche aus diesem Stand« punct stehen, ei» bauernder Friede unmöglich ist, und haben jort und svrt Abgeordnete in den Reichstag gesandt, welche die Herrschaft der Kirche über daS deutsche Reich als Vorbedingung zur Unterstützung seiner Regierung verlangen. ES hat sich in neuester Zeit zu Le» Abgeordneten des CciUrums noch eine andere Partei gesellt, welche die Neichspotilik bekämpft, weil ihr nicht der Machtantheil im deutschen Reiche ein- geräumt ist, auf iveleln», sie Anspruch erbebt Diese Ver einigung feindlicher Kräfte ist eS, welche der Reichskanzler am 13. Marz im Auge hatte, alS er sagte: „Ich hatte geglaubt, der Reichslag würde ci» Hort und ei» Schutz der erworbenen herrliche» Einheit werden. Ich habe »lich darin getäuscht. Es besteht die Gefahr, baß die Feder wieder zerstört, was das Schwert errungen. Ten Partelgeist klage ich vor Gott und vor der Geschickte an. daß er Las herrliche EinheitSwerk, daS durch Blut und Else» geschaffen und gefestigt ist, wieder ver nichtet hat." DaS sagte der Reichskanzler in größter Er regung, hcrvorgerufen durch die Wahrnehmung, baß Centn»» und Freisinnige darin einig seien, die Daiiipferlnueii, welche er sür Durchführung einer energischen Colonialpolitik sür unbedingt nölhig erachtet, nur theilweise und in einer sür die Colvnialzwecke unzureichenden Weise zu bewilligen. ES ist ganz unverkennbar, daß die Mehrheit dcS Volkes auf Seite» dcS Reichskanzlers steht. Die Opposition, welche sich an- Centrum und Freisinnigen zusamiiiensetzt, hat ein nabcliegendeS Interesse daran, ihre» schon im Iinii vorigen Jahres eingenommenen Standpunct festzuhalten; die Wähler sollen in dem Glauben erhalten werden, daß die Abgeord neten des CcntrumS und der dentschfreisinnigen Partei nur das Beste des deutschen Volks im Auge haben, wenn sie die Subventionen für die Dampferlinicii' nach Australien und Afrika ablehnen, weil die Früchte dieser Unter stützungen ja doch nur den Großhändlern in den Schooß fallen. Dazu wird das Gespenst von Colonialkriegen cilirt, etwa in dem Styl derjenigen. welche Frank reich gegenwärtig in Tonkin und aus Madagaskar, Eng land im Sudan führt. Ter Abgeordnete Rintelen sagte: „Alan sollte doch bedenken, daß, wenn man so sortsäbrt, die Zeit kommen wird, wo unser Volk als Soldaten hinauSzichen muß in den Kampf, um die Colvnien zu schützen." DaS sagte der Abgeordnete Rintelen natürlich unter Bezugnahme auf die Kämpfe, welcke unsere Marinesolkaten in den Tagen vor Weihnachten in Kamerun zu bestehen hatten. DaS deutsche Volk weiß nun aber, daß dieser Kampf im Ganzen einen Tvdten und sieben Verwundete gekostet hat, ein Ergebniß, Las durch jede größere Schlägerei in einer Stadt ober auch aus dem Lande weit überholt zu werden Pflegt. Nein, mit solchen Schreckbilder» ist die deutsche Colvnial- politik nicht todt zu machen; aber es ist beschämend, daß der deutsche Reichstag England gegenüber m einem Momente ein so klägliches Beispiel der Zerrüttung giebt, in welchen» da« großbrilannische Weltreich in allen seinen Fugen kracht und wo seine Fundamente wanken. „Heute stehen wir mit Eng land schon in Hellen Flammen", ruft Windthorst aus, nach den Erfahrungen, welche wir mit England aus den, Colonial- gebietc gemacht haben. Ist das patriotisch, ist das eine- deulschcn Abgeordneten würdig- Können wir uns unter solchen Umständen wundern, wenn die englischen Minister den Mund so voll nehme», wie das beispielsweise Glabslone in der Unterhaussitzung von» t3. März gethan hat? Der englische Minister, der sich selbst nicht zu rathe» weiß und England bis an den Hals in Schwierig keiten binemgeritten hat. wagt es. Deutschland Vorschriften zu machen über die Grundsätze, welche es bei seiner Colonial politik befolgen möge. Deutschland soll dem Völkerrechte gemäß handeln und nicht Colonisirungen vornehmen, die einen nominellen und illusorischen Charakter hätten, und außerdem soll cs gegen die Enigeborenen nach den Gesetzen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit versabren. DaS sagt der Ministerpräsident einer Macht, welche wegen ihrer U„Menschlichkeit im Verfahren gegen die Ureinwohner von 'Afrika, Asien und Australien sich die Entrüstung aller civili- sirten Nationen zugezogen hat. Wenn Besitzergreifungen in fremden Ländern nominellen und illusorischen Charakter tragen, so sind es die, welche England auö Neid und Miß gunst gegen Deutschland in neuester Zeit in der Südsee und in Afrika vollzogen hat. Die deutsche Colonisation folgt den deutschen Handelsniederlassungen, sie ist wesentlich dazu be stimmt, den bereits in fremden Ländern ansässigen Deutschen Schutz zu gewähren, und Gladstone wagt es, angesichts dieser Thatsache solche Verdächtigungen gegen Deutschland in die Welt zu schleudern? -schon init Rücksicht auf die treulose und ränkevolle Politik Englands sollte der deutsche Reichstag doch alle Partei-Interessen schweigen lassen, wenn eS sich um die Aufrechterhaltung der Machtstellung Deutschlands dein Auslande gegenüber handelt. Windlhorst führt zwar die Phrase im Munde, daß der deutsche Rcickslag dem Auslande gegenüber stets einig sei, aber daß dieses Wort ihm nur «ine inhaltslose Phrase ist, das hat er in der Reichstagssitzung vom 13. Marz bewiesen, als er von dem Zerwürfniß sprach, das zwischen England und Deutschland wegen der Colonialpolitik bestehe. Eines deutschen Abgeordneten würdig wäre cs gewesen, von eng. lischer Uebrri-ebung und Machtlosigkeit zu sprechen. * Leipzig, 15. März 1885. * Der BundeSrath hielt am Donnerstag unter dem Vorsitz deS StaatöministerS StaatSsecretairS de« Innern v. Boettichcr eine Plenarsitzung ab. Der Vorsitzende legte Millbeilungsschreiben des Präsidenten deS Reichstags über Beschlüsse des Reichstag« zu mrkrercn Gesetzentwürfen vor. Es wurde beschlossen, dem Entwurf eines Gesetzes wegen de« Beitrags deö Reich« zu den Kosten de« Anschlusses Bremens an das deutsche Zollgebiet, dem Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung des Reichs- MilitairgesetzeS vom 2. Mai 1874, Lein Entwurf eines Gesetze« wegen Feststellung des ReichShaushalts-Etats für 1885/86 und dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ausnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheere«, der Marine und der Reichs-Eisenbahnen, die Zustimmung zu ertheilen. Ueber den Gesetzentwurf wegen Abänderung deS Gesetzes über die Erstehung der Tabaksteuer wird in einer der nächsten Sitzungen Beschluß gefaßt werden. Die Vorlagen, betreffend die Beschlüsse des LandeSauSschusse» von Elsaß-Lothringen zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung de« LandeShauöhattS-Etals von Elsaß-Lothringen für 1885—86. den Entwurf eines Gesetzes über die Steuervergülung sür Zucker, Anträge wegen der Bildung von BerüfSgenossen- schastcn auf Grund deS Unsaklversicherungsgesetzes, den Ent wurf eines Gesetzes wegen Abänderung und Ergänzung des GrrichtsversassungSgesetzeS und der Strasproceßortuung. end lich den Entwurf einer allgemeinen Literar-Convention. eines Zusatz-Artikels und eine« SchlußprotokollS, wurden den zu ständigen Ausschüssen überwiese». Den Antrag Preußens, be treffend die Ergänzung re. von Bestimmungen des Gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, genehmigte die Versammlung und erklärte sich mit dem Abschluß eines Abkommens zwischen den Einzelstaaten über den Erlaß polizeilicher Strasvorschriften zur Verhütung der Gefährdung militairischer PulvertranSporte einverstanden. Von den aus den Eisenbahnen Deutschlands noch vorhandenen Abweichungen vom Normalprofil des lichten Raumes wurde Kenntniß ge nommen und beschlossen, dem in der Vorlage, betreffend die Zulassung als Schisser aus kleiner f^ahrt mil Hochsecsischerei- sahrzeugc», gestellten Anträge, sowie dem Anträge Bayerns, betreffend die Anrechnung der aus bayerischen Lycecn zu- aebrachtcn Studienzeit sür ärztliche Vorprüfung, zuzu stimme». Hieraus gelangte der vom Reichs-Eisenbahnamt gestellte Antrag, betreffend die Aendcrung der Bestimmung deö Eisciibahn-VelriebSregleinents bezüglich der Angabe des Be förderungsweges sür Güter in den Frachtbriefen, zur Annahme. Die Entwürfe eines internationalen UcbcreinkommenS über den Eisenbahii-Frachtverkehr und eines Reglements über die Er richtung cincS CentralaiutS wurden genehmigt und die Zu ständigkeit deS Reichsvcrsicherungsamts zum Erlaß voll Requi sitionen ans Grund dcS tz. 15 des UnsallversichcrungSgesetzeS anerkannt. Dem Entwurf eines Gesetze« zum Schutz des Papiers der Reichs Cassenscheine gegen Nachahmung wurde die Zustimmung erthcilt. Nachdem noch über die Besetzung Von zwei Rathsstellcil bei dem Reichsgericht Beschluß gefaßt und die Ernennung von Commissarien zur Berathung vcu Vorlagen im Reichstag erfolgt war, wurde die Sitzung mit der Miltheilung über eingegängene, aus Grund früherer Be schlüsse den betheiligte» Ausschüssen überwiesene Eingaben und der Vorlegung von Eingaben verschiedenen Inhalts geschlossen. * Die „ Norddeutscke Allgcmeiiie Zeitung " bringt einen ossiciöscn Artikel über die internationale Lage, welchem wir Folgendes entnehmen: Es giebt verichlcdene polnische Richtungen in Europa, welche jede Situation daraus ansehe», ob sich ihr ein Mittel entnehmen läßt, uni die Freundschast zwischen Deutschland und Rußland nl hören. Der Pariser „Soleil", ein orlcanistisches Blatt, weiß sogar die afghanische Krenzsrage sür diesen Zweck auszubeuteu und sucht das russische Nalionalgesühl durch die Behauptung aus zuregen, daß Herr v. Äiers aus die Annexion vo» Herat ver- zichtet habe, weil Deutschland gegen dieselbe sein Beto einlegte. Deutschland habe Rußland an der Besitzerareisung HcratS verhindert, weil es nach dem Sturze Äladsione^ sich mit den LorieS gegen Rußland verbinden wolle. Die üsseutliche Meinung in Rußland sei entrüstet über die Nachgiebigkeit des Herrn v. Gürs gegen den deutschen Einfluß, und man sage in Petersburg allgemein, daß Fürst Gortschakoff in ähnlicher Lage mit ganz anderer Entschlossenheit ausgetreten sein würde. Man kann sagen: so viel Worte, so viele Lügen, und für jede» Politiker von Fach kann man hinzusügen: so viel Unsinn. Wir halten es schon sür eine Erfindung, daß Rußland überhaupt eine Annexion von Herat beabsichtigt habe, und wen» es dieselbe jemals beabsichtigte, so würde es schwerlich den Rath fremder Cabinette darüber einholcn. So viel hier bekannt, handelt cs sich bei der ktzrenzsrage durchaus nicht um Herat, sondern um Weideplätze der Turkmenen und Berhinderung von Räubereien durch richtige Begrenzung. Welches Interesse aber sollte Deutschland daran haben, eiu Beto gegen irgend welche Rcguliruiig der Oü-enze von Afghanistan rinzulegen und seine mit erfolgreicher Sorgfalt gepflegten Beziehungen zu dem benachbarten Kaiserreiche um afghanischer ober turkmenischer Steppen willen zu compromittiren? Auch der Sturz Gladstonc'S steht nicht in Aussicht und, wenn die deutsche Politik an demselben arbeitete, so würde die Mission des Grasen Herbert Bismarck überhaupt unterblieben »nd sicher nicht z» Verhandlungen und Verständigungen beider Cabinete benutz! worden sein. Welches Interesse aber sollte Deutschland verfolgen