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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188308055
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830805
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830805
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-08
- Tag 1883-08-05
-
Monat
1883-08
-
Jahr
1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Urtarlisli und Lr-editie» Iohanaesgasse Ü3. SPrrchllundrn -rr Uedacti«» Vormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 5—6 Uhr. gitr »t« »Hs,»»« rui»kt»»dtr« vt»»u<cr>,t, »«« Nrt.cll»» mchl ^r»ul»i>ch, nWgcr.TaMM »e, für »t« »4chfts«l,e»»e «u««er »«stimmte« Inserate an Wochentagen bi« t Uhr Nachmittag«, au Saun- un» Aesttage» früh hi«'/,» Uhr. 3a den Filialen für 3«s.-Luuah»e: vtta Riem», Uuiverfitttsftraß« 21, Laut» Lösche, Kathorinenstraße 18.». nur hi« '/,< Uhr Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auslage 18,L00. Adannementspreis viertelj. 4'/, Mt. incl. Bringerloha 5 Mk.. darch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne ?>ummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren iür Extrabeilage» ahne PostbesSrderung 39 Ml mit Postb Förderung 48 Mk. Inserate bgeipaltenr Petitzeile 20 Pf« Grober« Schriften lant imjerrm Preis- «erzeichuiß. Labellarischer ».Ztfferasatz nach hSherm Larif. Lttlauen unter dem Redartion«krich die Spaltzeile SO Pf. Juierate stad stets an die «rsteditio» za seade». — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr»«vllwenui<lo oder durch Post- aachnalime. ^-217. Sonntag den 5. August 1883. 77. Jahrga ng. Amtlicher Theil. Vekanntmachnng. Unter Hinweis aus die Borschristen des ReichSimpfgesetze« oom 8. April 1874 und nach Maßgabe der hierzu erlassenen königl. süchs. AuSführmrgSverordnung vom 20. März 1875 machen wir hierdurch Folgende- bekannt: 1) Die Stadt Leipzig oildet einen selbstständigen Jmpf- bezirk, für welchen der Stadlwundarzt Herr vr. Wil- Helm Conrad Blaß al« Iinpsarzl und Herr vr. meck. Schellenberg als dessen Assistent verpflichtet worden sind. 2) Da- Jmpslocal befindet sich dis aus Weitere» in dem «ltea Thomasschalgebände aus den» Tkouia»« lirrhhofe. (Eingang mittelste Thüre.) S) Daselbst finden die öffentlichen Impfungen von hier auf hältlichen Kindern in der Zeit vom 8. Mat bi« etnschließlith 2»!. Juki und vom 28. August biS einschliestlieh 28. Deutember o.. und zwar bis auf Weitere- an jedem Mittwoch von 3 bi- 5 Uhr Nachmittag-, unentgeltlich statt. Daselbst sind auch die Impflinge je an dem daraus folgenden Mittwoch zur Revision vorzustellen. 4) Im Laufe diese- Jahres sind der Impfung zu unter ziehen: I. diejenigen Kinder, n. welche im Jahre 1882 geboren worden, d. welche in de» Jahren >874 bis 1881 geboren sind und im Jahre 1882 der Impspflicht nicht vollständig genügt haben (erfolglos geimpft oder wegen Krankheit nickt geimpft), kl. diejenigen Zöglinge öffentlicher Lehranstalten und Privakschulcn, a. welche im Jahre 1871 geboren sind, d. welche in den Jahren 1865 bis 1870 geboren sind und im Jahre lss82 der Impfpflicht noch nicht vollständig genügt haben (erfolglos wieder» geimpft oder wegen Krankheit nicht wieder- geimpft). L) Alle hiesigen Einwohner sind berechtigt, ihre, wie zu 4 unter I». und d. bemerkt, impspflichtigen Kinder dort un«,weltlich impfen zu lassen. Ebenso wird unbemittelten, hier wohnhaften Per sonen, deren Kinder vor dem Jahre 1874 geboren, aber noch nicht mit Erfolg geimpft sind» die unentgeltliche Impfung dieser Kinder in den vorerwähnten Impf terminen hiermit angeboten. K) Für jede- Kind, weiche- zur Impfung gebracht wird, ist gleichzeitig ein Zettel zu übergeben, auf welchem Name, Geburtsjahr und Geburtstag de- KindeS, sowie Name, Stand und Wohnung des Vater-, Pflegevater- öder Vormunde-, beziehentlich der Mutter ober Pflege mutter deutlich verzeichnet ist. 7) Die Eltern der im lausenden Jahre impspflichtiaen Kinder werden daher hierdurch unter ausdrücklicher Verwarnung vor den im tz. 14 Abs. 2 de- Impsyesetze» angedrohten Strafen aufgefordert, mit ihren Kindern in den anberaumten Imps- bez. Revision-terminen behuf» der Impfung und ihrer Controle zu erscheinen, oder die Befreiung von der Impfpflicht durch ärztliche Zeugnisse hier nachzuweisen. 8) Wege» Anberaumung der Impf- und Revision-termine zur Wiederimpfung bez. Controle der oben unter II», und b. gedachten lnipfpflicktigen Zöglinge wird an die Schulvorsteher besondere Weisung ergehen. 9) Diejenigen Eltern, Pflcgeeltcrn und Vormünder aber, welche ihre im Jahre 1883 impspflichtigcn Kinder und Pflegebefohlenen, wie ihnen freigestellt isi, durch Privat ärzte der Impfung unterziehen lassen wollen, werden hierdurch aufgefordert, bi- längsten- zum 30. September 1883 die erforderlichen Impfungen au-führen zu lassen, sowie jedenfalls längsten- am 7. Januar 1884 die vor- geschriebenen Bescheinigungen darüber, daß die Impfung bez. Wiederimpfung erfolgt oder au» einem gesetzlichen Grunde unterblieben ist, in der Impfexpedition im Stadthause, Obstmarkt 3, vorzuleqen. widrigenfalls sie Geldstrafe bi- zu 50 oder Hast di» zu 3 Tagen zu gewärtigen haben würden. Au»' Familien nnd Häusern, in denen ansteckende Krankheiten, wie: Masern, Keuchhusten, Dipbtheriti«, Scharlach, Rose u. s. w., bestehe», darf ein impspflichtiger Kind in keinem Falle in da» Jmpslocal gebracht werden. Leipzig, am 18. April 1883. - D«r Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Uhimann. Vrkannlmaihuilg. Wegen baulicher Veränderungen i» unserer Stiftskirche zu St. Johanni- muß der Gottesdienst in derselben vorn «18. Juli d. I. ab bis auf Weitere» au-gesetzt bleiben. Leipzig, am 30. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Iw-Trvndlin. vr. Wangl oanczemann. Vekanntmachnng. Wegen theilweiscr Erneuerung des Belag- der Brücke über den Plcißensluß unterhalb der Gohliser Mühle (Gohliser Grenzbriicke) wird der Weg v»n Gohli» nach dem Rosenthale während ve» 8. and 7. ds4. Mts. für sämmtlichen Ver kehr gesperrt. Leipzig, am 4. August 1383. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndtin. Hennig. Vekaimtmachung. Der am 20. September 1850 in Unseburg gsborene, frühere kiesige Restaurateur Gustav Andrea» Friedrich Kerstea, dessen jetziger Aufenthalt nickt zu ermitteln gewesen ist, wird hiermit geladen, bei Unterzeichneter AmlSstelle sich zu melden. Wir ersuchen alle Behörden, im Betretung-salle von seinem Aufenthalte Nachricht anher zu geben. Leipzig, den 3l. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. (Armenaint.) Ludwig-Wolf. Werner. Bekanntmachung. Der »»eite Termin der städtischen Grundsteuer ist am 1. August diese» Jahre» nach Gin» vom Tausend de» i« Kataster eingestellten Grnnd- »erthe» nebst der Ktrcheuanlage für die evangelisch-lothertschen Kirchen vom Grundbesitz nach ^»öhe von El^^Psen«^«» ans eine Einheit Diejenigen Gnmd^ückslwsitzer, welche Mitglieder einer andern mit eigenem Gotte-Hau- am Orte bestehenden anerkannten Religion-« oder EonfessionSgemeinschaft sind, haben nur den drillen Theil de» sonst aus ihren Grundbesitz beziehentlich Antheil fallenden Beitrage- zu den Parochiat- anlagen zu entrichten. Die Steuerpflichtigen werden de-halb ausgesordert, ihre Stcuerbekräge von dem Termine ab bi- spatesten» 14 Tage nach demselben an unsere Slablsteuereinnahme, Brühl 51, zu entrichten, widrigenfalls nach Ablauf dieser Frist gegen dre Restanten da» Beilreibung»-Berfahren einzuleuen ist. Leipzig, den 26. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Trönblin. Koch. Bekanntmachung. Der am 1. August ». «. fällige zweite Termin der StaatSgrunvsteuer ist in Gemäßheit de» Gesetze- vom S. September 1843 in Verbindung mit der durch da« Gesetz vom 3. Juli 1878 getroffenen Aenderung nach Zwei Pfennigen von jeder Steuereinheit zu entrichten und werden vie Steuerpflichtigen hierdurch ausgesordert, ihre Stenerbeiträge von genaUntem Tage ab bi» spätesten» 14 Tage nach demselben an unsere Sladtsieuereinnahme, Brüht 5l, abzusühren, da nach Ablauf dieser Frist die gesetzlichen Maßnahmen gegen die Säumigen eintreten müssen. Leipzig, den 26. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Trönblin. Koch. Bekanntmachung. Die Herstellung einiger Thonrohrschleußen in der Ring straße vor der Thoma-miihl« soll an einen Unternehmer in Accord vergeben werden. Die Bedingungen und BlanketS für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau - Verwaltung, RathhauS, II. Etage, Zimmer Nr. 14, au- und können daselbst eingesehen resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: Thonrohrschleu-en in der Ringstraße versehen ebendaselbst und zwar biS zum 11. August er. Nach mittag« 5 Uhr einn,reichen. Leipzig, am 1. August 1883. De» Rath» der Stadt Leipzig Straßenbau-Deputatton. Bit Städtische Arbeitsnachweisungsanstalt und deren Malen betreffend. Durch da» freundliche Entgegenkommen der Herren Kaufleutr: E. Hohlseld, Ranstädter Steinweg 11, H. Unroh, Weststraße 17, Jnlin» Dachmann, Ritterstraße 27, Gebrüder Spillner, Winvmühlenstraße 30, Loni» Apttzsch, Ecke der Grimmaifchen Steinweg- unv der Querstraße, kk. O. Reichert, Neumarkl 42, Gedr. Kretschmar, Südplatz 11, und M. E. Harder, Nordstraße 65, sind wir seit Februar 1881 in den Stand gesetzt worden, neben der Mühlgaffe Rr. 7 im Hofe vefindlichen Eentralstelle unserer Arbeit-nachweisung-anstalt an den genannten Orten Annahmestellen für Arbeit-angebote zu er richten und haben sich die genannten Herren der damit ver bundenen Mühe und Arbeit bisher danken-werth unterzogen. An unsere Mitbürger richten wir aber wiederum die dringende Bitte, u»S durch recht auSgicbige Benutzung der von un- getroffenen Einrichtung in den Stand zu setzen, unsere schon früher ausgesprochene Ansicht, daß e» besser ist, dem Armen Arbeit, als Almosen zu geben, zur Thatsache zu machen. Leipzig, den 4. August 1883. Da» Armendlreetorinm. Ludwig-Wolf. Zschau. Erledigt bat sich unser« Bekanntmachung vom 3. diese« Monat-, den Maurer Friedrich Rohde au» Wcißenschirmbach betreffend. Leipzig, den 31. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. (Armenamt.) Luvwig - Wolf. Werner. Steckbrief. Gegen den unten beschriebenen Maschinenschlosser Nd«ls Enchanek, geboren am l8. Juni 1855 zu SKistcck (Mähren), welcher fluchtig ist, ist die Uiiieriungehast wegen Vergehens gegen A. 242 des Straf gesetzbücher verhängt. L« wird ersucht, denselben za verhafte» uvd ia das hiesige Gerichts-Gelängniß abzuliesern. Zeitz, den 2. August 1883. Kintgltche» Amt»gertcht 11. In Vertretung: Alt,. Beschreibung: Atter: 28 Jahre. Statur: ziemlich groß aad hager. Haare: schwarz. Bart: keinen. Augen: braun. Gesichts farbe: brünett, blühend. Sprach«: deutich. Kleidung: schwarzer Stoffrock und Hose, gelb-grauc Weste, Stiefeletten, schwarzer Hat. Nichtamtlicher Theil. Unsere Parteien. n. Da- Wesen der Fortschritt-Partei besteht in ein seitiger Ncbertrcibung de- Liberalismus Hat dieser überhaupt seinen Au-aanaSpunct von der theoretischen Erkenntniß des Staate« genommen, so ist di- Fortschritt-Partei einfach bei diesem Au-gang-punct stehen geblieben und behandelt ihre Lehrsätze ohne oder unter möglichst geringer Berücksichtigung der gegebenen tbatsächlichen Verhältnisse ohne Weitere» ai- prakltsche politische Forderungen. Unter ihren politischen Lehr- und Glaubcn-säbcn spielt eine Art CultuS der uidtvl- Vuellen Freiheit eine sehr hervorragende Rolle, und die oppo sitionelle Stellung, in welche die Liberalen Deutschland- lange Zeit verwiesen, hat bei keinem anderen Theile derselben so tiefe Nachwirkungen wie bei ihr hinterlaffen. DaS Charak teristische der Fortschritt-Partei liegt also in ihrer einseitigen Vorliebe für ihr theoretisch construirtcS Staat-ideal. Aber da» wenigsten» theoretische Anerkenntniß der Bedeutung, welche der Staat selbst für die volle Entwickelung de- Indi- viduuni» hat, unterscheidet die Fortschritt-Partei sehr zu ihrem Vortheil von der „BolkSpartei" oder den „reinen Demo kraten', welche außer ihrem Preußeuhaß. der zu einem guten Theil identisch ist mit der Abneigung gegen eine feste Staatsordnung, schwerlich einen klaren politischen Gedanken lm Kopf baden. Indem aber die Fortschrittspartei ihre Aus- gäbe barm findet, rücksichtslos ihre theoretischen Ucbcr- zeugungen zu vertreten und nicht» Andere» gelten zu lassen, muß sie unvermeiblich fortgesetzt in einen gewissen Wiocr- spruch mit dem realen Leben und dessen Forderungen und in Opposition gegen Diejenigen geratben, welche, wie jede Regierung, dieser Realität unter allen Umständen Rechnung tragen müssen. Die Fortschritt-Partei ist eine theoretische Seele in viel höherem Maße, al» e- je die ursprüngliche ungetrennte liberale Partei war; sie ist hinter der Entwickelung, welche der Liberalismus durch die Nalionallibcralcn erfahren hal, zurück geblieben. indem sie hartnäckig den Unterschied zwischen der Theorie und der Wirklichkeit ignorirte. Sie hat e» materiell versäumt, ihre Auffassung vom Staat auch nach der Seite zu prüfen, ob dieselbe nicht nur gedankenmäßig richtig, sonder» auch mit der gemeinen Wirklichkeit der Dinge verträglich fei, und ist so zu gar manchen Resul taten gelangt, welche, wenn man auch ihre Richtigkeit im System anerkennen wollte, doch im praktischen Leben unhaltbar sind. Ihre absolute Verehrung der persönlichen Freiheit bringt sie zwar in den principiell schärfsten Gegensatz zu den Socialdemokraten» macht sie aber auch im Vertrauen die vermeintlich alle- heilende Kraft dieser Freibeit blind gegen alle Mißbräuche. Sie will gewiß scharf« Ahndung aller Verbrechen, sie ist aber viel erfindungsreicher, um dem Schuldigen au» falschem Mitleid durchrubelfen, al- um ihn zur Strafe zu bringen. Sie will auch da-Reick stark unv mächtig in Waffen, aber daneben die Möglichkeit, die Heere-orgamsation jeden Tag in Frage zu stellen, und einen Samtz der Individualrechte, »eben weichem die militairische Di-cipiin schwerlich bestehen kann. Sie bekämpft die Ucbergrifse der Kirche, kann sich aber „um der Freiheit willen" zu wirksamer Unterdrückung derselben nicht entschließen und glaubt, in vollständiger Verkennung der organisirten Macht der Kirche, mit der inhaltsleeren Zaubcr- sormel: „Trennung von Staat und Kirche", alle Schwierig keiten überwinden zu können. Die grundsätzliche Scheidung zwischen der Fortschritts partei und den Nationalliberalen liegt besonder- in der Me thode der crsteren, welche jede Rücksichtnahme aus thatsächliche Hindernisse, zu denen auch die entgegensiehenden Ansichten Anderer gehören, al» Schwäche verpönt und den politischen Kamps wie eine wissenschaftliche Disputation oder eine lite rarische Fehde behandelt. Sie besteht im Parlament auf ihrem Princip, unbekümmert um die Folgen ihre» Verhalten». Zur Illustration mögen nur zwei Beispiele dienen: die Ab- lcbnung der Reich-Verfassung und die Ablehnung der Justiz gesetze. Hätte die Ablehnung durch die Fortschritt-Partei bin- gereicht, diese Gesetzgebung-Werke wirklich scheitern zu mache», so hätte sie damit der deutschen Nation gegenüber eine kaum zu sühnende Schuld auf sich geladen; deck» sie bffaß entfernt nicht die Mittel, an die Stelle de« Abgelehnten etwa» Andere- zu setzen. Durch da» Scheitern der Verfassung wäre die politische Constituirung unsere- Bolke-, die seit Generationen ersehnt und Dank den herr lichsten Thaten unter der Gunst de» Augenblick» möglich geworden war, in da- Ungewisse zurückaeworfen; durch die Ablehnung der Iuftizgesetze wäre da» junge Reich der be deutsamsten Institution für seine innere Festigung beraubt worden, und doch kann und wird die Fortschritt-Partei nicht leugnen, daß unsere Verfassung und unsere Iustizgesctze, soviel sie gegen dieselben einzuwenden haben mag, doch einen ganz unermeßlichen Fortschritt gegenüber dem früher Ge wesenen darstellen und dm nationalen Bedürfnissen jedenfalls eine sehr annehmbare Befriedigung gewähren. Ta- Bekcnnerthum der Fortschritt-Partei führt praktisch nothwendig zu unfruchtbarer Negation. Der praktische Politiker soll da» unter gegebenen Verhältnissen Zweckmäßige verwirklichen, und wmn er das wenigsten» relativ Gute ver hindert, weil es seiner Meinung nach nicht da- absolut Beste ist, trifft ihn die Verantwortung, wenn nicht- oder gar da- positiv Schlimme geschieht. Die Fortschritt-Partei verkennt diese einfache Wahrkcit und ist dadurch, ganz im Gegensatz zu ihrem Namen, hinter der allgemeinen politischen Bildung unsere» Volke- zurückgeblieben, welche- nicht mehr mit schönen Grundsätzen zusrieven ist» sondern zweckmäßige Handlungen verlangt. Di« Doctrin der Fortschritt-Partei — denn sie. aber auch nur sic, trifft der mit Unrecht auch gegen die anderen Liberalen erhobene Vorwurf, in unfruchtbarem DoctrinariSmuS besangen zu sein — ist übrigen» durchaus reich-sreunvlich. Man braucht z. B. nur di« ReichStag-verhandlungen über die Reich»- lande zu lesen, um sofort zu erkennen, wie vortheilhast in dieser Beziebung die Fortschritt-Partei von den Ultrainontanen sich unterscheidet, und um sich von der aufrichtigen Freude jener an der Größe und der Macht de» Vaterlandes zu über zeugen. Mebr aber al- gute Wünsche für da- Reich ist bei der Fortschritt-Partei kauin zu finden. Durch ihre Principien hielt sie sich genöthigt. die Versassung abzulehnen unv so iivnlich Alle» zu bekämpfen, wa» seither zum AnSbau de« RßicbcS unternommen wurde. Seit einigen Jahren tritt sic al- dirccte Gegnerin de» Reichskanzler« auf und hält sich vielleicht durch den Gedanken, durch Verwerfung aller seiner Vorschläge etwa- zu seinem Sturze beitragen zu können, noch mehr al« früher zu unbedingter Opposition berechtigt. Ja die Partei trug in ihrem rücksichtslosen Eifer kein Bedenken wiederholt mit den llltramontanen Hand in Hand zu geben u«d mit einer gewissen Vorliebe die schärfsten Waffen gegen die Nationallib-ralen zu kebren. Kann die tentt'cbe Fort schrittspartei nicht ander», al- den principiellen Slandpnnct bei allen Fragen vertreten, so sollte sie darum dock «ich- verkcnnm, daß da- nationallibcrale Programm inhaltlich ihren eigenen Forderungen verwandt ist, und daß jeder Schritt zur Verwirklichung derselben ein Entgegenkommen gegen ihre eigenen Wünsche enthält. Statt dessen liebt sie e>s. die vor handenen Parteigegensätze ohne praktischen Grund und Zweck zu schärfen, und indem sie zur Zerklüftung unserer ohnehin schon zu zahlreichen Parteien beiträgt und dann ivieder unler den geschiedenen die widernatürlichsten Bündnisse befördert, bindert sie die normale Entwickelung de- von ihr selbst so hoch gehaltenen constitutionellen System», welche- vor Allem Concentriruna der Parteien statt Zerspaltung derselben in eigenwilliger Verfolgung theoretischer Liebhabereien erheischt. So wenig fruchtbar die Fortschritt-Partei sich bisher er wiesen, al» bedenklich für da» Reich oder gar al» gefährlich kann sie nicht betrachtet werden. Sie war immer die schwächste Partei im Reichstage und außerhalb Preußen- immer nur sporadisch vertreten. Zudem ist der Anhang, den sic in nichtpreußischen Wahlkreisen gefunden, zum Theil etwa- schwankender Natur und zum Theil den particularistisch- dcmokralischcn Tendenzen der „Volk-Partei" verwandter als dem Fortschritt. Der gemäßigteren Hänel'schen Richtung zuneigcnde Bestrebungen bilden in dieser Beziehung allerdings ein heilsame» Gegengewicht. Immerhin aber beruht die Fortschritt-Partei auf einem in unseren Tagen mächtigen Princip, und sie könnte bei einer unglücklichen Leitung unserer inneren Reichs-Politik auch wieder zu größerer Bedeutung gelangen. Für jetzt bat sic eine solche nicht und ist jedenfalls mehr zu den hemmenden al» zu den fördernden Kräften unsere- Nationalstaates zu zählen. Leipzig, 5. August 1883. * E» ist begreiflich, daß die Frage der Inkraftsetzung de- Handelsvertrag» mit Spanien nicht von der Tagesordnung verschwindet. Für Alle, welche an der Aus führung diese» Vertrag« ein Interesse haben, muß die Ver zögerung derselben um so unangenehmer sein, al- sie aller Wahrscheinlichkeitsrechnung nach sehr lange dauern kan». Die Ursache der Verzögerung ist der Mangel der nach Artikel 11 der Reich-Verfassung erforderliche» Zustimmung de- Bunde-- rath- und Genehmigung de» Reich «lag». Angesicht« der augenblicklichen Lage der Vorarbeiten für die Hauptaufgaben der nächsten Reich-tag-session ist anzunrhmen, daß der Reichs tag in disscm Jahre nicht mehr, vielleicht erst im Februar be kommenden Jahre» berufen werden wird. Unter diesen Um ständen ist e« nur zu natürlich, wenn es in den Kreisen der an der Ausfuhr nach Spanien Belheiligten geradezu al- unerträglich empfunden wird, daß „lediglich um 'k-e- formalen Rechte» der parlamentarischen Körperschaften willen" ihnen die Vortheile de- neuen Vertrag- noch mindesten- ein Halbe- Jahr vorentbalten bleiben sollen. Nicht- desto weniger muß man den Andeutungen, welche von halbosficiöscr Seite über den zu findenden „AuSweg" gemacht werden, aufs Ent schiedenste entgegentreten. ES ist die Siede davon, die Zu stimmung de- BundeSratbS könne durch schriftliche Umfrage, die Genehmigung de- Rcick-tagS aber nachträglich eingeholt werden. Ob der Bunvesralh sich die vorgeschlagene Weise der Abstimmung gefallen lassen würde, ist seine Sache; die dem Reichstage zugedachte Stellung würde einfach einen Bruch der Verfassung bedeuten. Die Befürworter jenes Au-wege- ziehen selbstverständlich die verfassungsmäßige Nothwendigkeit der vorgängigen Genehmigung de» Reichstag» für die Gültigkeit de- in Rede stehenden Vertrags nickt in Zweifel, sie meinen nur, augesichl- der aus dem Spiele stehenden volttwirthschastlicken Interessen könne man einmal ein Auge zudrücken. Mit denselben Gründen aber ließe sich da- ganze Mitwirkung-recht der Volksvertretung an der Gesetzgebung lahmlegen. ES ist einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen der Reich-Verfassung und der preußischen Verfassung, daß jene die sogenannten Nothstcmd-verordnungen nach Artikel 63 der letzteren nickt kennt. Nie und unter keinen Umständen können im Reiche Recht-sähe „im Wege der Verordnung" eingcsührl werden, rS sei denn, daß der Reichstag für einen ganz bestimmten Fall seinen GesetzgebungSantheil ausdrücklich delegirt hätte. Von einer solchen Delegation kann aber im vorliegenden Falle keine Rede sein. Und wollte man selbst zugebcn, baß die Genehmigung de« Reichstag« gegenüber dem spanischen Handelsverträge eine bloße Formsrage sei — waS angesichts der Spritcontroverse kaum behauptet werden kann, — so würde e» sich hier doch um einen Präcedenzsall Handel», dem der Reichstag ein entschiedene« „principii» odstu^ ent gegenzusetzen verpflichtet wäre. Die Rcichörcgierung wacht aus- Eifersüchtigste über ihren und de- Kaiser» Rechten, wie sie in der Reick-Verfassung verbrieft sind; in den letzten Jahren baden sich die Regierung-Vertreter sogar gewöhnt, auf Angriffe gegen die Negierung-- und Kronrechte förmlich Jagd zu machen. Da wird man doch vom Reichstage nicht erwarten, daß er auf die Hütung seiner verfassungs mäßigen Reckte weniger Werth legen werde. Sehr bemerkenS- wrrth ist übrigen-, daß man bei den Plänen über einen Ausweg aus» Eifrigste daraus bedacht ist, die vorgängige Zustimmung de- HundeSrath» auf irgend eine Weise ficherzustcllen; nur über da- Recht de» Reichstag- meint man sich hinwegsetzen zu können. Für den Letzteren köünte solche Geringschätzung natürlich nur ein Sporn sei», desto fester aus seinem Recht zu bestehen. Wenn ein „AuSweg" gesunden werden muß, so ist unsere- Erachten- der einzig richtige eine schleunige Berufung de- Reichstags »ä koo. Dieser Au«weg wäre in gegenwärtiger Iahre-zeit unbequem für die Mitglieder de- Bunbe-rath- und »ock viel unbequemer für die Mitglieder de» Reichstags. Aber gegen über den Nachtbeile», welche im andern Falle entweder für wichtige wirthschastlicke Interessen oder für unser constitu- tionelleS Leben drohen, kann all' die- Ungemach nickt in die Waagschale fallen." — Wir lassen noch eine osficivse Aus lassung in dieser Angelegenbeit nachstehend folgen: Wie in den betheiligten Kreisen de- beimilchen Grwerb-lebenS, so Hst auch bei den verbündeten Regierungen die Forderung der unverzüglichen Inkraftsetzung des deuiich-spanilchen Handels vertrages al« eine berechtigte Anerkennung acsnnd.n. Denn eS ist, wie weniaftens äußerlich verlautet, von sLnimtlichcn Bundes- floate», Hamburg nicht ausgeschlossen, die Lrkltning des Ein- Verständnisse« mit einer derartigen Maßregel bereits eingeganqen. Unter dielen Umständen darf die Entscheidung in all rnäcbster Heit erwartet werden. Daß dabei die säst unüberwindliche» Schwierigkeiten, welche nach einer so langen Reichsiaqsseision eine Zlls.immenberlifung deS Reichstage«, namentlich in Bezug auf di« Beschlußfähigkeit desselben bieten würde, tm Interesse der Lach«, wie
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