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Polz in LelpM. « 8» LS-, tiaod»» — >««». 7:». n »o«»u »w > v»ry»o» lotNrao«»n und« 1».. »4-1».- 4 - 8«do«ll »eää»wptee itotoo-; I» N »14> See »(840 4«e kor» S»i a. l«r4 - r»»l tc»' »värün-. »o-8-dv»ll- dont» »w »veil von V > 8» «v-7or^ Silane in .io»t»' vom >o Srtm»>>> vvn >. „LIv, ^ — von l»»ck. „1», üoal«; »w >d Set»»d' . el> voerar»: A?2ll. Mittwoch dm 2K. April 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 26. April. Bon dem Inhalt der Unterredung dcS Kaisers mit dein Papste ist ;ur Stunde nicht da« Mindeste bekannt. War rausche SensalionSblätter und ausländische Zeitungen karübe. reröffrntlichen, verdient keine Erwähnung. Um so interessante, »l eS, zu beobachten, wie sich die Bedeutung jener unbeiauschtei. tmsiündlgen Zusammenkunft in ultramon lauen Köpfen malt. Für den „Monilcur de Rome", einem vatikanische» Platte, welche« seine Hauptaufgabe in der Betämpsuig des Dreibundes erblickt, stellt der Besuch des KaiierS bei dev Xlll ncht- anderes, als ein snmbolischeS Halten der päpst lichen Steigbügel durch den deutschen Kaiser aus dein Hohenzollerngeschlccht dar. Das weltliche Schwert habe sich vor dem geistlichen gesenkt — waS taS vaticanische Lrgan mit te» Worten ausdrückt, der Besuch zeige die Ucberiegenheit der moralischen (Gewalt über die materielle, des religiösen PrincipS über daS StaatSprincip, der Tiara über das Sceptcr. Der jesuitische Publieist, der diesen Hiltebrandschen Erfolg verzeichnen zu dürfen glaubt, vergißt babei nicht, daß Lildeim II. der protestantische Beherrscher eines überwiegend protestantischen Reiches ist. Im Gcgentheil, er weist aus triicklich daraufhin. Aber der Trinnipb dcS römischen Bischofs icheint ihm dadurch noch größer, ins Ungemcssenc gewachsen: ter deutsche Kaiser bat eingcseden, daß seine Autorität durch tie Verehrung der Autorität des Papstes nur gewann. Und deshalb hat das „Oberhaupt der lutherischen Kirche" im Papste das oberste Haupt der ganzen Ehristenheil aner kannt und sich im Jungbrunnen des PapstthuuiS gebadet. Die 'Belohnung wird nicht ausblcibcn, Leun, so fährt die Stimme aus dem Vatican fort, der Kaiser darf getrost sein, wer mit tem Papst verhandelt, steht einer Instanz gegenüber, der cS nicht an Macht fehlt, ihren Wille» durchzusctzen: „Wenn' der Papst befiehlt, bleibt dem Klcru« und den ge- lammten Katholiken nicht Anderes übrig, als zu gehorchen, und zwar äußerlich und mit dem Herzen." Mau sicht, »ach >esuitischer Auffassung tragen die deutschen Kaiser von dkule das in einem, durch römische Zettelungen heraus- beschworenen Kampfe erstandene Reich ebenso zu Lehen, wie tie Kaiser des heiligen römischen Reiches, deren erstem ein Papst die Krone aufs Haupt seylc. Ein deutsches Herz wird nicht schwanken, wa» kränkender, und ein deutscher Kopf nicht zweifeln, was dem Vaterland gefährlicher ist: die Ucder- debung Rom-, die sich in den ersten Worten dcS päpstlichen VlattcS auSspricht, oder die gönnerhafte» Zusicherungen, die eS folgen läßt. DaS Kränkendste und Gefährlichste aber dünkt uns, daß daS Thun und Lasse» der Träger der deutschen ReichSgcwalt jener frechen Sprache einen Schein von Be rechtigung verleiht. Tic — nicht hochtönenden, aber festen LZorle — mit denen dereinst Wilhelm I. den Anspruch des Papstes aus die Seelen der gesammlen Ehristenheil zurückwicS, lohnten und dursten in Rom vergessen werden, seitdem tie deutschen Machthaber begonnen, einen maßgebende» Einfluß derBertreter dcS katbolischen WcltinachtSgcbankenS auf die inncr- Kulschen Geschicke nicht nur nickt zu bekämpfen, sondern geradezu ;»fördern. Eine Regierung, die, von Anderem abgesehen, einen BiSmarck verunglimpft und einen Windthorst verherrlicht, darf sich nicht wundern, wenn man ihr in Rom das Be- slrsbcn zurraut, im Papstlhum ibre stärkste Stütze zu suchen. Tie Auszeichnung LebochowSki'S hat dieser Auffassung selbst bei den nüchterneren deutschen Ultramontaucn Vorschub geleistet, wie aus der bekannten Meldung der klerikalen „Köln. BolkSztg." hervorgeht, der Kaiser habe sick der Ver zeihung des wegen Verletzung der Gesetze bestraften Polen versichert. Dem Gerücht von einer solchen monarchischen und nationalen Selbftentäußcrung wird selbstverständlich kein Glaube geschenkt, aber daß es auf deutschem Boden auS- geslreul werten konnte, besagt mehr als genug und läßt zur Wahrung der Autorität de- Staates als geboten erscheinen, daß der „ReichSaozeigcr" — mit den „Hamb. Nachr." zu reden — „seines Dienstes als Berichtigungsorgan waltet." Herr Ahlwardt hat gestern im Reichstage an seinem Lügennetzc weiter gewoben. Wir haben uns »nt dieser Per- önlichkcit bei ihrem ersten Auftreic» in der deutschen VoltS- eertretung abtzesunte» und beschränke» u»S beule auf die Feststellung, daß der verleumderische Hehler eines Documcnten- riebeö Nichts vorzubringen wußte, waS ein unlauteres Gebühren in der Verwaltung des Reichs und des Staates anch nur im Entfernteste» zu erweisen vermöchte. Ein Wort der Abwehr zu verlieren gegen die Beschuldigungen, vie verehrte Männer aus diesem Munde erfahren haben, hieße ihnen zu nahe treten. Der Kotb, mit welchem der Verleumder um sich wirft, reicht nicht an ibre Stieselsohlcn. Wie Herr Ahlwardt und seine „ReltungStbatrn" beschaffen sind, zeigt der Sitzungsbericht. Jeder kinzugetbane Strich würde daS Bild des Mannes und seines „Materials" ver wischen. Wir baden nur len Wunsch, daß die schändende Thalsache, daß eine Persönlichkeit wie diese im Reichstage auflretcn darf, dem deulschcn Volke zur Läuterung dienen möge. Nach einer Meldung aus dem Batican ist der Papst eifrig mit einem „Rundschreiben an die Arbeiter des ganzen Erdkreises" beschäftigt, das die bevorstehende „Weltseicr" am t. Mai behandeln soll. DaS Schriftstück soll sebr umfangreich sein und an« ersten in den Monat Mai fallenden Sonntag veröffentlicht werden Ta dieser Sonntag auf den 7. Mai fällt, so scheint taS Rundschreiben aus eine unmittelbare Wirkung gegenüber den Arbeitern bei diesem Anlasse verzichten ;u wollen, ausgenommen allenfalls an den Stellen, wo die Feier eben a»f den erste» Sonntag des FriihlingsmonatS anberaumt ist. Auch in diesen Fällen aber wird die Arbeit für einen praktischen Erfolg zu spät kommen. Es wurde schon gemeldet, daß in Belgien aus den VcrsassungSwirrcn ein Lohnstreik hervorgegangen sei und daß in Folge dessen in einzelnen Theilen des Landes die Unruhen noch kein Ende genommen hätten. In MonS wurde die Fortsetzung des AuSslandeö »i allen Ortschaften de« Borinage beschlossen. Die Lage oerschlimmerl sich dort zusehends und das Elend untcr de» Arbeitern wächst täglich. Die Streikenden durchziehen die Gegend in drohender Haltung, die Behörden haben niilitairischc Hilfe reqnirirt. Nack einer anderen Meldung wurde in der gestrigen Versammlung des Zndustrie-ArbcitSrathcS im Borinage zwischen den Arbeitgebern und den Bergarbeitern eine Einigung nicht erzielt. An scheinend haben die Anarchisten ihre Hand im Spiele, da die Brüsseler Polizei eifrig auf den italienischen Anarchisten Eipriani. der neuerdings wiederholt in Belgien ausgetaucht ist, fahndet und dessen Verhaftung als bevorstehend ankündigt. — In Gent hat der Gemeinkerath fast einstimmig, eine bedeutende Summe bewilligt, um den Polizeiagenten, welche während der Unruhen so energisch Leben und Eigen- Ibum der Bürger beschützt haben, eine Bcrgütung zukommen zu lassen. Gestern sind in Frankreich die ParlamentSscrien zu Ende gegangen unb eS muß sich nun bald zeigen, ob daS neue Eabiuet jDupuy im Stande ist, seine Zusage, zwischen Senat und Kammer eine Verständigung über den Staatsvoranschlag berbeizusührcn, einzulvsen. Zunächst ist an daS Ministerium die Ausgabe bcrangetreten, die T urpin - Angelegenheit parlamentarisch zu erledige». Diese Angelegenheit berührt taS jetzige Eabinet eigciitlich nicht, sondern ganz andere Leute, vor Allem Herrn de Freycinet der sich denn auch zu einer eingehenden Rechtfertigung gerüstet haben soll. Erst wenn diese Sache abgethan ist, kommt die Budgetangclegenheit an die Reihe. Die Erledigung dieser Frage hat in der gestrigen ersten Sitzung der Deputirten- kammer stattgefundcn. DerDepulirtc Magnier intcrpellirte die Regierung über die Begnadigung Turpin'S. Er ver langte, baß man aus die von der Presse vorgcbrachlen An- chultigungen gegen gewisse Angcbörige ter Armee oingebe. Ter Juslizminister erwiderte, Turpin'S Begnadigung bedeute durchaus nicht eia Eingeständniß ieiner Schuldlosigkeit. Er, der Minister, habe nach aufmerkjainer Prüsung der Acten die Ueder- zeugung gewonnen, daß Turpin, wenn er auch eine Bestrafung verdient, Loch durch eine Hast iw» 21 Monate» seine Schuld ge- lühnt habe. Das Eintreten der Presse sür Turpin habe ans besten Begnadigung gar keinen Einfluß ausgcübt. — Ter liriegsminlster General Loijillon führte aus, die Haltung der Militairbehördc sei durchaus correct gewesen und nichls rechtfertige die gegen dieselbe gerichteten Angriffe. jBeisall.) Seine erste Pflicht sei es, alle Bcamle» und Lsfieiere des ttriegsminisieriums, die in diese An gelegenheit hineingezogen worden seien, mit ieiner Person zu decken. (Bestall.) — DSsal bemerkte, die Berurlheiiung Turpin'S sei un- gerecht gewesen. «Lebhafter Widerspruch.) — Freycinet erklärte, er wolle die Anwendung, welche die Regierung von dem Begnadi gungsrecht gemacht habe, nicht krilisiren. Er danke dem Ilrieas- minister für die Rückkaltlosigkeit, mit welcher dieser für die Handlungen des Itriegs. Departements unter der Leitung seines Amtsvorgängers eingetrelen sei, aber er möchte diese Angelegenheit, welche in der lctzle» Zeit sehr verdunkelt worden sei, aulklären. Das Kriegsuiinstieriui» habe das Recht, die Erfin dung Turpin'S auszuniitzen, aus 6 Monate sür 2SOOOO Francs erworben. Turpin habe daraufhin verlangt. Laß die Regierung seine Patente als Monopol ankausen möge. Tie Unterhandlungen hätten zu keinem Reiultat geführt, weil Turpin ä Millionen dasiir ge- fordert Hab«. Turpin habe sich dann an Deutschland gewandl, welches sein Angebot ebensalls abgelchnt hätte. Turpin halte Unrecht daran gclha», zu behauplen. Pikrinsäure wäre mit dem Melinit identstch, und den zweiten Fehler habe er dadurch begangen, Laß er sich Maschinen und Pläne zu Nutze gemacht habe, weiche dein Äriegsininisterium gestohlen worden icieii. Turpin sei einzig und allein wegen seines Buches über das Melinit vrrurtheilt wviden. Turm» habe der Wissenschaft Dienste geleistet und könne ihr auch ferner solche leisten, dies rechtscrtige seine Begnadigung; aber die« unkluge Verhallen seiner Freunde ließe bedauern, daß man ihn be- gnadigl habe. Generale seien beschuidigl ivordcn, welche gerade eine sehr lvbeuswcrlhc Wachsamkeit gezeigt hülle». So bedauerlich der artige Vorkommnisse seien, so hatte» sic doch keine »achlheiligen Folgen sür die nationale Wehrkraft gehabt. Man müsse die Fabel zerstöre», welche ans Tnrpi» einen au» Slaatsgrllnde» verurlheilte» Mann mache. (Beifall.) Hiermit war der Zwischenjall erledigt. Dem russischen Minister beS Acußeren, Herrn v. Giers, ist während seines Aufenthaltes in Wien eine ungewöhnliche Auszeichnung wikcrsahrcn: Kaiser Franz Joseph hat ist.» in seinem Hotel einen viertelstündigen Besuch abgcstattct. Der leitende Zustand des Herrn von Gierü verhindert ihn, sich größerer Anstrengungen zu unterziehen und dem Lsier reichischcn Monarchen in der Hofburg seine Aufwartung zu macken. Der russische Botschafter Fürst Lobanow erhielt jedoch den Auftrag, seinem Ebcf den Besuch des Kaisers an zumelden. Der Besuch ist nicht blos der Ausfluß menschlicher Tbeilnahmc und geseUschastlichcrHöfftchkcit, sondern auch die An erkcnnung für tie maßvolle Politik des Herrn von GicrS, der als Bcraiher seine» Herrscher« stcls sür die Erhaltung dcS Frieden» eingetrelen ist und durch seine nüchterne Besonnenheit daS Wirken jener Staatsmänner unterstützt bat, die daS Bewußsein leitete, daß eS sür Europa kein höheres Interesse gebe, als die Beseitigung jeder Kriegsgefahr. Herr v. GicrS hat sich durch seine» Eharakter das Vertraue» ter Fürsten und EabincUe erworben; selbst i» den stürmischen Momenten, wo die Spannung unerträglich schien, in Kronstadt die Marseillaise gespielt wurde und die nationalen Leidenschaften ausschänmten, hat er seine kühle Aus sassung bewahrt und Rußland davor behütet, daS Werkzeug der französischen Revanche zu werken. Damals träumten die Franzosen davon, daß die gepriesene Allianz der Herzen und der Geister sich in einen geschriebenen Bündnißvertrag verwandeln und die russische Macht in den Dienst der Boulevard-Politik stellen werde. Es ist niemals mit voller Sicherheit bekannt geworden, welche Verpflichtungen Rußland übernommen bat, aber noch liegt kein zwingender Grund mr die Annahme vor. daß der Zar seine Freiheit zu bandeln vollständig verloren habe. In Rußland entscheidet der Wille des Zaren, aber die Thatsachc war dennoch nicht bedeuluiigSloS, daß Herr v. Giers die friedlichen Neigungen des Kaiser» tbcilte und sich weder von Baron Mvhrcnheim in den Strudel deS französischen EbauviniSmuS bincin- drängen noch vom Grasen Ignaliew zum blinden Haß gegen Oesterreich sortreißc» ließ. Der Besuch des Kaisers von Oesterreich ist der Dank für eine ruhige Politik, welche jedes Extrem scheut. In diesem Sinne bcurlbeilcn tie tonangeben den Wiener Blätter den Besuch und insbesondere die „Neue Freie Presse" betont, der Kaiser, ter erst jüngst den Fürsten Ferdinand und Herrn Stambulow empsangcn, habe durch lein Entgegenkommen offen bekunden wolle», daß die öster reichische Orientpolitik, die jeden Gedanten an Läntcrerwerb weit von sick weist, nicht die geringste Feindseligkeit egen Rußland in sich schließe. Der Besuch werde die versöhnliche Stimmung beseitigen, er sei auch ein freundlicher Gruß a» den Zaren. Der BundeS-Senat der Bereinigten Staaten von Nordamerika hat in der Hauptsache seine Arbeiten de endet und wird seine Extra-Session sehr bald, wahrscheinlich schon in diesen Tagen, schließen. Die meisten diplomatischen Posten sind bereit» besetzt, die scklenden Ernennungen können nachträglich dem Senat zur Bestätigung vorgelcgt werden. Bei den localen Ernennungen hat der Präsident weniger freie Hand, als bei den sür tie auswärtigen Stellen, da er dem Herkommen gemäß dabei die Eongrcß-Mit- glicdcr seiner Partei und die Parteiführer der betreffenden Legalitäten zu Ratbe ziehen muß; sollen doch diese Stellen vorzugsweise zur Beloknung von Verdiensten um die Partei dienen. Nock keinem Präsidenten ist eS bisher gelungen, sich von diesem Gebrauch zu cmancipiren, da er die AmlSbewerber in den meisten Fällen nickt kennt und keine Gelegenheit hat, sich vorher von ihrem Eharakter und ihren Fähigkeiten zu überzeugen. Eine der Ernennungen Präsident Cleveland s, die allgemeine Billigung gefunden hat, ist die des gewesene» Richter» William Lochren von Minnesota zum P e n s i o n S - E o m m i s s a r. Ter Präsident hat sich geraume Zeit genommen, einen Nachfolger sür den an rüchige» bisherigen Inhaber deS Anne«, Green B. Raum, zu finken. Der neue PensiönS-Eommissar bat sich während deS Kriege» als Soldat bervorgethan und später in seinem Heimalhslaat hohe RichlerstcUc» bekleidet. Obwohl ein Demokrat seine» Sympathien »ach, ist er doch so wenig Partcimann, daß ibn zuerst ein republikanischer Gouverneur zum Richter ernannte und ihm ein repnblikanischcr Tistrict weilcrc Ehren dieser Art erwies. Rock unlängst bat die Legislatur seine« Hcimalbslaates, die eine republikanische Melirbcit besitzt, einstimmig eine Resolution aiigcnvminen, in welcher er eindringlich sür den ihm jetzt übertragenen Posten cmpsoblen wurde. Es ist zu bvffc», daß der neue Eonimiffar die Ansicht von der Rotbwendigkcit einer gründ lichen Reinigung der Pensionslisten von allem in denselben angebäusten Schwindel und Betrug tbcilt. Weniger be friedigt spreche» sick, wie schon gemeldet, selbst tonangebende demokratische Blätter über die Ernennung des srüberen Eongreß Mitgliedes Stump von Maryland zum Ein wanderungs-Superintendenten a»S; war doch Stump einer der liauptsäcklichsten Befürworter des nativistischcn Einwanderuiigö-BeschränkungSgesetzeS, da» von Präsident Harrison noch kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amte geuebmigt wurde. Besonders in der deutsch amerikanischen Presse, sowohl der republikanischen wie der demokratische», werben Stimmen laut, welche gegen die Erncnnung dieses Vertreters dcS KnownolkinglbuniS protcsttrcn. AuS den wäbrcnd der letzten Tage in mehreren Staaten abgehaltenen Wahlen dürste» sich nur schwer Schlüsse ziehen lassen, cd l»«o«»pk. FsniHetsn. Lady Sibylle. Roman von C. Schroeder. Nachdruck »erdeten. S! (Fortsetzung.) .1. Capitel. Sobald Waldstedt erkannt batte, um WaS eS sich handelte, war er aufgesprungen und an seinem Felsen wieder hinunter- gestiegen. Jetzt stand er dicht vor „Tante Sibylle", daS beißt vor einer stolz- und hochgewachsenen jungen Dame, die es vielleicht verdiente, in jedem Zuge ihre« feingemeißclten Antlitzes sehr schön genannt zu werde», die er aber vorder hand nur vornehm nennen konnte — fatal vornehni — herausfordernd vornehm. Sie hielt den Kops nicht in den Nacken gebogen, sie maß ihn nicht vom Wirbel bis zur Zehe unter halbgescnktcn Lidern hervor, sic sah ihm voll und gerade ins Gesicht mit einen, Blick, au« dem ein minder Scharfsichtiger vielleicht nur ruhige Erwartung berauSgelesen batte, den er sich aber kurzweg ührrsetzte: „Und wer sind Sie, der Sie sich unterfangen —" Er batte zehn Jahre in Amerika gelebt, ein Republikaner unter Republikanern, und wenn er eine Marotte lächerlich sand, so war eS die AdelSmarotte. Im gegenwärtigen Fall nun schien sie ihm doppelt lächerlich, weil sie so jämmerlich barmonirte mit einem schlechten und schlechtsitzenden — er batte ein Auge sür diese Dinge — blaugrauen Kattunsähnchen. „Wehmuth, Dein Name ist Kattun", dachte er mit Heinrich Heine. „Ich möchte einen Eid daraus oblegen, daß ihr Abu im Jahre lv«6 mit Wilhelm dem Eroberer in das Land ge kommen ist und daß die Erinnerung an diese herrliche Tbat- fache jetzt den ganzen Reichlbum der Familie au-macht!" Laut sagte er: „Mein Fräulein, ich habe von da oben" — er deutete in die Richtung de« Ginsterbusche« — „Ihre Ver legenheit bemerkt und beeile mich nun. Sie aus den Zickzackpsad dort aufmerksam zu machen. Er ist nicht sehr bequem, aber einem stundenlangen Warten doch vielleicht vorzuziehen." Der Ausdruck der Unnahbarkeit in den Zügen der jungen Dame war einem Ausdruck grübelnden Staunens gewichen. „Mit wem in der Welt hat er Acbnlichkcil?" schien ibr Auge jetzt zu fragen. Aus Waldstedt s Worte entgegnet« sie in etwas reservirtei» Tone, aber doch mit einem Lächeln: „Nicht sehr dequem. Halsbrechend scheint er mir — ein Pfad für Matrosen und Seiltänzer." „Der Schein trügt", erwiderte er, „ick habe ihn im steilsten Theile erprobt und kann ihn als vollständig sicher empfehlen." „Auch sür Kinder?" Da« reizende blonde Kleeblatt hatte still und stumm daaestanden und den Fremden betrachtet, anfangs, wie dieser zu seiner Belustigung wabrgenommen, mit mehr vor nehmem Mißtrauen wie kindlicher Scheu. Jetzt schien es ge wonnen für den Mann und für seinen Vorschlag, wenigstens ries Dolly: „Tante Sibylle, wir werden nicht fallen — ganz ge wiß nicht!" Die Dame ließ den Blick schaudernd an der jähen Wand emporklimmcn. „Dolly, ich wage eS nicht!" murmelte sie. „Sind Sie selber nicht schwindelfrei, mein Fräulein?" fragte Waldstedt. „Es handelt sich nickt um mich, sondern um die Kinder. Wenn Einem von den Dreien etwa« zustieße — Nein, nein, mein Herr, es ist besser, wir warten!" „Bis zum Dunkelwerden?" „Wenn eS sein muß." „Wie Sie wünsche», mein Fräulein! Er wandte sich mit einer Verbeugung zum Geben. DaS Kleeblatt erhob ein leise« Webklagen hinter seinem Rücken. Willy und Dolly meinten, sie würden ja nun und nimmer so dumm sein, sich den Hals zu brechen. Baby schluchzte, bis zum Dunkelwerden sei sie sicherlich verhungert. Waldstedt war eben am Fuße der Felsen angelangt, da stand die junge Dame plötzlich wieder neben ihm. „Hat e« wirklich keine Gefahr?" fragte sie. „Wirklich nickt", antwortete er dem tiefernsten Blick ihrer grauen Augen ruhig begegnend . Sie zögerte noch einen Moment, dann winkte sie die Kinder heran. „Es ist eine so schwere Verantwortung", murmelte sie. „Wenn Sie eS wünschen, so werde ich mir ein Vergnügen daraus machen, die kleinen Damen eine nach der anderen hinauszutraaen", schlug er vor. Ihr Gesicht nahm seinen allervornebnistcn Ausdruck an. „Dreimal an der fürchterlichen Wand hinaus und hinunter?" rief sie au«. „Mein Herr, ich boffe. Sie trauen mir nickt zu, daß ich Ihre Güte in solcher Weise mißbrauchen würde?" „Sie überschätzen daS Wagestück und die Milbe", enl- geqnete er lächelnd, ,>iber wie Sic wollen. Ich nehme also uni Ihrer Erlaubniß da« kleinste Fräulein aus den Arm, das zweite an die Hand —" Dolly beeilte sich, ibr Psölchcn darznreichcn, Baby ver steckte sich dunkelcrrötbrnd binter Tante Sibylle. „Das Kind wird Ihnen nicht lästig fallen ?" sragte diese. „Durchaus nicht", antwortete er. „Geh, Baby", mahnte sic. Baby schüttelte ibr glübendeS Köpfchen in schüchterner Verneinung, Dolly streckte verlangend die Arme empor. „Du bist viel schwerer!" ries Milly. „Nur ein paar Pfund", erklärte Dolly. „Auf ein paar Pfund mehr oder weniger kommt cS mir nicht an", versicherte Waldstedt und hob sie lachend empor. Dann faßte er Milly's Hand, diese griff rückwärt« nach der Rechten de« Schwesterchen», das sich niit der Linken ängstlich an die Tante klammerte. So ging eS im Gänsemarsch, ebne zu straucheln, den Berg hinan. Dolly hielt den Blick unausgesetzt aus Waldstedt s stolze- Profil gerichtet. Er gefiel ibr mit jedem Augenblicke besser, man sah eS ihr an. Aus halbem Wege hob sie leise die Hand und streichelte ihm versuchsweise ein bi-cben die Haare. Wie er lächelte, lächelte sie auch Oben anaelangt, beugte sie sich unversehens vor und berührte mit ihren Rosenblaltlippen seine Wange, dann aber ward sic glühend rotb und machte, daß sie ihm vom Arm kam. Spott und Gekicher der Schwestern empfing sie, aber sie schüttelte trotzig ihre goldene Mähne und grollte: „Ibr seid dumm, und ick mag ibn gern leiden!" Man stand jetzt am Rande einer von Dornhecken ein- gesaßten Bergwicsc, aus der zwischen goldgelben Ginstcrbüschen Schafe weiteten. Das, was man eben vollbracht hatte, sah sich von hier an wie ein Ceiltänzerslückchen. Die Höhe der Felseninaucr schien verdoppelt, der Pfad, den man hinan- geklomiiic», kaum handbreit. Das Fräulein wandte sich schaudernd von dem Anblicke und ries halb im Vorwurf, halb in Bewunderung: „Sie sind ein kühner Mann, mein Herr, daß Sic so ruhig sagen konnten: ,Es hal keine Gefabrft" „Es Halle in Wabrkcil keine", entgegnctc er, „da wir die Kinder an der Hand führten und da ich mich aus Sie, mein Fräulein, so gut verlassen konnte wie aus mich selber." „Sic halten mich doch nicht sür muthig?! Mein Herr, ich habe gebebt und gezittert und nicht nur für der Kinder Leben, sondern auch siir mein eigenes!" „Mag sein. Gestürzt wären Sic trotz alledem nickt." „Aber wie könne» «ie so fest davon überzeugt sein?" „Mein Fräulein —" „Nun?" „Jetzt fordern Sie meine Kühnheit heraus!" -„Reden Sie immerhin!" „Nun denn, mein Fräulein, Cie sind stolz — sebr stolz —" Der Blick, mit dem sie den wildfremden Menschen ansab, der eS wagte, ibr ihre Ebaraklereigenschasle» oo» der Stirn zu lesen, gab ibin recht und gab ibm zugleich innerlich zu lacken. DeS anderen Blicke« eingedenk, mit dem sie ihn vorhin empfangen batte, ^ubr er boshaft zu schnicichcl» fort: „Mit diesem Stolze, da« wußte ich, hatte ich von ihrer Seite nicht« zu besorgen. Sie führten durch, waS Sie ein mal unternoinme» batte». Sie begingen nun und nimmer mehr die Lächerlichkeit, einen Schwindelansall zu bekommen." Sie sah ibn argwöhnisch von der Seile an. „DaS klingt ja fast, als ob Sie den Stolz an sich für eine Lächerlichkeit hielten", bemerkte sic in kaltem Tone. „Den Stolz an sich? Warum nickt gar?" ries er au«. „Ich halte ibn sür die Ouelle der meisten edlen Eigenschaften und kann ibn nirgend« lächerlich sinken, als höchsten« in seinem sratzenbasten Herrbilde, dem Hochniuth." Er biß sich zu spät aus die Lippe» Es passirte ihm trotz seiner dreiundkreißig Jahre noch mitunter, daß er knabenhaft