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Die höchstpersönliche Wichtiglhuerei des Herrn Richter machte sich noch einmal in einem die Finanzen be treffenden Antrag geltend, der aber — unter ausdrücklicher Zustimmung oeS Abg. Ör. Lieber — zurückgestellt wurde, nachdem die Abgg. ör. v. Bennigsen und vr. Buhl die Richter'sche Aufstellung als höchst ungewöhnlich, unver ständlich und in jeder einzelnen Ziffer anfechtbar gekenn zeichnet batten. Herr Bebel war der Meinung, daß der Antrag Richter vorwiegend gestellt sei, um bei etwaiger Auflösung de« Reichstags vor dem Lande die Ablehnung der Mililairvorlaze zu rechtfertigen. Der stiiuiiiuiigS- kundige Socialdemokrat ist also auch der Meinung, daß die deutschsreisinnigen Wähler nicht grundsätzliche Gegner der Vorlage seien. Bei der eigentlichen Bcrarhung stellte sich heraus, daß Graf Caprivi noch immer nicht Farbe zu bekennen gewillt ist. Er verschanzte sich gegenüber dem Antrag de« Abg. v. Bennigsen auf gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit filr die Dauer de« vorliegenden Gesetzes hinter die verbündeten Regierungen, welche erst Stellung nehmen können, wenn angenommene Anträge vorlägen, — ein Standpunkt, den Fürst BiSmarck wiederholt Initiativanträgen des Reichstage« gegenüber eingenommen hat, niemals aber bei Compromißvvrfcklägen zu Regierungs vorlagen. Als ob Erklärungen der Regierung nicht von Einfluß auf die Annabme oder Nichtannabmc von Anträgen durch die Conservativen und die Reichspartei wären! Tie Bebauptung des Reichskanzlers, daß nach dem Re- gjerungscntwurs jede VorwaltungSwillkür ausgeschlossen sei, ist selbstverständlich falsch und widerlegt sich von selbst durch die Bemerkungen seines CommiffarS Generalmajors v. Goßler, daß auf den dritten Jahrgang (Disposition-Urlauber) großer Wertb gelegt werde und baß mau in gespannten politischen Zeilen die Leute bei der Fahne müsse behalten können. Mit dem letzteren Argumente könnte man aber die Präsenzbaltung der ganzen jetzigen Reserve al« Rothwendigkeit dcnionstrire». Ta übrigens Generalmajor von Goßler erklärte, daß man den Ausdruck „Voraussetzung" durch einen anderen ersetzen kenne, so darf die Bereitwilligkeit, die gesetzliche Festlegung einzu- räumen, als vorhanden angesehen werden. Der Einwand tcS Generals, daß die gesetzliche Fixirung e- einzelne» Parteien un möglich mache, auf die Vorlage einzugeben, haben wir am Montag vorweggenommen, soweit eS sich um eine ver sasl'ung«gesetzl,chc Festlegung handelt. Der befristeten Ein sübrung durch einfache« Gesetz werden die Conservativen nickt widerstreben. Aus der anderen Seite erklärte der Abgeordnete Rickerl, daß er keinen großen Werth darauf lege, ob die Fest legung durch Verfassungsänderung oder gesetzlich erfolge. Nur machte er, der von Herrn Richter auSaegebencn Parole ent sprechend, geltend, der Antrag Bennigsen sei „fast" gleich lautend mit dem „Aeternat" und deshalb für ihn unannehm har. Herr v. Bennigsen trat dieser Richtcr'schen Spitzfindigkeit entschieden entgegen und nach Lage der Dinge ist ja auch für absehbare Zeit in Deutschland nichts sicherer ausgeschlossen, als ein Antrag der Regierung auf Herabsetzung der Friedens stärke. Ohne Herabsetzung bleibt aber dein Bennigsen'schen Antrag zufolge die rweftahrige Dienstzeit auch »ach Ablauf des in Bcrathung stehenden Gesetzes in -kraft. Der bekannte italienische Franzosensreund und Deutschen hasser Bong hi bat in einer Unterredung mit einem fran zösischen Journalisten dem Dreibünde das Leben abgesprochen. Das that er nicht zum ersten Male und es wäre nickt der Mühe Werth, die Sache zu erwähnen, wenn Herr Bongbi nickt mit Genuglhuung daraus hingewiesen hätte, daß der Papst den Dreibund nickt will und bekämpft. Auch diese Thatsache ist nicht neu, neu ist nur die Genuglhuung deS Radicalen über die päpstliche Politik. Er gleickt fast dem Manne, der sein HauS anzünden möchte, uni die Mäuse zu vertreiben. Daß die Curie allezeit, mögen dort die Jeluiten Ober wasser gehabt haben oder nickt, zu einem kräftigen deutschen Slaatöwcsen scheel sah, wisse» wir in Deutschland und sind eS seit achthundert Jahren gewöhnt, aber die Untcrminirung des Dreibunds, wie sie jetzt vom Vatican aus betrieben wird, hat doch vor Allem die Sprengung der italienischen Ein heit zuni Zwecke. Der Kampf gilt dem Dreibund als einem Hinderniß, den Kirchenstaat wieder aufzurichten, und nicht klerikale Italiener spielen ein gefährliches Spiel, wenn sie, aus Neigung für das republikanische Frankreich, Italien von den mitteleuropäischen Mächten zu trennen such:». Hat doch die vorletzte Republik gerate so Truppen zur Ver- hindcrung der italienischen Einigung im Kirchenstaat stehen gehabt, wie das napoleoiiischc Kaiserreich. Indessen, das geht mehr die Italiener an, als Deutschland. Nach dem Grund sätze, daß man vom Feinde lernen muß, können aber auch wir BeachtenSwertheS in den Aeußerungen des Herrn Bonghi finden. Er spricht von „diesem fieberhaften Dreibund", und leider ist es wahr, daß unter dem neuen EurS unsere Bünd nisse von maßgebenden Persönlichkeiten viel mehr „erörtert" werden, als gegenüber einem aus Jahre hinaus gesicherte» Besitze geboten und den Beziehungen der verbündeten Nationen dienlich ist. Es ist nicht gut, wenn um innerer Stimi»ungSmack:rei willen frstgegrüntele Schöpfungen als schwankend bezeichnet werden; man findet daS „fieberhaft" und der Firberzustand ist ein Factor, mit dem kühle Politiker nickt rechnen mögen. Tic italienische Nation ist außer Stande, dem Grasen Caprivi Herz und Nieren zu prüfen — sie würde sonst finden. Laß er über den Dreibund denkt, wie sein Vorgänger —, darum wäre eS besser gewesen, wenn der Reichskanzler in seiner „großen" CommissionSrede nicht etwas gesagt hätte, was seinem Herzen fremd war. Man hätte dann dem italienische» Botschafter keine Erklärung geben müssen, und die Dreibunds-Interpellation im italienischen Parlament wäre unterblieben. Wer seinen Mund im Zaume hält, ist weise, sagt König Salomo. Die zwei einzigen bedeutenden Staatsmänner Frank reichS, welche sich während der ganzen gegenwärtigen Krisis fast gänzlich im Hintergründe gehalten haben, sind Co »ft an« und JuleS Ferry. Der Letztere hat nun in diesen Tagen mit einer Programmredc, die er in der ^üsociulivn röpudlieLine- gehalten hat, plötzlich seine bisherige Re serve aufgegeben. Der ehemalige Minister-Präsident ent wickelte in der gestrige» Versammlung das Reform programm der republikanischen Partei im Hinblick auf die nächsten Wahlen und bezeicknete jene Puncte der Verfassung, welche nach seiner Ansicht revidirt werten sollten. JuleS Ferry wünscht nicht eine allgemeine, sondern eine partielle Erneuerung der Kammer in der Weise, wie dies bei dem Senate der Fall ist, eine Verminderung der Zahl der Deputaten, die jetzt 576 beträgt, und Erhöhung ... ;üg- t« W-- für die Präsidentschaft der Republik angesehen. Auch in England neigt man immer ""br ^cr Auffassung wenden und die dort allerdings l > schlimmsten ««.VKL VUALZL K Uebereinsiimmung m.t den, Hochstc ' 'a.'d ,'te.. re« reich« u»d der Canal...,cln .». Laufe d.cscS Jab,-ü ». m l »wi>i-ii>'»naen iollcn sncce, ive bis zum cm Milizausgebol >» noch nicht dagewescner ---- - . . bände de« regulären Milita.rS berangezogen werden. Zweck dieser Veranstaltungen ist die Herstellung -nger-n und festeren Zusammenhalte,.« der Wehrmanuer mit terUme. Den aaiizc» Ernst, der diesem Ent,chluß der höchsten englischen Heercsinstailzcil zu Grunde liegt, kann nur der ermesst >, der da weist, wie ungemein lies die Abiiciguug gegen de» strenacu Dienst deS Heere« i» de» breiten Mafien deS eng tischen Volke« wurzelt und wie hart jede ^ßregcl. we che zahlreiche bürgerliche Existenzen dem Erwerbs- und OclckallS- leben, wenn auch nur vorübergehend, entzieht, von der ( c- sammlbcit empfunden wird. Wenn gleichwohl zu «"'" der artigen, im höchsten Grade unpopulären Maßregel geschritten wird, so können nur gebieterische Gründe da,ur bestim mend sein. . Da bekanntlich Gladstone schon im Jahre 1586 dem englischen Parlament eine Home-Rulr-Bill verlegte, damals damit aber nicht durchdrang, sondern gezwungen wc.-: von der Regierung zurückzutretcn, so ist eS von Interesse, den Unterschied kennen zu lernen, der zwischen dem damaligen Gesetzentwurf und der jetzigen Bill bestellt. Bei einem Vergleich springen zunächst folgende Acnderungen ins Auge: Die Amtsperiote deö Vice töiiigS und die irische Legislaturperiode sind von 5 auf 6 Jabre verlängert. Wie e« scheint, sollen der legislative Ralb (Oberbaus) und die legislative Versammlung (Unterhaus) Irlands zwei wirklich getrennte Häuser bilden, während nach dem Entwürfe de« Jahres 1886 beite VertretuiigSkörper zwar getrennt sollte» abstiminen können, aber gcmeinsai» deratben und jede Abtbeilung oder „Ordnung", wie der Entwurf sich auSdrückle, ein (für 3 Jabre) aufschiebenkeS Vetorecht gegen die Beschlüsse der anderen besitzen sollte. Tie Zahl der Mitglieder beider „Ordnungen" oder Häuser ist in dem neue» Eulwurfe be deutend herabgesetzt. Nack dem älteren sollte die höhere „Ordnung" die 28 irischen BcrtretungSlordS biS zu deren Aussterbcn und außerdem 75 gewählte Mitglieder umfassen, deren jede« 80 000 -ek (in deutschem Geld berechnet) an Capitalwerth besitze» und von Wählern gewählt werden sollte, deren WobnungSmiethe »lindesten« .500 betrüge. Nach dem Aussterbcn der 28 sollten sämmtliche l03 Mitglieder in der angegebenen Weise gewählt werden. Nach dem neue» Entwürfe soll der gesetzgebende Rath nur au« 48 gewählten Mitgliedern bestehen. Die Mitgliedrrzahl der „zweiten Ordnung" sollte nach dem Enlwursc von 1886 von den 103 irischen Milgliedern de« jetzigen Unterhauses aus 206, auf Grundlage der jüngsten Wahlresorm zu wählende Mil glieder erhöht werden. Nach dem jetzigen Entwurf soll die Unterbau-Mitglieder, 103, beschränkt bleiben. Sw hat die finanziellen Gesetze, aber nur auf Anregung deS BicckönigS, zu dcralbcn. Die Ucbcrlragung der Polizeigewall auf die irische Regierung ist >» der neuen Borlage radikaler, als in der älteren, da keine Ausnahme bezüglich der Dubtiner Polizei und der irischen Constabler im Gegensatz zu der Local polizei mehr gemacht wird. Die elfteren sollten damals noch zwei Jahre lang ReichSangclcgenheit bleiben; jetzt ist nur neck von einem allgemeine», wenn auch allmäligen Uebcrgang au die irische Regierung die Rede. Nach der neuen Borlage sollen irische Deputirte im RcickSparlaincnlc bleiben, ihre Zahl aber von 103 aus HO, ikrc Compcteiiz aus das Milbcralhcn und Abstimmen über Angelegenheiten, welche Irland mitbetresfen, ein geschränkt werden. Die frühere Vorlage sah von einer solchen Vertretung ab und Gladstone stellte nur anheim, daß bei besonderen Anlässen von Fall zu Fall irische Vertreter in« Unterhaus delegirt werden könnten. Der Beitrag Irlands zn den gemeinsamen Rcichslasten wurde in der alten Vorlage von >/,« auf »/«> herabgesetzt; dem irische» Parlament wäre dementsprechend eine Jabrcöeinnahme von 8 080 000 zur Verfügung geblieben. Nach der neuen Vorlage soll der Beitrag Irlands sich auf die Zolleinnahmen beschranke», so daß dem Parlament 10 Millionen Mark übrig bleiben würden. Die Accise bleibt auch in der neuen Vorlage Reichösache, die Erhebung soll aber den irischen Behörden überlassen bleiben. — Bei Fortsetzung der allgemeinen Debatle bekämpfte gestern der Führer der Uniomsten, Balsour, in sehr eingehender und energischer Weise die Homerule. Im Jahre 1886 habe Gladstone sie mit der Nothwendig-' keil begründet, die öffentliche Ruhe in Irland sei gestört und müsse wieder hcrgestelll werden; jetzt sei jedoch, nach Morley'S Erklärung, Irland ruhig. Ueberhaupl habe Gladstone mit Nicht« die Nothwendigkeit der Aenderung der jcnigen Ver hältnisse bewiese». Der Führer der Parnelliten Redmond erklärte eS für unmöglich, eine definitive Ansicht über die Vorlage abzugcbe». bis dieselbe im Wortlaute vorliege; allein sie habe große Mängel, die vorher beseitigt werden müßten, ebe sie als Lösung der Frage angenommen werden könne. Erst bei der drillen Lesung lasse sich ein endailtige« Urtheil darüber fällen. Mit dem Principe der Bill sympathisier er vollständig und stimme damit überein. Man wird sich noch der Angriffe erinnern, die seiner Zeit die „Nowojc Wrcmja" gegen den deutschen Militairattach« General von Villau me richtete. Diese Angriffe erhalten jetzt eine nachträgliche interessante Beleuchtung durch die Mit- theilung de« Pariser „Eclair", wonach der Pariser Vertreter des Petersburger Blattes den Stoff zu seinen Hetzereien und Verleumdungen vom französischen Kriegsminister er halten batte, allerdings gegen das Versprechen, seine Quelle nicht zu verrathcn und die Angriffe nicht au« Paris, sondern aus Bruffcl zu datiren. Ein nicht übler Zufall fügt eS, daß gleichzeitig mit dieser pikanten Enthüllung die Meldung von einem kernigen Nachwort des Lord Dusferin zur letzten Botschafterhetze eintrisst. Bei einem Festmahl der Pariser englischen Handelskammer sagte der britische Bot- sckastcr in Paris, Lord Dusferin, in seiner Tischrede: Meine Cot legen und ich wurden von einigen Pariser Blättern an den Galgen gehängt. Ich will glauben, daß die Angriffe cbcr au« Unwissenheit und Kinderei, als aus Bosheit hervorgingen, aber eS ist jedenfalls eine ganz neue Erfahrung für mich, einen Bot schafter, den persönlichen Vertreter seines Herr scher-, in den inneren Streit des Lande- gezerrt zu sehen, wo er beglaubigt ist. Bisher glaubte man, daß Höflichkeit und Gastfreundschaft einen Botschafter genügend schützen, eS hat sich leider herausgestellt, daß dieser Schutz ungenügend war. Lord Dufferin ließ sich dann, wie schon Feuilleton. Der Sonderling. 9s Roman von P. Fel-brrg. Nackdrn« »ertetm. (Fortsetzung.) Gertrud Fclden lächelte vor sich hin und warf spöttisch die Worte bin: „Er liebte eine Bürgerliche." „Ja", gab JustnS zu und fügte bei: „Ich bewundere Ihre Kunst im Errathcn, Baroneß." „ES war nickt schwer, nach allem, wa» ick von Graf Ecköliburg erfahren; ick will noch mehr errathcn. Er liebte heiß und innig und wurde betrogen?" „Ja. Er wurde betrogen, ebenso wir seine Sckwester, die um ibreS ReickStbum« willen begehrt worden war, wäbrend ie idr ganze« Herz ihrem Gatten geschenkt. Dasselbe Echick- al traf ihn wie sie, nur er erlag nickt, sein Herz brach nicht, entern wurde kalt und hart gegen die Menschen, die er so ehr geliebt. Er vertraute Niemand mehr, er haßte den EgviSmuS der Menschheit und verlor die Freude am Leben unk an seinem großen Besitz. Seine Schwester, die er innig geliebt, war daö Opfer ihre- herzlosen Galten geworden, der nur ihr Geld begehrt hatte. Sie starb plötzlich nack einer Scene mit dem habgierigen Manne, die dessen ganze Gemein beit gezeigt Seme heißgeliebte Mutter folgte ihr; auck sie stark an der furchtbaren Enttäuschung, die ihrer Tockter da« Leben gekostet. Mit Mühe batte Graf Erich diese schweren Verluste überwunden, und nun ward ibm dasselbe Schicksal. Ws er sein ganze« Herz hingab, erhielt er nickt« zurück, nur sein Rang, sein Reichthum wurden begehrt und er selbst schmählich betrogen." „Und er nahm sich da- so sebr zu Herzen?" meinte Gertrud, und e« zuckte verächtlich um ihren Mund. „Um eines treu losen Mädchen« willen, das, niedrig geboren, nur niedrige Gesinnungen Kegen kann, seine« Leben« überdrüssig zu werden, ist Wahnsinn." „Der Gatte seiner Schwester war ein Aristokrat!" betonte Jnstu« uud blickte scharf zu Gertrud hinüber. „Nun wohl, er hatte Schulden, wollte sich arrangiren I durch eine Heiratb — tausendmal kommt die« vor, aber c« ' sterben nickt alle Frauen daran", warf Gertrud leicht hin. „Die Schönburgs denken nicht wie Sie, Baroneß" „Zu ihrem eigenen Schaden. Eine standesgemäße Ehe hätte ihrem Freunde die Lebenslust wiekergegeben. UcbrigenS ist er noch jung genug, sich eine Gemahlin zu wählen unter unserem Adel." „Wo lebt der Graf jetzt?" fragte die Baronin, während Rosa sinnend sckwieg. „Er lebt im Süden und bat sich ganz seinem wissensckaft- lichcn Studium gewidmet; deshalb bat er mich bierber gesandt, um nach seinem Majorat-gut zu seken. Seine Absicht war, im Herbste mir zu folgen, aber nun schrieb er letzibin, daß er cs nicht mehr will. Er fürchtet, auf neue Enttäuschungen zu stoßen, und sein stille« Gelehrtenleben ist ihm zu lieb geworden, um eS auszngeben." Doctor JustnS zog seine llbr und bemerkte mit lieber- raschniig, wir schnell die Zeit vergangen war. „Nun ist es Zeit, zur Ruhe zu geben", meinte er, zu Rosa gewandt. Sie erhob fick wie ein folgsames Kind, und er hals ihr au- der Hängematte. „Gute Nackt, Doctor, baden Sie Dank für Ihre Ge- sckichte, und kommen Sie bald wieder", flüsterte da« junge Mädcken ibm zu und stützte sich dann aus ibre Mutter, die sich ebenfalls von Justu« mit einem Händedruck verabschiedete und langsam Rosa nach dem Hause geleitete. Er war allein mit Gertrud. Sic schien c« nickt zu beachten, blickte nock immer in den Sternenhimmel mit lächelndem Munde und schwärmerischem Blicke. Ta- Mond- licht verklärte ibre Züge wunderbar. „Ich liebe den Mond schein und die Sterne", sprach sie plötzlich, und e« klang wir eine Entschuldigung für ibr längere« Bleiben. „Ich auch", ertönte e« leise in warmem, bebendem Tone an ibr Ohr. Sie schrak zusammen und richtete ihre Gestalt, die nach lässig am Stamme de« Baume« lebntc, bock» empor. Die Vertraulichkeit de« Arzte« empörte sie; rasch entriß sie ibm die Hand, die er an seine Lippen drücken wollte, und frostig klang es. al« sie sprach: ,E« ist sehr spät für Sie geworden, I Herr Doctor." „Auch für Sic, mein gnädige« Fräulein, die Nachtluft wird Ihnen schaden." „Ich bedarf keines ärztlichen RathcS, ich bin nicht Ihre Patientin." „Wenn Sie sich nicht schonen, könnten Sie cs werden." „Niemals!" kam es beftig über Gertrud'- Lippen. Ein funkelnder Blick streifte JustnS, der ihn zu bannen schien. War es das Gefühl des Hasses oder der Liebe, daS Gertrud das Blut in die Wangen trieb bis in die Schläfe»? Einen Moment standen sie sich gegenüber, Auge i» Auge, festgehaltcn von einer Gewalt, die mächtiger war al- sic selbst. Tausend wirre Gedanken, seltsame, fremde Empfindungen stürmten in Beider Hirn und Beider Brust. Da kam ein Seufzer, schwer und tief, aus Gertrud'S Brust und löste de» Bann, der über Beiden geschwebt. Tortor JusluS hob, wie ei» Träumender, der jäb erwacht, die Hand empor und legte sie vor die Augen, als wolle er weiter träumen, einen schönen, berauschende» Traum. Sie batte sich von ihm gewendet, er körte ihren raschen, flickenden Schritt. In scharfem Trabe ritt er durch den wundersamen -Lommerabend tem Schlosse Schönburg zu. VH. In Felde» war rege» Leben eingekebrt. Der kommende Morgen emer besseren Zukunft sendete schon seine ersten be lebenden Sonnenstrahlen in das armselige Dorf. HoftenS- sreudigkeit herrschte überall. Schaarenweife versammelten sich Arbeiter und Handwerker, und nachdem mit Feierlichkeit der < ruildstein zu der Fabrik gelegt war, begannen Hunderte von f "«'gen Händen z„ gleicher Zeit ihr Werk. Jeder nock so kleine Raum der erbärmliche» Hütten war ausgenutzt und batte einen Bewohner, der ,n seinen Feierstunden als Entgelt für da« Obdach, da« er wahrend der Dauer seiner Arbeitszeit ,n Melden gesunken, an dem Häuschen auSbeflerlc. was sich au-bkssern ließ. Durch neuen Puy und Anstrich seiner Hütte» machte von Tag zu Tag das Aeußere de« Dorfes einen sreund- licheren, weniger armseligen Eindruck Weithin dehnten sich die Mauern de« Fabrikgebäude«, »nd ein Kober, «hurmartiger Lckornstein ragte al- Wahrzeichen l^'bar. Täglich ritt Justus hinüber nach Felden und schaute voll Befriedigung aus caS seiner Vollendung entgegenzebcndc Werk der Barmherzigkeit, das Hunderten von arme» Menschen eine Ouclle der Zu friedenheit zu werden versprach, aus der sie Nahrung schöpften durch den Verdienst ihrer Hände. lieber ein Jahr, bosite er, würde cs ganz ander- auSschen in Felden. das ihm lieb geworden wie ein Sorgenkind, daS, krank an Leib und Seele, seiner ganzen Aufmerksamkeit bedurfte, ui» neue Lebenskraft zu gewinnen. Er dackte nicht mehr an Sckönburg, da« reiche, gesegnete Fleckchen GottcSwelt, daS in seiner üppigen Pracht ibm wie ein Hohn erschien im Angesicht de« Elend«, daS sich in seiner Nähe eingenistct. Es befiel ihn ein Gefühl der Schani, wen» er an die Unsummen dachte, die lange Jahre hindurch darauf verwandt worden waren, fremde, ausländische Kiinstwerke in dem Schlosse anzusammel», Summen, die hingcreichl hätten, der Armuth z» steuern, die dicht hinter dem vergoldeten Parkgitter von Schonburg begann. Er hatte seine Rübe verloren im Angesicht de« CvntrasteS, der sich ihm bot, sobald er aus Len Gemächern des Schlosses trat und Felden vor Augen batte; er wollte sie wiederfinden, indem er von dem Ucbcrfluß, per in Schönbura herrschte, einen Thcil hinüberlcitete, der besruchleiid wirken sollte für alle Zeit, den Segen der Zufriedenheit spenden, da wo jetzt Mangel und Noth zu Hause war. Wie uncntlich gehoben fühlte er sich, wenn er durch Felde» ritt, wen» freudig strahlende Gesichter ihn begrüßten, wenn er Kelle« Lacken hörte, und sroker Gesang zu ibm berübertönte. Der Schöpfer dieser Freude, diese« froben MutbrS war er — er allein dachle er dann, und ein stille« Lächeln glitt über sein Antlitz und verschönte eS wie ein Sonnenstrahl, der aus einem befriedigten Herzen bervorbricht, aus den Augen, den Zügen leuchtend, wahre«, stille- Glück verkündend, das edelste, reichste Glück — Andere zu beglücken! Wie eine dunkle Wolke legte es sich aber dann plötzlich über die höbe Stirn des ManneS, der so freudig für da« Wobl seiner Nächsten schaffte, wenn er an den Erben von Sckönburg Lackte, an Günther, der mit ironischem Lächeln sein ernste« Streben beobachtete und einmal die Bemerkung machte, wie schön c« sein müsse, au- anderer Mittel Gute« zu stiften und den Dank dafür einzuheimsen. E» war eine bo-haste Bemerkung, und rin tiefer, rruster