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L !! »« tH X -Ä- XI X x L ß 4 —H X X -. ii ' <- Abonnementspreis kn der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgehott: vierteljährlich-6 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ^l 5.50. Durch die Post bezogen sur Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbanbjendung ins Ausland: monatlich 9.—. Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich '/»7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags 5 Uhr. Redaktion und Expedition: IohanneSgassr 8. Die Expedition ist ununterbrochen ge öffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ttt» Slrmm'a Tortim. (Alfred Hahn), Universitätostrabe I, Louis Lösche. lkatharinenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Morgen-Ausgabe. ciMger TaMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. InfertionspreiS Morgen-AuSgabe: die bgespaltenr Pefft- zeile20-H, Rcclamen unter dem Redactions strich (4 gespalten) 50^Z, vor den Familien nachrichten (6 gespalten) 40^ Abend-Ausgabe: die 6gespaltene Petitzeile 40>H, Reklamen unter dem Rrdactionsstrich <4 gespalten) 1 Familieunachrichten und Anzeigen verlorener Gegenstände sOgespalteu) 20-^. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz uach höherem Tarif. Extra-veilagrn (gesalzt), nur mit der Morgeu - Ausgabe , ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbrjörderuag 70.—. Armahmeschlnß für Inserate: Abend-Busgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge u-Au-gab«: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh 9 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen ff eine halbe Stunde früher. Inserate sind stets an die Expeditiaa zu richten. ^«315. Montag den 2tt. October 1891. 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Unter Hinweis aus frühere Bekanntmachungen machen wir bei Beginn der Winterreit daraus aufmerksam, daß wir Koküösc» in vcrschiedenrn Mroffcn beschafft haben und in der Ausstellung der städtischen Gasanstalten, am Nicolaikirchhof, käuflich oder mieth- weise abgeben. Der Einzel-Kaufpreis dieser Oesen mit vollständigem Zubehör und einschließlich der Ausstellung stellt sich je nach der Große auf 60 bis 300 An Miethe werden jährlich 8 40 ^ bis 48 berechnet. Ten Abnehmern bleibt sreigestellt, die Oesen zunächst ans ein Jahr in Miethe zu nehmen; bei demnächstigem Kaufe wird die Halste des gezahlten Miethzinses in Anrechnung gebracht. Besichtigung und jede weitere Auskunft in der bezeichneten Aus stellung während der tSeschäftszeit 8—12 Uhr Vormittags und 2—6 Uhr Nachmittags. Leipzig, den 1. October 189l. TrS Raths drr Ltadt Leipzig Deputation zu den Gas-Anstalten. Der von mir unterm 4. September I89l gegen den Arbeiter Eduard Rebcntiich aus Taucha erlassene Steckbrief ist erledigt. Magdeburg, den 22. October 1891. IV. 9. 446/91. Der Erste Ttaatüanwalt. Erledigt bat sich dir Vorladung der Kellnerin Hulda Olga Caroline Elise Mntgesell aus Iüttleben vom 20. d. M. Chemnitz, den 24. October 1891. Ter Königliche Staatsanwalt. — I. V.: Brunst, Ass. Lekaimtmachilng. Infolge gestellter Anträge aus Ucberlaffung von Bauplätze» setzen wir hiermit auf Montag, den 1L. November er., Vormittags 10 Uhr, Termin zur Abgabe von Kausgeboten auf dem Rathhaus«, Zimmer Nr. 1, an. Ausaeboten sollen werden: 1) Ein größerer Bauplatz an drr südöstlichen Lecke der neuen Bahnhof- und der Kaisrrstratzr, welcher sich in- folge seiner bevorzugten Lage auch zu einem Hotel, Restau rant oder Geschäftshaus jeder Art eignet. Die Frequenz dieser Stratzr wird sich noch Fertigstellung der neuen Eisenbahnlinie Saalseld-Arnstavt noch erheblich steigern. L) Ein oder zwei Baustellen in der Brcitcnftrasjr am Schietztcich, welcher letztere in der Ausfüllung begriffen ist und voraussichtlich im Jahre 1892 seiner Bestimmung, als Viehmarkt und Platz zu Aus- und Schaustellungen zu dienen, übergeben werden wird. Tie fragliche Stelle ist vorzüglich geeignet zur Etablirung einer Gast- oder Schankwirthschast für den dicht daran zu legenden Biehmarkt Kaufliebhaber können vorher jede gewünschte Auskunft erhalten und werden ersucht, sich wegen der Größe der abzugebenden Bau- stellen mit uns in Verbindung zu setzen. Saalfeld a/S., den 15. October 1891. Der Magistrat, gez. Liebscher. Leipzig, 26. October. * Von verschiedenen Seiten wird gemeldet, daß der Reichstag am 17. November wieder zusammcntretcn wird. * Zn einem längeren Artikel über die Handwerker frage führen die „Hamburger Nachrichten" aus: Die Reali- sirung mancher von den Handwerkern erhobenen Wünsche durch InnungSzwang und Achnlichcs ist heutigen Tages kaum möglich, im modernen Staat uncinführbar. Tie Handwerker haben durch ihr Warten aus Staatshilsc zu lange gezögert. Sie sollten es mit der Selbsthilfe versuchen; die Gesetzgebung würde dann, wenn dadurch Anknüpspuncte geschaffen würden, unterstützend eingreifen können. * Die „Nationalliberale Correspondenz" schreibt: „Tie Bewegung unter den deutschen Buchdruckern hat sich sehr kritisch gestaltet und eröffnet die nahe Aussicht auf eine Arbeitseinstellung, wie sie an Umfang und Bedeutung noch kaum dagewescn ist. Die Bucbdruckergehilsen verlangen neunstündige Arbeitszeit und zehnprocentige Lohnerhöhung. Diese Forderungen haben die Principale in einer Reihe großer Städte nicht bewilligen zu können geglaubt; zu einer Lohn erhöhung von 7>/, Proc. hätten sie sich verstanden. Die ganze Bewegung ist ein von dem Vorstand des Gehilfenverbandcs des UntcrstützungSvercins deutscher Buchdrucker planmäßig und künstlich ins Werk gesetztes Unternehmen, welches in der materiellen Lage dieses Gewerbes keinerlei Rechtfertigung findet und auck> vom Standpunkt der Ausständigen auü unter den gegenwärtigen wirthschasllichen Verhältnissen als verfehlt und thöricht bezeichnet werden muß. ES soll eben mit dem bestorganisirten Verband wiedereinmaleine Kraftprobe gegen die Arbeitgeber veranstaltet werden, trotz der vielfachen Übeln Erfahrungen, die man in diesem Jahre schon mit großen Arbeitseinstellungen gemacht hat. Dabei wird auch hier daS Vertragsvcrhältiiiß insofern wieder verletzt, als bei der letzten, im Iabr 1889 zugcstandencn Tariferhöhung die Abmachung getroffen war, daß cS bei diesem Tarif bis zum 1. Januar 1892 sein Bewenden haben solle; die Kündigung hätte also erst auf 1. Januar, nicht fchon von jetzt ab auf vierzehn Tage erfolgen dürfen. Die Aussichten für die Streikenden sind bei dem gegenwärtigen überreichen Arbeitsangebot keineswegs günstig, um so leicht fertiger und gewissenloser ist die Anstiftung einer so um fassenden Arbeitseinstellung mit ihren unseligen Folgen für zahlreiche Existenzen. Es ist nur zu hoffen, daß der social- demokratisch ausgcbetzte „Gebilfenverband" doch noch lange nicht die Mehrzahl de - neu., -en Buchdrucker hinter sich haben wird." * Ein Aufruf de« socialdemokratischen Partei-OrganS, deS „Vorwärts", bedroht die Berliner Parteigenossen, welcke sich etwa der Werner scheu Gruppe anschlöffen, ein dringlich mit sofortigem Ausschluß; jeder Versuch, die Einheit der Partei zu stören, werde machtvoll zurückgewiescn werten. Nachdem die höchste Instanz gesprochen, beiße eS einfach Unterordnung; wer sich nicht filge, stehe außerhalb der Partei. Der SocialiSmuS sei eine Weltanschauung, aus der Niemand, selbst der consuseste Ideologe nicht, auSgeschloffen werden könne: aber eine organisirte Partei, welche gegen eine Welt in Waffen kämpfe, könne Franctireure und Freibeuter in ihren Reihen nicht brauchen. Man weiß nicht, wem im Vorstehende» die Palme gebührt — dem Despotismus, mil welchem seitens der socialdemokratischen Parteileitung gegen die Opposition verfahren wird, oder der Großmäuligkeit, welche die Socialdcmokratie als eine weltbewegende Macht hinzustellen sucht. * Die Plenarsitzung des EolonialratheS am Sonn abend wurde durch den Vorsitzenden Wirkt. Geh. LcgalionS- rath I)r Kayser eröffnet. Es wurde sofort in Beralhung der Zollordnung für Dcutsch-Ostafrika eingetrelen, wozu ein Entwurf des Auswärtigen Amtes, welcher die Billigung des Gouverneurs in Ostafrika gefunden hatte, und ein in einzelnen Punkten davon abweichenden Entwurf der niedergesetzien Commission des EolonialratbS Vorlagen. Nach eingebender Debatte, bei welcher auch die Frage einer Bevor zugung deutscher Erzeugnisse vor denen anderer Länder be rührt wurde, gelangten im Wesentlichen die Vorschläge der Commission zur Annahme. Nebenher wurde beschlossen, eine Reihe von m der Debatte hervorgetretciicn Gesichtspunkten bezüglich der Werthbestimmung der Ausfuhr- und Einsubr- artikcl und dcö VerzollungömoduS, dem Gouverneur zur Erwägung zu übermitteln. Die nunmehr vom Eolonial- rath vorgeschlagene Zollordnung dürfte, wenn eingesührt, wesentlich zu einer gedeihlichen Weiterentwickclung unseres vslasrikanischen Gebietes beitragen. Die gestern cingebrachle Resolution bezüglich der Vermeidung der Doppelbesteuerung wurde angenommen. Die Aulräge der Commission, betreffend die Vergünstigung der Missionsgesellschaslen bei der Zoll- behandlung, fanden ebenfalls und zwar einstimmige Annahme. Solche kommen den gerechtfertigten Wünschen der christlichen MissionSanstallen in allen Schutzgebieten und specicll in Ost afrika nach Möglichkeit entgegen. Der Vorsitzende schloß alS- danu mil einigen Dankcüwortcn die diesmalige Session dcö EolonialratbS. Die nächste Sitzung ist unbestimmt. Heute Abend findet ein gemeinsames MiltagSessen der Mitglieder des EolonialratheS und der Beamten der Colonialabthcilung des Auswärtigen Amtes im „Kaiserhof" statt. * Neben der Frage der fortdauernden Immunität der Reichstagsabgeordnetcn während langer Vertagungen werden nun auch noch Zweffel über die fortdauernde Giltig keit der Freifahrkarten erhoben. Die auf dem Erfurter Parteitag anwesenden socialdemokratischen Rcichslagsabgeord- neten mögen diese Karten wohl vielfach benutzt baden. ES unterliegt keinem Zweifel, daß die Absicht bei Gewäh rung der Freikarten nur auf die Zeit wirklich tagender Sessionen, nicht auf monatelange Pausen berechnet war und nicht das ganze Iabr hindurch allen möglichen privaten Interessen oder politischen Agitationen eine Erleichterung^ ge währt werden zollte. Tie neuerdings eingerissene Silke wiederholter langer Vertagungen statt förmlicher Sessionöschiüsse hat sonach verschiedene, nicht unerhebliche praktische und principielle Bedenken gegen sich; sie verschiebt die bisherigen Grundlagen unserer parlamentarischen Einrichtungen. Unter ganz außerordentlichen Umständen mag einmal, wie auch schon früher, von diesem AuSkunstSmittcl Gebrauch ge macht werden; solche Umstände konnten bei dem Arbeiter schutzgesetz, wegen dessen die erste Vertagung erfolgte, ancrkannt werden; viel weniger war aber schon die zweite Vertagung wegen des KrankencassengcsetzcS gerecht fertigt. Tie Vorarbeiten hierzu wären nur formell, keineswegs Ibatsächlich verloren gewesen; Niemand hätte eine neue Commission gehindert, sich die Arbeiten ibrec Vorgängerin anzueignen. Irgend welche unerledigte Vor lagen werden jcdcömal Zurückbleiben. Vor dem Wiederbeginn der Reichstagssitzungeii erscheint cö nicht unzweckmäßig, aus die Unzuträglicbkeiten dinzuweisen, die sich durch die laugen Vertagungen herauögcstcllk haben; sonst könnten wir es er leben, daß die ganze Legislaturperiode aus einer einzigen fort laufenden Sesjlon besteht. * Die Eandidatcnfragc im Landtags Wahlkreis Dort mund-Bock um an Stelle des verstorbenen Abg. Berger ist noch nicht entschieden. Es sind zwei, mit landwirlbschaft- lichen Verhältnissen vertraute und beite auf dem Boden der nationalliberalen Partei stehende Candidaten, die Ehrenamt- männcr Schulze-Vellinghausen und Wcstermann-Lütgendort- mund, inS Auge gefaßt, zwischen denen die Entscheidung noch in der Schwebe ist. * Außer den auf die Krankenversicherung und daS Tclcgraphcii- wescn bezüglichen Vorlagen der verbündeten Regierungen ist dem Reichstage aus dem letzten Tagungsabschnitte auch nock ein kleinerer, aber für die Betbeiligten wichtiger Ent wurf zur Erledigung verblieben, der Entwurf eines Gesetze«, betreffend die Unterstützung von Familien der zu Friedenöübungen einberusenen Mannschaften. Die Vorlage verdankt ihre Entstehung einer vom Reichstage im Jahre 1886 angenommenen Resolution. Sie ist bereits am 8. Mai d. I. zur ersten Lesung gelangt. Die Debatte hatte fick zwar bei der damaligen Geschäftslage des HauseS nicht umsafseiid gestalten können, ließ jedoch auch so erkennen, daß die Vor lage nicht ohne Aendcrnngcn zur Annahme gelangen dürste. Der Gesetzentwurf wird nunmehr in der Budgetcommission deS Reichstags einer Vorbcralhung unterzogen werden und in der dort erhaltenen Gestalt wieder an das Plenum ge langen. Als Tag deS Inkrafttretens deS neuen Gesetzes ist der I. April 1892 in Aussicht genommen, so daß, wenn daS Gesetz zu Stande kommt, schon im nächsten Sommer den Angehörigen der zu Uebungen cingezogenen Reservisten und Lantwchrniänner Unterstützungen zusließen würden. * Wie entschieden die Regierung neuerdings gegen die Welfen in Hannover vorgcht, crbcllt auch daraus, daß die von der Lüneburgischcn Ritterschaft getroffene Wahl des Gutsbesitzers von dem Kncscbcck-Eorvin zum Mitglied deS ritterschastlichrn EollegS nicht bestätigt uno Liese Ablehnung trotz dringenden wiederholten Antrages der Ritterschaft auf recht erhalten ist. DaS rittcrschaftliche Eolleg hat schlechter dings keine öffentliche Function, eS hat lediglich die Ver waltung des der Ritterschaft als Privalcorporation zusteben- den Vermögens zu besorgen und eS ist eine wunderbare Anomalie, daß seine Mitglieder der RcgierungSbesläligung bedürfen, was sich nur daraus erklärt, daß in allen Zeilen die Ritterschaft auch gewisse öffentliche Rechte auSruüdcn balle. Aber troHdcm dies längst weggefallcn ist, halt die Regierung am Erforderniß der Bestätigung fest, und La eS kein« Instanz giebt, dir dagegen angerusrn werden kann, muß die Ritterschaft, obwohl sie einen abweichenden Rechts- standpunct vertritt, sich fügen. Am 12. k. M. soll für Herrn v. d. Knesebeck eine Neuwahl stattfinden. * * » * Im österreichischen Abgeordnetenhause stellte der Abg. Dupaul den Antrag ans Milderung des Notk standes der Deutschen in Tirol, wo die Fröste die Weinernte vernichteten. Der Agrarier Lubick intcrpellirt wegen der den Großmüllern gewährten Refaction, wodurch die Kleinbetriebe Böhmens vernichtet würden. Bei der Budgetdebatte griff der Jungczechc Ädamck den Statthalter Böhmens, Tbun, an, weil er kein Ezecke sei. Die Deutschen hätten die Ezcchen durch ihren Widerstand gegen die Aus stellung provocirt. Der Conscrvative Lupul sagte, ein Aus gleich werde nur zu Stande kommen, wenn sich die Ezechen und Deutschen in gleicher Weise nachgiebig zeigten. * Der Streit, der zwischen Ungarn und dem Vatican über die Neubesetzung der Stellung eines Fürstprimas von Ungarn entstanden war, scheint zu Gunsten Ungarns entschieden zu sein. Der Vaticau hatte alle von der Regie rung ausgestellten Candidaten kurzer Hand abgelehnt. Man einigte sich endlich auf den Erzbischof Samassa, dieser be nutzte aber die Gelegenheit, eine Rede zu halten, in der er über seine Pflichten als ungarischer Patriot und Geistlicher in einer Weise sprach, die in Rom unangenehm berühren mußte. Tic Regierung verschob daher die Ernennung und ließ sich auch durch eine Interpellation deS Abg. Ugron nicht aus ihrer abwartendc» Stellung herausdrängen. Jetzt liegt folgende Meldung vor: Pest, 24. October. Es verlautet, daß die Ernennung des Erzbischofs Samassa zum Primas von Ungarn be schlossen sei, und der Papst, der sich dieser Ernennung widersctzte, nachgab. Wenn die Nachricht sich bestätigt, Ware das ein Sieg der Regierung, würde aber auch für die Zukunst die Stellung der unga rischen katholischen Kirche zur Curie wesentlich unabhängiger als bisher gestalten. * In der Sitzung des ungarischen Abgeordnetenhauses am Freitag gab cS eine heftige Auseinandersetzung zwischen dem Iustizminister Szilagyi und dem Abgeordneten Horansky von der gemäßigten Opposition, zu welcher Partei vor seinem Eintritt inö Eabinet auch Szilagyi gehörte. Die Auseinandersetzung war sehr heftig und meist persönlicher Natur. In Folge dessen ließ Horansky den Iustizminister aussvrdcrn, er möge entweder Erklärungen ab geben oder sich schlagen. Der Iustizminister ver weigerte Erklärungen, nahm jedoch die Forderung zum Duell zur Kenntniß. ES fand ein mebrstündiger Nlinister- rath statt, um den ebenso seltenen tvic verwickelten Fall zu besprechen. Die Sache ist um so schwieriger, weil eS sich um den Iustizminister handelt, der zu einer durch da« Gesetz verbotenen Handlung, wie eS das Duell ist, ausgefortcrt, dieselbe nickt direct ablebnte. Außerdem ist Szilagyi Wirk licker Gebeimratb, darf sich also nickt ohne Erlaubniß des Monarchen duelliren. Diese Erlaubniß wurde nachgesucht; cs verlautet sogar, die Antwort des Monarchen gehe dabin, daß sic die Annahme der Forderung zwar gestartet, jedoch den Wunsch ausspricht, daß der Handel ohne Duell dcigelcgl werde. Der Beschluß des Ministerrathes ist noch nicht bekannt; vorerst bat Szilagy» die Herausforderung formell noch nicht angenommen. Nach einer neuesten Meldung ist der Streit friedlich beigelegt worden. * Der gewesene französische Minister deS Auswärtigen, Senator Barthölemy Saint-Hi laire, ist in Betreff des französisch-russischen Verhältnisses interviewt worden. Ter hochbetagte Staatsmann bat bei dieser Gelegen beit über die Russeii-Begcislerung in Frankreich ähnliche ab fällige Aeußcrnngen getban, wie sie bereits vor einigen Mo naten aus seinem Munde in die Leffentlickkeit gedrungen. Frankreichs enge Auiiäbcruna an Rußland betrachte er als eine bedauerliche Tborbeit. Sie Werse die Eivilisation zurück; cS sei eine nationale Schmach, daß Frankreich sich in daS Kielwasser einer asiatischen Macht begebe. Sollte Rußland durch erfolgreiche Machenschaften in den Besitz von Koustanti- nopel gelangen, worauf sein Streben unaufhörlich gerichtet sei, dann würde eS mit 180 Millionen Unterthancn die Europa beherrschende Macht werden. ES befinde sich ein ungeheurer, nicht wie der englische über den ganzen Erdkreis zerstreuter, sondern zusammenhängender Länderbesitz in den Händen des Zarismus, der nicht vernichtet werden könne, La er seinem innersten Wesen nach slawisch sei. Bartlwlemy Saint-Hilaire äußerte sich dann folgendermaßen über die Be setzung in Tunis, welche bekanntlich durch ihn vollzogen worden ist: Als ich Minister wurde, nahm ich den Plan zur Annexion von Tunis, der schon sieben Jahre vorher unter Mac Mahon vorhanden gewesen, wieder auf. Ich hielt mich dabei an die politische Con- ception, die schon in den ersten Jahren der Eroberung Algeriens entworfen worden war und die lch für nützlich erkanntes Die Ein fälle der KrumirS waren nicht, wie man behauptet hat, Fabeln, sondern Thatsache. Das» zahlreiche Italiener, namentlich aus Unter- Italien und Sicilien, in Tunis wohnen, ist richtig, sie sind aber nicht die Blüthe der italienischen Nation. Eine Berstimmung Italiens in Folge der Annexion war allerdings unvermeidlich, aber Tunis war eine Gefahr und eine Bedrohung der Sicherheit für unsere algerische Lolonie. AlSdann wieder zu seinem ursprünglichen Gesprächsthema zurückkchrend, sagte er, Rußland werde Frankreich auSnutzcn, ihm aber nicht Elfaß Lothringen zurückverschasfen. Die Annexion dieser Länder, welche die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland unmöglich machte, sei der größte Fehler BiSmarck'S gewesen. * Der Erzbischof von Aix soll, wie die Pariser Zeitungen berichten, vom Papste ein Schreiben erhalten haben, in welchem es beiße, er könne die gehässigen, vorher bedachten Attentate gegen die Pilger in Rom nur geißeln; der Erzbischof möge sorlsahren, mit aller Kraft für die Kirche zu kämpscn. * Nach Berichten au« London besorgt man daselbst, daß die Umtriebe Gladstone'S und die Hetzereien seiner Organe, betreffend die Zurückziehung der englischen Truppen aus Egypten, den Bemühungen Frankreichs und Rußlands, die Pforte zur Urgirung der rgyptischen RäumunzSsrage zu bewegen, zu Statten kommen könnten. An der Stellung Englands in Egypten wird aber nach der Anschauung maß gebender Kreise vergeblich gerüttelt werden, denn je deutlicher folche Absichten hervortretrn, desto oothwerdiger ist es» daß die Stellung Englands in Egypten für ersteres ein Stütz punkt zur Sicherung seines Weges nach Indien bleibe, und desto umfassendere Maßnahme» wird England treffen, um seine maritime Macht im Mittclmccre zu stärken. Tic Nack richten, daß Rußland die Pforte zu Reklamationen wegen der „Ucbuiigsfabrlcn" und Eoncentrationen der englischen Schiffe in der Nähe der türkischen Küsten bewegen wolle, werken nur belächelt. * In den in England bereits entbrannten Rcdeseldzug für die kommenden allgemeinen Unterhauswable» bcu auch der an Stelle des verstorbenen Smith rum ersten Lord teö Schatzes ernannte und damit mit der Führerschaft der Regierungsmehrheit im Unterhause betraute ehemalige Ober- secrclair für Irland, Balfour, bereits thatkräftig ein- gcgriffcn. Man meldet der „Vossischen Zeitung": London, 24. October. Balfour hielt gestern Abend !n Burnley vor einer großer Versammlung von Conservativen eine lange Rede, in deren Eingang er feierlich erklärte, daß der Bund zwischen den Conservativen und den liberalen Unionislcii dem britstchen Reich zum Heil gedient habe und auch fernerhin zum Heil gereichen werde. Dieser Bund sei jetzt inniger als zur Zeit seiner Gründung im Jahre 1886. Sodann unterzog Baisour da» in Newcastle ausgestellte Programm der liberalen Partei einer sehr scharfen Kritik. Er behauptete, daß die Conservativen während der letzten 50 Jahre fortschrittlichere und gesundere Reformen eingeführt hätten, als die Liberalen. Im Lause des Abends wurde ein von Lord Hartington gesandtes Telegramm verlesen, in welchen der Führer der liberalen Uiiionislen Balfour für seine weise Verwaltung Irlands dankt und ihn» Erfolg in der Erfüllung der wichtigen, schwierigen Pflichten seines neuen Amtes wünscht. Durch diese Auslassung wird das vielfach verbreitete Gerücht, Laß die Er nennung Balsour's zum Führer der Mehrheit des Unterhauses den liberalen Unionisten mißsalle, widerlegt. * Wie aus Lissabon geschrieben wird, ist anläßlich des Geburtstages des Königs und der Königin einer großen Anzahl von politischen Verbrechern des Civil- und Militair standeö, welche wegen Tbcilnahme am republikanische» Auf stände von Oporlo vom 31. Januar d. I. zu längeren oder kürzeren Freibeitsstrafcn verurtheilt wurden, die noch nickt abgcbüßte Strafzeit nachgesehcn worden. Durch diesen Gnadenact erhielten nicht weniger als 2l8 Vcrurthcilte die Freiheit. Die Regierung nahm trotz ihres festen Entschlusses, der rcpublikaniichen Agitation mit der ganzen Strenge des Gesetzes entgegcnrutrctcn, keinen Anstand, dem Könige diesen Gnadenact zur Genehmigung zu unterbreiten, weil derzeit überall im Lande vollkommene Ruhe herrscht, und die auf einen Umsturz abzielenden Umtriebe in der letzten Zeit nur ganz spärlich zu Tage getreten sind. Ter Geburtstag des KönigSpaares wurde im ganzen Lande mit ungewöhnlicher Feierlichkeit begangen. * Tie HungerSnoth in Rußland fordert schon jetzt, besonders in den östlichen Gouvernements, wie Kasan, SsimbirSk u. s. w. u. s. w. täglich zahlreiche Opfer, schaarcn weise verlassen die Leute ihre Dörfer, um vom Hunger ge trieben fertzuwandcrn und dann meistens elendiglich an den Straßen zu verderben; dabei ist der Winter noch nicht ein getreten mit allen seinen Schrecken, noch ist der Boten nickt gefroren und Wurzeln und Kräuter dienen als Ersatz für normale Nahrungsmittel. Es ist, so schreibt die „Krcuz- zcitung", ein entsetzliches Bild dcö Elends, das sich dort darbietcl, und wundern kann man sich nicht, wenn die unglück lichen bejammernSwcrthcn Leute, durch den Hunger zur Verzweiflung getrieben, alle Bande der Zucht und Ordnung sprengen. Plünderung noch vorhandener Kornvvrrälhe, Beraubung von mit Korn beladenen Eisendahnzllgcn gehören zu de» täglichen Ereignissen, und wenn solche Geschehnisse nur in den seltensten Fällen zu blutigen Conflicten mit den staatlichen Organen führen, so liegt es blos daran, daß diese solchen Handlungen kaum cntgcgeiitrcten, dieselben viel mehr noch gewissermaßen entschuldigen, indem sie die Be raubten als Kornwuchercr u. s. w. bezeichnen — es ist nur ein Schritt bis zu den blutigen Verfolgungen der „acoa- zmrenrs", wie sie vor tOO Jahren in Frankreich a» der Tagesordnung waren. Daß die in Rußland sehr zahlreichen Elemente politischer und wirtbschaftlichcr Unzufriedenheit eine für sie so günstige Lage gehörig auSnutze», liegt ans der Hand. Der einfache Russe ist seiner ganzen Anlage und Erziehung nach communistisch-socialistischeu Ideen überhaupt scbr zugänglich, wie viel mehr in seiner jetzigen Lage, die Verbreitung rcvolutionaircr Gesinnung dürste deshalb in Rußland schon in diesem Jahre riesige Fortschritte machen. Die Leiter der Bewegung haben den Fehler cingcsehen, den sic begangen, sich von der Gruppe der Terroristen zu Attcn taten, zumal aus die geheiligte Person deS Zaren, binreißen rfo zu lassen, ihr Vorgehen ist jetzt ein viel erfolgreicheres, sic stellen dem Volke vor, der Zar sei gleich ihnen ein Opfer der Beamten und es sei geradezu die Pflicht eines jeden treuen Russen, seinen Zaren von diesen Leuten zu be freien. Nur zu leichtgläubige Hörer finden sie bei diesen Aus führungen, man kan» daher wohl mit Sicherheit ainiebmeii, daß Ruhestörungen und Revolten in größerem Maßstabe schon im Laufe dieses Jahres in Rußland häufig Vorkommen werden. — Aber auch für einen weiteren Zeitraum ist die Aussicht dort eine sehr trübe. In diesem Jahre sind außer den Brod- rüchten im größten Thcil des Landes auch die Futtermittel ür da« Vieh vollständig mißrathen. Pferde und Vieh werten ür Spottpreise fortgegcvcn, müssen dafür fortgcgcbeii werden, will man sic nickst Hungers sterben lassen; c» wird sich wobl Jedermann vorstellen können, wie infolge dessen die laut wirthschasllichen Verhältnisse sich auch in den nächsten Iabre» dort gestalten werden — dazu kommt, daß die diesjährige Herbstbestellung der Felder nur notbdürstig — zumeist auch noch verspätet — hat vorgenommen werden können und daß die Nachricht über den Stand der Wintersaaten schon jetzt trostlos lauten. — Kurz, die Lage ist eine sckicr verzweifelte und dürste auch außerhalb Rußlands die vollste Beachtung verdienen. — Hunger und Elend haben schon häufig zu Handlungen der Verzweiflung nicht nur einzelne, sondern ganze Völker getrieben. Kunst. a Don der Photographischen Gesellschaft ln Berlin geht uns soeben ein neu erschienener Katrlog zu. Er enthält aus 125 Seiten mehr als 40 vortrefflich ausgesührl« Illustrationen aut den verschtedeusten Darstellung»kreise». iß