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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189103192
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910319
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910319
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-03
- Tag 1891-03-19
-
Monat
1891-03
-
Jahr
1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1891
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L Knlize W Leimn SqckM Nil AiMl Ar. 78, Mmmliig in IS. MSy 18SI. KO. L?. üaeiulel (kadritcsn in Krinuva unä äoaekim8tka1 dsi Xarl8baä.) H»»Ä8vI»ißI»v LÜvr Urteil - 8«^>e r)L KiMte^vMLkI. v. R. Latsnl 43413. — MlSRlOVSlE Osstr.-vllAsr. katsnls. i LLrl8bLÄor Fo8vpkIllSll-SlLv--llLllS8vduko. MM- 8itL. Orösstv 'MW 61aes-8anüsotmtis kür Herren unä vamsn unä 6onürmLnüsn. Vie Liebeserklärung. Et»« tragikomisch« G«schicht« von Olga von Ob«rkamp. Nachdruck »ertöte». „Da ist sie, die langst gefürchtete Sündfluth!" Die beiden Männer, die am frühen Morgen bereit- von Warmkrunn au- die Schneekoppe bestiegen hatten, nm einen Uebrrblick über die llebcrschwcmmiing drnntcn im Tliale zu gewinnen, waren bei der ersten Hohe, die einen Ausblick gewährte, zu gleicher Zeit sieben geblieben. — Aber während der Jüngere, ein gewisser Assessor Fritz Lcbrecht, den Schreck nissen, die er erschaute, durch den oben citirre» Ausruf Luft machte, kehrte vr. August Wartenberg, sein Begleiter, der Hochflutb conscquent den Nucken zu. Der dicke Manu mußte Ohren, Augen und Gedanken unbedingt an einen würdigeren Gegenstand verloren habe», und man hätte ihn, wie er so reglos dastand, für eine versteinerte Figur halten können, wenn er nicht, plötzlich erwachend, ebenfalls ein solch' lautcS: „Da ist siel" in den FrühlingSnachmittag hiueingeschinettcrt hätte, daß der Assessor sich erstaunt umwandt:, um diese „Sie" in Augenschein zu nehmen. .Sir" — aber, die dem Doctor solch' hohe- Interesse ab zuringen verstand, war in der Thal nicht übel, Eine juno nische Gestalt, kam sie von der Schneekoppe aus dem schmalen Bergpsad herabgcschritten, nicht unähnlich einer Göttin, die von ihrem Olymp zu den bedrängten, überschwemmten Menschenkindern niedersteigt in- Thal. Der Doctor stützte sich beim NLHerkommen der Göttlichen mit der Linken krampf haft auf den Arm de- Assessor-, um mit der Rechten devotest nach seinem Hute zu greifen; aber die Hand sank von neuem thatlo- herab und der Hut blieb sitzen, wo er saß. We«halb? — Vielleicht deshalb, weil der Blick der nicht mehr jugendlichen, aber vornehmen Mäbchencrscheinnng, der sich rasch mit dem de- Doctor- gekreuzt hatte, diesem die Worte zuzurufen schien: .Ersparen Sie sich den Gruß, denn ich habe nicht die Absicht, ihn zu erwidern." Die kleine Scene hatte sich innerhalb weniger Sccunden abgespielt. Die zürnende, strafend« Göttin war vorüber ge rauscht, der bestrafte Sterbliche stand erstarrt, und Assessor Lebrccht, der sich im Grunde befriedigt fühlte, daß er durch dir- wunderliche Intermezzo von der Sündslutb drunten ab gezogen wurde, brach in die lachenden Worte auS: „Donner wetter! Diese Spröde hat Dir ja mit ihre- Blickes Macht förmlich den Hut auf dem Kopfe festgenagelt." Der Angeredete fuhr erschreckt zusammen. .Glaubst Du, daß sie meinen AuSrns vernommen bat'?" fragte er kleinlaut. „Ob sie ihn vernommen hat!'? Aber Doctorchcu, sie hätte ja taub sein müssen, nm eine solch' laute, in die Welt hinaus posaunte Liebeserklärung nicht zu vernehmen " „Eine Liebeserklärung!" stotterte der Dicke consternirt. .Nun freilich, eine Liebeserklärung, Doctor Wartcnbcrg!" lachte der Assessor. — .Da ist sic! — Dieser Ausruf an ein weibliche- Wesen verschwendet, heißt doch, in eine etwas breitere Redeweise übertrage», nichts anderes als: Da ist sie, — sie, die heunlich Geliebte, sie, die schmerzlich Vermißte. Sie, die von allen Sieö — für mich die einzige Sie ist aus der weiten Erdcnrnnde!" .ES wäre entsetzlich, wenn sic meine Worte falsch auf- gefaßt hätte!" stöhnte der dicke Doctor, indem er sich die Schweißtropfen von der Stirn wischte. Der Andere aber sah den schwitzenden und stöhnenden Freund belustigt an — .Wenn Du wüßtest, mit welch' tragikomischer Miene Du da vor mir stehst!" sagte er. .Da- war von jeher mein Schicksal!" — seufzte der Dicke. .Ich kann nicht- rein Tragisches erleben; bei mir mischt sich die Komik, so lange ich denken kann, immer in die Tragik". .Hin!" meinte der Assessor — das Schicksal scheint eben manche Menschen nicht ernst nehmen zu können. Aber darüber kannst Du Dich wenigstens trösten, mein Lieber. Die Dame nimmt Dich höllisch ernst. Beim olympischen Zeus, die war ganz Tragik." .Ich weiß ... ich weiß!" stotterte Wartenberg .Weißt Du auch, durch was Du Dir diese zornsprühende, Weibliche Tragik zugezogcn käst'?" fragte der Assessor. „Durch eine Liebeserklärung!" gestand der Dicke klein laut. .Durch eine Liebeserklärung", lachte der Assessor, „die Du noch vor der heutigen vom Stapel gelassen'? — Ni», wahrhaftig, Ticker, ich bewundere Dill,, daß Du so kühn warst, dieser Medusa mit dem versteinerten Blick Deine Liebe zu bekennen". .Leider, daß ich eS war!" „In optima forma?" „k'mina . . . forma!" wiederholte der Doctor kläglich. — „Sprich mir um GottcS willen nicht von Form. — Meine Liebeserklärung an die Betreffende war das Formloseftc, was ich mir je zu Schulten kommen ließ, und Du weist doch — —" .Daß Du classisch-stylvolle Formen über Alles liebst", er gänzte Lebrrcht, den Andern unterbrechend, mit feinem Lächeln. .Ja ... ja, mein Bester, das weiß ich allerdings noch von der Lima mntor her. Deine Liebe zu schönen Formen hat Dich oft zu losen Streichen verleitet. „Unter denen die Liebeserklärung — an die Betreffende der allerloseste gewesen!" bekannte der dicke Doctor reumüthig. „Ei . . . ei!" „Mein einziger", entschuldigte sich Wartenberg, „den ich mir als verhcirathcter Mann zu Schulte» komme» ließ." „O ... o ... das wird >a immer schlimmer!" „Und zwar", ächzte der Ticke, „für »icinc verstorbene Frau ru Schulden kommen ließ!" — „Für Deine verstorbene Frau!?" rief Lebrccht, „Doctor, bist Du de- Teufels?" .Nein, aber »icinc Frau war des Teufels", stöhnte der Doctor . . . außer sich. „Hm!" machte Lebrccht. — „Ick, kann mir doch gerade nicht denken, daß Deine Gattin Dich aufgesordert haben sollte riuer Anderen eine Liebeserklärung zu machen." Jetzt blieb der Doctor, der sich von seinem Freunde berg auf lootsen ließ, perplex stehen ... „Ausfordcrn >" rief er, „wer spricht vo» ausfordcrn!" „Aha, also doch nicht!" lächelte Lebrccht „Nein — die Liebeserklärung machte sich so durch Zu fall... Du verstehst!" „Ich verstehe!" Die beiden Freunde stiegen eine Weile schweigend, vom tiefsten, gegenseitigen Verstandniß durchdrungen, bergan ... „Meine Selige hat mich zu Lebzeiten nicht gerade selig gemacht", nahm der Doctor endlich wieder seine unterbrochenen Bekenntnisse aus. „Und deshalb hast Du Deine Seligkeit außer dem Hause gesucht! lächelte der Assessor einigermaßen boshaft. Nun aber brauste der Dicke in göttergewaltigem Zorne auf: „Du irrst Dich; meine Frau hatte mir alle anderen Frauen gründlich verleidet, und ich habe die bewußte Liebes erklärung keineswegs aus Liede gemacht." „Warum hast Du sie dann gemacht?" — „Weil meine Gattin die heftigsten Antipathien hatte gegen fast alle Weiber, die in ihre Nähe kamen" — donnerte der Dicke loS. „Weil meine Frau ein Blümchen „rühr' mich nicht an", eine Mimose war, die ibr Aoli ms tangsio jedem Lüftchen zurief, das sie anwehte. Und weil meine Selige, — Gott habe sie selig" — stöhnte der Doctor, — „endlich aus den Einfall gcriclh, daß ich dazu berufen sei, ihr alle so genannten „Freundinnen" vom Halse schaffen zu müssen, sei eS nun durch Grobheit oder List, die iyr im Lause der Zeit antipathisch geworden waren." „Armer Executor!" spottete Lebrccht, „Ich fange an, zu begreifen; die Holde, Spröde, die da vorhin an un- vorüber gerauscht ist, war eine solche Executirte." „Du sprichst e- auS!" ächzte Wartcnbcrg. „Fräulein Martha von Klinger, das ist d«r Name der Betreffenden, hatte das Unglück, eine der größten Antipathien meiner Frau zu sein. „Schaffe mir die Klinger vom Halse. Sie glaubt, mir einen Gefallen zu tbun, wenn sie mich täglich aussucht; und sie tödtet mich!" rief mir meine Gattin entgegen, so oft ich inö Krankenzimmer trat. „Liedes Kind", pflegte ick> im Anfang auf solche Klagen hin zu erwidern, „Du weißt, daß ich mich von den ExecutiouS- geschaffen, die Du mir aufgezwungen, ein für alle Mal zurückgezogen bade. — Außerdem habe ich gar nicht die Ehre, Deine jüngste Bekanntschaft, Fräulein von Klinger, zu kennen!" „Dann lerne sie kennen!" schluchzte meine Frau auf. — „Mache die Frömmigkeit dieser Bigotten nur einmal lächerlich, verletze nur einmal die Prüderie dieser Prüden und Du hast mich für immer von ihr befreit!" Ter Rath däuchte mir gut und da die Icremiadcn meiner Gattin kci» Ende nehmen wollten, stand ich nicht an, den Rath zur Thal zu machen. Schreiten wir zur Cxccution dieser Prüden, sagte ich mir. ES ist eins gegen sechs zu wetten, daß sie die Schwelle »icinc- Hauses nicht mehr überschreiten wird, wenn ich mich erkühne, ihr irgendwo, irgendwie und irgendwann eine kräftige Liebeserklärung zu machen. Gedacht, gcthan! Der nächste Tag schon, ein schöner, frühling-duftiger Sonntag, schien mir, da Fräulein von Klinger meiner Frau i» den Abendstunden ihren Besuch verheiße» hatte, zu meinem geplanten Attentate günstig. Die große Standuhr auf dem Flur schlug eben sechs, als Fräulein von Klinger durch dcn kleinen Vorgarten unserem Hause zuschritt. Jetzt oder nie! schrie eS in mir auf und etwa- von dem tollen Studentcnübcrmuth früherer Jahre war über mich gekommen, als ich mich aufmachte, um der Dame im Bor- zimmcr dcn Weg zu vertreten." Doctor Wartcnbcrg blieb, bei diesem Puncte seiner Be- kcnntnissc angelangt, seufzend stehen. „Laß mich über die Scene, die sich nun abspielte, rasch hinweg gehen", stöhnte er ans. „WaS mir damals ver zeihlich, >a sogar belustigend dünkte, will mir heule schmählich erscheinen. Genug; — ich begann meine Liebeserklärung mit einigen abgedroschenen Gemeinplätzen und endete damit, dcn Arm um Fräulein von Klinger'S Hüllen zu legen. Aber nur der Mantel der Dame blieb bei diesem Gcwaltact in meinen Händen und sie selbst stand . . . ." „ManlelloS vor Dir!" unterbrach Lebrccht lachend. „Ein Götterbild mit junonischen Formen." „So ist'S," ächzte der dicke Doctor. „Aber nicht genug, daß ich plötzlich Formen vor mir erblickte, an die die Willkür nicht tasten durfte; — »ein, als Fräulein von Klinger nun mit einer zürnenden Handbewegung dcn Schleier zurückwarf, sab ich — um meine Bestürzung vollständig zu mache» — in ein süßes, stolzes Antlitz, dessen schwarze Augen gleich lohenden Blitzen Uber mich hinflammten." „Du wirst poetisch, Doctor Wartcnbcrg!" ries Lebrccht. Der Dicke schüttelte unwillig sein gewaltiges Löwcnhaupt. — „Laß das", wehrte er» „der Spott ist hier nicht am Platze. — Wahrhaftig, mir war damals zu Mutbc, als müsse ich vor der Beleidigten in die Knice sinken und sie nm Ver zeihung bitten für meine Rohheit. Sie aber ließ mir keine Zeit dazu. — Sie batte de» Mantel auS »'einer Hand ge rissen, sie eilte di« Treppen hinab und verließ — wie ich eS richtig berechnet hatte — mein Hau-, um eS niemals wieder zu betreten." „Armer Doctor", sagte Lebrccht, „Deine Liebeserklärung kam Dir thcucr zu stehen!" „Sie kam'-!" scusztc Wartenberg, „denn mir war'- von dem Augenblick ab wie angethan. Ich konnte das bleiche, stolze Gesicht nicht vergesse»; und daS Schicksal sorgte noch obendrein dafür, daß ich eS nicht vergaß. Ich sah Fräulein von Klinger nach dem bald darauf erfolgten Tode meiner Frau hier und dort. Ich hörte von ihr und hörte nur da- Beste. — Sic war weder bigott, noch prüde. Ich lernte sie schätzen, wie ich sie lieben gelernt. Cie aber hatte nichts anderes für mich, als die kalte Verachtung, mit der sic mir auck> beute begegnete " Wartenberg schwieg. Die beiden Freunde hatten niitllcr- wcilc den Gipfel der i-cchueckoppc crreickit und das Bild der llcbcrschwemmung drunten im Thale, das fick, von liier auS i» seiner ganze» Ausdehnung ihren Blicke» darbot, verdrängte vor der Hand jedes andere Bild. Der Scherz mußte vor dem Unglück verstummen Man war plaudernd zu Berg gestiegen, aber man stieg schweigend von Neue», zu Tbal Assessor Fritz Lebrccht und Doctor August Wartenberg, di« in Warmbrnnn in verschiedenen Häusern Quartier ge nommen, verabschiedeten sich, unten angekommen, für den Nrest des Tage-, Beiden fehlte die rechte Stimmung zur erheitern den Geselligkeit. Selbst al- Assessor Lebrccht ani nächsten Morgen den Doctor in seiner „Bude" aufsucktr, fand er diesen womöglich noch niedergedrückter, al- den Mittag zuvor. „Ist e- die LiebeS- oder ist eS die UcberschwemmunaS- aeschichlc, die diese Denkerfalten auf Deine Stirn gezogen?" scherzte der Assessor. Der Doctor stampfte zornig mit dem Fuße. „Ich wollte, ich könnte meine LicbcSassaire in den Fluchen da draußen er tränken!" stöhnte er. „Oho, nur keine Uebcreilungl" lachte der Andere.— „Ich habe eine sehr anncbmbare Nachricht für Dich!" „Und die wäre?" „Daß die beiden KlingerS, Mutter und Tochter, seit vor gestern hier in Warmbrnnn vertreten sind", erklärte Lcbrecht; „die Tochter mit ihrem ganzen stolzen Liebreiz, die Mutter mit mindestens bunbert Kilo Körpergewicht...." Jetzt bcitcrte sich des Doctor- Antlitz auf. „Wo haben die Damen Quartier gcnoinincn, wo?" fragte er erregt. „Im nässesten, der Uebcrschwemmnng am meisten auS- gesetzten Thcil von Warmbrunn", lautete des Assessors Bericht. „Ich habe den Göttern heute schon in Gedanken eine Hekatombe geopfert, weil Frau von Klinger nebst Tochter, Dank der großen Frembenübersüllung, kein andere- Obdach gefunden haben, als gerade diese«, . . . denn dieser Umstand, respective Ucbelstand, mein Junge, giebt Dir Gelegenheit, dcn Damen gegenüber den helfenden Ritter zu spielen —" „Mir!?" schrie der Dicke ans. „Nun ja — Dir! Wem denn sonst?" lächelte Lcbrecht. „Du campirst hier i» Numero Sicher; die Damen campiren im Nassen. WaS ist also einfacher, als daß Du ins Thal zum sogenannten Wcinmüllcr rennst, allwo die Damen togiren, um Frau von Klinger nebst Tochter Deine Wohnung anzubirtcn." Der Doctor riß den HanSrock über der Brust auf, als würde dieser ihm plötzlich zu eng. „Mensch — Lebrccht — das ist «in Gedanke!" jubelte er — und nun, den einen Pantoffel recht-, den anderen links schleudernd, begann Wartcn- berg sich um- und anzukleidcn .. Der gute Dicke hatte die- Geschäft Wohl nie schneller besorg... „Di, kannst meine sieben Sachen während meiner Ab- wcscnbcit gleich zusammenpacken —" rief er, endlich in vollem „WichS" die Treppe hinabcilcnd, noch dein zurückbleibenden Assessor zu. Dieser aber, der sich nicht nur mit dem Humor, sondern auch mit der Philosophie verbrüdert hatte, sagte ruhig: „Warten wir'S ab!" Und der Assessor wartete. — — Er wartete eine ge schlagene Stunde und stellie sich, als Wartenberg »ach Ab lauf der letzteren schweren Schrilles die Treppe herauf- gcpvltert kam, breitspurig unter der Thür auf. „Nun?" sragte Lcbrecht. Aber der Doctor gab keine Antwort. Er warf, ein- tretcnd, den Hut ans den Tisch, warf sicb selbst aus einen Stuhl und stieß endlich mit einem Stöhnen hervor, das niehr wie ein Schluchzen lautete: „Sic läßt danken!" „Läßt danken?" schrie der Assessor. „Sic geruhte wohl also, gar nicht i» die Erscheinung zu treten?" „Nein", stotterte der Dicke. „Sie schickte daS Stuben mädchen an mich ab mit der Weisung, sic ließe mir für mein Anerbieten danken." „Dann wünsche ich dieser hochmlithigen Närrin, daß sic in« Wasser plumpse, je eher, desto besser", donnerte Lcbrecht loS. „Ich möchte doch sehen, ob sie in einem solchen Falle auch noch dankt, wenn Du sie herausfischcn willst . . ." „Sie dankt ... sic dankt . . . verlasse Dich darauf.. ächzte Wartcnbcrg ... sie dankt für jede Rettung, für jede» Dienst, dcn ihr meine Hände bieten." „Dann mag sie meinetwegen ertrinken!" sagte der Herr Assessor kalt, indem er das Zimmer verließ wie ein Mensch, der gewillt ist, mit keinem Finger mehr au eine verlorene Sache zu tippen. Und der Assessor war ein sehr konsequenter Herr — sein eisiges „Meinetwegen" hielt Stand. „Meinetwegen!" rief er in dcn nächsten Tagen, wenn das Unwetter wuchs, die Winde tobten und die Wasser stiegen. Freilich, als er nach einer der stürmischen Nächte »ach der Wobuung d«S Doctors eilte und der Wirth des Letzteren ilnn mittbeillc, daß die Ucberschwemmniig im Tbale so und so viele Häuser, darunter auch daS dcö WeinmiiUers, vollständig unter Wasser gesetzt, und daß Wartenberg schon vor Cluutcn der Unglücksstatte zugeeilt sei, vergaß der Assessor auch sciu eisiges „Meinetwegen". „Wenn der gute Dicke sie nicht schon herauSgcsischt hat", grollte er wüthcnd in sich hinein, „so werde ich ihn dazu zwingen, sie schwimmen zu lassen." Aber der fromme Wunsch Lcbrecht'S kam zu spät. Er mußte, an Ort und Stelle angelangi, zu seiner Verzweiflung die Wahrnehmung machen, daß sein Freund Wartenberg nirgend» zu entdecken war, und daß ein vierschrötiger Baucrn- bnrsche an Stelle des Ürsteren Fräulein Martha von Klinger bereit» auS dem feuchten Elemente heraiisgcrcllct hatte. „O, Wartenberg! Wartenberg!" stöhnte der Assessor, indem er sich mit der Rechte» vor die Stirn schlug; dann aber, als inan daS bewußtlose Fräulein von klinger unter Dach und Fach gebracht, erlaubte sich der Assessor, dcn Bauern- burschcu, der die Dame ans rettende Land gezogen, in nach stehendes Kreuzverhör z» ziehen. „Sie fanden das Fräulein im WcinmüllerhauS?" .Ja". „Allein?" „Nein ... sie lag besinnungslos neben einer älteren, dicken, ebenfalls besinnungslosen Dame " „Und da ließe» Sie die ältere »nd dickere liegen, nm die jüngere »nd schlankere ans sich zu ncbmcn!" rief der Assessor in bitterem Galgcnbunivr — der Bauer aber grinste. „Die Dicke war mindestens zwei Ecntncr schwer", meiitte er, „mtt der schleppt sich Keiner auch nur sechs Schritte weit!" . . . „Mensch . . . Ungeheuer!" donnerte »un Lcbrecht loS, den Burschen schüttelnd. „Sie haben die Unglückliche also liegen lassen, oyne auch nur einen Menschen aus ihr Dasein in jenem ganz unter Wasser stehenden Hause aufmerksam zu machen?" Jetzt starrte der Bauer mit Weil aufgerifsctien Augen darein. Der Assessor aber stürzte sich energisch unter die Männer. „Rettet . . . rettet ... im Weinmüllerhause befindet sich noch eine Dame", wollte er aufschrcien; aber statt des Auf schreies drängte sich ihm mit einem Male ein Lachen, ein tolles Lachen auf die Lippen. Auf dem Dache de» WeinmüllerhauscS wurde plötzlich eine dicke, wassertriesendc Flcischmasse sichtbar. — Kein Zweifel, dieser lebendige McnschcnkuLuel bestand, wenn Man chn ent wirrte, aus zwei Mensche», auS dem dicken Doctor Warten- bcrg, der die noch dickere Frau von Klinger in seinen Armen trug. — O Komik, die bei manchem Sterblichen sich immer in die Tragik mischen muß! Der arme Wartenberg brach, als man ihn, Dank der thatkräftigcn Hilfe Leberecht'S, aufs Trockene gelöstst, keuchend neben seiner noch immer ohnmächtigen, weiblichen Bürde nieder. ES dauerte lange, ehe er nach dieser CapitalSanstrengung Athen, und Sprache wieder zu finden vermochte; dann aber, als ilnn endlich Beides zurückgegebcu, raunte er dem Assessor ins Ohr: ^Ich babe noch einmal eine letzte Liebeserklärung gewagt. Vielleicht, da ich sie diesmal an die Mutter gerichtet, siudcl sie Anklang im Herren der Tochter." Und in der Thal, diese letzte heldenmiithige Liebeserklärung fand endlich den ibr gebührenden Lohn. — Fräulein Martha von Klinger ließ dem Doctor dieSpial nicht durch das Stubenmädchen danken; sie dankte ihm selbst auf daS Wärmste für die Errettung der Mutter, und schon ein halbe- Jahr darauf machte die Verlobung — Doctor August Wartcnbcrg'- mit Fräulein Martha von Klinger iu den DageSblättern die Runde. Oeffentliche Ausstellung von Lauartikeln in -er „Sauhütte". Wie sehr unser« Zeit bei Bauberstellungen nicht mehr auSschlteß- lich aus da« nüchtern Prakttlche. Dauerhafte sieht, sondern auch ge schmackvolle Formengebung dabei im Auge hat, das kann man so recht sehen, wenn man die im ersten Stockwerke im Innung-Hause zur „Bauhütte" ans der Schulstraße schon seit einiger Zeit ein gerichtete „Ausstellung von Bauartikeln und Patenten" besucht, irs ist diese Ausstellung übrigen- durchaus nicht blor von Interesse sür die eigentlichen Männer vom Jache, Architekten und Baugcwerken aller Art. Sie wird im Gegentheil noch weit größer« Anziehung auSüben und weit größere Belehrung bieten allen denen, welche als Grundstücksbesitzer oder Bauherren in die Lage kommen, sür ihre Rechnung Neu- und Umbaute» aussühren zu lasse». Ja, schließlich kann mau überhaupt jedem den Besiich dieser Ausstellung ciupsehlen, der «in reges Interesse an incuschlichem Thun und Treiben hat, und am Ende „wohnt" ja doch jeder, und da sollte man doch meinen, müßte es auch jeden interessiren, zu erfahren, wie und aus welchem Material ein Heim, wie das seine auch ist, heute hergcsiellt zu werden pflegt und welche Raffinement- und Verbesse rungen der Mensch heute ain Woh»ung»bau anbringt. Gin wichtiger Artikel sür liniere Bauten sind die „Berblend- stetne". In diesem Artikel ist denn nun besonders viel Neues und Schönes geboten. Ta sind zunächst vertrete» die „BorSdorser Bcrbleudsieinwerke von E.Krels'chma»»", schönes Material mit haar- scharseu -lauten in verschiedene» Farben, hellgelb, hochgelb, Icder- brauu und rolh, nur j» der natürlichen Brandsarbc de- ThoneS, ohne Farbenznsatz hergestellt Auch die Glasurziegcl sind ver- Ichiedensarbig hergestellt, i» prächtigster Beschaffenheit, ohne jede Spur von Haarriße». Die vorzügliche Gleichartigkeit de- Korne- und der Härte kann man aus den Bruchsiäche» zerschlagener Steine studire». Auch die sogenannte» „Formziegel" und die „'Verzierung-- steine" z» ornamentaler Verwendung sind in geschmackvollen Mustern ausgestellt, auch die Dachziegel, sogenannte „Biberschwänze" in dem- selben Thonmaterial. Tie Baumaterialienhandlung von Gebr. Franke ^Leipzig, Dusonrslraße 17) hat tresslichcs Material sür Feinziegelbauie» ansgestelli. Bei den jetzige» Herstellungen de- Material- erweist sich der Rohbau mehr und mehr al- ökonomisch. Nicht mehr blos die Fatzade», sondern auch Hos- und Nebengebäude und Fabriken werde» jetzt und zwar meist in II. Sorte oder eigentliche» Rohbausleinen anSgesnhrt. Durch Anwendung von Farme», steinen und verschiedenfarbigen Glasuren läßt sich bei alle» Feinziegelbaillen verhältnißmäßig billig ein gefälliges AuSseb.-n erzielen. Die granke'schen Muster zeigen gelb, rolh, lederiarbig, brau», weiß, gra», al- neue Farben chamois, »culederjarbig und terracottarolh. Vertreten sind durch die Firma,Gebr. Franke die Greppiner, Schrciber'schcn, Liegnitzer, Tobieuer, Bvrsdoriei. Eiegersdorfcr, NiederullerSdorier, Landauer, Wittenberger, Helm- stcdler, Hcrset'schen, Agaer, Beyer'sche» Werke und die Lndowiei- (Ludwigshaseiier, Falzdachzieael, die letztere täglich !X»«>M Lüstk Lndowici-Falzziegel liefernd. Diese Falzziegel zeigen außer geschmack- voller Formgebung auch einen sinnreiche» doppelte» Schluß am Falze und Kops. Außerdem werde» Fjrstzlegel, Gnd- und Giebel- stücke cbeiisallü in schmückender Form hergestellt. Die Wanderung durch die Ausstellung wird demnächst ihre Fortsetzung finden. Adolf Wciske. Sport. * Zu Anfang de? Jahre- I«!X1 waren 466 Beschäler In den königlich italienischen Hengstdepot- vorhanden, am Schluß des- selbe» war die Zahl derselben durch Ankäufe im Ausland aus i,36 gestiegen, davon «!4 englische«, 64 arabische- und englisch-aradischeS Vollblut, 677 Halb- und Dreiviertelblut, 62 für schwere» Zug. Im Frühjahr suiigirteii 471t Hengste auf 276 Stationen als Beschäler und deckte» 16 413 Stute» sür rin Dockgeld vo» 247 426 Lire (4.'>«XX1 mehr al- im Vorjahre). Ferner wurden «31 Privatlenlen gehörige Hengste «62 mehr als s», Vorjahre) al- LandeSdeschäler zugelasje» und deckten 2n06ü Stuten. Zusammen also wurde» 42 37« Stuten von I3öl Hengsten gedeckt. Bon den sm Bviqahre nedccklen »4 2«»7 Stuten sielen etwa 16 U«X» Füllen. Für Trab- und Galopprennen bewilligte das Ackerhauministerium den anerkannle» Gejcllschaslc» inSgesammt «'>4kXXt Lire als Rennpreise «420» mehr als im Vorjahre). Iin Ganzen betrug der Werlh der letzteren «!X)7lIö Lire. Pserde-Aiisstellungcn fanden statt in Ferrara, Sla. Maria di llapna, ttatania «kür Zuchtstuten), Mantua «Provlnzial- Ausslellung), Pli» (sür Volldlutpserde), Fernio und Pavia «laiid- wirlb'chaslliche Ausstellungen). .Hierfür bewilligte da- Ministerium 22«,.'X> Lire zu den Prämie». In- «tml-lwulr sur Vollblut wurde» «>!t Pserde eingetragen tvon l«««i—1«8!» zusammen 341). Die Pserdc-ttinsuhr endlich betrug 20 UV, die Ausfuhr IÜ38.
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