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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920808022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892080802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892080802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-08
- Tag 1892-08-08
-
Monat
1892-08
-
Jahr
1892
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Für die Ultramontanen, die Deutschsreisinnigen, die Social- und die ordinären Demokraten ist bekanntlich Fürst Bismarck nichts als ein ebenso geschwätziger wie intrizuanter Greis, der es nicht vertragen kann, daß ihm die Nemesis die un verdiente Glorie des Ruhmes vom Haupte gerissen hat. und der deshalb mit allen Mitteln rer BersührungSkunst und der Bestechung die urtheilsloscn Massen in Bewegung setzt, um seinen Nachfolger zu stürzen und sich selbst dem Kaiser wieder auszukränge». Und gleichwohl wissen die Blätter dieser Parteien dem von seinem böSartig- rgoistischen Vorgänger so schwer bedrohten Grafen Capri»i keinen besseren Rath zu geben, als die Reden des Fürsten Bismarck genau zu stubiren und ihre Mahnungen zu befolgen. So richtet heute das „Berliner Tageblatt" in seiner „Politischen Wochenschau", in der zuerst das ganze schnöde Jntriguenspicl des Altreichskanzlers enthüllt und sein Bestreben, den Grafen Caprivi zu verderben, haarsckmrf nach- gewiesrn wird, an den letzteren folgende dringende Mahnung: „Caprivi sollte von seinem Feinde lernen. Dieser verräth ihm die Quellen, aus deiien Popularität und Macht ersticht. Er braucht die unwillkürlichen (!) Winke nur zu beherzigen. Er befreunde sich mit der Idee eines starken Parlaments, suche eine feste Mehrheit, die ihm auch der Krone gegenüber ei»c Stütze bietet, und er folge den Lockungen der Pietisten nicht, dann durchkreuzt er aus das Glücklichste den geg. nertschen Feldzugspl an. vor Allem nehme er einen Funken von Bismarck'fchcm Feuer in sich aus! Seine Methode des Zögerns uud Zauderns macht die Lage heillos verworren. Wir sehen und schätzen bei ihm das fleißige Studium, aber wir vermisse» die glänzende Thatkraft. Will er die Gemüther an sich fesseln, so muß er mulhig hervor- treteu und mit fester Hand dieFührung nehmen. Ter SMatSmann gleicht nicht der bescheidenen Blume, welche blüht, auch wo Memand hinkommt, sie zu sehen, und nicht dem Stern, der seinen zarten Schimmer wirft, auch wenn kein Auge zu ihm aus blickt, der Staatsmann gedeiht nicht im Hintergrund Er muß sein wie der Oberbefehlshaber in der Schlacht, inan will ihn sehen, oder wo man ihn nicht sieht, will man ihn Loch fühlen. Tie Unentschlossenheit hat noch niemals etwas Hinreißendes gehabt. Es war ein Fehler, daß Caprivi auch in der Frage der Berliner Welt-AuS st clung die Rolle de« Cwictato-rs spielte. Warum benutzte er nicht die Gelegen heil, mit Worten, die wie Trompeten. Geschmetter klangen, zum Wettstreit auszurufen? Die Ration, die Welt (!) wäre: ihm gefolgt, auch Widerstrebende hätte er nach sich gezogen. Aber er fand die Sprache führender Geister nicht, und das hat ihm, hat der Sache geschadet. Ten Zug der Unsicherheit trägt seine ganze innere Politik. Er thut einige Schritte vorwärts, einige zurück. Die durchlaufene Bcrsuchszeit sollte doch ihn lehren, daß die Politik der halben Maßregeln Niemandem recht gefällt. Er höre auf, politischer Eklektiker zu sein, er bekenne sich zu einheitlichen Grundsätzen, er stoße kühn vom Lande ab, und er wird sein Echtst auch gegen schaumende Wellen zum Ziele führen. Proclamirt er ein Regierungsprogramm, das der Bildung des Jahrhunderts nicht widerstreitet, so wird er das Bürgcrlhum für sich gewinnen. Ein einziger Wahlkamps, beherzt durchgesührt, verschafft ihm die Mehrheit. Dieser Mehrheit muß Las Ministerium entsprechen, dann hat es sicheren Curs." Wenn Graf Caprivi durch die herbe Kritik, die in diesem Rathschlage liegt und die sich genau mit der Kritik Bismarck s und der „BiSmarckprefse" deckt, nicht die Lust zum Lachen verliert, so wird er sicher hell auslachen darüber, daß ihm der „freisinnige" Kritiker genau denselben Rath ertheilt, den ihm Bismarck und die „Bismarckpresse" angeblich deshalb wiederholt ertheilt haben, um ihn zu verderben. Allerdings wird es ihm nicht entgehen, daß Fürst BiSmarck unter einer „festen Mehrheit, die ihm auch der Krone gegenüber eine Stütze bietet", etwas ganz Anderes versteht, als der „freisinnige" Ratb geber, der ein freisinnig-demokratisch-ultramontan-welfisch-pol- nisches Conglomerat dem jetzigen Kanzler als „Stütze" bieten mochte. Aber um so Heller wird er lachen müssen. Was er von diesen „nationalgesinntcn" Elementen, die nur der gemeinsame Haß gegen BiSmarck und das gemeinsame Trachten nach Einflug gelegentlich zusammenführt, zu erwarten hat, ist ihm während seiner „Vcrsuchszeit" hinlänglich klar geworden, so klar, daß er auf die Gefahr hin, daS Ccntrum zn verletzen, seine angeblichen früheren Beziehungen zu dieser Partei ent schieden in Abrede stellen läßt. Wenn er aber seiner Heiter keit Herr geworden ist, wird es ibm doch lehrreich erscheinen, daß der so gefliffentlich sich an ibn herandrängende „Freisinn" sowohl in der Kritik der bisherigen „Bcrsuchszeit", wie in den Ratbschlägen bezüglich der Zukunft ganz wefentlich mit dem bösen Bismarck übereinstimmt. Zn einem durch die Behauptung, daß Graf Caprivi der ReichSkanzlercandidat des Centrums gewesen sei, ver- anlaßten Artikel, erklärt die „Köln. Volks-Ztg.", Windtborst habe oft gesagt, daß ihm das Bleiben Bisinarck'S erwünscht sei, da nur Fürst Bismarck die hinreichende Machtstellung besitze, um den kirchcnpolitischcn Status guo aut« wieder her zustellen. DaS nltramontane Organ findet diese Erwägung vollkommen zutreffend und sagt: „Es bcdurste in der That des Einsetzens der ganzen außer gewöhnlichen Autorität des Fürsten Bismarck, um den staatskirch- lichen Bau der Maigesctze so weit abzutragen, als es geschehen ist. Daß Fürst Bismarck die unhaltbaren Bestimmungen der Maigesetze preisgab, bleibt sein großes Verdienst; er hat cs aber sicherlich nicht gethan, um dem Ccntrum oder den deutschen Katholiken eine» Ge- lallen zu erweisen, sondern weil er eben die Unhaltbarkeit dieser Gesetzgebung angesichts des geschlossenen Widerstandes der katholischen Bevölkerung und der gesammtcn innerpolitischen Situation klar er- kannt hatte. Das war eben Bismarck'sche Realpolitik." Es ist begreiflich, daß die Ultramontancn mit dieser „Real politik" einverstanden waren und daS auch jetzt unumwunden aus sprechen. Wenn die „Köln. Bolkö-Ztg." aber weiter sagt, falls Bismarck am Regiment geblieben, wäre „manchen Beschwerden der Katholiken, auf deren Abstellung sic noch vergeblich hoffen, Abhilfe geworden" und daS Zes nitenge setz längst aufgehoben, so weiß man nicht recht, wie weit diese Acußcrung ernst zu nehmen ist. Wer sich der in den letzte» Tagen von ultramontanen Blättern rrösfncten DiScussion über die Zweckmäßigkeit eines erneuten Antrages wegen Aufhebung deS Zesuitengesetzes erinnert, könnte auf die Bermutbung kommen, daß es sich hier um einen nach Berlin gerichteten Wink handele. Daß dieser Wink keine Beachtung an zuständiger Stelle finden wird, kann den Zeitungspolltikern des Centrums nicht zweifelhaft sein. In Bezug auf das Zesuitengesetz vermag die „Kölnische Volkszeitung" weder auf den „geschlossenen Widerstand der katholischen Bevölkerung", noch ans die „innerpolitische Situation" hinzuweisen, um die Aushebung des Gesetzes als nothwendig darznlegen. Der Liebe Müh' ist in diesem Falle also cnlschieden umsonst gewesen. Die Presse deS gesammten AnticartclS ist an der Arbeit, das Essener Urtheil — soweit der Beleidigungsparagraph dies gestattet — in sein Gegenthcil zu verkehren und sür Herrn FuSangcl zu retten, was zn retten ist. Centrum, Teutschfreisinn und Socialdemokratic finden sich wieder im schönsten Verein, gerade wie zu Beginn der Baare-Hetze. DieS Gebühren entspricht durchaus dem Wesen der Berliner dculschfrcisinnigcn Demagogie und hat überdies allem An schein nach einen spcciellen Zweck. Man hat ein Interesse daran, Fusangel nicht in ungünstigem Lichte erscheinen zu lassen, denn ganz dasselbe, was dieser gegen Baare (und Ahl- wardl gegen Löwe) gesponnen,ist jetzt von deulschfreisinniger Seite gegen Ahlwardt gewebt worden. Ein Vergleich Baare's mit Ahlwardt kann natürlich in keiner Weise gezogen werden, die Umgarnung des Antisemiten, die jetzt im Gange oder schon beendet ist, gleicht aber der Umstrickung deö Bochnmer Industriellen aufs Haar, und wir stehen trotz der Ungleich- werthigkcit der Personen und des darum nahe liegenden Vorwurfs eines schlechten Geschmacks keinen Augenblick an, das Eine so verwerflich wie daS Andere zu finden, Beides als ein überaus betrübendes Symptom der Erkrankung unserer heutigen Gesellschaft zu betrachten. Am Donners tag fand in Berlin eine Versammlung statt, in der ein Herr einen ganzen Schiffskatalog schwerer Vergehen und Verbrechen, die Ablwardt begangen haben soll, verlas, mit der Ankündigung, daß er die Anschuldigungen anderen TageS der Staatöanwaltscbasl unterbreiten werte. Ahlwardt wird zahlreicher gemeiner Betrügereien, der Unter schlagung und des Meineides bezichtigt. Unter Anderem soll er einen Eiscnbabnschasfner veranlaßt haben, ihm mit seiner Familie ans bereits abgestempelte Fahrkarten hin die Bahn bcnntzen zu lassen, und ibm außerdem ein Darlehn von l86^s zu geben. Als der Schaffner sein Geld znrückvcrlangte, habe ihm Ahlwardt mit der Anzeige wegen der abgestempellen Billets gedroht. Herr Richter tbeilt diese Anschnldizungen in der „Frcif. Zeitung" mit. Wir haben also ganz daS Verfahren Fuöangel'S gegen Baare und Ahlwardt'» gegen Löwe vor »ns. Schwere Anklagen werden erst in der Oeffcntlichkeit erhoben und durch den Truck verbreitet; hat die spätere Anzeige bei der Staatsanwaltschaft nicht den gewünschten Erfolg, jo bat inan doch dem Publicum den Glauben an Schanttbatcn eingeimpft, die auch daS unzwei deutigste richterliche Urtheil oder gar nur eine Zurück weisung der Anklage durch den StaatSanwalt niemals voll kommen wird auSznrottcn vermöge». Ganz wie FuSangcl und Ahlwardt hat auch der offenbar bestellte Ankläger des Letzteren aus Zeugen und Zeugenaussagen gefahndet, also die Geschäfte von Staatsanwalt und Untersuchungsrichter besorgt, um mit dem sonnenklaren Beweise der Schuld vor die Ocssentlichkcit und daS Gericht treten zu könne». Ter einzige Unterschied besteht darin, daß, während Fußangel t? Jahre zurück „untersucht" hat, die nachträgliche Aus grabung von Ahlwardt's Privatleben nicht weiter als ans sechs Jahre ausgedehnt worden ist. In der erwähnten pbilosemitischcn Versammlung wurde gesagt, das Iuden- thum, daö bisher wie CkrisluS die rechte Wange darge boten, nachdem man eö aus die Linke geschlagen, werde nun mehr seine Rache an Ahlwardt nehmen. Wo der betreffende Redner die Legitimation hernimnit, im Namen deö ganzen JudentbuniS zu spreche», blieb der Lcfscnttichleit vorenthalien. In Wirklichkeit dürste die Mehrzahl der deutsche» Juden jede Verantwortung für diese Ankündigung von sich ablehnen. WilnschcnSwcrth wäre cS, wenn dies bald und öffentlich geschähe. WaS an den Anklagen Wahre» ist, entzieht sich selbstverständlich der Beurtheilung. Die „Freisinnige Zeitung" fchcint von der Wahrheit der Beschuldigungen nicht völlig überzeugt zu sein, denn sie öffnet sich für den Fall des Fehlschlags eine Hinterkbür, indem sie bei der Be sprechung des Bochumer Processcs dem StaatSanwalt einen Vorwurf daraus macht, weil er den famosen OuantiuS in der Schlußvcrhandlnng als Zeugen hat auftretcn lassen. Also daS Häuptwerkzcug deö Dcnuncianten und die Säule seines ganzen AnklagebaueS hätte in seiner ganzen — Un glaubwürdigkeit dem erkennenden Gerichte unbekannt bleiben und dadurch hätte verhütet werde» sollen, daß die Unhalt- barkeit der Beschuldigungen zu Tage trat. Wenn der deutsch- freisinnige Meister des Rechts eine derart himmelschreiende RcchtSanschauung vertritt, so ist der Gedanke nicht abzuwcise», daß eS nur gefchieht, um sich auf dieselbe gegenüber einem möglicherweise auf der Bildfläche erscheinenden philosemitischen OuantiuS berufen zu könne». DaS Zurückwcichen Deutschlands hinsichtlich der Berliner Weltausstellung wird auch in der belgischen Presse nichts weniger als schmeichelhaft beurtbcilt, bat aber zur Folge, daß man sich in Belgien mit erhöhtem Eifer der Ver anstaltung einer Weltausstellung znwcndet. In der An nahme, daß eine derartige Ausstellung dem ganzen Lande und vor Allem der Stadt, in welcher die Ausstellung ftattfindct, reichen Nutzen stifte, wetteifern Antwerpen und Brüssel darum, im Jahre 1894 eine Weltausstellung zu veranstalten. In Antwerpen ist bereit« ein leitender Ausschuß unter dem Vor sitze des Kämmerers gebildet: ein Theil der AuSstellungSgebäude in Chicago ist sür die Antwerpener Ausstellung erworben worden. Auf Anregung des Brüsseler Gemeinderath« und Teputirtcn Lemonnier hat sich aber auch in Brüssel unter dem Vorsitze deö Grafen von Oultremont, welcher der Ver treter Belgiens aus den letzten großen Weltausstellungen ge wesen ist, ein leitender Ausschuß für eine Weltausstellung gebildet. Ter Finanzministcr Herr Beernaert hat dieser Tage Herrn Lemonnier empfangen und versichert, daß die Regie rung dem Unternehmen beider Städte wohlwollend gegenüver- stchr. Mann sicht mit Spannung der Entscheidung darüber entgegen, welcher der beiden Städte die Veranstaltung der Weltausstellung zugesprochen werden wird. AuS Petersburg wurde bekanntlich dieser Tage berichtet der „Grasbdanin" melde die Versetzung des russischen Ge sandten in Lissabon, Herrn Hitrowo, nach Japan. Diese Meldung ist zwar noch nicht bestätigt worden, aber sie bat auch keinen Widerspruch erfahren; man wird sie also vorläufig als richtig anscdcn müssen. Jedenfalls ist sie sehr bemerken-- wcrtb Herr Hitrowo hat sich bekanntlich während seiner AmtStbätigkeit un Oriente und speciell als Chef der russische» Vertretungen in Sophia und Bukarest eine recht fragliche Reputation erworben Schwer compromittirt erscheint Herr Hitrowo durch die kürzlichen Veröffentlichungen der „Swo- boda" von Sophia und durch sein dadurch beleuchtetes Ver hältnis) zu den bulgarischen Verschwörern, wobei der Dragvman Jacobson den Vermittler spielte. Nach den Ent hüllungen der „Swoboda" wäre es allerdings schwierig, Herrn Hitrowo an einem europäischen Hofe zu belassen, wäh rend er seinem Vatcrlande in Japan noch recht gute Dienste leisten könnte, wo man über die politische THätiakeit Hitrowo'« kaum so genau orientirt sein dürfte, als in Europa. Man wird in der Mittbeilnng der Versetzung Hitrowo'S von Lissa bon nach dem äußersten asiatischen Osten, vorausgesetzt, daß sic sich bewahrheitet, eine Bestätigung dafür finden, daß dir ihm in den „Swoboda"-Documenten Mefchriehene Rolle nicht ganz unbegründet ist. In Marokko sind die Verhandlungen zwischen dem Sultan und dem englischen Gesandten Evan Smith trotz vielfacher gegentheiligen Angaben noch immer nicht abgebrochen, werden cs auch wohl nicht werden, da beide Theile e« durchaus nickt zu einem offenen Bruch kommen lassen wollen. Wie von Fez gemeldet wird, hatte der Sultan nach der Ab reise des britischen Gesandten acht Bevollmächtigte ernannt, die, mit einem besonderen Oberconimissar an der Spitze, sich nach Tanger begeben sollten, um daselbst die Verhandlungen zum Abschluß des Handelsvertrages niit Großbritännien wieder aufzu- »ehnien. Die europäischen Nathgeber des Sultans bewogen diesen jedoch, die Absendung der Commission zu verschieben, bis sich der bevorstehende Wechsel im englischen Ministerium vollzogen habe. Auch die aus Anlaß der Steuereintreibnngen von einzelne» Araberstämmen im Innern deS Lande-, nament lich von den Angberas, hervorgcrufenen Unruhen schienen ihrem Ende entgcgenzugehen, wenigstens wurde gemeldet, daß der Kabylcnstamm der Madras, der anfänglich nicht zur Unter drückung des Aufstandes der AngberaS Mitwirken wollte, sich endlich entschlossen habe, dem Sultan Beistand zu leisten. Heute meldet jedoch der Telegraph aus London: „Tic „Times" berichtet au» Langer, gestern Nachmittag Hab« zwischen den Anghera» »nd de» Truppen de» Sultan« eia Gefecht siattgesunden: Die Angheras hätten die Truppen de» Sullans nach Tanger hin zurückgedrängt, letztere hätten etwa 15 Todte und Verwundete gehabt." Da die vereinigten Truppen deS Sultans und der Wadra« sicherlich stark genug gewesen wären, um die AngheraS zuriick- zuwerfen, so ist anzunebmen, daß die Madras ihrem Ent- Ferrilletsn. Schloß Fenstrange. Ein Roman aus den Vogesen, ß) Von O. Elster. N-chdrnck »ertöten. (Fortsetzung.) „Du möchtest gern mit von der Partie sein?" fragte der General. „Ich weiß es nicht, lieher Vater. Ich ordne mich ganz Deinem Befehle unter." „Ei der Tausend, als ob ich'S nicht auf Deiner Stirn lesen könnte, daß Du gern einmal die schöne Mademoiselle Gisela Markwardt Wiedersehen möchtest . . . ." „Vater!" „Nun ja! Ich habe eS schon längst bemerkt, daß cS mit Deinem Herzen nicht mehr ganz in Ordnung ist — nun meinetwegen, geh' hin zur Jagd und zum Diner des Herrn Markwardt." „Nicht ohne Dich, Vater." „Ich bin lahm und steif wie ein auSrangirter Jagdhund!" „Das ist nicht wahr, Vater! Du nimmst eS noch mit jedem Jäger aus. Also Du kommst mit?" „Ich weiß eS noch nickt. Ich werde eS mir überlegen", entgegnete der General, indem er seinen Spaziergang durch da» Zimmer wieder aufnahm. Nach einer Pause fuhr er fort: „Sag' mir offen und ehrlich, Henri, denkst Du in der That an Mademoiselle Gisela Markwardt?" Eine tiefe Glutb bedeckte das Antlitz Henri'S. Er erhob sich von seinem Stuhl und vor seinen Vater hintretend, sprach er in fast feierlichem Ton: „Ja, Vater, meine Gedanken be schäftigen sich oft mit der jungen Dame. Ich bin machtlos gegenüber diesem Gefühl, es ist stärker, als ich —" „Ich Hab' eS gesehen. Und, Henri, WaS denkst Du, wie eS enden soll?" „Ich weiß eS nicht." „Glaubst Du, daß Dich die junge Dame wieder liebt?" „Ich weiß eS nicht, mein Vater. Ich habe sie seit ihrem Besuch hier bei uns nicht wiedergesehen." „Aber Du wünschest sie wiederzusehen?" „Ich kämpfe seit jenem Tage ihres Besuches mit diesem Wunsche, ohne ihn unterdrücken zu können." „Nun gut, Henri, Du sollst sie Wiedersehen, Du sollst sie wieder sprechen, um zu prüfen." „Vater!" „Auch ich habe einen günstigen Eindruck von der jungen Dame erhalten; weniger günstig ist'der Eindruck, den >br Vater aus mich gemacht hat — aber einerlei! Ich nehme die Einladung zur Jagd an und Du begleitest mich! Ein verstanden?" „Von ganzem Herzen!" „Also abgemacht! Auf eine freundliche Anfrage gehört eine freundliche Antwort, und jene Leute sind uns in der That liebenswürdig und freundlich entgegengekommen." » ^ * Henri fand keine Rnhe mehr zur Arbeit. Er nahm Hut und Stock, pfiff seinem Hund und ging hinaus in den regen nassen Wald. Sein Weg fübrte ibn an dem grauen Tburm der mittelalterlichen Befestigung vorüber, dessen balbcingestiirztes Kellergewölbe von Epheu unb Brombeerranken überwuchert war, so daß ein Eindringen in den Thurm fast zur Un möglichkeit geworden war. Eine zeitlang blieb Henri vor dem Thurm stehen, daS interessante alte Bauwerk mit aufmerksamem Auge musternd. Schon öfter hatte er sich vorgenommen, die Umgebung deS Thurmcs und daS Innere desselben von dem Schutt, den Trümmern und dem wuchern den Gestrüpp reinigen zu lassen; der Gedanke, im Innern des alten Gemäuer« nach Zeichen einer längst verschollenen Zeit zn suchen, reizte ihn, und er beschloß, »n nächsten Frübting mit den Aufraumungsarbciten zu beginnen. Dann setzte er seinen Weg fort. Der Wind schüttelte die Tropfen von dem raschelnden Laubdach auf ibn nieder. Der Regen selbst hatte ausgebört, und die Wolken stoben in hastigem Zuge über die Vogesen babin. Henri traf auf seinem Wege aus einen Dobnenltieg, in dessen Schlingen zahlreiche der kleinen Singvögel dingen, die auf ibrcm Zuge nach Süden während des regnerischen, nebligen Wetters hier im Walde Schutz gesucht hatten und in die seinen Haarschlingen geralhen waren. Die meisten der Vögel ballen sich mit dem Kopse gefangen und hinge» leblos in den Schlingen; viele waren aber auch nur an einem Beine oder einem Flügel gefesselt und batten durch daS ängstliche Hin- und Herflattcrn ihr Beinchcn gebrochen oder sich sonst wie beschädigt. Mitleidig machte Henri den Oualcn der Thierchcn ein Ende, indem er ibnen den Kopf eindrückte, so daß der Tod sofort eintreten mußte. Plötzlich fesselte Henri ein cigentbümlichcr Anblick. In einer Dohncnschlinge hing der zerrissene, blutige Körper einer Drossel, während eiwaS höher auf dem Ringe, an dem die Schlinge befestigt war, eine große Eule saß, welche die Drossel als gute Beute betrachtet haben mochte. Aber die Räuber!» hatte sich mit der einen Kralle selbst in der Schlinge gefangen und nicht vermocht, sich loszureißcn. So hatte sie der Tag überrascht, und jetzt saß sie regungslos da, mit blöden Augen Henri anstarrcnd. Henri versuchte, die Eule aus der Schlinge zu lösen und ihr die Flügel zusammenzubinden, um sic milzuiiehnien. Er wollte sich spater von dem Besitzer deS TohnenstiegS die Erlaubniß ausöitten, das Thier behalten zu dürfen. Die Eule wehrte sich jetcch energisch und verwundete Henri'S Hand an mehreren Stellen. Als Henri »och mit dem unbändigen Tbiere beschäftigt war, hörte er plötzlich den Ruf einer männlichen Stimme. „Hallo, was machen Sie da, mein Herr?" erscholl cs zwischen den Bäunicn, und als Henri sich umwandte, sah er den jungen preußischen Unterofficier, den er vor einiger Zeit auf dem Dachsburger Forsthause getroffen hatte, vor sich sichen. „Sie sehen es ja", entgegnete Henri, „ich möchte die Eule aus der Schlinge lösen." „Und haben Sie das Recht dazu? Dieser Dolincnstieg gehört Herrn Markwardt. Sie haben eS wohl eher aus die Drosseln abgesehen?" „Herr, wie können Sie sich unterstehen? Wissen Sie, mit wem Sie sprechen?" „Ich habe nicht da- Vergnügen, Sie zu kennen." „Mein Name ist Henri de FönStrange. und jetzt werden Sie wohl wissen, daß Eie eS mit keinem Wilddiebe zu thun haben " „Verzeihung, Herr Baron! Aber wer kann cs dem Menschen ansehen, weß Geistes Kind er ist. Soll ich dein Thier, der Eule, eine Schrotladung ausbrcnnen?" Der junge Unterofficier erhob seine Büchse. „Es ist schade um das schöne Thier, ich möchte eS gern lebendig besitze»." „Warten Sie, ich weiß mit solchem Thier umzugehen." Mit raschem, festem Griffe hatte der junge Jäger di« heftig um sich schlagende Eule am Nacken gefaßt, um im nächsten Augenblick ihre Flügel zusammenzubinden. Dann wand er auch einen kurzen Strick um die Krallen dr< NaubvogelS, so daß dieser vollständig wehrlos gemacht war. „Sehen Sie, Herr Baron, so bändigt man die wilden Vögel." Ein Helles, spöttisches Lachen erklang aus dem Gebüsch. Ucberrasckt schauten sich die beiden Männer um; über daS Antlitz Fritz Bcrger'S huschte eine flüchtige Röthe. „Was war das?" „Ich kenne bas Lachen, Herr Baron," entgegnete Fritz Berger. „Es war auch ein wildes Vögelchen, aber ich hoffe cS noch ebenso zu zähmen wie dieses da!" Er erhob die Finger zum Mund und ließ einen gellende» Pfiff ertönen, wie ihn der Falke auSstößt. Wiederum ertönte das Helle Lachen im Gebüsch, dann rauschte cs in dem welken Laube, die Zweige thcilten sich, und plötzlich stand die dunkeläugige Zigeunerdirne vor den Männern. Ein Ausruf der Ueberraschung entschlüpfte den Lippe» Henri'S. „Ta bin ich," sprach die Dirne, „WaS willst Du von mir!" „Herr Baron", sagte der junge Unterofficier, und seine Stimme klang verschleiert, wie i» heftiger innerlicher Erregung, „sehen Sie das Mädchen! Aus Schritt und Tritt verfolgt cs mich, aber wenn ich cs fangen und festhalten will, dann ist eS verschwunden in dem Dickicht de« WalbeS, gleich eine« scheuen Reh. Marianne, woher kommst Du jetzt r" „Von Finstingen". „Und gehst nach Dachsburg?" .Ja." . ^ „Darf ich Dich ein Stück Wege« begleiten?" „Wenn eS Dir Freude macht." (Fortsetzung folgt.)
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