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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920715010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892071501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892071501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-07
- Tag 1892-07-15
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Monat
1892-07
-
Jahr
1892
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l. MW M LeipM Ägcblall Ni WM UM KkitG Iä.Ui M. (MM-WBD (Fortsetzung aus dem Hauvtblatt.) Oesterreich-Ungarn. * Wien, 14. Juli. (Telegramm.) Der Polenclub lenkte die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Zunahme von Verhaftungen österreichischer Polen in Ruß land und wünschte, daß gegen das Vorgehen der russischen Behörden Vorstellungen erhoben werden. Der nach Peters burg abgesührte Amerikareisendc Hempel, dessen Verhaftung bereits gemeldet wurde, ist russischer Unterthan und stellte sich freiwillig der russischen Gensdarmeric. Er wurde vor einem Jahre wegen seiner Agitation aus dem Gebiete der Volksbil dung in Congreßpolen zu einjährigem Kerker verurtheilt, ent floh aber. Seine Selbststellung erfolgte, weil er nach Ab büßung der Hast sein elterliches Erbtheil antreten will. — Im Abgeordnetenhause dankte heute der Finanzminister bei der sortgefetzten Balutadebatte für die ihm dargebrachten Svnwathien und widerlegte die vorgebrachtrn Bedenken, welche zu- meist den Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Baarzahlung betreffen, worüber die Legislativen seiner Zeit beschließen werden. Gegenüber dem Borwurf, die Regierung wendete verschiedene Mittel an zur Gewinnung der Abgeordneten, erklärte der Minister, er versuchte nur die Mittel zur Aufklärung und Ueberzeugung, die Valuta vorlagen seien nicht nach Sympathien und Antipathien der Systeme mit Schlagworten, sondern nach genauer Prüfung zu beurtheilen. (Lebhaftester Beifall). Das Abgeordnetenhaus nahm hierauf die Balutavorlagen mit ISO gegen 91 Stimmen an. * Pest, 14.Juli. (Telegramm.) DasAbgeordnetenhauS nahm nach einer längeren Rede de-Ministers Weckerle die Valuta- Vorlage einstimmig an und bereitete dem Minister eine großartige Ovation. Frankreich. Parts, 14. Juli. (Telegramm.) Beim heutigen Nationalfest ist die sonst niemals beobachtete Erscheinung zu bemerken, daß in Paris, wie in den Vororten, besonder« in den BolkSvierteln von den auSgehängten Fahnen r/3 russische und »/, französische sind. Die Pferde und Wagen sind mit russischen und französischen Fähnchen geschmückt. An der Straßburger Statue ist Alles ruhig verlausen. — In einem auffallenden Artikel führt der „Figaro" aus, es sei Zeit, daß Frankreich auS dem Zeitabschnitt der Lieb äugelei mit Rußland in den der festen Verbindung e n trete. Die Liebäugelei, die Rußland zu Nichts verpflichtet, könneFrankreich sehr schaden,da sie Mißtrauen und Verstimmung gegen Frankreich erwecke und den Ausbruch eines Krieges beschleunigen könne, der dann Frankreich vereinsamt fände. Bisher habe Rußland die französischen Bündnißanlräge unter dem Vorwand abgelehnt, daß man der Stetigkeit der hiesigen Regierung nicht sicher sei. Angesichts der inneren Zustände Rußlands, der Hungersnoth, der Cholera, der voraussichtlichen neuen Mißernte, der militairischen Unfertigkeit, deS wahr scheinlichen Rücktritt- Giers' und WyschnegradSki'S müsse Frankreich aus einem förmlichen Bündniß bestehen, da eS nicht wisse, welche Personen und Verhältnisse cS im ertscheidenden Augenblicke vor sich finden werde und das Wohlwollen der heutigen Persönlichkeiten bei ihren Nachfolgern nicht finde. Belgien. Brüssel, 14. Juli. (Telegramm.) In der heutigen Vollversammlung der parlamentarischen Rechten, welcher auch mehrere Minister beiwohnten, ge langten innere politische Fragen zur Berathung. Die ge faßten Beschlüsse wurden zwar geheim gehalten, doch ver lautet gerüchtweise, daß die Fragen des Referendums und der proportionellcn Vertretung nickt zur Sprache gekommen seien. Der Führer der Rechten, Woeste, soll die allgemeine Politik der Regierung unterstützen wollen. Damit wäre das Einvernehmen innerhalb der Majorität der Kammer wieder hergestellt. Niederlande. * Die niederländische Regierung hat den General staaten einen Gesetzentwurf unterbreitet, nach welchem holländisch. Staatsangehörige, die sich fünf Jahre außerhalb ihres Vaterland«» ausgehalten haben, als Ausländer be trachtet werden und nicht mehr die Vorrechte holländischer Bürger genießen. Gegen diesen, der zweiten Kammer vor liegenden Gesetzentwurf macht sich eine lebhafte Bewegung geltend und es wurde die Entsendung von Maffenpctitionen an die Kammer seitens der im Auslände lebenden Nieder länder beschlossen, damit diese der Vorlage die Genehmigung versage. Die holländische Kammer in London und der Aus schuß deS dortigen niederländischen Vereins, dessen Vorsitzender der Gesandte am Hofe von St. James, Graf Bylandt, ist, haben den Reigen eröffnet. Sie haben einen gemeinsamen Protest an die zweite Kammer gesandt, in dem sie betonen, daß ein solches Gesetz nicht nur dem holländischen Handel Schaden zufüge, sondern auch daS gute Verhältniß zwischen den Bewohnern der Niederlande und denen anderer Länder beeinträchtigen würde. Schweiz. * Zürich, 14. Juli. Aus Anlaß der Durchreise des BundesratheS zum Schützenfest in Glarus fand gestern im Hotel Bauer ein glänzendes Banket statt, an dem auch daS diplomatische CorpS, Vertreter der Bundesversammlung und der Züricher Behörden Theil nahmen. In der Rede, welche der BundeSpräsident Hauser hierbei hielt, besprach derselbe die Broschüre bezüglich der Neutralität der Schweiz und erklärte, die Schweiz verbiete sich alle Rath- schläge und Allianzanerbietungcn. Die Schweiz sei fest ent schlossen, mit der Waffe in der Hand Jedem entgegcnzutreten, der die Grenzen des Landes zu überschreiten versuchen werde. Eie wahre sich ihr freies Selbstbestimmungsrecht, mit wem und gegen wen sie sich verbünden wolle. Großbritannien. * London, 14. Juli, Nachm 1 Uhr. Es sind gewählt: 23V Conservative, 42 Unionisten, 226 Gladstoneaner, 7 Par tiellsten und 45 Antiparnelliten. Norwegen. * Lhristiania, 14. Juli. Ter Storthing hat in seiner estrigen Sitzung mehrere der auf der Tagesordnung stehenden Berathungsgegenstände erledigt und u. A. mit 91 gegen 19 Stimmen einen Betrag von 2409 Kronen für die zum FriedenScongreß nach Bern zu entsendenden drei Deputirten ewilligt. Die Berathung über das Budget des Aus wärtigen wurde verschoben. — Wie neuerlich verlautet, würden Versuche gemacht, das Ministerium Steen zu reconstruiren. Rußland. * Petersburg, 14. Juli. (Telegramm.) Der Kaiser von Rußland berief den in Stockholm weilenden Finanzminister Wischnegradski nach Petershof. Man bringt in unter richteten Kreisen diese Berufung mit den gegen die Cholera gefahr geplanten Maßregeln in Verbindung. — Der Ver kehr auf der Bahnstrecke Tiflis-Baku wird noch diese Woche vollständig wiederhergestellt werden. Die auS Persien kommenden Reisenden und Briefe werden über Baku geleitet und dort desinficirt. Die Fremdenherbergen in Nischni- nowgorod steben unter besonderer ärztlicher Aufsicht. Die Aerzte statten täglich zwei Mal Besuche darin ab. Die Spitäler in Astrachan und Tiflis sind überfüllt. — Der Pöbel excedirte in Saratow am 10. Juli in Folge des Gerüchtes, die Aerzte begrüben die Kranken lebendig. Das Polizeibureau, die Wohnungen deS Polizeimeisters und der Aerzte des Cholera- hoSpitals wurden geplündert und 17 Kranke davongcschleppt. Die Spitalbeamten, oder wer etwa dafür galt, wurden an gegriffen, zwei sind getödtet. Die aus dem Lager requirirten Truppen feuerten, tödteten 3 und verwundeten 4 Personen und stellten die Ruhe wieder her. * Ueber die Cholera in Rußland wird der „Köln. Zeitung- geschrieben: Die Cholera ist nunmehr auch in der Stadt Kasan aus getreten, und gleich der erste Fall hatte einen tödliichen Ausgang. Mit besonderer Heftigkeit wüthet die Epidemie in den in früheren Berichten wiederholt hervorgehobenrn Orten. Einige Hundert Flücht linge sind der „Polit. Correjp." zufolge aus Baku in Batum ein- ctroffen, wo sie in der Umgebung der Stadt theils auf ihren jarken, theils in Zelten lagern und sich, von allen Hilfsmitteln entblößt, in einem kläglichen Zustande befinden. Sie stehen selbst- verständlich unter Ueberwachung. 3000 Personen sind gleichfalls aus Baku auf dem Seewege nach Astrachan gelangt, wo sie auf den Schiffen noch in Quaraniaine gehalten werden. Die Lage dieser Leute ist trostlos, denn sie gehören fast sämmtlich den dürstigern Classen an, besitzen keine Nahrungsmittel, haben nicht einmal ge nießbares Trinkwasser, und da die Bevölkerung von Astrachan sich scheut, mit ihnen in Berührung zu kommen, wird ihnen von keiner Seite Hilfe geboten. Ueberdies fehlt es an Aerzten für die Be handlung der aus den Schiffen erkrankten Personen. In der trans- kaspischcn Provinz hat man dem Mangel an Aerzten durch das Auskunftsmittel abzuhclfen gesucht, daß man in den Spitälern den Livilärzten Militairärzte beigab. Es ist schon einmal betont worden, daß die von den Behörden erlassenen Vorschriften vielfach auf Widerspruch stoßen. Den bisher aufgezählten Fällen dieser Art wäre die Thatsache anzusügen, daß eine große Anzahl von Schiffen aus dem Kaspischen Meere sich den Quarantainemaß- regeln zu entziehen sucht. Die Schiffe werden, sobald man dies wahrnimmt, verfolgt und angehalten. In Tiflis werden die mit der Post aus Persien eintreffenden Briefsendungen gereinigt. Die in Baku wohnhaften persischen Arbeiter wurden in ihre Heimath zurückgesandt. — Der Astrachaner Cholera- kravall ist wesentlich ernsterer Natur gewesen, als bisher gemeldet wurde. Die Truppen mußten sehr kräftig eingreisen, so daß cs beim Pöbel zahlreiche Schwerverwundete und auch viele Todte gab, und zwar, wie behauptet wird, zusammen gegen 100. Der Pöbel suchte immer von Neuem nach Aerzten, welche „die gesunden Menschen vergiftet hätten", und nach Zeitungsmachern, „welche von Cholera- fällen berichten, die es in Astrachan gar nicht gebe". Der im Aprakin-Pereulok (Petersburg) verdächtig Erkrankte starb im Lbuchow Spital bereits nach sieben Stunden. Die Leichenschau ergab nicht die asiatische Cholera, sondern die heimische Cholera. Orient. * Konstantinopol, 14. Juli. (Telegramm.) Die Grenz behörden wurden angewiesen, die Landbevölkerung nicht mit Lebensmitteln nach Batum und Karf zu lassen. Zwei Kaufleute, welche nach Eriwan fuhren, sind dort an der Cholera erkrankt. * Bukarest, 14.Juli. (Telegramm.) Die bulgarischen Donauhäfen verweigern allen fremden Schiffen die Landung wegen der Cholcragcfahr. k.6. Man schreibt unS aus Athen, 9. Juli: Ein unange nehmer Zwischenfall, in welchen Las gejammte Personal der hiesigen türkischen Gesandtschaft verwickelt wurde, bildet den Ge sprächsstoff aller Gesellschaftskreise. Vorgestern Abends erschien der Gesandte Ghalip Bey mit feinen Secretairen Aziz Bey und Alfred Bey in dem Sommcrtheater in Phaleron, und da dasselbe bereits voll war, ließ die Direction den Herren Stühle in der rechten Ecke knapp an das Orchester und vor der ersten Sitzreihe hinstellen. Aehnliches geschieht jedes Mal bei starkem Besuche und auch an jenem Abende waren noch andere Stühle bingcstellt worden, im Ganzen Sitze für etwa 10 Personen. Der erwähnte Vorgang scheint nun am 7. dieses Monats das Mißfallen einer Gruppe Athener Herren erregt zu haben. Zwei derselben, der Artillerie- major Argyropoulos und Attachs Kamara legten es darauf an, sich, und zwar während des Actes, vor dem Sitze des Gesandten durchzudrängen. wiewohl hinter demselben reichlich Platz war. Nachdem der Major dieses Manöver einmal ausgcsllhrt hatte und cs wiederholen wollte, wobei schwer zu glauben wäre, daß er es nicht auf eine Provocation abgesehen haben sollte, wurde ihm zuerst seitens Aziz Bey's und sodann von dem Gesandten selbst bemerkt, daß hinter den Stühlen genügend Platz sei. Der Major erwiderte nichts un- mittelbar, äußerte aber nachher seine Unzufriedenheit in lauter Weise und provocirle eine Störung, gegen welche das Publicum energisch proteftirte. Während des Zwischenactes entfernten sich die Herren von der Gesandtschaft und dies benutzten die Herren der oberwähnten Gruppe, um durch die Polizei die Stühle entfernen zu lassen. Der Gesandte war aus diese Weise moralisch vor die Thür gesetzt, da man nicht daran gedacht hatte, ihm einen anderen Play anzubieten. Ghalib, der von diesem Vorgänge innerhalb deS Theaters Ken»l»iß, erhielt, zog es natürlich vor, gar nicht dahin zurückzukehren: die beiden Secretaire jedoch, welche noch einmal hineingingen, wurden in eine unerquickliche Situation gebracht. Zum Ueberflusse brachte die Presse völlig entstellte, seitens der Jnterefsirten beeinflußte Dar stellungen des Falles. Ghalib Bey erschien in Folge dieses Zwischen- falles bei dem Minister des Aeußern, Herrn Dragumis, und forderte Genuglhuung, woraus der Minister eine genaue Untersuchung versprach; sodann suchte der Gesandte auch den Ministerpräsidenten, Herrn Trikupis, auf. Die diplomatischen Kreise sind begreiflicher Weise über den Vorfall verstimmt. Man findet, daß, wennschon die Entfernung der Stühle aus Ordnungsrücksichten geboten schien — was aber durchaus nicht zutrifft, da sie jeden Abend dort standen — dies eine Sache war, welche die Polizei zunächst mit dem Theater- director auszumachen hatte, während hier die Polizei auf das Ver- langen Privater hin in einer jedenfalls dem Vertreter einer Groß macht gegenüber wenig rücksichtsvollen Art einschritt. Daß auch Andere das Ungehörige der Sache begriffen, geht daraus hervor, daß der anwesende Garnisons-Commandant sich erbot, seinen Platz dem Gesandten abzutreten. (Inzwischen wurden die beiden türkischen Legations-Secretaire von ihren Gegnern gefordert und zwifche» Alfred Bey und dem griechischen Lieutenant Pierakos fand auch ein Zweikamps statt, welcher mit einer schweren Verwundung des letzteren endete. Beide Legations-Secretaire haben seither Griechen land verlassen. Anmerkung der Redaction.) * Athen, 14. Juli. (Telegramm.) Der türkische Ge sandte Ghalip-Bey ist wegen der bekannten Affaire mit dem griechischen Officier abberufen worden. Sein Attachö forderte den Officier und erschoß denselben im Duell. Asien. * Die Engländer setzen, einer auS Calcutta an die „Times- gelangten Depesche zufolge, jetzt selbst ihre Hoffnung, daß der Emir von Afghanistan sich über die Theilupg der zwischen Indien und Afghanistan liegenden Länder mit dem Vicekönig von Indien in Güte auScin- andersetzen und nicht in seinen eigenmächtigen Eroberungs versuchen fortfahren werde, in erster Reihe auf die Notb, in welche er durch die Rebellionen im nördlichen und nordwest lichen Afghanistan versetzt ist, und auf die Furcht, wclcke ihm dieselben vor seinem unter russischem Schutze lebenden Neben buhler Jschak Chan einflößen. Der Emir scheint, danach zu schließen, gänzlich mit der indischen Regierung zerfallen zu sein, mit welcher er schon längere Zeit auf gespanntem Fuße stand. Die von ihm vor einiger Zeit geplante Reise nach London scheint den Zweck gehabt zu haben, sich dort über die indische Regierung zu beklagen. ES wurde ihm indessen ab gewinkt. Jetzt treten die Folgen zu Tage. Afrika. * London, 14. Juli. Nach einem Drahtbericht aus Tanger genehmigte der Sultan alle Forderungen deS britischen Vertreters bezüglich deS Küstenhandels. Ein neuer Handelsvertrag zwischen England und Marokko ist vollendete Thatsache. * Bon den Franzosen werden gegen die Engländer wegen der Uebergriffe derselben in Uganda fortgesetzt sehr schwerwiegende Vorwürfe erhoben, zu deren Entkräftung bisher von London aus sehr wenig gethan ist. So heißt eS in einer Pariser Zuschrift der Wiener „Pol. Corr.": Während die Engländer über die Ermordung der Katholiken in Uganda Stillschweigen beobachten, kommen vom Nyanzasce zahlreiche und bestimmte Meldungen, welche von weiteren Verfolgungen sprechen. Die protestantischen Missionaire, die Agenten der Royal-Compagnie und die englischen Osficiere haben die katho- tischen Häuptlinge in den entfernteren Provinzen ohne jede voraus gegangene Provocation bekriegt. Es ist dies eine planmäßige poli tische Action, welche die von England in den Conscrenzen zu Berlin und Brüssel eingegangenen Verpflichtungen verletzt. An den katholischen Eingeborenen sind zahlreiche Grausamkeiten verübt worden. Es heißt sogar, daß es den Engländern gelungen ist, den König Muanga einzuschüchtern, welcher als Katholik viel von ihnen zu leiden hat; sie zwangen ihn, einen Vertrag zu unterzeichnen, in welchem folgende Claufel Vorkommen soll: „Es soll in Zukunft keinerlei Misjionsstation ohne die vorhergehende Zustimmung des Tirectors der ostafrikanischen Compagnie errichtet werden können; die erwähnte Zustimmung ist in London einzuholen." Das steht mit den Be schlüssen der europäischen Conserenzen im Widerspruch, welche erklärt haben, daß alle Missionaire in Afrika in der Ausübung ihres Berufs frei sein sollen. Nächste Woche wird übrigens daS „Foreign Office" die Antwort des Capitains Lugard erhalten und dieselbe dem Minister des Aeußern, Herrn Ribot, mittheilen, welcher versprochen hat, sich darüber im Parlament zu äußern. Amerika. * London, 13. Juli. AuS Washington wird gemeldet, der Senat hat heute beschlossen, die Weltausstellung in Chicago solle am Sonntag geschlossen werden und keinerlei alkoholhaltige Getränke darin auSgeschänkl werden. (F. Z.) jugend mit ihren Lehrern Spalier. 8V« Uhr kam Seine Majestät von Bad-Elster mit Begleitung hier an, wurde von Herrn Bürgermeister Kämnitz ehrfurchtsvoll im Namen der Stadt begrüßt; hierauf überreichte ein Schulmädchen mit einem kurzen sinnigen Gedicht ein Bouquet, worauf Seine Majestät unter dem Hochrufen der zahlreich an wesenden Bevölkerung sich in das Hotel „Zum blauen Engel verfügte und hier die von verschiedenen Industriellen Adorfs bergcricktete Ausstellung besichtigte. Ausgestellt batten die Schnitzschule: Kerbschnitzereien und DrechSlerwaaren, Rich. Gicrsckick: Metronome und Futterale, Rob. Gerbet: Zithern, Rob. Dölling: Streichinstrumente, August Tbomä: Violin bogen, Jul. Jchring: Holzblasinstrumente, Albin Heikel, Rob. Piering,' F A. Piering, Trampler und Ed. HaaS: Messing instrumente, Ulrich Zenker: Seidenstickereien, Rich. Bammler und D. GöSmann: Weißstickcreien, Heinrich Teichmann: Hand stickereien, F. A. Schmidt L Sohn, C- W. LotS und Louis Nicolai: Perlmutter- und Muschclwaaren, A. GcilSdorf: Zeitungsmappen. Se. Majestät betracktete mit größtem Interesse die ausgestellten Gegenstände, ließ sich von jedem der Aussteller des Ocsteren Auskunft über die Fabrikation geben und sprack die vollste Anerkennung über die aus gestellten Gegenstände aus und verließ kurz vor »/.9 Uhr, nachdem er sich zuvor mit Händedruck von Herrn Bürger meister Kämnitz und Herrn Amtsrichter Eben verabschiedet hatte, unter unausgesetzten Hochrufen unsere Stadt. Oie Reise des Königs. IV. h. Avorf, 13. Juli. Der in der Nacht vom 12. bis zum 13. Juli fallende Regen erweckte bei den Bewohnern von Adorf trübe Befürchtungen, der Empfang deS Königs, welcher in den Morgenstunden des Mittwoch hier durchfahren wollte, möchte beeinträchtigt werden. Glücklicherweise strahlte früh die Sonne wieder und beleuchtete unsere prächtig geschmückte Stadl, die das schönste Gewand angelegt hatte. Sc. Majestät würdig zu empfangen. Auf der Elfterer Straße am Ein gänge der Stadt nahe dem Gastlwf „Zum blauen Engel" war eine große Ehrenpforte errichtet. An derselben ver sammelten sich Herr Bürgermeister Kämnitz mit der gesammten Stadtvertrctung, den königlichen und kaiserlichen Behörden. Von da ab bildeten die Vereine: Militairvcrein, Schützen, Gewerbeverein, Feuerwehr, Gesangvereine Lietcr- kranz und Lyra, Turnverein und die gcsammtc Schul königreich Sachsen. * Leipzig, 14. Juli. Der OberrcichSanwalt Herr Tessendorff ist nach Antritt eines längeren Ferienurlaubs heute nach Süddeutschjand abgereist. ft Leipzig, 15. Juli. Herr Polizeidirector Bret- schneider ist von seinem Sommerurlaubc zurückgekchrl und hat am heutigen Tage die Leitung des Polizeiamts wieder übernommen. * Leipzig, 15. Juli. Zum Fall Jacquot wird der Magdcb. Zeitung" auS Berlin geschrieben: Berlin, 13. Juli. Tie Nachricht, daß der französische General- consul Jacquot in Leipzig von seiner Regierung bereits abgerusen sei, bat sich nicht bestätigt. Eine derartige Magnahine, ohne dem Angeklagten Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu verantworten, war auch wohl kaum zu erwarten. Dagegen hat die französische Regierung von vornherein zu erkennen gegeben, daß sie weit ent fernt ist, den Zwischenfall nach der Art einiger Pariser Boulevard blätter zu behandeln, die sich bereits beeilt halten, durch einige dreist erfundene Gcschichtchcn von Mißhandlungen von Franzosen in Berlin und Hamburg noch Ocl ins Feuer z» gießen. Tie von der hiesigen Botschaft eingcleitcte Untersuchung hat, wie verlautet, durch- aus die Schuld des französischen Generalconsnls ergeben, zu dessen Entschuldigung nur angeführt wird, daß er sich im Zustand der Trunkenheit befunden habe. In dem von der „M. Z." bereits erwähnten Bericht des „L. T." wird eines jungen französiich-n Attachss HLritte Erwähnung gethan, der sich im Gegen satz zu Jacquot besonnen und tactvvll benommen habe. Ein Attacht dieses Namens ist bei der diesigen Botschaft nicht vorhanden; da gegen wird erzählt, daß der Sohn des Botschafters, der seinem Vater attackirt ist, M. Herbette, au jenem Tage zu Besuch in Leipzig gewesen sei. Es würde sich danach wohl begreife», daß man von dem peinlichen Zwischenfall in Leipzig auf der hiesigen sranzösischen Botschaft besonders unangenehm berührt ist, obwohl alle Beschwerden nur gegen den Gcneralconsul selbst gerichtet sind. Wenn der Verfasser im Vorstehenden behauptet, eS sei ein Attache Namens Höritte nicht vorhanden, so befindet er sich in vollständigem Jrrthnm. Bei dem hiesigen französi schen Generalconsulat ist in der That ein Attache Höritte angestellt und dieser hat sich in der betreffenden Nacht in Gesellschaft seines Chefs, des Herrn Jacquot, befunden. H Leipzig. 15. Juli. Am heutigen Tage begebt die Leipziger Accidenz- und Werkdruckerei, Verlags handlung und Buchbinderei von Oskar Leiner die Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens. Der Gründer der Firma war Ludwig Oskar Raimund Wilhelm Leiner, geboren am 1. Juli 1814 zu Fordon bei Bromberg. Zu Anfang 1842 leitete derselbe seine Etablirung bier ein. Als Ausländer war ihm zu damaliger Zeit die Erlangung zur Concesfion versagt, weshalb er gezwungen war, dieselbe auf den Namen eines ihm befreundeten Eollegen, Ernst Stange, zu erwerben, der ihm auch geschäftlich zur Seite stand. Erst einige Jahre später nach Erlangung der sächsischen Staatsangehörigkeit und des Leipziger Bürgerrechts war eS ihm gestaltet, unter eigenem Namen zu firmiren. Die Etablirung der Druckerei mit Stereotypie geschah im Hause Nr. 10 am niederen Park, da, wo jetzt Lebc's Hotel stcbt. 1848 verlegte er das Geschäft nach Bolkmar'S Hof, neben dem Hauptzollgebäude und 1854 nach Lurgenstecn'S Garten. Von da wurde cS 1888 nach der Königsstraße über- gcführt. Möge es der in allen Kreisen sich besten Anseben« erfreuenden Firma, die nach dem im Jahre 1873 erfolgten Ahlebens Oskar Lciner's in die Hände seiner beiden Söhne Georg und Oskar Leiner kam und nach dem Tode de« Letztere» im Jahre 1884 in den alleinigen Besitz Herrn Georg Leiner'ö überging, vergönnt sein, sich fort und fort gedeihlich weiter zu entwickeln, wie bisher. -m. Großen Jubel und lebhafte Freude bat im Kreise der Leipziger Schützen-Gesellschaft die Nachricht hcrvor- aerufen, daß sie auf's Neue, durch treffliche und bewährte Mitglieder vertreten, bei dem 14. Mitteldeutschen Bundesschießen in Wcißenfels die höchsten Ehren er rungen. Bei dem GcscUschastS - Wcttschießcn, bei welchem zehn Gesellschaften um drei Fahnenbändcr concurrirtcn, ging die Leipziger Sckützcngcscllschast als erste Siegerin bcrvor. DaS zweite Fabnenband empfing die Schützen-Gesellschaft Weißenscc bei Berlin, daS dritte der Schützenbund in Halle. Das Wettscbießcn erstreckte sich diesmal auf StanHchcibc, deren Entfernung l75 in betrug. Leipzig siegte nick 850 Ringe». Seine wackeren Vertreter waren die Herren A. Leutbechcr mit 303 Ringen, Gustav Moritz mit Feiiillrtsn. «Sc» 2oh. Tauler, der berühmte deutsche Mystiker. Nachdruck »«rdotm. „Ja, ja, mein lieber JobanneS, sintemal die Wässer in unserer Lobsonka geweidet sind, baben sie auch die Kraft, den fettigen Saft rm Weichselzopf zu vernichten. So bin ick daS Werkzeug der Erlösung von dieser Hexerei bei deiner guten Mutter geworden. Denn die ?Iica polomca erscheinet nur bei Personen, die von einer Hexe berühret werden." Diese Worte richtete der im 14. Jahrhundert durch seine Weichselzopfcuren berühmt gewordene Guardian des Klosters Gorka, MatuSka, an einen etwa achtzehn jährigen jungen Menschen, dem eS anzusehen war, daß er die größte Ehrfurcht vor diesem Guardian halte. Und dennoch wollte ibm die Erklärung deS würdigen Greises nicht so ganz richtig scheinen, weil er immer gehört batte, der Weichselzopf sei eine besonders unter dem weiblichen Geschlecht sich forterbende Kopfkrankheit, wobei die Haare so zusammenkleben, daß sie nicht mehr gekämmt werden können und die Form eine- mächtigen Steinpilzes erhalten. Der Jüngling wagte keinen Widerspruch; er neigte den Kopf, nahm sich aber fest vor, nock weiter zu forschen, um die »eite Reise von Köln am Rhein bis zur Weichsel nicht »ergeben- unternommen zu haben. Die Bewohner der aneinander liegenden Gebiete der Lobsonka, beim heu tigen Lobsenz, mit dem noch jetzt vorhandenen Kloster Gorka, der Brahe bei Bromberg und der Weichsel bei Thorn, sollen nämlich ganz besonders stark von dieser Kopfkrankheit heimgesucht worden sein. „Und wenn man den Wcichselzopf absckneidet?" fragte bangen Herzens der Jüngling. „Dann erblindet der Patient, und nur das Wasser auS dem Jordan, wenn cS nach Rom gebrockt und dort geweidet worden, würde in solchem Falle seine Wunderkraft nicht versagen" war die Antwort des Guardians. — Tiesbekümmert verließ der junge Mensch, dessen Name Johannes Ta uler war, den Guardian deS Klosters Gorka. Er batte sich, seiner vierzehnjährigen Base wegen, die durch seine Sckuld das Augenlicht verlor, herbe Vorwürfe zu machen; sein Frohsinn war geschwunden und nur der Gedanke, er müsse für daS Wohl der Erblin deten sorgen, bcwabrte ihn vor Verzweiflung. Dem jungen JobanneS Tauler wurde oft von seiner Mutter erzäblt, mit welcker Vorsicht der Guardian ihr den Weichselzops gelöst. Täglich griff die Scheere tiefer ein und ihr Kops wurde mit geweihtem Wasser besprengt, bis das Werk vollendet und sie von ihrem Uebel befreit war. Diese Procedur batte sich Jo banneS wohl gemerkt, um dieselbe nach vorbergegangener Be sprechung mit seiner Base, die an demselben Uebel litt, gelegentlich anzuwenden. Und so geschah eS auch. JobanneS war der Meinung, eS würde wohl auch ohne daS Wasser auS der Lobsonka geben; aber wie unglücklich fühlte er sich als seine Base kurze Zeit später erblindet war! DaS war der Grund, der ihn zum Guardian MatuSka zu wandern zwang. War doch seine Mutter nickt erblindet, trotzdem der Guardian bei ihr die Scheere in Anwendung brachte. ES bat also dock wohl das geweihte Wasser gefehlt, — und der Jordan lag so weit entfernt! Kurz entschlossen verließ Johannes Köln, um nach Palästina zu wandern. Sehr mühsam war der weite Weg; aber dem guten Menschen mit starkem Willen gelingen die schwierigsten Aufgaben, wenn sie im Be reiche der Möglichkeit liegen. Mit Ledergürtel und Stein- krügcn versehen, erreicht« der fromme Wanderer endlich daS Thal des Jordans, schöpfte aus den drei kleinen Ouellflüssen Banias, Dan und Haöbcny, die dann als Jordan in den kleinen See Meroni fließen, wanderte weiter südlich, um seinen Körper in dem klaren Sec TibcriaS (Genezarctb) zu erfrischen und machte sich auf gen Rom — Zwei Jahre ist er von Köln abwesend gewesen, und als er nun voller Hoff nung zurückgekehrt war, fand er weder Mutter nock Base am Leben; sie waren einer verheerenden Seucke in Straßburg zum Opfer gefallen. Mit tiefem Weh im Herze» und trockenen Auges besuchte er die Gräber seiner Lieben und gelobte, daß sein ganzes Leben fortan dem Woble der Menschen gewidmet sein solle. JobanneS Tauler bat sein Wort gehalten. Schon in seinem zwanzigsten Lebensjahre, 13t4, begann er als Prediger außerordentlich wohltbätig auf daS Volk zu wirken; er beschäftigte sich scbr viel mit der Philosophie, welcker er jedoch nickt das Recht zusprach, den Inhalt der kirchlichen Glaubenslehre anzugrei'scn, wie er Alles, was nickt ganz mit dem Dogma verwachsen war, ein fach an die Seite schob. Die Philosophie war zu jener Zeit eine Art Magd der Theologie (ptiilosoptiin tlionlogiao nncilla). und Tauler war, trotzdem er bereits fünf Jahre zu Köln als Dominicaner lebte, bis dahin treuer An hänger der scholastischen Richtung geblieben. Nach und nach genügte ibm diese VerstandeStbeologic nickt mehr. Der Eindruck, den er vom Guardian MatuSka aus dem Kloster Gorka mit sich genommen hatte, war mächtiger gewesen, als er sich gestehen wollte. Die Wirksamkeit dicsco selbstlosen Greises gab ihm bcn Beweis, daß alle Gebiete des menschlichen Lebens — Religion, öffentliche Verhältnisse, Privatleben — als ein Ganzes, Zusammengehöriges zu betrachten sind, und so neigte er zur Mystik, als der einzigen gläubigen Gefühlöthcologie, welcher er nun auch stets, so in Köln wie in Straßburg, ganz ergeben blieb. In seinen Predigten bat er die Hörer belehrt und begeistert; seine Forschung war tief, die Innigkeit seines Glaubens verstand er auf Diejenigen zn übertragen, mit denen er in Berührung kam, und was er cifrigst für die strengste Sittlichkeit erstrebte, kennzeichnet ibn als einen der vorzüglichsten Charaktere seiner Zeit. Den größten Werth legte cr auf die Belebung der religiösen Ge fühle und auf Innigkeit der Liebe zu Gott, wodurch allein der als gottähnlick geschaffene Mensch geheiligt werden könne. Tauler lebte in den letzten zehn Jahren seines Lebens nur von Obst, Backwcrk und Wasser mit etwas Wein gemischt, und neun Tage vor seinem Tode hat er für sich ein Todten- bemd gefertigt, welches man ibm in daS Grab mit geben sollte. Am 14. Juli I 3Vl fand man ibn todt aus dem Grab hügel seiner guten Mutter, wohin er in seinen freien Stunden so gerne ging. Job. Tauler ist in seinen hintcrlassenen Er- bauungsschriften der vorzüglichste Prosaiker, der vor Luther gelebt hat. vr. S. Klein.
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