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die Augen, daß solche Aufgaben sich immer nur für schwache I Classen eignen. So lange wir in unfern öffentlichen Schulen Classen von 60 und 7S Schülern haben, so lange wird dieser Fortschritt ein frommer Wunsch bleiben, denn die Zeit würde nicht auSreichen für die Mittheilungen von so vielen Schülern. Wenn wir nicht ganz irren, «erden solche zeitgemäße Schul-Aufgaben im hiesigen Gesammtqymnasium, vielleicht auch in andern Schulen, welche schwache Classen haben, gegeben. So viel steht fest, die häuslichen Aufgaben unserer Schulen sind fest geregelt und geordnet, berücksichtigen auch weit mehr als früher das Leben, sehen aber als noch zu erreichendes Ziel diese letzter» Aufgaben vor sich, welche das Kind noch geschickter fürs Leben und im Nachdenken und Forschen schärfer und sicherer machen. Wir leben in einer Zeit der Bücherweisheit. Aber dieselbe ist nur oft nicht weit her. Und je tiefer wir die Jugend in dem Bücherstaube gefangen halten, desto mehr rauben wir ihr die Thatkraft, die sie in späterer Zeit brauchen wird. Willensstärke und Gesinnungstüchtigkeit wird nicht durch Buchstabenkram gewonnen, wohl aber dadurch, daß der Körper frisch und der Geist lebendig erhalten wird! k*. Nede des Abgeordneten Hr. Hegner bei Berathung deb MilitairbudgetS, Medicinal-Anstalten betreffend. Die Deputation hat sich über das Militair - SanitätSwesen in so gründlicher Weise und so sachgemäß ausgesprochen, sie hat auS so ausgezeichneten Quellen geschöpft, daß selbst dem Arzte nichts übrig bleibt, noch etwas hierüber zu sagen. Ich komme gleich auf die Frage, ist zur Bildung von Militairärzten die Erhaltung der medicinisch - chirurgischen Akademie in Dresden nöthig? Sie muß verneinend sein. Früher hat diese Anstalt Ausgezeichnetes geleistet und zwar unter der Aegide so vortrefflicher und berühmter Lehrer, die damals und auch jetzt noch für diese Branche gewirkt, daß wir immer mit Dank auf sie zurückblicken müssen. Die Ver hältnisse sind aber anders geworden. In früheren Zeiten war eS eine Seltenheit, wenn sich junge Mediciner mit Chirurgie beschäf tigten, jetzt aber geht die wissenschaftliche Medicin mit ihr Hand in Hand, ja die Chirurgie ist die Basis für die innere praktische Medicin, sie schärft und übt die Sinne, was für dm praktischen Arzt von großem Vortheil. Anlangend die Classification der Aerzte, so muß diese unbedingt wegfallen. Die Classification des Arztes ist durchaus nicht mehr zweckmäßig und ist unverträglich mit den Ansprüchen, die die Wissenschaft jetzt an die Aerzte macht, und dieser Unterschied existirt fast in keinem andern Lande. Dabei muß ich auch noch erwähnen, daß eben die Krankheit eines Sol baten nicht auf eine andere Weise curirt wird, als die eines Ci vilisten. Also ist auch eine besondere Anstalt zur Bildung von Militairärzten durchaus nicht nöthig, sie ist nicht zweckentsprechend, verträgt sich nicht mit der Höhe, auf welcher jetzt die medicinische Wissenschaft steht, sie ist auch in praktischer Hinsicht nicht zu em pfehlen, weil eine solche besondere Anstalt für den Staat viel zu kostspielig ist und auch deshalb unzweckmäßig, ja sogar schädlich, weil man die ganzen Hülfsquellen, die einer solchen wissenschaft lichen Anstalt zufließen, mit der Universität concentriren kann, und solche concentrirte Kraft viel segensreicher wirken wird. Nur auf einen Vortheil will ich hierbei aufmerksam machen, in Bezug auf die Anatomie. Sie wissen, daß die Anatomie die Hauptbasis für die innere Medicin wie für die Chirurgie ist. In Leipzig klagt man immer über den Mangel an Leichnamen; wenn beide Anstalten vereinigt sind, concentriren sich auch diese Hülfsquellen an Material und die anatomische Anstalt in Leipzig hat keinen Mangel mehr an Cadavern und kann insofern für die jungen Leute viel wirksamer sein. Daß aber solche besondere Lehranstalten zur Bildung von Militairärzten nicht nöthig sind, dafür sprechen schon die Beispiele anderer Länder, eS sprechen auch unsere Er fahrungen im eignm Lande dafür. Bei der Mobilmachung sind mehrere promovirte und in Leipzig gebildete Aerzte angestellt wordm und der geehrte Herr Kriegsminister wird mir gewiß Recht geben, wenn ich behaupte, daß. diese Leute den Ansprüchen, die man an sie macht, vollkommen nachgekommen sind. Soviel wie ich höre, ist man mit der Leistungsfähigkeit dieser promo- virten Aerzte ganz ausgezeichnet zufrieden. Vielleicht wäre noch ein Bedenken zu beseitigen, wa- man haben könnte. Man sagt immer, diese jungen Leute, auf der Universität gebildet, die da freier und selbstständiger sind, die würdm nicht gehörig Ordre pariren, die DiSciplin würde nicht so streng bei ihnen auszuführen sein. Die Erfahrung hat aber auch gelehrt, und zwar in unserem eigenen Lande, daß die jungen Leute, wenn sie erst in den Soldaten rock gesteckt, gern Ordre pariren. Ich bin im Gegentheil der An sicht, daß solche Leute, die auf freien Universitäten gebildet sind, viel besser sich zu Militairärzten eignen, weil freie und nicht so gebundene junge Männer eine gewisse Selbstständigkeit bekommen, eine gewisse Zuversicht, ein gewisses Selbstvertrauen, eine Charakter festigkeit, auS welchen wieder Muth, Kaltblütigkeit und Geistes gegenwart hervorgeht, Eigenschaften, die eS hauptsächlich sind, die man beim Militärärzte in ernster Zeit beansprucht. Je mehr ein solcher junger Mediciner ernsten Affairen auf der Universität bei gewohnt, desto größere Kaltblütigkeit, und das ist ja im Kriege die Hauptsache, desto brauchbarer ist ein solcher Arzt. Was hilft Einer im Kriege, wenn er beim Anblick vom KriegSqetöse die Geistes gegenwart verliert; der verliert auch das ruhige Blut und die sichere Hand. Wer zittert, wer keine feste Hand, kein muthigeS Herz hat, ist in der Stunde der Gefahr nicht zu brauchen. Wenn die De putation gesagt hat: „ Im Armeedienste sind nur solche Aerzte auf zunehmen, welche in Leipzig ihre theoretischen und praktischen Examina bestanden und somit zur Ausübung der ärztlichen und wundärztlichen Praxis im Königreiche Sachsen befugt sind", so stimme ich mit der Deputation überein und zwar deshalb, weil eS sich eben mit der Höhe der Wissenschaft der Jetztzeit gar nicht anders verträgt, weil alle Erfahrungen in andern Staaten dafür sprechen und weil der Staat bei Concentrirung dieser Kräfte der Sache selbst, der Wissenschaft viel mehr nützt. Wenn ferner die Deputation sagt: „dem in die Armee eintretenden Arzt werden Rang, Gehalt und Aukommnisse des OfficierS gewährt", so ver steht dieses sich in einem Culturstaat von selbst; denn über die Rangstufe, die ein wissenschaftlich gebildeter Arzt, ein promovirter Arzt einnehmen muß, darüber herrscht in diesem Saale, wo man ja jedem Stande seine Ehre gem giebt, eine und dieselbe Ansicht; wenn femer Seiten des geehrten Kriegsministeriums Bedenken deshalb eintreten sollten, daß bei Vorkommniß Mangel an Militair ärzten sich zeige und deshalb die Erhaltung hiesiger Anstalt nöthig sei, so sind auch diese Bedenken schon dadurch beseitigt, daß bei der letzten Mobilisirung allerdings ein Mangel eintrat, den man durch Heranziehung anderer Kräfte, von der Universität Leipzig ausgehend, beseitigen mußte. Es traten damals mehrere promo virte Aerzte als Militärärzte ein. Ueberdies könnte man den zu befürchtenden Mangel dadurch im Voraus beseitigen, wenn man bestimmte Stipendien solchen jungen Leuten zukommen läßt, und vielleicht 12 —14 solche junge Leute im Voraus verpflichtet, daß sie nur unter diesen Bedingungen diese Stipendien erhalten, um späterhin als Militärärzte zu fungiren. Dann wird sich die gehörige Menge solcher junger Leute finden, besonders wenn man ihnen denjenigen Rang zukommen läßt, den ein wissenschaftlich gebildeter Mann mit Fug und Recht verlangen kann. Dieses erlaube ich mir dem Herrn KriegSminifter, der mit so warmem Herzen der Sache angehört, anzuempfehlen. In Leipzig ist ein ausgezeichneter Professor der Chirurgie, ein Mann, der nicht allein in ganz Deutschland einen großen Ruf mit Recht genießt, sondern der sich auch gerade für diese Branche der Bildung von Militair ärzten sehr interessirt. Ich habe mich von diesem Allen selbst überzeugt und kann dem hohen Ministerium hinsichtlich jener Be denken vollständige Beruhigung gewähren." Nachdem Abgeordneter Georgi dem Kriegsminister Einiges entgegnet hatte und Letzterer sein Bedenken darüber äußerte, daß man auf der Universität nicht genug Erfahrungen sammeln könnte, entgegnete Abg. Heyner Folgendes: „Die Mitglieder der Deputation haben dem Herrn KriegS- minister schon erschöpfend geantwortet, nur einen Punct haben sie vergessen, auf den ich zurückkommen muß. Der Herr Staats- minifter hat nämlich gesagt, daß die jungen Aerzte Uebung und Erfahrung auf der Universität nicht erlangen könnten. Ob dies nun der Fall ist, meine Herren, darüber mag sich die Universität Leipzig, die war wohl gemeint, selbst aussprechen und sich für das Compliment bedanken, was ihr von dem sächsischen Staat-minister gemacht worden ist; ich kann aber zur Beruhigung des Herrn Kriegsministers sagen, daß gerade bei der Universität Leipzig ganz andere HülfSmittel, ganz andere Hülfsquellen vorhanden sind, theilS in den Kräften, theilS auch jan Material, wie an irgend einem andern Orte. Gerade Leipzig zeichnet sich m dieser Hinsicht aus und giebt hinlängliche Gelegenheit zur praktischen Anleitung solcher junger Leute." Leuntes Loncert -es Mustkvereins Euterpe. Zwei große hier noch nicht gehörte Werke, für deren Auffüh rung man dem Vorstand der Euterpe dankbar sein muß, füllten den Concertabend aus. DaS erste derselben war „DeS Sängers Fluch" von R. Schumann. Der Componist hat dieses Werk „Ballade" genannt, eine streng genommen nicht ganz zutreffende Bezeichnung für eine neue oder doch wenigsten- modificirte Kunst- form. Allerdings liegt dem Ganzen die berühmte Ballade „DeS Sänger- Fluch" von Uhland zu Grunde und bildet sogar wort getreu den Hauptbestandtheil des Textes, allein e- sind zur Er gänzung der Situation noch verschiedene andere Uhland'sche Gedichte hinzugezogen, so daß da- Ganze — umsomehr al- der Componist größere Kunstmittel, als die bei der eigentlichen musikalischen Balladenform üblichen, anaewendet und überhaupt dem Werke eine entschieden dramatische Färbung gegeben hat — zu einer Art von Cantate gewordm ist. Können wir diese- Werk auch nicht so hoch stellen, wie z. B. „DaS Paradies und die Peri" und „Der Rose Pilgerfahrt", so ist eS doch immerhin als eine ganz bedeutende Kunsserscheinung zu nennen, die wohl danach angethan