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hoben war. Den Zeitpunkt, vcn weichem die für das giriere Gefühl geradezu empörende Unsitte datirt, vermögen wi< nicht mit absoluter Genauigkeit anzuqeben, glauben aber behaupten zu dürfen, daß sie selbst in Frankreich (d. h. Paris), wo fie-zuerst ihren Ursprung genommen, wenig über die vierziger Jahre hinauf reicht. In Deutschland erinnern wir «ms nicht, vor 1850 viele »Heirathsanträge" in den Zeitungen gelesen zu haben: — sie kamen nur vereinzelt, als Curiosa vor, die Heiterkeit erregten und wenig Glauben fanden; seitdem bürgerten sie sich allmälig nicht nur in den Journalen großer Städte, sondern sporadisch selbst in den Winkelblättchen kleiner Orte ein, deren ehrsame Philister die kaufmännische Manier auf alle Verhältnisse des Lebens angewendet wissen wollen und daher die neue Art, eine Braut zu suchen, recht bequem und praktisch finden. In Norddeutschland, weichem im Allgemeinen ein tieferer sittlicher Ernst inne wohnt, faßten die Heiratsannoncen bis jetzt viel weniger Wurzel; selbst in Berlin, welches eben nicht im Rufe der Moralität steht, hegt man, wenn auch keine größere Achtung für das Institut der Ehe, doch mehr Scheu, es so zu erniedrigen, wie bei den lebhafteren und leichtsinnigeren Süd deutschen. In Wien nehmen diese Aeußerungen des schmutzigsten Krämergeistes, welcher bei der Gattenwahl weder Herz noch Verstand, sondern ausschließlich den Beutel zu Rathe zieht und sich gar nicht einmal schämt dies einzugestehen, immer mehr überhand, ohne daß sich bisher eine energische Reaktion gegen sie geltend gemacht hätte. Man mag über die Ehe an sich denken wie man will, man mag von Herz und Gefühl sogar vollständig abstrahiren, so bleibt diese Erscheinung selbst vom Standpunkte des kalren Verstandes ungerechtfertigt und ihres Übeln socialen Einflüsse- wegen bedenklich. Wir können daher über die Tbat- sache der in Schwung gekommenen öffentlichen Heirathsanträge nur unser tiefstes Bedauern aussprechen, nicht aber sie belachen, wie es gewöhnlich geschieht. Dagegen sind wir die Letzten, welche läugnen würden, daß die Ehe-Offerten im Einzelnen, besonders in ihrer Stilisirung und den zuweilen äußerst naiven Ansprüchen, oft sehr viel Belustigendes enthalten. Die Art und Weise, wie die meisten dieser Brautwerber ihre eigene Person kerausftreichen, wie sie von ihrem äußerst angenehmen Aeußern, ihrer gewählten Bildung, ihrer Liebens würdigkeit u. s. w. sprechen, ist an und für sich drollig genug. Dazu kommen zahlreiche Nebenumftände, deren erheiternde Wirkung beinahe den Zorn über die Sache selbst zum Schweigen bringt. Da sucht z. B. ein Beamter mit vierhundert Gulden JahreS- gehalt ein Mädchen von Geist und Gemüth, Schönheit und Ver mögen von 15,000 bis 20,000 Gulden, das solchergestalt nicht seinen Lebensweg verschönen, sondern erst seine Existenz ermöglichen soll. In einem anderen Inserate wünscht ein Eavalier von hohem Range, der dessen ungeachtet nur über ein Jahreseinkommen von sechshundert Gulden verfügen und daher ganz und gar nicht standesgemäß leben kann, eine Braut, von der keine Ahnen, aber so viel Obligationen gefordert werden, als nöthig sind, um den erbleichenden Glanz der herabgekommenen alten Familie, welcher der turnierfähige Freiwerber angehört, wieder herzustellen. Weitere Eigenschaften des Geistes oder Körpers brauchte sie keine zu be sitzen, was zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse ausdrücklich bemerkt war. — Ein naiver junger Handelsmann, zehntausend Gulden „werth", wie die Briten bezeichnend sagen, strebt nach einer mit gleichen pekuniären Verhältnissen begabten Lebensge fährtin, am liebsten einer Witwe, welche über die erste Jugend hinaus ist und — wie er sich ausdrückt — viel Erfahrung hat. Die wenigen angeführten Proben zeigen hinlänglich, daß es der widerwärtigen Sitte der öffentlichen Ehe-Offerte nicht an einer drolligen Seite gebricht, beweisen aber auch, wie ungenirt die Geldfrage als wichtigstes Moment in den Vordergrund gestellt und betont wird. Wenn die Mehrzahl jener Männer, welche auf diesem »nicht mehr ungewöhnlichen" Wege eine Frau suchen, außer der geforderten Capitalsumme noch von Geist und Gemüth reden oder der Sache sonst einen Deckmantel von Floskeln um hängen, so ist dies entweder staunenswerthe Gedankenlosigkeit oder erbärmliche Heuchelei. Männer, welche eine Gattin von wahrer Geistes- und Herzensbildung zu erringen trachten, pflegen sich dieselbe nicht in der Zeitung zu suchen, und hervorragende, begabte, ja selbst nur leidlich gut erzogene Mädchen können un möglich die Gemeinheit begehen, sich dem ihney unbekannten Ein sender eines Heirathsinserates brieflich anzutragen und etwa noch ihre Eigenschaften darin gehörig anzuempfehlen, damit sie über Concurrentinnen siegen möchten! Nach unserem Urtheile genügt ein einziger Brief in solcher Sache, um das Mädchen, welches ihn zu schreiben vermag und damit eine ernstere Absicht als ein löse- Spiel deS jugendlichen Muthwillens verknüpft, jeder höheren Bildung wie jeder echten Weiblichkeit dar zu erklären. Noch ärger und nicht nur aller Schwärmerei, sondern allen herkömmlichen geselligen Verhältnissen Europa'- hohnsprechend ist eS, wenn «uch Mädchen dem Beispiele de- starken Geschlechtes folgen und sich mit genauer Vermögens- und idealisirter Person beschreibung in Inseraten »einem Manne von gesichertem Ein kommen", »fester Stellung" und dergleichen anbieten. Da habe» wir schon ein gute- Stüzk jenor Emaucip-eio» des AEitbsß. welche Gräfin Jda Hahn-Hahn vor ihrer Wunderbaren Bschrun- in Schriften und im Leben verfocht. Ntzp Schade, daß die Ent fesselung der »geknechteten Frauen" in der THaorie et» ganz an deres, ungleich vortheilhafteres Bild gewährt alt in der Praxis. Statt sich auf den Aaudermantel Faust'- zu schwingen und Höhen und Tiefen zu durchmessen, was Gottschall im »hohen Lied vom Weibe" von der Emancipirten verlangt, wollen sie nach durchjagtem Lebensgenuß unter die Haube kommen und veranstalten zu diesem Zwecke eine Licitation, bei welcher sie Ausrufer und Waare zugleich sind und ihr eigenes Selbst dem Meistbietenden zuschlagen. — Wir geben übrigens zur Ehre der Frauen zu, daß solche Annoncen meist von Mitgliedern der Demimonde oder Mädchen in jenen unangenehmen Jahre» aPsgehe«, wo die Frage nach dem Alter am schmerzlichsten fällt und am ungenauesten beantwortet wird; es sind häufig SchmerzenSschreie alter Jungfern, welche keine Zeit zu verlieren haben und sich im Schiffbruche ihrer Reize an das schwanke Brett des öffeatlstbeH Anbotes klammern, von dem sie auch zuweilen, wenn sie soliden Metall- ballast mit sich führen, die rettende Hand eine- nach eigenem Herde um jeden Preis schmachtenden Jünglings an da- trockene Ufer des Ehestandes hinaufzieht. Der öffentliche Heirathsantrag dient auch zuweilen nur zur Verhüllung anderweitiger Wünsche, welche man aus Hnst.andS- und Polizeirücksichten nicht mit dürren Worten publlciren kann. Dies setzt der ganzen Unsitte die Krone auf und geschieht namentlich von Seiten der „guten Gesellschaft", welche über die bürgerlichen Moralprincipien erhaben ist. Zum Beweis, daß wir nsctst mit Phrasen argumcntiren, wollen wir eine kleine Geschichte au- Wim erzählen, welche sich im vorigen Jahre zutrug. Ein in mchreren Zeitungen enthaltener Heirathsantrag erregte durch die Anspruchs losigkeit des Brautwerbers allgemeines Staunen und gab allen beirathsfähigeu Mädchen Stoff um nachzudenken. ' Er lautete kurz: E,n Eavalier im kräftigsten Mannesalter, reich, fein ge bildet und vom angenehmsten Aeußern, wünscht sich mit einem jungen schönen Mädchen zu verbinden. — Da gar kein Vermögen gefordert ward und alle Leserinnen des Inserates sich für schön hielten, meldete sich eine ganze Schaar von Bewerberinnen und darunter Manche aus gutem Hause, welche das uneigen nützige edle Herz des vornehmen Herrn gerührt oder sein Stand verlockt hatte. Eine der letzteren machte aber bald die überraschende Entdeckung, daß der betreffende Baron-Ehrenmann längst ver- keirathet sei und blos eine Freundin suche, welche er denn auch sicher gefunden haben wird. Wie oft mögen derlei Skandale den Heirathsanträgen zu Grunde liegen? Die Zeirungs-Heirathsanträge widersprechen unsere« Gemütb, unserer Bildung, unserem Gefühl; sie verletzen unsere noch immer lebendigen Begriffe von der sittlichen Bedeutung der Ehe, und Jenen, die aus kläglicher Leere des Verstandes oder Beutels aus diesem Wege ihre mißlichen Verhältnisse durch Annectirung eines Eapitals nebst daran hängender Frau verbessern wollen, sollte überall die Larve der Anonymität, hinter der sie sich aus einem Rest besserer Ueberzeugung verstecken, herabgerissen und die ver diente Geringschätzung aller Edeldenkenden zu Theil werden. Ein Lubitäum. In der Jrmler'schen Pianoforte-Fabrik (Holzgasse Nr. 6) feierte am verflossenen Sonnabend der Pianosorte-Arbeiter Herr Andreas Eckelmann sein 25 jährige- Jubiläum. — DaS Dreizehnte seit Bestehen des Geschäfts. Verschiedenes. »Harper's Weekly", ein Newyorker Wochenblatt, stellt folgend« Vergleichung zwischen den Hülfsmitteln der nördlichen oder freien Staaten der Union und den dreizehn Sklavenstaaten an. Dle Bevölkerung der freien Staaten beträgt nach der Zählung von 1860 nicht weniger als 18,950,759 Seelen, die freie Bevölkerung der dreizehn rebellischen Staaten nur 7,657,395, also bedeutend weniger als die Hälfte der Bevölkerung de- Nordens. In den freien Staaten steht jeder waffenfähige Mann der Regierung zu Gebote. Im Süden muß eine gewisse Anzahl Männer daheim bleiben, um die 3,912,096 Sklaven in Respekt zu halten. In Louisiana giebt eS ein ausdrückliches Gesetz darüber, in den andern Staaten hat die Gewohnheit dieselbe Praxis eingeführt. In dm >Ltaatsbanken des südlichen Bundes liegen ungefähr 20,000,000 Doll, baar, in denen der Grenzftaaten ungefähr 5,000,000 Dollars. Mit Ausnahme der Danken von New-Orleans sind alle Banken der Golfstaaten, von Nordcarolina und Virginien, und viele von Tenmssee und Kentucky zahlungsunfähig, haben dle Baarzahkuu- gen eingestellt und Notm au-gegeben, die nur gegen bedeutenden Abzug genommen werden. In den drei Städte» New-Pork, Philadelphia und Boston enthalten die Banken ungefähr 51 Mill. Dollar-, die Unter-Schatzkammern und die Münze außsrde« 15,000.0< wenig G über ans v an ien h Sparcafl und zu jährlich um die nicht 10 südlicher Sklaver Waffen! andere * dem N nahmer Bowier jede- P im No und di, Rebelle Patron sicht a, Sklavi gründe Sklav Tonn« der dl Klipp, neren allein