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368 nicht außer Acht zu lassen, daß unsere städtischen Abgaben, im Vergleiche mit anderen Städten gleichen Umfanges, noch immer als gering zu bezeichnen sind. Selbstverständlich ist eS, daß, sollten sich im Laufe des Jahres die Verhältnisse insoweit günstig ge stalten, ein Erlaß eintreten wird. Bekanntermaßen ist es aber weit besser, man erhält sich die Möglichkeit eines solchen Erlasses offen, als daß man erst die direkte Steuer geringer ansetzt und dann — was sehr leicht eintreten könnte — sie im Laufe des Steuerjahres selbst erhöht. Aus diesen Gründen, denen auch die ' Ihrem geehrten Collegium angehörenden Mitglieder der gemischten Finanzdeputation beipflichteten, haben wir beschlossen, die obigen 120,00V Thlr. durch 15000 Thlr., die aus den Cassenbeständen zu entnehmen sind, und durch 105000 - direkte Steuern (Zuschläge zu den Landesabgaben) aufzubringen. Wir bemerken hierzu nur noch, daß das Verhältnis sich umsoweniger ungünstig stellt, wenn man bedenkt, daß die 45000 Thlr-, welche früher durch das sogenannte „grüne Buch" aufgebracht wurden, in Wegfall gekommen sind und anderweit zu decken waren. Die Steuersumme, die zu Deckung des Budget- DeficitS jetzt postulirt wird, stellt sich sonach im Ganzen jetzt ge ringer als die bei Aufstellung des vorigen HaushaltplanS berechnete. „Nach der Steuerausschreibung von 105000Thlr. (—3i/rSim pel) werden die Zuschläge zu den Landesabgaben betragen — Ngr. 3,8s Pf. von der Steuereinheit, 21 - — - von jedem Steuerthaler bei den Bürgern, 10 - 5 - desgleichen bei den Schutzverwandten. Der Ausschuß hatte gegen den vom Stadtrath veranschlagten Satz, wonach 3t/, Simpeln gefordert werden, in keiner Weise etwas zu erinnern. Er fand vielmehr denselben den Verhältnissen angemessen, wobei namentlich noch zweierlei in Betracht zu «ehen war. Einmal, daß, wie Conto 47 nachweist, in diesem Jahre mit der Tilgung der neuen Stadtanleihe zu beginnen ist und dann, daß der Antrag auf eine spätere Ermäßigung immer Vor behalten bleibt. Demnach schlug der Ausschuß einstimmig der Versammlung vor, zunächst die beiden ersten Zuschlagstermine zur Gewerbe- und Personalsteuer in der beantragten Höbe zu verwilligen. Die Versammlung trat diesem Anträge einstimmig bei. (Schluß folgt.) Ein schweres Schicksal in Folge eines Eisenbahnunsalls. Der Israelit Jsak Oppenheim aus russisch Polen, ein Mann in den sechziger Jahren, befand sich im Jahre 1859 auf der aus seiner Heimath nach Warschau führenden Eisenbahn. In der Nähe der Station Cistochow tritt Oppenheim, welcher einen Eckplatz inne hat, an das Coupe-Fenster. Die Thüre, welche der Conducteur zu verschließen unterlassen hatte, springt auf, Oppenheim stürzt heraus und zwar durch sein Bestreben, sich halten zu wollen, so unglücklich, daß durch die Räder beide Arme hoch oben vom Rumpfe getrennt werden und die eisernen Fußtritte des Wagens den Kopf erfassen. Ein Schrei des Ent setzens schallt ihm aus dem Coupe nach, doch ist an ein sofortiges Halten nicht zu denken, da der Zug im vollen Gange ist. Einige fürchterliche Augenblicke vergehen. Da findet man endlich den Unglücklichen ohne Arme, das linke Auge herausgerissen, den Kopf sonst noch schwer verletzt — man findet ihn, zum Entsetzen der Umstehenden, doch noch lebend. Durch ärztliche Hülfe wird er am Leben erhalten. Seine gräßlichen Wunden heilen. Wären sie doch nicht geheilt! — wünscht er und wünschen Alle, die ihn sehen. Doch er erträgt mit Ergebung dieses Leben, obgleich noch dazu entblößt von allen Mitteln und Vater einer zahlreichen Fa milie. Möchten Mitmenschen es ihm nach Möglichkeit tragen helfen! Durch vielfache Unterstützungen ward es ihm ermöglicht, Reisen nach Berlin, Hamburg, Wien zu unternehmen, um viel leicht durch künstliche Apparate sich ein, wenn auch nur dürftiges Ersatzmittel für die fehlenden Arme zu verschaffen. Allein nir gends hielt man unter den hier besonder- schwierigen Umständen einen Erfolg für möglich. So kam der arme Mann auch nach Leipzig. Hier sorgte die israelitische Gemeinde für Aufnahme desselben im Hrankenhause, denn wegen anhaltender heftiger Schmerzen in den nicht ganz richtig verheilten Narben seiner Armstumpfe be durfte er sofortiger Hülfe. Diese verschaffte ihm Herr Professor Dr. Günther durch eine nachttägliche verbessernde Operation. In überaus schneller Zeit war er von den quälenden Schmerzen be freit. Ader die Hülflosigkeit — man denke sich in die Lage: keinen Arm, keine Hand, nichts, auch nicht das Geringste, an sich und mit sich vornehmen zu können, schrecklicher noch als der Verlust der Beine! — Diese Hülflosigkeit blieb natürlich immer nocd dieselbe unerfüllte Sorge. Der Unglückliche ward aus dem Hospitale in eine Privatwohnung (Ritterstraße Nr. 40) ge. bracht, woselbst er sich jetzt noch befindet. Hr Prof. Dr. Günther beauftragte nun den in diesem Fache so thätigen Mechanikus und Bandagist Herrn Reichel, auch unter diesen schwierigen Umständen doch noch ein Mögliche- zu »ersuchen. Nach Vieler «lt uneigen nütziger Aufopferung verbundenen Mühe gelang es ihm, auch hier noch einen sinnreichen Mechanismus künstlicher Arme zu construiren, wodurch es dem Unglücklichen wenigsten- möglich ge macht ist, den Löffel zu Munde zu führen und einige andere der unentbehrlichsten Bewegungen selbst zu vollziehen. Wer die er schwerenden Umstände dieses Falles kenm, kann nicht umhin zu sagen, daß unser Reichel auch hier wieder ein Meisterstück ge macht hat. Nun ist der arme Mann so weit, alle- Menschen nur irgend Mögliche zur Erleichterung seiner körperlichen Hilflosigkeit an sich vollzogen zu sehen. Es hat ihn aber auch die unwiderstehlichste Sehnsucht erfaßt, den Rest seiner kummervollen Tage im Kreise seiner Familie, der er seit langer Zeit entrückt ist, zu verbringen. Er, der an allen Hilfsmitteln Erschöpfte, möchte zurück, und weiß nicht wie, da wegen der Unentbehrlichkeit einer begleitenden Person die weite Reise doppelt kostspielig wird. Möchte die Menschen liebe, die sich an ihm schon so vielfach bethätwt hat, ihm auch noch dazu verhelfen! Möchte aber auch dieser Fall als warnendes Beispiel dazu dienen, um die Wachsamkeit über die betreffenden Einrichtungen der Eisenbahnwagen allerwärtS so zu verschärfen, daß, wie es — Dank der deutschen Gewissenhaftigkeit — wohl auf allen unseren Bahnen der Fall, ein derartige- Unglück zu den Unmöglichkeiten gehört! Gerichtssitzung. — 1. Leipzig, 23. Januar 1861. In der heute auf An trag des Vertheidigers bei geschlossenen Thüren stattgefundenen Hauptverhandlung kam die Anklage der k. Staatsanwaltschaft gegen Frau verw. Adv. Thon von hier wegen Meineide- und leichtsinnigen Falscheides zur Verhandlung. Der K. Gerichtshof unter Vorsitz des Herrn CriminalrichterS Ritter Or. Rothe sprach die Angeklagte wegen Meineides vollständig frei und verurtheilte sie nur wegen leichtsinnigen Falscheide- zu 5 Thlr. Strafe. — Die Anklage vertrat Herr Staatsanwalt Lowe, die Vertheidigung Herr Rechtsanwalt Kleinschmidt. Zur Tageschrontk. Leipzig, den 24. Jan. Im Rosenthale wurde heute Nach mittag der Markthelfer Graul aus Gohlis erhängt aufgefunden. Die Motive seines Selbstmorde- sind zur Zeit noch nicht bekannt. Der Werkführer Zenker in der Stellmacherwerkstatt des sächs.- bayer. Bahnhofes gerieth heute Nachmittag in Folge eines un glücklichen Zufalles mit den Aermeln seines Rockes in ein im Gange befindliche- Triebrad und es wurde-ihm dabei, ehe er sich losmachen konnte, seine rechte Hand bis zum Handgelenk ganz zermalmt. Verschiedenes. Für die Buchhändler in Pari- ist der WeihnachtSmonat ein Erntemonat, und alle Buchläden prangm mit prachtvoll ge bundenen Büchern. Neue- bieten diese Läden eben nicht; doch seien hier zwei Schriften erwähnt, die eigen- für diese Zeit an dern Deutschen ins Französische übersetzt worden. Die eine ist Goethe's Reineke Fuchs mit Illustrationen nach KaulbachS meisterhaften Zeichnungen. Die Uebersetzung ist von Eduard Grenier, dessen Prosa die Hexameter unsere- Dichterfürsten leidlich wiedergiebt. Die zweite ist der vielberühmte allbeliebte Struwel peter, der in der französischen Uebersetzung kierre l'LbonriW heißt« kisrre 1'LdouriLö figurirt auf dem Titelblatt mit seinem wilden ungekämmten Gestrüpp auf dem Kopfe und mit den un endlich langen Nägeln an den Fingern, und zieht auch die Blicke der französischen Jugend gewaltig auf sich. vr. Hoffmann in Frankfurt kann sich rühmen, das populärste aller Kinderbücher geschrieben zu haben, ein Ruhm, der viel größer und viel solider ist als Manche glauben. Jedenfalls erfreut er sich de- liebens würdigsten, unschuldigsten Leserkreise-. Thürdrücker mit hörnerner Handhabe. Da die metallenen Thürklinken oder Thürdrücker namentlich beim An fassen im Winter ein unangenehmes Gefühl haben, so hat man an selben das Metall durch Horn erseht. Diese hornenen Thür klinken haben aber da- Nachtheilige, daß sie bei starkem Drucke leicht zerbrechen. Um nun dem Uebelstande der metallenen und hornenen Thürklinken zu begegnen, hat nach dem Tr. Anz. der Drcchvlermeister Herr Rüdell in Trier Thürklink, n construirt, welche aus Metall und nur so weit au- Horn bestehen, daß die Land beim Anfassen der Klinke kein Metall berührt. Diese neue Art von Thürklinken verbindet mit Dauerhaftigkeit gleichzeitig ein gefällige- Ansehen.