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3108 ^ Rechte der Krone geschehen kann, Gehör zu verschalen. Wir haben jetzt keine solche Volk-veriretung, und Die, welche die- be haupteten, treten sie vor den Spiegel und sie werden ihren Ab glanz, da- Bild der eigenen Schmeichelei sehen. — Der Abgeordn. Riedel hat so eben die Unmöglichkeit für die bäuerlichen Depu taten, alle Interessen der einzelnen Elasten zu vertreten, vorge führt; ich gehe noch weiter. Schon der von den jetzigen Abgeord neten geleistete Eid steht mit der Art ihrer Wahl in Widerspruch. Der Abgeordnete hat zu schwören, daß er da- vereinte Wohl de- Vaterlande- — also de- ganzen Volkes und de- König erstreben wolle. Die Wahl aber kettet ihn an einen einzelnen Stand im Volke und an besten Interessen, von denm er sich naturgemäß nicht trennen kann, so lange er diesem Stande ange hört und von ihm au-schließlich gewählt wird; er wird immer da- Wohl de- Stande- fördern, indem er versichert, da- Wohl de- Vaterlande-, also de- ganzen Volke- zu fördern. Man verbessere die Ständeoertretung wie man wolle, eine Volksvertretung wie fast in allen deutschen Ländern, selbst nicht ausgenommen Oester reich und Hessrn-Cassel (was nicht, wie Vicepräsident Lehmigen so eben äußerte, eine Ständevertretung hat, denn da- wagte selbst ein Hastenpflug nicht), wird nicht daraus, e- verdient nicht den Namen einer Wahlreform, wenn e- sich nur um Au-beffern, Ausflicken de- vorhandenen, längst überlebten System- handelt. Man halte Rundschau in Deutschland: Mecklenburg, Anhalt- Dessau, dessen SchmerzenSruf zu un- herübergedrungen, leider auch da- gebildete, intelligente, berühmte, altconstitutionelle Sachsen, welches mit Baden früher den deutschen Bruderstaaten als con- stitutionelle- Vorbild diente, sollen Ständemirakel bleiben, vielleicht z„r Forschung der AlterthumSkunde! Nur eine Au-nahme, wie Abg. Riedel schon angedeutet, macht da- neue Projekt der Stände- Vertretung bei dem bäuerlichen Stande. Denn wenn auf dem Lande die Unangesessenen, die Tagelöhner, Handwerker, Lehrer und Geistlichen mit wählen und zum Theil mit gewählt werden können, so verlieren diese Wahlen den Charakter der bäuerlichen und eS wird bei den Wahlen manch bäuerliche- Element verdrängt werden. Was einem Stande recht, ist dem andern billig. Giebt eS einen Stand, der als solcher in reeller Bedeutung aufgehört hat, so ist eS der de- Rittergutsbesitzer-, dessen Vorrechte gefallen und der nur noch großer Grundbesitzer ist, deshalb immer eine noch sehr ehrende Stellung einnimmt. Der Stand hat in beiden Kammern 49 Sitze, dagegen da- industrielle, ganze intelligente fleißige sächsische Volk 65 Sitze. Ist da- Parität, ist das billig und recht? Die zwei großen Städte Leipzig und Dresden haben nur 4 Stimmen in der zweiten und 2 in der ersten Kammer, sie repräsentiren aber mehr Steuereinheiten als alle Rittergüter in Sachsen zusammen. Der Unterschied ist noch viel greller, wenn man erwägt, daß in beiden Städten 200,000 Menschen wohnen, auf den Rittergütern zusammen kaum mehr als 2000. DaS Ministerium läßt an diesem Stand den Gesetzentwurf ruhig vorübergehen, an ihm, der nur eine dominicende Stellung in beiden Kammern einnimmt. Zm staatsbürgerlichen Leben sind vor dem Gesetze Alle gleich, suum eiüynv — gleiche Rechte, gleiche Pflichten. DaS Ministerium sucht andere Stände zu privilegiren, andere zu ignoriren. Warum soll denn, wenn man einmal con» sequent sein will, der ehrenwerthe Schneider- und Schuhmacher stand, der doch an Zahl der größte, der Advocaten-, der ärztliche, der geistliche, der Lehrerstand u. s. w., wo namentlich der Advocaten- stand durch Bildung, Kenntnisse ganz geschaffen zu gesetzgeberischen Arbeiten, warum sollen diese Bürger consequenterweise ihren Stand nicht repräsentiren? Ich gehe weiter. In keinem Stande ist der StandeSgeist so verkörpert als in dem Wehrftande. Warum schlagen sie nicht vor, daß die Kammer als Standesvertreter auch Officiere haben müsse, den mächtigsten und einflußreichsten Stand der Jetztzeit im Lande. Ich kenne schon die Antwort im voraus, sie lautet, die sind ja schon durch unS vertreten; die- ist aber Illusion, Ausflucht. Warum begeht man, wenn man nun ja einmal in Stäudever- tretung da- höchste Glück sieht, bei dem Wehr-, Advocaten-, Hand werker-, geistlichen und Lehrerstand u. s. w. solche Ungleichheit, solche Ungerechtigkeit? Wie nun die Welt, welche als Stand in der Wahlreform nicht mit bedacht ist, im Contraste mit dem Wahlgesetze den Fort- chritt liebt, wenn sie nun neue Stände schaffte oder welche ab- chaffte, wa- sollte denn daraus werden? Mit den Ständen hat >a- Wahlgesetz ewigen Krieg, Hader und Wechsel, mit dem Volke ist e- stabil, konservativ. Die beste Reform ist die, welche sich dem Volke nähert und nicht mit den Ständen buhlt. Ist nun die vorliegende Frag« nicht eine politische, so ist sie mehr eine rechtliche. Recht-kenner mögen muthig ihr Unheil ad- gebrn, ich werde mich an oa- Allgemeine halten. Wir haben ein Wahlgesetz, da- vom 15. November 1848. Die größte Geschick lichkeit, die wahrhafte Virtuosität der praktischen Staatsmänner mag Wahlgesetze, beschworene VerfassungSbestimmungen weg eS- camotiren, soviel steht fest, da- eine können sie doch nicht: das thatsächlich Bestehende auf die Höhe der Recht-beständigkeit zu erheben; alle-Geschick, alle-Talent ist dazu zu schwach, da-Recht lebt fort und fort al- Recht und ist ein ewige-. Da- öffentliche Gewissen Wird immer wieder da- Recht anrufe« und an ihm sich emporheben, sich kräftigen. E- giebt nur eine Reform und diese lautet: Wiederherstellung de- Wahlgesetze- vom 15. November 1848 mit dem Motto: Recht muß Recht bleiben. Wir selbst in dieser Kammer tragen den Stempel de- Provisorium-, denn im Gesetz vom 15. August 1858 heißt eS u. A: daß „bi-" zu der Vereinbarung über ein definitive- Wahlgesetz die früher auf ge. sehlichem Wege aufgehobenen VerfassungSbestimmungen und daS auf gleiche Weise aufgehobene Wahlgesetz wieder in Kraft trete. So sind nach dem Gesetze selbst die Stände nur ein Provisorium. Da- Gesetz ist nicht so arm wie praktische Staat-mann-kunst glaubt. DaS Recht hat Macht und ist stärker al- der Rausch der Besieger. (Hierbei unterbricht der Präsident den Redner, dar auf hinweisend, daß er da- Recht der Stände nicht könne an zweifeln lassen; vr. Heyner fährt dann fort): Thatsächlich muß ich's allerdings anerkennen, sonst befände ich mich nicht hier. Was das neue Projekt der Ständevertretunq anlangt, so stimme ich, wie eS jetzt vorliegt, dagegen, liwoo vewaos «1 äou» keroote,. Ich will von diesem Ministerium kein Geschenk, da- kein Ver trauen zum Kern de- Volke- hat, natürlich von dem größten Theil desselben auch kein Vertrauen genießt, von einem Ministe rium, da- mit dem Alten nicht mehr Haltbaren aus Rücksichten nicht brechen will, 6»e,»r, »ut nibil. Nur entschieden, nichts HalbeS; eS zu unterstützen hieße da- Schaukelsystem befestigen. Ueber das freie Bürgerthum hinweg gehen jetzt die Schaaren der abhängigen Beamten, Staatsdiener, Geistlichen, die Minister selbst. Lieber mag da- sehr mangelhafte alte Wahlgesetz noch kurze Zeit faktisch fortbestehen, es wird von selbst ohne all unser Authun den unerbittlichen, unwiderstehlichen Forderungen der Zeit weichen. Wenn die- de- Pudel- Kern ist, daß noch mehr StaatS- diener und andere Diener in die Kammer kommen sollen, so möge er noch etwa- in der Schale bleiben. Die- kann weder (ich muß die- sagen) eine dem RechtSgefühl geschlagene Wunde heilen, noch eine politische Erwartung befriedigen. Ich danke für den Gesetzentwurf wie er vorliege. Wir verstehen un- auf da- Warten, nachdem wir lange genug gewartet und geduldet. Besser wird, besser muß eS werden. Dem Fortschritt, der unbesieglichen, der unwiderstehlichen, unabweisbaren, der belebenden, alle- befruchten den Freiheit gehört die Zukunft. In seiner Rede sagte der Staat-minister Beust u. A.: Man könne den Äbq. vr. Heyner und Riedel rücksichtlich de- PrincipS beistimmen. Allein wenn man der Intelligenz Thor und Thür öffne, so sei damit noch nicht gesagt, daß sie einziehe, eS könne auch da- Gegentheil sein. Eine Volksvertretung nach gewissen principiellen Grundsätzen zu Stande zu bringen sei un erreichbar. Man rufe den Behörden oft zu, daß sie des Volkes wegen daseien rc. In einem gewissen Grade gelte da- auch von der Volksvertretung. Frage man nun, ob die Stände ihren Zweck, Controle der Finanzverwaltung und Theilnahme an der Gesetz, gebung, erfüllt, und die Antwort falle bejahend au-, so werde man nur da- Mittel zu stärken haben, nicht aber principiell darauf stellen, waS besser sein könnte, also auch da- Ständeprincip nicht aufzugeben haben. Eine solche Stimmung habe die Regierung auch bei der Kammer vorausgesetzt, als sie den Jungnickel'schen Antrag fast einstimmig verworfen, denn eS sei wohl keine Ge- wissenSftage, ob da- Amt eine- Abgeordneten etwa- Angenehme- sei, und man habe den Antrag nicht abgelehnt, weil man befürchtet, seinen Sitz in der Kammer zu verlieren, sondern nur, weil man ein anvertraute- Pfand dem ungewissen Charakter neuer Experi mente nicht habe preisgeben wollen. Es werde kein Wahlgesetz ohne Verbesserung bleiben. Allein e- liege für die Regierung Veranlassung vor, nicht voreilig zu Werke zu gehen, sondern An träge au- der Kammer abzuwarten und sie zu beachten. Die Re gierung habe sich auch in der Vorlage an die in dieser Kammer erfolgten Kundgebungen gehalten und e- de-halb grundsätzlich nicht für ihre Aufgabe betrachtet, etwa- vorzulegen, waS über da- Ge wünschte hinausgehe und so der Kammer einen gewissen moralischen Zwang aufzulegen. Bei andern Ländern möge man erst die Weiterentwickelunq abwarten und große Körpervertretungen hätten eine geänderte Lebensweise leichter al- kleine. Der Gesetzentwurf habe sich dem Reiche - Eisenstuck'schen Anträge angeschlossen und die Regierung stimme mit demselben rücksichtlich der UedergangS- Periode vollständig überein. Sei einmal da- Gesetz gegeben, so werde sich kein Abgeordneter in der theilweise erneuten Kammer unbehaglich finden. Die Angriffe vr. * Heyner'- und Riedel'- seim über ihr Ziel hinau-gegangen, denn e- könnten doch nicht alle möglichen Stände Vertretung finden, sondern nur die, welche am besten geeignet erscheinen. Alle Vorrechte der Rittergutsbesitzer hätten nicht aufgehört, und sie seien nicht al- exclusiver Stand, sondern al- Vertreter einer Abstufung de- Vermögen- in der Kammer. Da die große Mehrzahl der Bauern für den Reiche- Etsenstuckschen Antrag gestimmt, habe die Regierung kein Be denken getragen, die Vorlage so zu machen, und dieselben würden doch die Haupttolle spielen, solange da- BezirkSprincip bestehe.