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sie seien nicht competent in seiner Sache, daher sei er gleich zum Obergericht gegangen rc. Von SonderShausen auS schrieb er später an seinen Freund, der inzwischen die Geduld verloren hatte, davon, daß „er mit seinem Notar leidlich zufrieden sei" rc. Welch hohen Grad daS „Vertrauen" des Freundes erreicht batte, der immer noch nicht an eine Schwindelei glauben wollte (denn Kniese hatte ihm eines Abends einmal eine Wurst mitge bracht, wie solche im Geschäft, aus dem er komme, geftihrt würden, ihm auch eine Schürze von der Art, wie sie in solchen Geschäften getragen werden, geschenkt), zeigt unter andern auch noch der Umstand, daß er Kniesen selbst seine Uhr nebst Kette und Pre tiosen behufs der Verpfändung übergab, damit Kniese die angeblich dringenden Abschlagszahlungen auf das „gekaufte" Geschäft pünct- lich einhalten könne. Kniese, welcher am 26. November v. I., nach geschehener An zeige Seiten des Verletzten, vom hiesigen Polizemmte verhaftet worden war, hatte anfänglich ein fast offenes Bekenntniß seiner Schuld abgelegt, indem er einräumte, daß er den Geschäftskauf nur vorgespiegelt habe, um Geldmittel zu erlangen, er habe von den Geldern gelebt und habe von hier schließlich sich nur um deßwillen heimlich entfernen wollen, weil ihm sein Gewissen keine Ruhe mehr gelassen, er dem beständigen Drängen des Freundes nicht mehr auSzuweichen gewußt, ihm auch der Körperzustand seiner Geliebten Sorge bereitet habe. Vor Gericht widerrief er theilweise diese Zugeständnisse damit, daß er vorgab, er habe jene Angaben nur in der ersten Bestürzung über seine Verhaftung ge macht. Heute wollte er manche Umstände nicht mehr zu erklären wissen, läugnete auch, daß er im Ganzen von dem Freunde und dessen Vater 653 Thlr. 22 Ngr. erschwindelt habe und behauptete, es sei seinerseits Alles bis auf einige 20 Thlr. zurückbezahlt wor den, ja er entblödete sich nicht, hin und wieder die Aussagen seines Freundes als „Lügen" zu bezeichnen. Seinen Angaben indessen standen verschiedene Zeugenaussagen direct entgegen. Auf Grund der heutigen Beweisaufnahme er folgte denn auch Kniese's Verurtheilung wegen Betrugs zu einer vierjährigen Arbeitshausstrafe. Bei der Verhandlung führte Herr GerichtSrath Ahnert das Präsidium und waren Anklage und Ver teidigung durch die Herren Staatsanwalt Hoffmänn und Rechts anwalt Hofrath Kleinschmidt vertreten. — 3. Mai. Am Vormittage des 29. März d. I. vermißte ein hiesiger Candidat der Medicin beim Ankleiden seine goldene Uhr nebst dergleichen Kette im legalen Taxwerthe von 45 Thalern. Beides hatte er am Abend noch m seiner Tasche wahrgenommen. Er sprach anfänglich dre Vermuthung aus, daß er in der Nacht zuvor, in welcher er in Folge des Genusses von Bier so auf geregt gewesen, daß er sich nicht mehr genau aller Vorgänge er innern könne, Uhr nebst Kette in der Restauration, die er erst am frühen Morgen verlassen habe, liegen gelassen haben könne. Der Wirth versicherte indessen, daß der Verletzte beim Verlassen deS Gastzimmers beides noch an sich getragen, eben so bekundete daS Dienstmädchen seines Wirthes, daß auch sie den Herrn „Doctor", als er nach Hause gekommen, noch mit der Uhrkette bekleidet gesehen habe. Der Verdacht der Entwendung fiel nunmehr auf den bisher unbescholtenen Kellner August Oppermann aus Giersleben bei Morgen zu- " es ge- Durch- suchung seiner Kleider fand sich ein" Leihhausschein von Halle, auf welchen TagS zuvor eine goldene Uhr nebst Kette verpfändet war, so wie der größte Theil des erhaltenen Pfandschillings noch vor. Oppermann räumte ein, daß diese dem Verletzten gehörten. Der selbe habe sie vielleicht unbewußter Weise auf dem Stuhle in der Gaststube liegen gelassen, als er weggegangen; er, der Angeklagte, habe sie an sich genommen und anfänglich die Absicht gehabt, sie dem Eigenthümer wieder zuzustellen; allein später habe er sich eines andern besonnen und beschlossen, beides sich anzueignen; er sei deshalb mit dem nächsten Zuge nach Halle gereist. Nach den beeideten Aussagen des Dienstmädchens de- Verletzten, die nach des Letzteren Rückkehr in seine Wohnung auch den Ange klagten in Verdacht erregender Weise auf der Treppe angetroffen, liegt jedoch die Wahrscheinlichkeit nahe, daß Oppermann Uhr nebst Kette aus der damals unverwahrten Wohnung des Verletzten sich angeeignet habe. DaS königl. Bezirksgericht, welchem Herr GerichtSrath Gareis präsidirte, verurtheilte O. dem Anträge des Herrn Staatsanwalts Hofsmann gemäß wegen Diebstahls zu Arbeitshausstrafe in der Dauer von 1 Jahre und 3 Monaten. Verschiedenes. I Leipzrg, 3. Mai. Prinz Hugo von Schönburg-Walden- burg, welcher mit Gemahlin im Hotel de Russie hier logirt, reiste heut Vormittag ii Uhr auf der Thüringer Bahn mit Gemahlin «ach Weimar. . 3018 Leipzig, 2. Mai. (Fortsetzung der Hauptprüfungen am hiesigen Conservatorium.) Von allen Prüfungen am Conservatorium, denen Referent binnen der letzten drei Jahre bei zuwohnen mereS 5 diesjähi enthielt Vorführungen im Sotö- und Enfemblespiel. — Zuerst kamen als Vorläufer Herr Hyman Cowen aus London (geb. in Kingston) mit dem 1. Satze aus dem Beethoven'schen Pianoforte- Concerte in OmoU und Herr Richard Arnold aus Memphis (in Amerika) mit dem 1. Satze aus einem Violin-Concerte (in L äur) von F. David. Das Spiel deS Ersteren bekundete sehr schöne saubere Technik und strenges Festhalten an den Regeln einer guten Schule. Gewiß an und für sich recht lobenswerthe Tugend, die aber, wenn bis in die kleinsten Details der Ausdrucksmittel ru tief schon eil.dringend, wie hier geschah, den Vortrag zu gekünstelt, zu manierirt ^ ^ — Arnold vielleicht niger von Befangenheit beunruhigt gewesen. Trotzdem machten sich Begabung großen starken ToneS und zuweilen so mancher anerkennenswerthe Ausdruck individuellen Schaffens bemerkbar. — Auf bedeutenderer Stufe der Entwickelung eines geistig belebten Vortrags stand die Ausführung des Weber'schen Concertstückes in b'moll durch Herrn Oscar Beringer aus London. Hier hörten wir dieselbe feine Technik (wie die des Herrn Cowen) schon der individuellen Auffassung des Vortragenden sich nur als Dienerin unterordnen und dadurch gleichsam nicht mehr ein nur auf mecha nischem, d. h. chromolithographischem Wege entstandenes, sondern durch die lebendige Hand des Malers von Innen gefördertes Fcnbenbild entstehen. Können wir auch diesen Vortrag noch nicht als einen ganz vollkommenen bezeichnen, so war doch unstreitig Leben und Wärme darin, und gehörte er folglich mit zu den besseren der diesjährigen Eleven-Prüfungen. — Hierauf begann eine Reihe Vorträge, welche nach Recht und Billigkeit in jedem beliebigen größern Concerte als echt künstlerische Leistungen ihren Platz vertreten und jeder Zuhörerschaft (selbst einer anspruchsvollen) Befriedigung > gewährt hätten. — Zuerst trat Herr Christian Hoffmänn aus Newyork (geb. zu Hanau) aus, welcher die große Barhton-Arie („O sei mir gnädig") aus Mendelssohn's „Paulus" mit guter Schule, besonders mit großer Sicherheit, vor Allem aber mit seelischem Ausdrucke und vielem deklamatorischen Geschicke vortrug. DaS Organ selbst be sungen Künstlers betreffend, so ist dasselbe von recht angenehmem, Hellem Klange, nur schien es uns, als wenn bei manchen Vocalen (wie z. B. i und u) eine kleine Schärfe zu viel und überhaupt der den Barytonftimmen eigenthümliche weiche Metall-Schmelz nicht genügend hervorträte, was indessen sehr leicht eine Folge momentan eingetretener Heiserkeit gewesen sein konnte. — Herr Alfred Volkland, deffen gediegenen Vortrag eines Beethoven'schen Werks schon in der zweiten Prüfung Referent nach Fug und Recht zu betonen sich verpflichtet fühlte, führte sich auch diesmal mit einer Sonate desselben Meisters (mit der ,,^.ppL88ionata") vor, und zwar indem er sie auswendig spielte. Machte es uns schon an und für sich Vergnügen diesen jungen denkenden Künstler nochmals zu hören, so freute sich Referent um so mehr der gegebenen Ge legenheit in diesem zweiten Vortrage des Hrn. Volkland — trotz dem von gewisser anderer Sette her ihm unbegründet zu Thett gewordenen, etwas mehr als nur bitteren Tadel — unsere frühere Meinung vollkommen und nach jeder Richtung hin wiederholen zu können, daß nämlich Hr. Volkland mit bedeutendem geistigen Verständnisse und Gefühle das Beethoven'sche Werk aufgefaßt hatte, sich gleichsam hineingelebt zu haoen schien. Die Zuhörer schaft schien Hrn. Volkland für jene ungerechte Kritik Sattsfaction geben zu wollen, indem sie ihn noch weit mehr als alle übrigen Mitwirkenden bisher durch Beifall auszeichnete. — Dem ganz voll kommenen Gelingen des Quartetts für Streichinstrumente von Beethoven (0p. 18, Xo. 2, Oäur) durch die Herren Hermann Brandt aus Hamburg, Otto Kaletsch aus Cassel, Emil Stockhausen aus Colmar und Fr. Pester stand die Hitze im Saale bedeutend im Wege — ein Umstand der Jedem begreiflich sein wird, der da weiß, wie die absolute Reinheit der Stimmung dadurch zu leiden hat. Abgesehen jedoch von diesem — wahrscheinlich auch nur effectiven Musikkennern bemerkbar gewordenen Hindernisse — kön nen wir diese Leistung im Zusammenspiel alS schon sehr gediegen und fein betonen. — Ebenso vorzüglich wie nach technischer Seite hin, so insbesondere im Betreff durchdachten und Gefühlstiefe bekundenden Vortrags wurden Schumann'S „Phantasiestücke" (Romanze, Humoreske, Duett und Finale), für Pianoforte, Violine und Violoncell, von Fräulein Auguste Arendt auS Reval und den Herren Robert Heckmann auS Mannheim und Julius Hegar auS Basel wiedergegeben. Zugleich mußten wir dem schönen, sympa thischen Tone, der wirklich bedeutenden Technik und der Kunst sinnigkett überhaupt gegenüber, wie solche das Violoncellspiel de- Letzteren aufzuweisen vermochte, unwillkürlich unS die Frage stellen: weshalb denn Herr Hegar bei seinem Talente nicht auch mit einer Sololeiftung hervorgetreten sei? — Im 8 moU - Capriccio für Pianoforte mit Orchester von Mendelssohn fanden wir Gelegen-