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Mittwoch de« 23. Januar d. I. Abend- 1,7 Uhr ist öffentliche Sitzung der Stadtverordneten im gewöhnlichen Locale. Tagesordnung: 1) Gutachten de- Ausschusses zu« Finanzwesen über Conto 41 de- diesjährigen HaushaltplaneS. 2) Gutachten de- Ausschusses zu« Bau-, Oekonomie- und Forstwesen über s) Contt 1V, 11, 12 ff. de- diesjährigen HauShaltplanS, b) den von Herrn Adv. Helfer beantragten Erlaß de- von Herrn vr. Heine für Ueberwachung der Plagwitzer Brücke zu machenden Aufwandes. 5) Wahl eine- Stadtrath- auf Zeit. Rede -es Äbgeor-neten vr. Hezmer in der Sitzung der II. Kammer am 18. Januar. Wahlrefor« betreffend. Mehrere Redner habm auf die andern deutschen Staaten hin- gewiesen, auch ich will eine Rundschau halten im geliebten deutschen Vaterlande. Alle deutschen Bruderstämme erfreuen sich eine- zeitgemäßen, freisinnigen Wahlgesetze-, mit wenigen Au<nahmen, Mecklenburg und, ich sage e- mit tiefem Schmerz in meiner patriotischen Brust, unser engere- Vaterland Sachsen, wa- früher al- Hellleuchtende- Meteor de- konstitutionellen Leben- an dem politischen Himmel Deutschland- glänzte und andern deutschen Staaten stet- ein Vor» btld war. Nachdem da- Ministerium durch Ordonnanzen da- verfassungs mäßig zu Stande gebrachte Wahlgesetz aufgehoben, rief e- eigen- mächttg die reactivirten Stände zusammen, und zwar unter dem ausdrücklichen Bemerk, daß diesen hauptsächlich nur ein neue- Wahlgesetz zur Berathung vorgelegt werden solle. Zehn lange Jahre find verflossen; da- Ministerium hat da- Volk vergessen und immer noch harrt dasselbe auf die Lösung de- Versprechen-. Diese Verfassung-frage hat nun auch andere deutsche Staaten beschäftigt. Vor allem hatte die Macht und der Zauber de- Recht- da hessische Volk wunderbar ergriffen. Diese- verlangt die alte Ver fassung, da- alte Wahlrecht, da- ihm genommen, als sein Recht. E» weist da- Wahlgesetz zurück, wa- sein Fürst ihm verliehen. Wir Sachsen würden durch da-, wa- der unglückliche Bruder stamm nicht will, un- sehr beglückt fühlen, wenn wir nur e- hätten. Oesterreich, der Hott de- Absolutismus, der hohe Gchutzherr der kleinen absoluten Staaten, die sich früher an ihn anklammetten, dasselbe Oesterreich ist jetzt eine Wohnstätte de- Fortschritt- ge worden, sucht nun seine Kraft und Macht in dem festen Boden der Volksfreiheit und hat ein Wahlgesetz veröffentlicht, basirt auf Interessenvertretung, welche- alle Schichten de- Volk- umfaßt. Dasselbe Oesterreich würde die Sachsen, deren Regierung immer ihren Compaß nach Wien gerichtet hielt, sehr beglücken, wenn e- wie früher al- Vorbild de- Adsoluti-mu- und der Finsterniß, jetzt al- Borbild der wirklichen Volksvertretung und de- Licht-, einen Ab glanz seine- Schmerling'schm Wahlgesetze- auf da- arme Nachbar land Sachsen fallen lassen wollte. Sachsen, einst der erste Stern eine- konstitutionellen Leben-, wird immer enger und enger von zur Freiheit gehobenen Bruderstäm men umschlossen, die Regierung, alle Parteien, selbst die hohe Aristokratie, wird im Angesicht einer großen hereinbrechenden Zeit nie und nimmer zugeben, daß e- eine Wüste de- grünen freudigen Bölkerleben- bleiben soll. E- ist eine sittliche politische Unmög lichkeit, daß ein brave- Volk inmitten fteier Volksvertretung an derer Nachbarvölker, welche doch nicht besser, nicht reifer, nicht würdiger, nicht fähiger al- da- brave intelligente Gachsenvolk find, al- eine StLndeautike auf die Dauer sich erhalten kann. Darüber sind wohl die frommsten Anbeter und Verehrer de- jetztgen System- einverstanden. Unser Antrag vergißt da- Geschehene ven 1850; er athmet Versöhnung! Er ist bescheiden, meine Herren, und will nur da-, wa- dasselbe Ministerium — da- jetzt eben hier auf den Mintsterbänken sitzt — wollte. Und wa- dasselbe Ministerium wollte, kann nicht unmäßig, unklug und wohl gar revoluttonair sein, wa- die von hier au- comman bitte kleine Presse in dm Provinzen uns rem Antrag auf Wahlrefor« vorwirft. Sie wollen doch nicht mehr einen großen Theil de- gebildeten sächsischen Volk- au-schließen und von der Wahlume die heiligen Rechte de- Volk- verdrängen? Wer da gesagt hat, e- sei kein Bedürfniß vorhanden, der hat kein Auge zu sehen, kein Ohr zu hörm, kein Herz zu fühle» und hat nicht- gelernt und nicht- vergessen. Schauen Sie, «eine Herrenauf die Gletchgül-igkeit gegm die Verfassung, wa- von einem vorigen Redner hervor-ehoden. Der 4. September, der Gedurt-tag unserer Verfassung, war früher I für da- sächsisch« Volk ein Jubel- und ein Freudentag, Jeder drängte sich zu dem ersten konstitutionellen Toast, nicht weil e- Dme und Gewohnheit, net», e- strömte au- den tiefsten Gefühlen der patriotischen Sachfenherzm. Jetzt Jndifferenti-nm-, Gleich gültigkeit'. Hinter dieser Gleichgültigkeit sammeln sich vielleicht schlimmere Elemente, denen wir im Namm der Freiheit entschieden entgegen- treten müssen,' ja, meine Herren, denen gerade wir, weil sie die Freiheit vernichteten, in den Jahren 1848 und 1849 prit Gefahr de- Leben- entgegemratm. De-Halb schließen wir Frieden und vereinigen da- ganze Volk in der Liebe zu seiner Verfassung, von welcher der über ihr Stehende unzertrennlich ist. Eine schöne, fürwahr eine herrliche Aufgabe, derm Lösung der Regierung, dem Landtage zu Ruhm und Ehre, de« Lande -um Heil und Glück gereichen wird. (Fortsetzung folgt.) Lur Lesstngfeier. Leipzig hat da- große Verdienst, die erste Stadt Deutschland gewesen zu sein, welche dm Gebutt-tag Lefsing- zu einer Feier für allgemeine Betheiligung erhob. Wenn auch da- königl. Hof theater in Dresden jährlich an diesem Tage eine- der Lessing'schen Dramen in einer Festvorstellung über die Bühne führt, so wird hierbei doch eigentlich nur dem Schöpfer de- deutschen Drama'- gehuldigt. Wie groß, wie reich und wirksam ist aber auch der Philosoph, der kritische Forscher, der Kunstrichter, der überall auf allen diesm Gebieten auftritt al- mannhafter Kämpfer für Wahr heit, Vernunft, Gerechtigkeit und Menschentuaend! Verweichlicht durch eine gewisse Geschmack-verzärtelung liebt man e-, sich an dem Dufte schöner Blumen zu laden, ohne sich um den Stamm zu kümmern, auf dem diese Blumm gedeihen; man genießt die herrlichen Früchte, ohne nach dem Baume zu fragen, der sie gezeugt. Und doch wie groß und herrlich sind diese Bäume selbst, wie ganz ander- behagm Blume und Frucht, wmn man da- reiche, schöne, innere Leben kmnt, welche- in den oft so gewaltigen Stämmen pulsirt! Der gewaltigste deutsche Stamm ist unser Lessing, ein Stamm, dessen wunderbare- Laubwerk und hohe kraftvolle Krone ewig jung und frisch hinau-ragt in die freie Gotte-luft. Man muß diese Heldengestalt kennen, sich durchträuken mit diesem ewig freien, harmonisch schönen Leven, will man die Wunderblumen seine- Geiste- voll und ganz genießen. So bekannt, ja so populär auch Lessing in allen Schichten de- deutschen Volke- ist, kann man doch, ohne gegm die Wahrheit zu verstoßen, behaupten, daß er diese Popularität nur seinen Bühnen stücken verdanke. Wer würde nicht unter Erröthen da- Bekennt nis ablegen, »Minna von Barnhelm", »Emilia Galotti" und »Nathan der Weise" nicht gelesen zu habm! Aber heißt da- Lessing kennen? Heißt da- ihn verstehen, wie er verstanden sein will, al- der ernste mahnend« Genius de- deutschen Volke-, voran strebend in allem Hohen, Edlen, Guten und Großen, als der menschgewordene deutsche Nationalgeist, von dem ein Goethe auS- rief: »Ein Mann wie Lessing thäte un- noth; denn wo ist noch ein solcher Charakter!" Und ein Mann wie Lessing thut un- jetzt mehr al- jemal- noth, und weil die Vorsehung mit solchen Männern geizt, so kehren wir auf Lessing selbst zurück, dieser anderthalb Jahrhundert alten deutschen Eiche, die noch nach späten Jahrhunderten uner reicht und einsam dastehen wird auf dem Boden deutschen Geiste- und Leben-. Der 22. Januar kehrt wieder und mit ihm die Aufforderung, die ernste Mahnung, diesm Tag al- eivm Festtag zu begehen. E- ist Pflicht der Presse auf Festtage de- Volke- htnzuweisen, auf Festtage, die »och nicht al- solche in dem Gedächtniß de- Volke- leben. Wir sagen: i« Gedächtniß! Ein Andere- ist e-, im Geiste, im Herzen, einen Cultus errichten für einen großen Menschen, ein Andere- zu einer bestimmten Zeit daran denken. In der Gegen watt aber thut e- noth sich gemeinsam de- Tage- zu erinnern, der in mehr al- einer Beziehung Lag schaffte dem deutschen Volke. Pflicht der Presse ist e-, wir wiederholen e-, da- Gedächtniß de- Volke- wachzurufen, und dem, wa- Jeder denkt und fühlt, Ausdruck zu geben. Und »a- denkt und fühlt man bei de« Worte »kessiN4*k'Jst e< doch nl- »äre mit diese« Worte eine ganze Reihe von Begriffen lebendig geworden! Wa- wir sonst mühsam in vielen Sätzen uns au-etnanderlegm müsse«, um e- un- klar zu machen, wie be reit und anschaulich spricht e- z« un- in diesem einzigen Worte! Zn diese« einzige» Worte gedenken wir de- «urhiae», uner schrockenen Wahrhetttkämpfer-, des gründlichen, vor keiner Arbeit zurückbebenden Forscher-, des Schöpfer- unsterblicher Geiste-werke