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244 Gegen solche Anfetüdstttgen bet fraglichen Lutwurfs, welche nicht nur diesen, sondern, nach ihren Grundgedanken, jedwede Kirchenordnung zu Nichte zu machen geeignet sind, in die Schranken zu treten, also da- Zustandekommen derselben zu befördern, dazu bewegt die Geistlichen nicht irgend ei« hierarchischer Gedanke; im Gegentheil, sie würden bei der neuen Einrichtung in manchen Stücken ihre bisherige Unabhängigkeit einbüßen; sie geben dieselbe jedoch mit Freuden hin, wenn dadurch die Kirche ihren herz erquickenden, heiligenden und liebeweckenden Einfluß reichlicher entfalten könnte, zu welchem sie wie keine andere Anstalt die schöpferischen geistigen Kräfte in sich trägt. öl. B. Gräfe, Diakonus zu St. Nicolai. Veffentliche Gerichtssitzung. Der Handarbeiter August Wilhelm Schladitz aus Abtnaundorf, welcher vor Kurzem erst das 18. Lebensjahr erreicht hat, jedoch wegen Eigenthumsoergehen bereit- sechsmal mit Gefängniß und beziehentlich Arbeitshaus bestraft worden ist und in seinen Personal akten alS ein Dieb von Jugend auf bezeichnet wird, befand sich in der am 14. d. M. unter Vorsitz deS Herrn AppellationSratheS Vr. Wilhelm! abgehaltenen Hauptverhandlung abermals auf der Anklagebank. Schladitz war in der Michaelismesse v. I. und zwar vom 16. September bis 6. October für ein auswärtige- Geschäft, welches die Messen mit Mustern von Meubelstoffen bezieht und während derselben zwei nebeneinanderliegende Stuben nebst einem Schlafcabinet in der ersten Etage eine- auf dem Brühl gelegenen Hause- inne hat, als Laufbursche engagirt. Am 22. September hatte der Cassirer de- Geschäft- in SchladitzenS Gegen watt von einem Geschäftsfreunde 50V Thlr. in zehn Awanzigthaler- scheinen und in drei Einhundertthalerscheinen vereinnahmt und in ein Pult gelegt, welche- sich in der als Waarenlager benutzten einen Stube befand, und darauf sich auf einige Zeit entfernt. Während seiner Abwesenheit hatte sich nur der Principal und Schladitz in jener Stube aufgehalten. Nach der Rückkehr des Cassirer- entfernte sich der Principal wieder, während der Cassirer sich in da- Nebenzimmer verfügte und hier rasirte, Schladitz aber allein zur Verrichtung einer Arbeit in dem Geschäftslocal zurück blieb. Als dann nach Rückkehr de- PrincipalS der Cassirer nach den vereinnahmten 500 Thlr. sah, waren sie aus dem inzwischen unverschlossen gebliebenen Pulte verschwunden; in einem unteren Kasten des Pulte- aber fand sich zusammengeknittert das Packet Cassenanweisungen vor, nur fehlten, wie man sich überzeugte, 40 Thlr. daran. AlS der Cassirer da- Abhandensein der 500 Thlr. au- dem Pulte entdeckt und seinen Schrecken darüber laut gegeben, hatte Schladitz sich eiligst aus der Stube entfernt, war ohne Ver anlassung fortgelaufen und erst nach einer halben Stunde zurück gekehrt. Man hatte zwar sofort Verdacht, daß Schladitz eS ge wesen, der die 40 Thlr. entwendet habe, und setzte ihn nach der Rückkehr voll dem Verluste derselben in Kenntniß, unterließ es jedoch, schon damals Anzeige zu machen, weil man erst noch - stärkere Beweise wider ihn erlangen wollte und hoffte, ihn bei einer ähnlichen Gelegenheit auf frischer Thal zu ertappen. Schladitz ließ hierauf nicht lange warten. Am 6. October früh in der 7. Stunde wurde der Cassirer, welcher in dem Schlafcabinet noch schlief, durch ein Geräusch aufgeweckt, welche-, wie er sich alSdald überzeugte, durch da- Herunterfallen eine- Fünfneugroschenstücks verursacht worden war. Beim Aufwachen sah er, wie Schladitz von dem vor seinem Bette dastehenden Stuhle zurück an die Thür wich; auf seine Frage, was er mache, blieb er zuerst eine Zeitlang sprachlos und erklärte endlich, er habe ihn, den Cassirer, wecken wollen. Letzterer bemerkte aber weiter, daß Schladitz gleichzeitig die auf jenem Stuhl dagelegenen Schlüssel, worunter sich auch die zum Cassenpulte befanden, in den Händen hielt und heimlich auf da- in der anderen Stube stehende Bette seines PrincipalS hinlegte; er nahm ferner wahr, daß Schladitz ohne Stiefeln war und in bloßen Strümpfen ging, endlich aber entdeckte er, daß sein verschlossen gewesene-, auf dem Stuhle da liegende- Porte monnaie aufgeschlossen und ein Fünfneugroschenstück daraus ent fernt war. ES blieb daher kein Zweifel übrig, daß Schladitz sich heimlich in daS Schlafcadinet hineingeschlichen hatte und bereit- im Be griffe gewesen war da- Portemonnaie zu berauben, eben so un zweifelhaft aber war, daß Schladitz noch mehr vorgehabt, nämlich beabsichtigt hatte, sich die Pultschlüssel zu verschaffen und mittelst derselben die Pultcasse aufzuschließen und zu bestehlen. Dieser Verdacht erhielt noch weitere Bestärkung durch folgende Umstände. Al- da- Dienstmädchen de- WirthS in die Stube eingetreten war, wo da- Cassenpult sich befunden, um aufzuwischen, war Schladitz au- der Nebenstube herausgekommen und ganz leise aufgetreten, indem er damal- noch Stiefeln angehadt hatte, und al- sie kurze Zeit darauf wieder in die Stube gekommen war, um dm Kaffee zu bringen, hatte Schladitz vor dem Pulte gestanden und an dessen Schloß „herumgeknettert"; wahrscheinlich hatte er daher zunächst durch einen Nachschlüssel, den man später in der Stube yorfand, versucht da- Schloß zu öffnen, und als ihm die- nicht gelungen, stch in dä- Schlafcadinet begebest, üm die zu« Ver schluß gehörigen Schlüssel heimlich herbeizuholen. Da- Anfuhren SchladitzenS, daß er seine Stiefeln au-gezogen habe, u» sie mit anderen umzutaufchen, die auf eine« Schranke in der Nähe jene- Stuhl- am Bette de- Cassirer- gestanden und daß beim Heraufsteigen auf den Stuhl ein da liegendes Fünf- neugroschenftück so wie die Pultschlüssel herunter gefallen und von ihm wieder aufgehoben worden seien, wurde durch die be stimmte Aussage de- Cassirer- widerlegt, daß SchladitzenS Stiefeln sich gar nicht auf jenem Schranke befunden hätten und daß jene- Funfneugroschenstück nicht auf dem Stuhle gelegen, sondern im verschlossenen Portemonnaie gewesen sei. Für eben so unglaub haft wurde aber die Behauptung SchladitzenS erklärt, daß die Pultschlüssel vom Stuhle gefallen seien; denn da- dadurch ver ursachte Geräusch würde weit eher noch alS daS Herunterfallen oes Fünfneugroschenstückes bemerkt worden sein. ES unterlag nach alledem wohl keinem Zweifel, daß Schladitz darauf au-gegangen war, das Portemonnaie und die Pultcasse zu bestehlen und daß er hieran blo- durch da- zu zeitige Erwachen des Cassirers verhindert worden war. Aber auch wegen Entwen dung jener 40 Thlr. wurden in Folge der wider ihn nunmehr gemachten Anzeige hinlängliche Beweise seiner Schuld gewonnen. Es wurde erwiesen, daß Schladitz den Tag nach dem Vermissen derselben sich ein Portemonnaie für 15 Ngr., eine Uhr für 9 Thlr. 5 Ngr. und einen Rock für 10 Thlr. erkauft und letztem mit einem Awanzigthalerschein bezahlt, ferner daß er an seine Wirthin 3 Thlr. 12 Ngr. rückständige- Kost- und Schlafgeld berichtigt hatte. Beim Polizeiamte hatte er anfänglich behauptet, daß er dm Rock und die Uhr sich schon vor längerer Zeit angeschafft habe, hatte auch der Wahrheit zuwider und jedenfalls aus Furcht, daß der verausgabte Awanzigthalerschein ihn verrathen werde, einen andern Kleiderhändler bezeichnet, von dem er den Rock gekauft haben wollte. DaS Geld zur Bezahlung aller dieser Gegenstände, so wie zur Befriedigung seiner Wirthin wollte Schladitz nun zwar von er spartem Lohne übrig behalten haben, allein eS bezeugte seine Wirthin, so wie sein eigner Vater, daß Schladitz vor der Messe von Geld mitteln ganz entblößt gewesen, beiden da- Kost- und Schlafgeld auf längere Zeit schuldig verblieben war und wegen ihrer Befrie digung wiederholt auf die bevorstehende Messe verwiesen hatte, wo er als Markthelfer guten Verdienst haben werde. Er mußte ferner selbst zugeben, daß er sich gleich in den ersten Tagm seines Dienst antritts von seinen Principalen, weil er nothwendig Geld gebraucht, wiederholt Vorschüsse auf seinen Lohn hatte geben lassen, eben so war endlich der Verkäufer der Uhr von ihm gebeten worden, die Uhr bi« zur Messe für ihn aufzubewahren, wo er Geld erhalten würde. Alle diese Vorgänge widerlegten die Behauptung SchladitzenS bezüglich seiner Ersparnisse, adgesehm von den Widersprüchen, deren er sich hierbei noch schuldig gemacht hatte. Beim Polizei- amte nämlich hatte er nur von 11 Thlr. gesprochen, bei der Hauptverhandlung waren eS auf einmal 22 Thlr. geworden, die er sich erspart haben wollte.' Das bekannt gemachte Erkennt- niß hat die Schuld SchladitzenS für erwiesen angesehen und ihn wegen vollendeten und versuchten Diebstahl- unter Berücksich tigung seiner Rückfälligkeit einerseits, seiner Jugend aber anderer seits zu 1 Jahr 8 Monaten Arbeitshaus unter einer DritthellS- schärfung verurtheilt. Die Anklage war durch Herrn Staatsanwalt Barth vertreten. Luc Tageschrontk. Leipzig, den 15. Januar. Die gestern Nachmittag in der hiesigen Gasanstalt verunglückten beidm Arbeiter waren damit beschäftigt gewesen, da- um den einen Gasometer befindliche Wasser vom Eise zu befreien. Als später ein dritter Arbeiter hinzuge- kommen war, hatte er Beide leblos am Boden liegmd gefunden. Jedenfalls waren dieselben durch da- dem Gasometer entströmende Gas betäubt worden. Der Eine, Namen- Hillner, ist nicht wieder zum Leben gebracht worden, während der Zweite, Namen- Jacob, sich bald wieder erholt hat. Von dem heute früh auf der sächsisch-bayerischen Bahn ab gegangenen Zuge wurde zwischen Böhlen und Kieritzsch ein Mann überfahren. Der Leichnam war so unkenntlich gemacht, daß die Persönlichkeit de- Lobten noch nicht hat ermittelt werden können. Verschiedenes. Nach dem italienischen Journal Jl Trovatore besitzt Italien jetzt 1730 Sänger und Sängerinnen, und zwar 410 Primadonnen, 330 Lenore, 280 Baritone, 10» Baßjänger und 50 Buffoni. Ferner brachte Italien 1670 Länrer und Tänzerinnen hervor; unter letzteren gehören 180 zur ersten Classe, gmannt öi ranUO 220 Tänzerinnen erster Classe, äi ranxo itaUaao, 110 erste Tänzer, 970 Tänzer und Tänzerinnen me«o «matter* und 40 Balletmeister.