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20Ü Veffenttiche Sitzung der Leidiger peiztechnifchen Gesellschaft a« 30. Nov««der 1860. (Genehmigte- Protokoll.) (Fortsetzung und Schluß). Als letzten und gewiß auch interessantesten Gegenstand der Tagesordnung bezeichnete der Vorsitzende Herr vr. Hirzel die calorische Maschine, welche von Herrn E. Seidler auS DreSden im SihungSlocale aufgestellt und in Gang geftht wor den war. vr. Hirzel bemerkte zunächst, daß die bewegende Kraft (der Motor) dieser Maschine „in Expansion begriffene Luft" sei und daß die Expansion der Luft durch Erhitzung derselben her beigeführt werde. — Man weiß, daß die Luft, wenn man sie von 0« bis 10vo erwärmt, sich um ungefähr 1/3 ihres Volumens auSdchnt, di« Temperatur, die der Luft in der Maschine ertheilt wird, ist jedoch noch höher als 100«. — Längst hatte man den Wunsch gehegt, die Luft als Triebkraft anstatt der Dampfkraft zu gebrauchen, und eS war eineStheilS ein Deutscher, anderntheilS ein Amerikaner, oder vielmehr ein geborener Schwede, welche beide auf dieses Ziel hinarbeiteten, der Erste mit wenig, der Zweite mit abwechselndem Glück. Der Erste war ein gewisser Prehn, Amtmann zu Laueuburg; derselbe hatte bereits die Entwürfe zu der Maschine soweit geordnet, daß er sie den ersten englischen Ingenieuren vorlegen konnte, und eS war vorzüglich Stephenfon, der sich sehr günstig über sein Projekt aussprach. Auch Alexander von Humboldt und viele Andere haben ihn soviel wie möglich zu unterstützen gesucht, allein es fehlte das nöthige Capital, um die Erfindung zur Ausführung zu bringen. Ungleich glücklicher war Ericsson. Dieser hatte bereits im Jahre 1832 die erste calo rische Maschine gebaut und »833 eine solche Maschine in England vorgezeigt; es war aber diese Maschine noch außerordentlich un vollkommen, und er fühlte selbst, daß es nothwendig sei, dieselbe noch mehr zu verbessern. Er arbeitete 20 Jahre lang unaus gesetzt daran bis 1853, wo er eine große Maschine für daS Schiff, welches den Namen Ericsson erhielt, vollendete. Allein dieses Schiff ergab keine günstigen Resultate für die Erfindung. Aber unterstützt von bedeutenden Capitalien arbeitete Ericsson weiter; er verminderte die hohen Ansprüche, welche er erst an seine Ma schine machte, er baute kleine Maschinen, und siehe, eS gelang. Die au-geftellte Maschine deS Herrn E. Seidler ist allerdings nur in einem sehr kleinen Maßstabe ausgeführt, sie entspricht nämlich nur einer V»ertel-Pferdekraft, ist aber dennoch vollkommen geeignet, den Gang und die Einrichtung der neu construirten ca lorischen Maschine zu zeigen. Der Haupttheil der Maschine ist ein verhältnißmäßig weiter liegender Cylinder, in welchem zwei Kolben spielen; der eine verschließt den Cylinder vollständig und heißt der Arbeitskolben; derselbe bewegt sich dicht anschließend in dem Cylinder hin und her, und man kann dies beobachten, indem der Cylinder nach dieser Seite hin offen ist und mit der Lust in Verbindung steht, nur der Kolben schließt die letztere ab. Zwischen diesem ArbeitSkolben und dem vorderen Theile der Maschine ist noch ein zweiter Kolben, der Awischenkolben oder Vpeisekolben. Derselbe detheiligt sich direct nicht dabei, die Maschine zu bewegen, sondern er hat einestheilS den Zweck, die zu starke Erhitzung des ArbeitskolbenS durch Aufnahme der strahlenden Wärme zu verhindern, anderntheilS das Spiel der Luft in der Maschine zu vermitteln. Der ArbeitSkolben ist mit zwei Ventilen versehen, die sich nach innen öffnen und durch an Winkelhedeln angebrachte Gegengewichte oder mittelst starker Federn geschlossen gehalten werden; er wird ferner durch zwei Kolben stangen in dem Cylinder hin- und hergeführt. Der Zwischen kolben besitzt an seiner Peripherie einen federnden Stahlring, der jedoch in der Nuthe noch so viel Spielraum läßt, daß er wie ein Ventil wirkt; ist nämlich der Druck von außen größer als im Innern des CylinderS, so dichtet der Ring nicht mehr, sondern gestattet der Luft, die sich zwischen den beiden Kolben befindet, in das Innere des CylinderS einzutreten. Da der Awischenkolben in unmittelbare Berührung mit der heißen Luft kommt, so ist er im Innern hohl und dieser Raum mit schlechten Wärmeleitern, Asche u. dgl., auSgefüllt; die dem Feuerraum zugekehrte Fläche dieses Kolbens ist diesem entsprechend gekrümmt, und eS ist an dieser Seite deS Kolbens ein cylindrischer Blechmantel angenietet, welcher sich bei der Bewegung deS Kolbens nach dem Feuerraum zu genau über die Wandungen des letzteren schieben läßt, dort Wärme aufnimmt und beim Rückgang mit zur Erwärmung der Luft beiträgt. Auf der dem ArbeitSkolben zugekehrten Seite ist der Awischenkolben mit Holz auSgefüttert und durch eine guß eiserne Platte begrenzt. Die Kolbenstange de- Awischenkolben- geht luftdicht durch eine Stopfbüchse deS ArbeitSkolben-. Auf dem Cylinder befindet sich ein Ventil, welches sich nach innm öffnet, durch eine Feder geschlossen werden kann und zum Ent weichen der erwärmten Luft dient. Dieses Ventil wird beim Rückgänge de- Kolben- durch einen Daumen der Betriebswelle geöffnet, welche letztere durch ein höchst sinnreich construirteS Hebel werk mit den Kolbenstangen verbundm ist und so die drehende Bewegung des Schwungrades veranlaßt. Der Gang der Maschine ist nun folgender: Wenn dieselbe angeheizt ist, so hilft man sie zuerst durch eine Drehung de- Schwungrades in Gang setzen; wenn sich nun der Awischenkolben dem Feuerrau» nähert, so er hitzt sich sein Blechmantel, der den Feuerraum umfaßt, das auf dem Cylinder befindliche Ventil schließt sich, die zwischen dem Awischenkolben und der Wand des FeuerraumS befindliche Luft erhitzt sich, hält den Awischenkolben in seinem Rückläufe auf und erlangt endlich eine solche.Spannung, daß sie ihn vorwärts-, d. h. «ach de» ArbeitSkolben hintreibt. — Während der Awischenkolben sich rückwärts bewegt, geht auch der ArbeitSkolben zurück, aber langsamer; in Folge davon vergrößert sich der Zwischenraum zwischen beiden Kolben, eS entsteht ein luftverdünnter Raum, die in dem Arbeitskolden angebrachten Veatila öffne« sich und es tritt so frische, kalte Luft in ven Zwischenraum, der sich zwischen den beiden Kolben befindet, ein. Indem dann der Awischenkolben wieder vorwärts getrieben wird, beginnt auch der ArbeitSkolben vorwärts zu gehen, jedoch langsamer als der erste»; dieser, der Awischenkolben, wird daher den ArbeitSkolben allviälig einholen, so daß sich der Raum zwischen beiden Kolben wieder verengert, die daselbst befindliche Luft zusammengepreßt wird und die Ventile sich in Folge deS Drucke- wieder schließen. Wenn dann beide Kolben ihre Vorwärtsbewegung vollendet haben, ist immer noch zwischen beiden comprimirte Luft, welche wie ein elastisches Kissen wirkt und das Ausammenschlagen der Kolben verhindert; unter dessen hat sich die erwärmte Luft im Cylinder so ausgedehnt, daß ihre Spannung nicht größer ist als die der Atmosphäre. Die Maschine würde also dann auf ihrem tobten Puncte stehen, über welchen bei Maschinen mit einem Cylinder das ungleich beschwerte Schwungrad hinweghilft, bei solchen dagegen, die aus zwei Cy- lindern bestehen, ist diese ungleiche Belastung des Schwungrades nicht nöthia, indem die Kolben der beiden Cylinder sich alternirend bewegen. Ist der Kolben in seinem Laufe über den tobten Punkt hinweggekommen, so drängt sich die zwischen beiden Kolben com primirte Luft an dem nicht vollkommen schließenden Awischenkolben vorbei in den Hauptraum deS CylinderS, die heiße Luft entweicht durch da- Ventil, welches auf dem Cylinder angebracht ist, und daS Spiel beginnt nun von Neuem. Vermöge dieser sinnreichen Construction machen daher der Zwischen- und der ArbeitSkolben bald eine auseinander-, bald eine gegeneinander- oder auch in gleicher Richtung gehende Bewegung, sowohl hin als her, wo durch die Luft vorn eingesaugt, dann nach dem Cylinder bis zu dem Heizraume geschafft und endlich wieder ausgetrieben wird. Hierauf bemerkte Herr Seidler, daß er nach dem, was Hr. vr. Hirzel bereit- über die Einrichtung der Maschine gesprochen Hab?, nicht viel zu sagen habe. In Bezug auf dessen Äeußerung aber, daß die öffentlich erschienenen Abbildungen der Maschine noch sehr unvollkommen seien, will sich der Sprecher zu bemerken erlauben, daß ein Werkchen erschienen ist (die calorische Maschine von Boötius, Civilingenieur, Hamburg bei O. Meißner), in welchem diese Maschine sehr ausführlich beschrieben und gut ab gebildet sei; er rathe den Herren, welche wesentliches Interesse daran haben, sich deshalb an einen hiesigen Buchhändler zu wen den. Herr Seidler ließ nun die Maschine in Gang setzen und bemerkte, daß dieselbe jetzt, wo die Temperatur der Luft im Cylin der ungefähr 140« betrage, schon ziemlich schnell gehe, denn trotz dem daß die nöthige Temperatur von 230« noch nicht erreicht sei, mache sie doch schon 120 Touren in der Minute, während sie deren bei gehöriger Temperatur bis 200 in der.Minute mache. Diese kleine Maschine habe er nur deshalb bei sich im Gebrauch, um die Licht- und Schattenseiten der Erfindung kennen zu ler nen und zu sehen, wo vielleicht noch Verbesserungen anzubringen seien, also um die Maschine gehörig zu studiren, bevor er sie dem industriellen Publicum empfehlen wollte. Nach seiner Ueberzeu- gung könne er wohl sagen, diese Erfindung sei als ein Meister stück Ericssons zu bezeichnen. Man habe bis fitzt Maschinen von 1 bis mit 6 Pferdekraft ausgeführt, und er könne dieselben Jedermann ruhig und aufrichtig empfehlen. WaS die Abnutzung anlange, so sei er überzeugt, daß dieselbe nicht größer als bei der Dampfmaschine sei. Wenn ja einmal eine Reparatur vorkomme, so könne es nur in der Feuerbüchse sein; aber auch da könne man dafür sorgen, daß eine Abnutzung nicht so leicht vorkomme, und zwar auf folgende Weise. Wenn nämlich die Maschine an- geheizt ist und ungefähr 130« bi- 160« erreicht sind, welche jedoch noch nicht ausreichen, um die volle Kraft zu geben, so ist.eS nothwendig, daß der Maschinenwärter dieselbe in Gang setzt und nicht erst abwartet, bis die Maximaltemperatur erreicht ist. — Wenn dann die Maschine in vollem Gange ist, so öffnet man die Ofenthüre, um da- Feuer zu mäßigen und kalte Luft einzu lassen, wodurch die Feuerbüchse wmiger der Abnutzung auSgesetzt ist. Würde man diese Vorsichtsmaßregeln nicht gebrauchen, so kann eS leicht kommen, daß die Feuerbüchse Blasen oder Er höhungen bekommt, wodurch der Blechcylinder, welcher über die selbe geht, nicht im Stande ist sich leicht und frei zu bewegen, eS findet Reibung und in Folge dessen Kraftverlust statt. Hin sichtlich deS Brennmaterialverbrauchs ist mit dieser Maschine eine wesentliche Ersparniß verbunden im Vergleich mit der Dampf-