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1738 die man aber, wie es fühlt, ihm nie, weder durch Verjährung noch unter einem Vorwände de- Staatszwecks, rechtlich abzugr- winnen vermag. Die Regierungen sollen sich nicht, wie es die kleine Partei will, auf die Bajonette stützen, sondern auf die Liebe, Zufriedenheit und Zustimmung des Volks. Sich auf die Gewalt zu stützen ist sehr gefährlich und von nicht langer Dauer. Talleyrand sagte zum großen Napoleon: „Sire, man kann sich auf die Bajonette stützen, aber man kann sich nicht darauf setzen." Im Bezug auf die vom Herrn Minister gegen Hessen erwähnte sogenannte Bundesexecution habe ich ihn auf dem Artikel 63 d. B. A. hinzuweisen, wo eS mit dürren Worte heißt: „daß bei Zer würfnissen in den Staaten, selbst wenn der Aufruhr droht, die Bundeshülfe auf Anrufen der einzelnen Regierungen nur dann gewährt werden darf, wenn alle verfassungsmäßigen und gesetz lichen Mittel erschöpft sind." Wegen einer Agitation deS braven Hessenvolks für ihr heiliges Recht, an der Professoren, Geistliche, Beamte, Kaufleute, die ganze Bevölkerung, Soldaten, vom Ge neral bis zum sich betheiligten Gemeinen wegen zäher Standhaftig keit gegen die Thaten eines Hassenpflug und Consorten (man scheut sich ordentlich einen solchen Namen in anständiger Gesell schaft auszusprechen), wegen muthigen Festhaltens am Recht, an Eid und Treue, durfte man doch nicht gleich zu solchem äußersten Mittel greifen und Bundesexecution verhängen, das Glück von tausend und abermal tausend braven, edelen, guten eides- und verfassungstreuen Bürgern zerstören, das arme gesetzliche Volk mit unerträglicher Einquartirungslast, Contribution, eidestreue Be amte und gewissenhafte Richter ver heiligen Justiz mit noch här terer Einquartirungslast peinigen! Mit dieser Gewalt konnten die praktischen Staatsmänner allerdings den Wohlstand des herr lichen Hessenlandes zerstören, aber nie und nimmer vernichten das stolze Bewußtsein, nach Pflicht und Recht gehandelt zu haben unv hoffentlich noch zu handeln. Dem Herrn von Nostitz Wallwitz habe ich in Bezug auf die ebenerwähnte Tendenz und die Absicht einer Agitation von Seiten der Antragsteller zu erwähnen, daß wir erst recht für Recht und Wahrheit, Verfassung und genom mene Volksrechte agitiren wollen. Ohne Agitation Erstarrung, denn Agitation tödtet den Jn- differentismus. Eine Agitation war es, die die Reformation schuf. Ist diese bedauerlich, so ist der Protestantismus unrechtlich. Ohne Agitation war unsere Verfassung unmöglich, ohne recht lebendige Agitation des ganzen deutschen Volks kommen wir nie und nimmer zu der ersehnten Einheit Deutschlands, über welche die Diplo maten und Fürsten uneinig, das Volk längst einig ist. Ohne recht lebendige Agitation von Seiten der ganzen deutschen Volks kraft bleibt es beim Alten, das Volk und das ganze deutsche Vaterland erleidet Schaden am geistigen und materiellen Wohl stände, leidet an Stockungen des Handels und der Gewerbe, an den unerträglichsten, den ganzen deutschen Wohlstand vernichtenden Zuständen, welche in der zerspaltenen Macht und Kraft, dem ver lorenen Vertrauen der Sicherheit den Grund haben und Handel und Wandel beunruhigen. Die Furcht vor unserer deutschen Zer rissenheit und die Vertrauenslosigkeit haben wir daher schwer zu ertragen und bitterlich zu beklagen. In die Klagen des Herrn Minister Beust, daß man nicht auf früheren Landtagen auf die Gefahren der hessischen Angelegenheit hingewiesen habe, stimme ich mit ein, finde eS aber bei dem schädlichen Jndifferentismus des Volks nicht auffällig. Jetzt aber ist im Volke neues Leben, ein erfreulicher RechtS- sinn, ein neuer Geist für konstitutionelles Leben erwacht, dessen Dolmetscher die Abgeordneten dieses Hauses allerdings sein sollen. Labsal und Trost ist für den Vaterlandsfreund das neuerwachte Leben, der frische lebendige Vvlksgeist ein Zeichen eines gesunden Zustandes. Mögen die Herren Minister treue Pfleger dieses besseren Zustandes werden, diesen gesunden freien Geist fördern, sorgsame Gärtner dieses neuen konstitutionellen Baumes sein, unter dessen lebendig emporwachsenden Zweigen und wohlthuenden Schatten Volk, König und Vaterland sich wohl befinden, die aber einem Hassenpflug und anderen praktischen Staatsmännern keinen Ehren platz lassen, die nicht einmal das Licht unter diesen Schatten ver tragen und vor dessen Glanz erblassen. DaS letzte Auflodern der dem Verlöschen nahen Lichter, das Verhüllen der Angst des bösen Gewissens vor der Hülflosigkeit sich selbst bewußter Schwäche, vor der Allgewalt des Rechtsbewußtseins, sind für die praktischen Staats männer die Furcht vor dem eigenen Schatten. Am Schluß noch ein ernstes Wort an Herrn StaatSminifter v. Beust. Möge sein Einfluß mächtig sein in dem Gedanken, in den Bestrebungen, daß von nun an die dynastischen Interessen nicht vorwaltend seien vor den Volksinteressen; möge er beide nicht trennen; möge er der deutschen Völkervereinigung nicht mehr hinderlich sein, sondern alle Interessen zum Wohle Aller Hand in Hand gehen lassen. Wenn Herr v. Nostitz Wallwitz von Parteibeftrebungen, von Einfluß des Nationalvereins in dieser Frage gesprochen hat, so habe ich zu erwiedern, daß eS auf dem Boden nationaler Interessen keine Parteien geben soll und jede- Deutschen Pflicht ist, in dieser Frage, in dem Gedanken deS Recht einig -u sein. ES giebt auch eine Aristokratie, die weder Orden, noch Hermelin und Juwelm trägt, da- ist die Aristokratie hoher Thaten und hoher Bestrebungen, da- ist ein edle- vater landsliebende- Volk. Ehre jeder Partei, die auf dem Boden des Gesetze- fußt und mit dem Wohle de- Vaterlandes identisch ist! Auf de- Herrn v. König Kritik, daß ich die Farben stark aufge- tragen hätte, zur Antwort: Es kommt darauf an, auf welchen zarten Teint mein Gemälde gefallen. Einem Hassenpfluq, solcher Thaten, den Quellen so viele- Unglückes, so vielen Jammers gegenüber kann man den Pinsel nicht stark genug nehmen. — Allerdings bin ich nicht gewohnt, meine Worte in zarte Aucker- plätzchen einzuhüllen. Ich nenne solche Thaten beim rechten Namen und verhülle nicht wie Mancher die Wahrheit in diplo matische Redensarten. Was in solcher Frage recht und löblich ist, das lediglich allein ist meine Sache. Giroverkehr der Allgemeinen Deutschen Credit - Anstatt 1861. Eingang auf den Conten im Januar ». o. . 914,237. Februar a v. . - 574,653. März a. e. . - 496,029. 1,984,919. Dazu vom 1. April bis 31. Decbr. 1860 . «^ 6,879,056. a- 8,863,975. Die englischen Zeitungen. Wer producirt diese kolossalen Zeitungen, die ein so dreistes und gewichtiges Wort in den Geschicken der Welt mitreden? heißt es in der Weser-Zeitung. „ Herren von der Presse," die sich selten über die Namen Smith und Jones versteigert; mittelmäßig be zahlte, überarbeitete, unbekannte Männer, die ihr Geschäft erlernt haben, wie man überhaupt hier e<n Geschäft erlernt. Der Schuh fabrikant, der sein „ Emporium " in einer der elegantm Geschäfts straßen aufbaut, war erst Lauf- und Lehrbursche und mußte durch eine wechselvolle PrüfungSzeit harter persönlicher Arbeit hindurch gehen, ehe er sich mit genügendem Capitale da- Recht, erwarb, dem Publicum mit Riesenlettern in phantasiereichen Schaufenstern anzukündigen, daß in den 'ausgedehnten Werkstätten ein Stiefel mit „ Philosophie" angemessen und nach allen Regeln der „ Kunst* executirt werde. So war der Herr von der Presse wahrscheinlich erst Laufbursche in der Druckerei, dann Setzer, dann Corrector, dann gelegentlicher Berichterstatter, Redakteur eine- Provinzial wochenblattes, und allmählig vom dritten zum ersten Herausgeber eine- großen Tageblattes avancirend. Der nun verstorbene Gründer und Eigenthümer der „ Times," Walter, durchlief alle diese Stufen der journalistischen Carriere, ehe er ein wirklicher Gentleman wurde, d. h. ein reicher Mann, dessen Vermögen nach Hunderttausenden geschätzt wurde und dessen gesellschaftlicher Einfluß im Verhältnisse zu dieser Schätzung stand. Der vor Kurzem gestorbene Haupt- redacteur des „ Morning Star," Mr. Hamilton, begann eben falls seine Laufbahn als Lehrjunge in einer Druckerei. Aber wir brauchen gar nicht nach Beispielen zu suchen, da wir nicht eine Ausnahme, sondern eine Regel conftatiren. Im Allgemeinen ist der englische Journalismus eine Branche des Druckereigeschäfts nach dem Princip der Arbeitstheilung, ein Handwerk, zu dem Er fahrung und Routine gehört, da- sich aber leicht erlernen läßt. Die englischen Journalisten, d. h. die eigentlichen Arbeiter und Handlanger der Tagespresse, haben daher gewöhnlich nicht nur keine Universitätsbildung genossen, sondern sind auch durchschnitt lich sehr ungebildete Leute, die weder eine Stellung in der Gesell schaft beanspruchen noch beanspruchen können. Nur die Mit arbeiter an den vornehmen Revuen und Magazinen bilden eine Ausnahme von der allgemeinen Regel. Thackeray kündigte bei Gründung des Eornhill Magazine zu wiederholten Malen sehr emphatisch an, daß das Blatt von „ gebildeten Leuten" geschrieben werden solle, was, wie richtig angedeutet wurde, gewöhnlich nicht geschehe. Die „ Times " nimmt zwar eine privilegirte und excep- tionelle Stellung in der englischen Journalistik ein und ist durch Renommee und Capital befähigt, eine höhere Classe von Mit arbeitern anzuziehen und zu bezahlen, aber auch sie führen -in sehr bescheidenes Dasein in der socialen Welt, mit Ausnahme von zwei bis drei Leitartikelschreibern, die aus begreiflichen Gründen in Cambridge House (Lord PalmerstonS Residenz) fetirt und ins dänische Gesandtschaftshotel eingeladen werden. - Woher kommt eS aber, daß die mächtigste, und fügen wir hinzu, die beste Presse der Welt von so untergeordneten Persön lichkeiten producirt werden kann, von Leuten, die ihrer wissenschaft lichen Befähigung nach kaum im Stande wären, an der Spitze eine- unbedeutenden deutschen Lokalblattes zu stehen? Der tiefste Grund dieser auffallenden Erscheinung ist natürlich da- große, bewegte öffentliche Leben, da- seine Kinder bildet und erzieht, das der zitternden Hand Sicherheit und Kraft und selbst der Unbe deutendheit eine imposante Folie verleiht; — die unbeschränkte Preßfreiheit, welche da- öffentliche Interesse mächtig erregt hat