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84^ dern als Metallmasse im Landet verlangt. Deswegen dürfen wir unS denn auch nicht darüber verwundern, daß kurz vor der Ent deckung Amerika'-, wie Pöschel bewiesen hat, Gold mH Silber in Europa höher stehen, als vor den Kreuzzügen, und eS ist ein eigenrhümlicheS weltgeschichtliches Zusammentreffen, daß die Auf findung deS Seewegs nach Indien von der Auffindung der perua nischen und mexikanischen Minen begleitet ist. Nur diejenigen Nationen aber, die entweder selber im Besitze dieser Minen sich befinden oder die, wie die Holländer »nd Eng länder, die Edelmetalle Amerikas in Lissabon und Sevilla ein tauschten, konnten diesen oftindischen Handel treiben; in Deutsch land entstand die bekannte Kipper- und Wipperei. Da nämlich daS deutsche Reich seine Consumtion an indischen Gütern nicht mit seiner Arbeit bezahlte, schickt? e- seinen Vorrath an Edel metallen dinauS und nahm selber Blechmünzen. Denn wer die Münzverschlechterung zur Zeit der Kipper und Wipper von einer zeitweiligen moralischen Verschlechterung der Menschen herleitet, hat von dem Kern der Handelsgeschichte gar keine Ahnung. In unfern Tagen endlich, wo die Dampfschifffahrt uns Indien um soviel näher brachte, also abermals ein heftigeres AuSftrömen von Gold und Silber nach dem Osten sich einleitete, wurden die Schätze von Californien und Australien entdeckt. Mit seinen Fabrikaten bringt Europa CalifornienS und Australiens Edelmetall an sich, dessen eS im oftindischen Verkehr bedarf. Gehen jedoch beide Länder selber zur Industrie über, so daß sie unS nichts mehr ab nehmen, dann werden sie ihrerseits die Schwerpunkte des Geld- handelS bilden; Europa liegt dann neben HLnäuS — die Zeit der Kipper und Wipper kehrt dann für unfern Erdtheil wieder, falls nicht Indien massenweise dann auch europäische Fabrikate ver braucht und indrssen durch die unaufhaltsam vorwärtsschreitende Entwickelung der chemischen und mechanischen Mittel Indien Europa räumlich und hinsichtlich seiner Cultur ungleich näher gerückt worden ist. Die Realschule. Am 20. d. M. wurde in der Sitzung der Stadtverordneten der Antrag des Stadtraths, das Schulgeld in der Realschule auf 36 Thlr. jährlich zu erhöhen, einstimmig abgelehnt. * Ungern vermißte man jedoch bei dem Berichte des SchulauS- schusses den Vergleich zwischen dem jetzigen und dem zukünftigen Schulgelde, und dieS zu ergänzen ist der Zweck dieser Zeilen. Die Realschule wird nach der zu Ostern ins Leben tretenden neuen Organisalion aus sechs Classen bestehen, folglich würde der ganze EursuS k. 36 Thlr. jährlich —216 Lhlr. künftig betragen. Nach der jetzigen Einrichtung kostet ein Knabe, welcher die vier Classen der Realschule k. 30 Thlr jährlich besucht hat, 120 Thlr. Rechnet man die zwei vorhergehenden Jahre des Bürgerschulbesuch, k 14 Thlr. jährlich, mit 28 Thlr. hinzu, so kommt eine Summe von nur 148 Thlr. heraus. Eine Erhöhung um 68 Thlr., fast 48 Procent auf den Cursus, dürfte schwer zu rechtfertigen sein, um so weniger jetzt, wo die Einführung der Gewerbefreiheit so nahe bevorsteht und eS gilt künftig Leute heranzubilden, die im Stande sind sich der ver mehrten, der ungehinderten Mitbewerbung ungeachtet ihren Erwerb zu sichern. Durch welch anderes Mittel kann dies erreicht werden, als dadurch, daß die Schule den richtigen Grund legt, indem sie dem Schüler Gelegenheit giebt eine möglichst umfassende Kennlniß in den Naturwissenschaften, in der Chemie, der Mechanik und an deren die technischen Kenntnisse fördernden Lehrfächern zu erlangen. Und in solcher Zeit wollte man die Zahl der Realschüler ver ringern durch Erhöhung des Schulgelde-, anstatt durch Vermin derung der Unterrichtsausgaben sie zu vermehren? Man würde noch mehr Aeltern den Trost rauben, daß ihren Kindern Gelegenheit geboten ist, mit hinreichendem Schatz von Kenntnissen die Schule zu verlassen! Darum ist der vom Schulausschuß vorgeschlagene Antrag, das Schulgeld in dir Realschule in der 6. und 5. Classe mit 20 Thlr. jährlich, in der 4. und 3. Classe mit 25 Thlr. jährlich, in der 2. und 1. Classe mit 30 Thlr. jährlich in Ansatz zu bringen, mit Freude und Dank zu begrüßen. Der ganze CursuS würde dem nach nur 150 Thlr. betragen, die Erhöhung folglich nicht mekr als 2 Thlr. auf 6 Jahre. Man glaubt, daß die Realschule bis jetzt einen Ueberschuß ab- qeworfen hat; durch Zahlen läßt eS sich nicht Nachweisen, da das Budget der Realschule öffentlich nicht bekannt ist. Sollte auch dieser Ueberschuß Wegfällen, ja sollte sogar ein Zuschuß nöthig werden, die Vertreter der Stadt würden ihn sicher nicht verweigern. 6. Or. Leipziger Lunflverein. Durch die gefällige Vermittelung eine« Kunstfreundes ist dem Kunstverein auf einige Zeit dessen Sammlung neuerer Oel. gemälde zur Ausstellung überlassen worden. Dieselbe enthält von F. Ittenbach (geb. zu König-winter 1813, lebt in Düssel dorf) ein Madonnenbrustbild »Lezm» vir^inum", in welchem die Richtung der religiösen Düsseldorfer Schule, welcher Ittenbach, Karl und Andrea- Müller, Ernst Deger u. A. ange hören und welche in den Fresken der ApollinarjAiräw H-L Rema gen ein so bedeutendes Kunstdenkmal gesHaffew) sic» bezeichnend ausspricht. Der Düsseldorfer realistischen Landschaft-schule gehört A. Flamm, ein Schüler von Oswald Achenbach, an, von dem eine »Abendlandschaft bei Rom" au-gestellt ist. Von Mün chener Malern sind vertreten: Chr. Morgenstern (geb. in Hamburg 1805) mit einer „Waldparthie am Ammersee", deren Auffassung die Einwirkung von Rott mann- historischer Rich tung erkennen läßt, während eine „Mondnacht, Parthie bei Nym phenburg", von Ed. Schleich (geb. bei Landshut 1812) rein apf die Wiedergabe der Licktwirkung ausgebt. D« gleichfalls der naturalistischen Richtung angehörige Max Haushofer (geb. 1811) ist durch drei Landschaften, „der Chiemsee", „der Obersee bei Berchtesgaden" und „Landschaft im Charakter der Bodensee-Gegeud" vertreten. Zwei Thierftücke, „Pbmde im Stall" von Benno Adam (geb. zu München 1816) und „Schafe im Walde" von Rob. Eberle (geb. ln MeerSburg 1815, gestorben 1860) chgrakterisiren diesen in München viel gepflegten Kunst zweig. Vost Hanno Rho mb erg in München, welcher vor wiegend humoristische Moment? der Kinderwelt behandelt, ist ein ansprechendes Genrebild, „der erste Zeichenunterricht", und von Karl Hasenpflug in Halberstadt (geb. zu Berlin 1802), wel cher sich ganz selbstständig auSgebildet und eine der ersten Stellen unter den deutschen Archirekturmalern erreicht hat, eine seiner vie len „Klosterhallen im Schnee" ausgestellt. Vom Künstler selbst ist ei» eigenrhümlicheS Landschaftsbild: „Die Granitbrüche der altm Egypter in der nublschen Wüste", gemalt von Bh. Fiedler in Triest, eingesendet. Die Gelegenheit dieser Ausstellung ist benutzt worden, au- der Sammlung de- Kunstvereins die vorhandenen landschaft lichen Stiche und Radirungen nach neuern deutschen Künst lern aller Schulen, L. Richter, C. Marko, C. F. Lessing, I. W. Pchirmer, G. Busse, M. Haushofer, A. Flarym, E- Blechen u. A. zur Vergleichung aufzustellen. (Eingesandt). Auszeichnung. Berlin. Dem durch seine vielfachen gemeinnützigen Hand lungen bekannten hiesigen Buchhändler und Buchdruckereidesitzer Herrn Ernst Litfaß ist von Sr. Majestät dem Könige von Preußen der Titel eine« „Königlichen Commissions- Rath es" verliehen worden. Verschiedenes. Beim Obertribunal zu Berlin kam vor einigen Tagen eine Anklage wegen Morde- zur Verhandlung, welche in mehr als einer Beziehung, namentlich psychologisch interessant ist. Am 18. August v. Jahre- verließ der in Magdeburg bei seiner Mutter wohnende siebenjährige Knabe Paul Heß die älterliche Wohnung, um einen Cousin zu besuchen; er kehrte jedoch zu seiner Mutter nicht zurück, war auch bei dem Cousin nicht gewesen, so daß seine Mutter am folgenden Tage sein Verschwinden bet der Polizei anreigte. Am Morgerz de- folgenden Tage- meldete sich der mehrfach bestrafte Eigarrenmacher Kagelmann bei dem Gefängnißinspector mit der Anzeige, daß er am 18. Nachmittags den Knaben auf dem Commandanten - Werder vorsätzlich in die alte Elbe gestürzt habe, um ihn zu tödten; als Motiv Hab er an, daß er sich da, durch an der Menschheit hahe rächen wollen. DaS Geständniß seiner gräßlichen Thal hat sich als ein richtige- erwiesen. Der Angeklagte ist der Sohn eine- nicht unbemittelte» Schuhmacher und hat angemessenen Schulunterricht nicht ohne Erfolg genossen. Er war von Jugend auf dem Naschen und der Lüge ergeben und kam öfter in den Verdacht der Unredlichkeit. Er wurde demnächst auch wegen Diebstahls, zuletzs mst zwei Jahren Zuchthaus, bestraft. Nach seiner Entlassung ergab er sich vollständig dem Müßiggänge; durch da- Umhertrelhen und durch völlige» Geldmangel wurde er veranlaßt, über sein Leben nachzugrübeln, warf seinen Haß auf die Menschheit überhaupt, obwohl er sich nur allein die Schuld beizumessen hatte, und beschloß sich zu rächen, und zwar durch einen Mord. Mit diesem Grimm im Herzen verließ er am 18. August v. I. die Wohnung seiner Aeltern zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittags, traf den ihm bis dahin völlig unbekannten Knabm Heß und seine Mordgedanken richteten sich sofort apf da- un, schuldige Kind — er beschloß, dasselbe zu ertränken. Er bat dm Knaben, um ihn an sich zu fesseln, ihm etwa- zu tragen und versprach ihm dafür eine Belohnung. Er führte den Knabm umher und dreimal, wenn er zur Ausführung seiner gräßlichen That schreiten wollte, wurde sie ihm wieder leid. Doch hielt er auf dem Wege seine Morvgedanken immer fest, bi- er an di-