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3650 selbst abzuwaken und ju genießen, daß et sie vielmehr seinen Nachbesitzern überlassen mußte, das ändert an der Richtigkeit der Rechnung nichts, und am wenigsten hätte dieser Vorgang die Stadrgemeinde und die Universität abzuhalten, sich die Vortheile aus diesem Helne'schen Plane zu sichern, da beide Corporationen außer Gefahr sind, die Zeit hoher Verwerthung de- cultivirten Areals nicht abwartm zu können, kaum aber nach Heine so bald wieder ein Mann kommen wird, welcher ihnen die Erlangung dieser Vortheile in ähnlicher Weise bietet. Setzt nun jene Berechnung natürlich noch voraus, daß die Bewohner Leipzig- gern nach der neuzucultivirenden Gegend ziehen werden, so ist dies schon nach dem Vorgänge in dem Westend- Stadttheile nicht zu bezweifeln. Und wer nicht specielle Vorliebe für andere Stadttheile hat, welche daS fließende Wasser erst von einer zukünftigen Wasserleitung zu erwarten haben, der wird an erkennen, daß der Plan, die Stadt nach dieser Richtung auszu dehnen, oder besser gesagt, die Lücke zwischen den beiden Stadt- theilen, der Zeitzer und der Westend-Dorstadt auszufüllen, kein unglücklicher ist. Es zeigt die- ein einziger Blick auf die empfeh- lenSwerthe Karte der Umgegend Leipzigs von H. Kunsch, auf welche wir Diejenigen verweisen, welchen jene Gegend unbekannt ist, oder welche vielleicht die dortigen Umgestaltungen nicht ohne Schmerzen sehen können. Wer aber den Heine'schen Plänen nicht a priori gram ist, wer ohne Neid Großes entstehen sehen kann, das er nicht selbst erdacht und geschaffen hat, und wer nicht, wie sehr Viele, denen wir be gegnet, Heine's Unternehmungen ohne die mindeste Sachkenntniß änzufeinden sich berechtigt glaubt, weil es Mode geworden ist oder weil er in dem Bewußtsein oder Nichtbewußtsein seiner Nicht- k.nntniß lieber dem weit interessanteren, vielleicht auch höher her kommenden ungünstigen Urtheile sich anschließt, als aus trefflichen Erfolgen eine- schon zwanzigjährigen Wirkens einiges gute- Ver trauen zu Heine's Unternehmungen zu schöpfen, wer sich also über haupt von der Wahrheit überzeugen will, der gehe hinaus auf den Plagwitzer Weg und frage sich, wo es schöner zu wohnen ist als gegenüber jenen herrlichen Waldungen, welche, der Stadt näher gerückt, sich dieser wie das Rosenthal auf der Nordwest-, so auf der Südwest-Seite als Parkanlagen anschließen werden. Mit welchen Kosten hat sich Paris ein Lois äv Louloxnv, Berlin einen Thiergarten künstlich geschaffen! Vergebens bietet die Natur bei Leipzig die Mittel zu schöneren Anlagen. Wer aber diese Gegend besucht und recht aufgefaßt hat, der wird auch über die Werthe dortiger Bauplätze, getrennt durch Straßen, wie sie auf der Kunsch'schen Karte angedeutet sind, nicht zweifelhaft bleiben, vielmehr die Ueberzeugung gewinnen, daß diese Plätze mit einem halben Thaler pr. lllElle bei weitem zu niedrig angeschlagen sind und bald die doppelten und dreifachen Preise er reichen würden. Wohlan, diese Werthe können geschaffen werden, wenn man sie nur gewinnen will; doch ist dazu der Bau de- Heine'schen Eanals und der damit verbundenen Schleußen nothwendig. — Nähere- darüber geben wir in unserem folgenden Artikel. Die Feidwirthschafl des Lohanntshospitales. Ein von Seiten des Stadtverordneten - Collegiums gemachter Vorschlag: die Wirthschaft Im Johannishospitale in ihrer jetzigen Form nicht zu lassen, sondern aus finanziellen Gründen die Grundstücke jenes Hospitals einzeln zu verpachten, — ist im Sladlraths-Collegium auf Bedenken gestoßen und hat auch im Publicum vielfach eine widersprechende Anschauung gefunden, wel cher in Nr. 201 d. Bl. (vergangenen Freitag) in einer „vr. 8." Unterzeichneten Besprechung Ausdruck gegeben wurde. Die Mei nung des vr. 8. ging dahin: es sei Verpflichtung der Stadt, „die Wirthschaft des Johannishospitals in ihrer jetzigen Ge stalt zu erhalten", weil vom Vorhandensein einer größern Milch wirtschaft da- Gedeihen einer großen Anzahl Kinder abhänge. ^ Schreiber dieses ist vollkommen damit einverstanden, daß ein jährlicher Gewinn von einigen Tausend Thalern im Budget einer Stadt durchaus nicht in die Wagschale fallen dürfe, wenn es sich um Menschenleben, um Familienglück handelt; wäre eS also wahr, daß Säuglinge oder entwöhnte Kinder „zu Grunde gehen" müßten, wenn ihnen die Milch der JohannishoSpital- wirthschaft entzogen wird, so könnte keinen Augenblick ein Zweifel darüber obwalten, ob die Wirthschaft erhalten werden solle oder nicht. Allerdings wäre aber noch sehr zu erwägen, ob di- jetzige Form und Gestalt dieser Wirthschaft in jeder Beziehung so muster haft sei, daß man deren Erhaltung mit allen Mitteln anstreben müßte. ES kann wohl der Fall sich denken lassen, daß man für die Stadt eine größere Milcherei zu erhalten wünscht, aber diese in einer anderen, vielleicht besseren und zweckmäßigeren Form sehen möchte, als sie gegenwärtig im JohanniShoSpitale besteht. Ist denn aber eine große Milcherei für eine reichbevölkerte Stadt wünschenswerth? Wir müssen diese Frage im Allgemeinen bejahen. Gute frische Kuhmilch ist für eine dichte Bevölkerung deshalb von hohe« Werthe, weil sie 1) für Gesunde ein ausgezeichnete- Nah rungsmittel abgiebt, — weil sie 2) für Säuglinge einen pas senden Ersah der Muttermilch bietet, — weil sie 3) für Kranke und Schwache ein vortreffliches Stärkungsmittel gewährt. Milch al- Nahrungsmittel ist gerade für die Bewoh nerschaft Leipzig- von hohem Werthe. Der Genuß de- Flet sche- hat leider in Leipzig in bedeutendem Grade abgenommen. „Im Jahre 1834 hatte Leipzig 43,200 Einwohner und ver brauchte 57,068 Stück Schlachtvieh; — im Jahre 18 50 hatte eS 50,988 Einwohner und eS wurden 62,245 Stück Vieh ge schlachtet; — im Jahre 18 55 war die Einwohnerzahl auf 70,000 gewachsen und die Zahl des geschlachteten Viehes nur auf 64,068 Stück." (Reclam's „Kosmos" 1856, Nr. 6) — Das Verhältniß ist also allmählich immer ungünstiger geworden! denn es kamen in Leipzig 1834 auf je 100 Einwohner 1321/, Stück Schlachtvieh, 1850 - - 100 - 124 - - 1855 - - 100 - 91»/, , so daß im letztgenannten Jahre nicht einmal auf jeden Kopf der Einwohnerzahl ein geschlachtetes Thier im Durchschnitt gelangte. Wie gegenwärtig die Verhältnißzahl ist, können wir augen blicklich nicht angeben; allein es ist als sicher anzunehmen, daß unter Einfluß der wachsenden Theuerung das Verhältniß jetzt noch ungünstiger geworden ist. Es giebt mehr Familien als man glaubt, bei denen jetzt in dem „wohlhabenden" Leipzig Fleisch speisen eine seltene Kost geworden sind. — Da aber in einem ge wissen Grade von der richtigen Ernährung Gesundheit und Wohl befinden (mithin auch Arbeitsfähigkeit und Steuerkraft) der Be völkerung abhängr, so ist nicht zu läugnen, daß ein Ersatz für die in Leipzig im Allgemeinen immer kärglicher gebotene Fleisch kost dringend zu wünschen wäre. Sehen wir uns nach einem Ersatz (gewissermaßen nach einem Surrogate) für da- „Fleisch" um, so müssen wir dasselbe in einem ähnlich zusammengesetzten, nämlich stickstoffhaltigen Nah rungsmittel suchen, also in Blut, Eiern, Milch, Käse. — Unter diesen verdient au- vielen Gründen die „Milch" den Vor zug; sie ist reichlich nährend, richtig gemischt, leicht verdaulich. — Könnte man also durch eine große Milcherei einer Stadt gute Milch in reichlicher Menge und zu billigem Preise ver schaffen, so wäre fast kein Opfer zu groß, um diese Milcherei der Stadt zu erhalten. a) Die Wirthschaft des Johannis-Hospitals hat (wenn wir recht unterrichtet sind) 50 Kühe. Leipzig hat zwischen 70,000 und 80,000 Einwohner. Auf je 1000 Einwohner kommt also noch nicht eine Kuh. — Der geringste Ertrag einer guten Milchkuh an Milch ist etwa 2 Kannen täglich (bei schlechter Ernährung und im Winter); der größte sich erwiesene Ertrag ist 15 Kannen täglich (im Sommer in Holland, bei regelmäßigem Wechsel von Stallfütterung und Weide, so wie bei musterhafter Reinlichkeit der Ställe), welcher hohe Ertrag in Deutschland nicht zu erreichen ist, in Städten und bei steter Stallfütterung am wenigsten. Eine Kuh, welche täglich 5 — 7 Kannen Milch giebt, dürfte bei uns schon zu den reichlichen Ertrag gebenden gerechnet werden müssen. Eingezogenen Erkundigungen nach geben die Kühe de- Johannis- Hospitals täglich etwa 6 Kannen Milch k Kuh. Was wollen nun für je tausend Menschen 5 — 7 Kannen Milch täglich be deuten? Sie sind in Rücksicht auf die allgemeine Ernährung und ihre Bedürfnisse gleich einem Tropfen Wasser, der auf einen heißen Stein fällt! — Immerhin darf auch dieser geringe Beitrag zu der Nahrungsmenge für die Bewohner einer dichtbevölkerten Stadt nicht unterschätzt werden. Allein mit großen Opfern für die städtische Gemeinde darf man eine Milcherei um der reichlichen Menge der von ihr gelieferten Milch willen dann wohl nicht zu erhalten suchen, wenn diese Menge zur Bevölkerungszahl in einem so äußerst geringen Procent-Satze steht wie hier. d) Was ferner den Preis anbetrifft, so kostet im Johannis- Hospital die Kanne Milch 16 Pf. (ein Glas 1 Ngr.), während von den Verkäufern, welche Milch vom Lande in die Stadt bringen, die Milch k Kanne 12 Pf. verkauft wird. Die Milch der I ohanniShospital-Wirthschaft ist also um25Procent tbeurer als die vom Lande hereingebrachte Milch! — Jedenfalls hat Herr vr. 8. ohne Kenntniß dieser Verhältnisse an obenerwähnter Stelle behauptet, daß vom Bestehen der Milchwirth- schaft im Johanni-Hospitale „das L<ben und Gedeihen einer großen Anzahl Kinder und zwar besonders der ärmeren Classe" abhänge. Denn der ärmere Theil der Bevölkerung wird immer da kaufen, wo er seine Bedürfnisse am billigsten findet, daher nicht im Johannishospitale, sondern bei den Verkäufern der Landmilch. Auch Wohlhabendere sehen sich hierzu, selbst bei einer bestehenden Vorliebe für die Milch de- Johannishospitales, deshalb gezwungen, weil die Stunde de- Milchverkaufs im Hospitale nicht genau ein gehalten werden kann; eS ist daher nöthig, daß die Käufer (resp. die zum Abholen der Milch Abgesendeten) oft ziemlich lange Zeit warten müssen, bevor sie die gewünschte Milch erhalten können. Nicht in jeder HauSwirthschaft aber kann man Personen zum Ab- holen der Milch verwenden, wenn dieses »Abholm" oft eine bis