Volltext Seite (XML)
Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt bis Swial. Bkzirlsgmchis mid ScS Raths dkl Stadt Lchzig. M SV. Freitag den 1. März. Bekanntmachung. 1861. Um das Verzeichnis der nach Maßgabe von 8 3 der auf die Einquartierung in Kriegszeiten bezüg- . lichm CinquartierungS-Ordnung für die Stadt Leipzig vom 30. Juli 1651 zur Aufnahme von Ratural- Ginquartierung geeigneten Räumlichkeiten und deren Inhaber stets in gehörigem Stande und Ordnung zu erhalten, ist eS nothwenbig, alle Mierhveränberungen nachzutragen und geben wir den Hausbesitzern und Admini stratoren hiermit auf, jede in den von ihnen besessenen oder verwalteten HauSgrundstücken eingetretene Miethver- änderung binnen längstens acht Tagen nach deren Eintritt bei unserem Ouartieramt, Rathhaus zweite Etage, schriftlich anzuzeigen. Jede Unterlassung ooer Versäumniß der vorgeschricbenen Anzeige wird mit einer Geldstrafe von fünf Thalern geahndet werden. Leipzig, den 27. Februar 1801. ' Der Rath der Stadt Leipzig. Berger. Ein Mort fiir unsere Passtonsrnustk. Am diesjährigen Charfreitag soll, wie bestimmt versichert wird, Mendelssohn's „Paulus" in der Thomaskirche aufgeführt werden und damit zum ersten Male seit fünf Jahren die Wiederholung der Bach'schen „Matthäus-Passion" unterbleiben. Zwei Gründe sind für diese Äenderung geltend gemacht worden: einmal der Wunsch, auch andere Oratorien am Charfreitag zum Gehör zu bringen, andererseits die Befürchtung, die Pajsionsmusik möge nicht mehr genug Anziehungskraft besitzen, um den wünsckenswerth! günstigen Erfolg für den Orchester-Pensionsfond mit Sicherheit erwarten zu lassen. — Ob es wirklich nicht möglich ist, zu andern Zeiten die Kräfte des Gewandhaus-OrchefterS für eine größere Kirchenmusik verfüg dar zu machen, und ob nicht, selbst wenn dies uuthunlich wäre, die Aufführungen des Riedel'schen Vereins in dieser Beziehung genügenden Ersatz bieten, soll hier nicht erörtert werden; denn bei dem Wunsche einer Abwechselung gilt es zunächst, den Werth des Werkes im Vergleich zu anderen ins Auge zu fassen, um ent scheiden zu können, ob bei dem Wechsel gewonnen oder verloren werde. Wäre irgend ein anderes kirchliches Tonwerk für unsere Charfreitagsaufführungen üblich geworden, so wärcn die oben genannten Gründe vollkommen berechtigt, allein viel gewichtiger' müßten sie sein, um — auch nur für ein Mal — daö Unterlassen der Aufführung zu rechtfertigen, die für Leipzig seit fünf Jahren wahrhaft heimisch geworden und deren alljährliche Wieder holung gerade von den verschiedensten Seiten als eine wirkliche Weihe des bedeutungsvollen Tages bettachtet wird. Einem kirchlichen Tonwerk wird man natürlich mit den ab weichendsten Auffassungen entgegentteten; man wird von einem ganz berechtigten Standpunkt aus nur den rein musikalischen In halt genießen, andererseits den Text als poetisches Motiv betrachten und endlich darin wirklich ein Stück religiöser Ueberzeugung und kirchlicher Bedeutung anerkennen. Was in der PassionSmusik dem Schöpfer des Werkes als Sinn und Werth seines Texte- erschienet,, darüber ist wohl kein Zweifel; Bach's geistige Richtung, der ganze Zug seines Schaffens und Empfinden- bezeugt e- aller orts, daß er mit ganzem Herzen von der religiösen Bedeutung seiner Texte überzeugt war und sie in diesem Sinne seinen Com- positionen zu Grunde legte; ihm, wie Luther selbst, war die gottes dienstliche Wirkung der Musik eine Sache ernstester Bedeutung,! und was er im Sinne Luther's erreichte, wird ihm die Kirche niej vergessen. Wäre Bach hierin eine Ausnahme von den großen Meistern der Kunst, dann möchte die „Eigenheit" religiösen Interesses bei seinen Schöpfungen gern entbehrt werden, aber bekräftigt und redet denn nicht die ganze Kunst der Menschheit seit Jahrtausenden die Wahrheit, daß gerade die höchsten und un vergänglichen Werke au- dem religiösen Bewußtsein ihrer Zeit hervorgegangen und deshalb mustergültig für alle Zeiten sind? — Der AeuS de- PhidiaS und der Parthenon, der Cölner Dom und die Sixtinische Madonna, oder was sonst als die Marksteine künstlerischer Größe genannt werden mag, was sind sie ander- als die höchsten Blüthen des religiösen ZeitdewußtseinS? Die Gegen wart ist ihnen gegenüber darauf beschränkt, die Begeisterung nach - zuempsinden, als deren unmittelbarer Erguß jene Werke von ihren Meistern wie von ihren Zeitgenossen betrachtet wurden; und mag das künstlerische Verständnis späterer Geschlechter noch so gereift und geläutert sein, so kann das Kunstwerk nicht zu den Herzen der Nachkommen sprechen, wie es die Seelen gläubiger Bewun derer gerührt. Soll denn in der Musik ein Markstein künstlerischer Bedeutung genannt werden, so ist eS Bach'S Matthäus-Passion, deren Musik - auch ohne Text genommen — der harmonisch vollendetsten Schönheit nicht entbehrt, und wer möchte dann läugnen, daß mit der Bedeutung und im Mitempfinden des Textes genossen dieses Kunstwerk das Schönste und Erhabenste ist, was in der Welt besteht? Ob hier anderthalb Jahrhunderte zwischen Schaffen und Genießen liegen gilt gleich viel; denn im Sinne des Protestantis mus ist Bach'S Zeit unsere Zeit und ist der Geist, der in ihm und den großen Meistern der deutschen Kirchenmusik sich bezeugt, auch der Geist der lebendigen Kirche der Gegenwart, abgesehen von allen Schattirungen des Bekenntnisses. Wer seit längeren Jahren in diesem Sinne der Passion als Hörer oder Theilnehmer angehört hat, dem vermöchte in der That kein anderes Tonwerk den Eindruck zu ersetzen, der mit den kla genden Awölfachtelfiguren der Einleitung wie ein liebgewordenes, altbekanntes und unbeschreibliche- Gefühl das Gemüth überkommt und, bis zu den Schlußaccorden anhaltend, mehr rührt und be wegt als sonst alle Kunst vermag. Sollte überhaupt die Anzahl Derer, welchen der Charfreitag ein Festtag von ernsterer Bedeutung ist, in Leipzig so gering sein, daß man ihnen zu Liebe nicht einmal für einen Tag des Jahre- da- Zusammenwirken unserer besten musikalischen Kräfte für ein Tonwerk von dieser kirchlichen und doch auch überdem unvergleich lichen Bedeutung veranworten zu können glaub?? Wir möchten es bezweifeln und meinen, daß, wenn wirklich eine Abnahme des Besuche- befürchtet wird, Freunde der Sache wohl Mittel finden würden, für den CassenauSfall einzustehen. Jedenfalls möchten diese Zeilen, denen an maßgebender Stelle kein Einfluß zusteht, da- anreaen, daß für den Fall ihrer Erfolg losigkeit vielleicht in kleinerem Kreise und mit bescheidenern Mitteln auch für die- Jahr die Aufführung der Passionsmusik ermöglicht werde, die, wie wir bestimmt hoffen, wenn auch jetzt zurückgestellt, doch früher oder später in da- Recht alljährlicher Wiederholung eintteten muß! Me Omnibus - Gesellschaft auf Aktien. Ein Gegner der OmnibuS-Gesellschaft auf Aktien hat von dieser Idee vor nicht langer Zeit in diesem Blatte ein trübe- Bild entfaltet und wirft, wie eS bei flüchtigem UrtheU zu gehm pflegt, da- ganze Actienwesen ln einen großen Topf, vielleicht weil