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6088 Dieses Gesetz „über Erwerbung und Verlust des Unterthanen- rechtes im Königreich Sachsen" bestimmt nämlich nach tz. 10 kub b. ganz im Allgemeinen: „eS solle die Verpflichtung, die Aufnahme in den Unter- thanenverband des Königreichs Sachsen nachzusuchen, nicht eintreten bei Ausländern, welche zum Besitze bewohnbarer städtischer oder ländlicher Grundstücke im Lande gelangen, ihren wesentlichen Wohnsitz aber im Auslande beibehalten, so lange dies der Fall sei und unter der Voraussetzung, daß sie für die Erfüllung der auf dem Grundstücke ruhenden staatsbürgerlichen Obliegenheiten durch Bestellung eines geeig neten Stellvertreters Fürsorge träfen", und die dem Gesetze beigegedene Ausführungsverordnung von dem selben Tage fügt bei (§. 10 und 11): „Die Eintragung deS Ausländers, der ein bewohnbares städtisches oder ländliches Grundstück im Lande erwarb, als Besitzers in das Grund» und Hypothekenbuch sei um des mangelnden Nachweises seiner Aufnahme in den sächsischen Unterthanenverband willen nicht zu beanstanden" rc. „Die Verbindlichkeit des Ausländers zu Bestellung eines geeigneten inländischen Stellvertreters trete mir dem Zeit punkte der Eigenthumsübertragung an dem betreff. Grund stücke in Kraft." Gestützt auf die gesetzlichen Bestimmungen verlangte also der ausländische Jude seine Eintragung als Civilbesitzer des erkauften Wohnhauses, er erhielt jedoch abfällige Bescheidung Seiten der Grund- und Hypothekenbehörde. Die bei dem kön. Justizmini sterium unmittelbar geführte Beschwerde gelangte ressortmäßig zur Entschließung des kön. Appellationsgerichts zu Leipzig, welches dieselbe nach der damals aktenkundigen Sachlage für eine begrün dete nicht erachtete und die Abweisung des Beschwerdeführers anordnete. Die Erwägungen, welcher dieser Entschließung zu Grunde ge legt waren, hatte das kön. Appellationsgericht in einem an die kön. Kreiödirection zu Leipzig gerichteten Communicat des Aus führlicheren dargelegt und solches dem Bezirksgericht extractsweise mitgetheilt. An den Inhalt dieses Communicats halten wir uns bei nach stehender kürzlicher Darlegung der für die verneinende Beantwor tung obiger Frage sprechenden Gründe. Zunächst kann der Satz, daß bis zu dem Erscheinen des Ge setzes vom 16. August 1838 nach sächsischer Verfassung der Jude überhaupt, der inländische wie der ausländische, die Befähigung, Civileigenthum an Grundstücken zu erwerben, nicht gehabt habe, einem Zweifel füglich nicht unterliegen Nach den Aussprüchen des Gesetzgebers (kosol. grav. äs ao 1716, ingl. vom 5. Mai 1718) sollte „den Juden weder ein öffentlicher Cultus noch An kunft der Immobilien gestattet werden;" stand doch sogar bis zu dem Erlasse des Mandats vom 16. Februar 1807, wenigstens in den Erblanden, die Fähigkeit zu dem Erwerbe von Grundbesitz nicht einmal sämmtlichen christlichen Glaubensgenossen zu, sondern bildete solches ein Vorrecht der Bekenner der lutherischen Confes- sion. Eine Gleichstellung in dieser Beziehung wurde in diesem Mandate, ferner in einem solchen vom 18. März 1811, dem Re skript vom 7. August 1815 und der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 tz. 33 lediglich den Mitgliedern der übrigen christlichen Kirchengesellschaften zu Theil, während in Betreff der Israeliten das Verbot des Grundstückserwerbes fort wirksam blieb und auch in späteren Gesetzen, namentlich in dem Reskripte vom 2. Juni 1828 und in dem Gesetze vom 18. Mai 1837 als fort bestehend anerkannt wurde. Das letztere läßt hierüber gar keinen Zweifel übrig, denn es wird darin ausdrücklich gesagt, daß das gesetzliche Verbot, nach welchem Juden Grundstücke nicht besitzen dürfen, nur in Betreff der Akquisition eiries Bet- und Schul- bauseS aufgehoben sein solle, dessen Errichtung den Juden in Dresden und Leipzig gestattet werden möge. Eine zweite Periode der einschlagenden Gesetzgebung beginnt allerdings mit dem Erscheinen des Gesetzes^vom 16. Aug. 1838. Dasselbe bezweckte jedoch nach der Ueberschrift und dem Eingänge drr Ausführungsverordnung zunächst nur Verbesserung der bürger lichen Verhältnisse hierländischer Juden, änderte aber an der Rechtslage der ausländischen Juden in der hier fraglichen Be ziehung etwas nicht. Denn nur einheimischen Juden gestat tete es unter Beschränkungen die eigenthümliche Erwerbung und den Fortbesitz eines einzelnen Grundstückes in Dresden und Leip zig, und demgemäß findet sich denn auch das Fortbestehen gesetzt sicher Ausschließung ausländischer Juden von dem Jmmobi- liarcrwerbe wiederholt ausgedrückt in dem Besitze vom 3. Novbr. 1840, „die Erledigung einiger zweifelhaften Rechtsfragen betr.",* sud I. *) Ein dritter Abschnitt datirt von dem Eintritte der Legislation der „Grundrechte des deutschen Volkes", welches in dem I. 1849 *) „Jüdische Glaubensgenossen dürfen in derselben Maaße wie Christen, Pfandrechte an Immobilien erwerben, jedoch in den Besitz des verhafteten Grundstücks, insofern sie nicht zu dessen eigenthümlicher Erwerbung be fähigt find (Ges. v. 16. Aug. 1838) m keinem Falle gesetzt werden." auf einige Zeit in Sachsen zur Geltung gelangte (tz. 16 d. Gr.-R. und ru-t. 1 »ub 9 des Einführungsgesetzes x. 36 und 39 d. G,s- Samml. v. 1849). Sie hat in Folge der Disposition des Ge setzes vom 12. Mai 1851 §. 3, welches bestimmt, daß es rück sichtlich derjenigen Juden, welche sächsische Unterthanen seien, bei dem verbleiben solle, was in der Verordnung vom 20. April 1840 sub VI geordnet und verfügt worden sei, eine dauernde Bedeu tung gewonnen, indem sie den letzteren gleiche Rechte mit den Christen auch für die Zukunft verschaffte. Ausländischen Juden hingegen ist durch dieselbe die Befähigung, Immobil ar- desitz zu erwerben, nicht verlieben worden, wenigstens nicht über die Zeit der Publikation des Gesetzes v. 12. Mai 1851 hinaus. Denn der art. VI gedachter Verordnung beschränkt die Wirksam keit der Bestimmung in tz. 16 der Grundrechte ausdrücklich auf die Gleichstellung der sächsischen Juden mit den Christen, und lediglich in dieser Beschränkung ist in dem Ges. v. 12. Mai 1851 h. 3 das neuerworbene Recht als fortgültig bezeichnet wor den. Zwar kann nach der Fassung des zweiten Abschnittes des art. VI in Verbindung mit §. 3 der Grundrechte, so weit nach solcher jedem Deutschen das Recht zustand, an jedem Orte des Reichs gebietes Liegenschaften jeder Art zu erwerben, in weiterem Zusam menhänge mit der Schlußbestimmung der Verordnung v. 12. M .i 1851 §. 2 die Frage entstehen, ob nicht in der Zeit von Publi kation der Grundrechte bis zur Publikation des zuletzt erwähnten Gesetzes solchen ausländischen Juden, welche deutschen Ländern angehörten, in denen die Grundrechte ebenfalls zur Geltung ge langt waren, das Recht eingeräumt gewesen sei, in Sachsen Liegen schaften zu acquiriren. Diese Frage berührt jedoch das vorliegende Sachverhältniß nicht, jedenfalls beruht nach den Vorschriften des Gesetzes vom 12. Mai 1851 h. 1 und 3 so viel außer Zweifel, daß mit dem Erscheinen dieses Gesetzes in Betreff aller auslän dischen Juden, gleichviel zu welchem Staate sie gehören, das Ver bot des Grundstückserwerbes- wie es vor der Publikation der Grundrechte bestanden hat, von Neuem und unbeschränkt in Wirk samkeit getreten ist. Demnach kommt nur noch in Frage, ob dieses Verbot als aufgehoben betrachtet werden dürfe, a) durch die obengedachte Disposition des von dem Antrag steller für sich angezogenen Gesetzes vom 2. Juli 1852 tz. IOK, rd.r d) durch die oben gleichfalls schon mitgetheilten Vorschriften der Ausführungsverordnung von demselben Tage tz. 10 u. *11. Es läßt sich jedoch weder die eine noch die andere Annahme rechtfertigen. Daß die Gesetzstelle rrä a im Allgemeinen der Ausländer als Grundstücksacquirenten und somit als Personen, welche die Fähigkeit zu dem Grundstücks erwerbe in Sachsen besitzen, gedenkt, ohne hierbei ausländische Juden auszunehmen, ist ein irrelevantes Moment; denn die Rechts regel, daß ein späteres Gesetz das frühere aufhebe, leidet dann eine Ausnahme, wenn das frühere Gesetz eine lex specialis, das spätere eine lex generalis war. In diesem Falle bedarf es zur Aufhebung der lex specialis einer ausdrücklichen Erklärung des Gesetzgebers, außerdem ist jene als eine fortgekteyde Ausnahme von der Regel aufzufassen. Daß aber das zeitherige Verbot des Jmmobiliar- erwerbes Seiten ausländischer Juden als eine lex specialis zu be zeichnen sei und die sud a ausgehobene Gesetzstelle ihrer Fassung nach in die Kategorie der lege« generales gehöre, kann einem Zweifel nicht unterliegen. Es kann nicht in Absicht des Gesetz gebers gelegen haben, in h. 10 b des Gesetzes vom 2. Juli 1852 eine allgemeine Beantwortung der Frage aufzustellen, unter welchen Bedingungen der Ausländer, welcher die sächsische Staatsangehörig keit nicht erwerbe, zur Ansässigkeit in Sachsen befähigt sein solle. Die Ueberschrift und der Zweck des Gesetzes, der Zusammenhang, in welchem tz. 10 mit den vorhergehenden tz§. steht, und die Wort fassung der Bestimmung sud d tz. 10 sprechen gegen eine derartige Annahme und weisen auf die natürliche Auslegung hin, wonach etwas Weiteres nicht hat disponirt werden sollen, als daß derjenige Ausländer, welcher nach den bestehenden Gesetzen zu dem Immo biliarbesitze in Sachsen berechtigt sei, das Civileigenthum an Grundstücken ohne vorherige Nachsuchung deS Unterthanenrechtes erwerben könne, sobald er den Wohnsitz im Auslande beibehalte und für Bestellung eines geeigneten hierländischen Stellvertreters Fürsorge treffe. Was dagegen die «ub d erwähnten Vorschriften anlangt, so spricht an sich schon der Umstand, daß solche in eine Verordnung aufgenommm worden sind, dagegen, daß durch dieselben ein neues gesetzliches Recht habe eingefiihrt werden sollen. Sie enthalten Weisungen theils für den Hypothekenrichter, theils für die untere Verwal tungsbehörde, und wenn in dem Eingänge de- h. 10, der sich auf das von der Hypothekenbehölde zu beobachtende Verfahren be zieht, nicht ausdrücklich erwähnt wird, daß zunächst die Fähigkeit de- Ausländers zu dem Immobiliarbesitz in Sachsen an sich außer Zweifel beruhen müsse, damit dem EinqangSgesuche dessel ben deferirt werden könne, so bedurfte es einer solchen Erwähnung nicht, weil beim Erlasse der Verordnung von der Voraussetzung auSgegangen werden durfte, daß dem Unterrichter die sud » er wähnten Jnterpretationsregeln bekannt seien und er daher keine Veranlassung haben werde, aus der Bestimmung des Gesetze-