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5327 ebenen Geometrie, Stereometrie, ebenen Trigonometrie, Mechanik, Physik und Chemie bedeckt sind, wodurch die Schüler beim Kommen und Gehen dieselben stet- vor Augen haben und sie zu wieder holen und sich einzuprägen vermögen. Doch genug von der Martiniere, die allen GewerbSschulen als treffliche- Vorbild dienen kann und selbst in dem doch sonst so praktischen England noch keine Rivalin gefunden hat. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß sie bald nicht mehr aS vereinzelte Musteranstalt dastehen wird, denn schon erheben sich hier und dort Stimmen, welche ebenfalls im GewerbSschulwesen zeitgemäße Er weiterungen verlangen Unter den letzteren nimmt die Errichtung von gewerblichen Fortbildungsschulen, wie wir sie bereit- in mehreren Städten an treffen, eine der ersten Stellen ein; sie sind aus den gewerblichen Sonntag-schulen hervorgegangen, die ursprünglich nur für Fort führung de- Volk-unterricht- bestimmt, später auch den Unterricht in den praktischen Naturwissenschaften in da- Bereich ihres Lehr plans zogen. Allein weder die wenigen nur auf den Sonntag beschränkten Lehrstunden, noch auch der Unterricht selbst, der wegen der Kürze der Zeit nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit und Vielseitigkeit enheilt werden konnte, entsprach dem gefühlten Be dürfnis Unter diesen Umständen nahm man seine Zuflucht zur Errichtung gewerblicher Fortbildungsschulen, verlegte den Unter richt auf dir einzelnen Wochentage und gewann hierdurch Zeit, nicht nur die Lücken nachhaltig auszufüllen, welche die Volksschule in dem Wissen der jungen Leute offen gelassen hatte, sondern auch die Naturwissenschaften gründlich zu lehren, durch deren Kenntniß dem Gewerbtreibenden die Einsicht in die Theorie seiner Kunst eröffnet und selbstständiger Fortschritt ihm möglich gemacht wird. Ohne Mathematik, Mechanik, Physik, Chemie und Natur geschichte ist dieser Erfolg nicht zu erwarten, weil gerade von ihnen das Verständnis gewerblicher Schriften, die richtige Erkenntniß sich fast unaufhörlich darbietender Erscheinungen, Bekanntschaft mit Rohstoffen, Werkzeugen und Maschinen, Beurtheilung neuer Erfindungen, Sicherung vor Trugschlüssen und Täuschungen, sowie das segensreiche Forschen, Beurtheilen und Erfinden be dingt ist. Es soll indessen damit nicht gesagt werden, daß der Handwerker nöthig habe, sich zum förmlichen Gelehrten auszu bilden. O nein, dieß könnte nur zur Folge haben, daß er zu Rückschritten in der praktischen Ausbildung geführt würde; es genügt schon, wenn er einen gewissen begrenzten wissenschaftlichen Standpunkt erreicht, der ihm bei seiner werklichen Thätlgkeit als Haltpunct dienen und beim Fortschritten ihn unterstützen kann. Auf solchem Fundament gebaut, ist das Wirken der gewerblichen Fortbildungsschulen ein wahrhaft segensreiche- und die Errichtung solcher Schulen ist eine Pflicht der Humanität, welcher sich in unserer Zeit des rastlosen Fortschritts keine Gemeindeverwaltung entziehen kann. Wenn dem Kaufmanns stände durch Handelsschulen, dem Land- wirthe durch Ackerbauschulen, den Baugewerken durch Bauschulen und selbst dem Weber durch Weberschulen die Nothwendigkeit theoretischer Fortbildung dargethan wurde, warum will man nicht auch dem übrigen Handwerkerstande in dieser so wichtigen Frage gerecht werden? Man betrachte nur den Lehrling bei feinem Ein tritte in die Werkstatt und die Art wie er jetzt und auch spä-er als Gesell beschäftigt wird, um alsbald einzusehen, daß seine dort erworbenen theoretischen Fachkenntnisse ganz gewiß von gar keiner Bedeutung fein können. Es ist geradezu bewundernswert!), wenn wir unter unseren Handwerksmeistern noch viele tüchtige Männer finden, die ohne theoretische Bildung durch zähen Eifer und auf opfernden Fleiß unzählige Hindernisse überwanden. Aber trotzdem leiden auch sie noch immer an einer Unvollständigkeit ihre- Wissens, welche durch früher» Besuch einer Fortbildungsschule leicht ausgeglichen worden wäre. Wir fragen, welcher Lehrling oder Gesell hat zum Beispiel in seiner Werkstätte Gelegenheit sich die Kenntniß der Stoffe, die er verarbeitet, anzuelgnen? Wo lernt er die Eigenthümlichkeiten, Preisverhältnisse, Bezugsquellen, Beurtheilung ihrer Güte oder ihrer Fehler kennen? Wer bringt dem Schneider und Schuh macher die für ihr Gewerk unbedingt nothwendigen Begriffe vom Bau de- menschlichen Körper- bei? Wer lehrt dem Tischler die Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Hölzer in der Struktur und sonstigen physischen Beschaffenheit? Wer erklärt dem Schmied und Schlosser die chemischen Eigenschaften der Metalle? Es ließen sich hier hundert Fragen aufstellen, deren Beantwortung dahin lauten würde, daß gewerbliche Fortbildungsschulen in unserer Zeit unentbehrlich sind. Der Gewerbeverein von Einbeck hat die theoretische Ausbil dung de- Gewerbtreibenden neuerdings zum Gegenstände ein gehender Besprechung gewählt, und ein als Nationalökonom wohl bekannter Mann äußerte dabei, mancher Handwerker möchte wohl geneigt fein, beim bloßen Klange des Wortes Theorie mit dem Haupte zu schütteln. Ein jed?s praktische Ding aber hat auch seine theoretische Seite und nur ein vernünftiges Hand in Hand Gehen von Praxi- und Theorie vermag zum Heile zu führen. Die Praxi- lehrt wie man etwa- machen soll, die Theorie weist nach warum e- gerade so gemacht wird. Die Theorie bezeichnet kurzweg die „Wissenschaft des Warum* In Städten, wo Handelsschulen bestehen, findet die Einrich tung statt, daß Kaufmannslehrlinge von ihren Principal«» für die Zeit des nothwendigen Unterricht- von dem Geschäft dispensirt sind, folglich bei ihrer Ausbildung Praxis mit Theorie Hand in Hand geht. Dasselbe aber ließ sich auch, wenn aufrichtiger Wille vorhanden ist, beim Handwerkerstande einsühren. Wenn dem Lehrlinge oder Gesellen allwöchentlich nur einige Male Gelegenheit geboten wäre, über sein spezielles Gewerbe theoretischen Unterricht zu erhalten, so reichte dies schon vollkommen hin, Wissensmängel zu beseitigen, über welche sich emporzuarbeiten bisher noch wenigen GewerbSmeistern gelungen ist. Diese würdige und segenbringende Aufgabe würde gewiß, mit Eifer ergriffen und mit Liebe und Beharrlichkeit durchgeführt, dem Handwerkerstande behülflich sein, die Ausbildungshöhe zu erreichen, welche die fortgeschrittenen An sprüche unserer Zeit bedingen, und die nicht allein das Wohl d«S Arbeiters, sondern auch die Befriedigung der ganzen Bevölkerung zur Folge haben muß. Karl Kar marsch hat kürzlich den Vorschlag gemacht, ln Staaten, wo Gewerbefreiheit eingeführt sei, möge es Jedem frei gestellt werden, sich einer Meisterprüfung, die na türlich ohne Geldkosten Statt zu finden hätte, zu unterziehen, und dem Examinanden für den Fall, daß er dieselbe gut bestehe, billige Vorzüge vor dem Nichtgeprüften einzuräumen. Dieser Vorschlag ist unbedingt höchst bemerkenswerth, denn wenn auch wirklich dadurch eine Art von gewerblicher Aristokratie hervor gerufen würde, so hat diese sich eben ihre Bevorzugung durch er höhte Befähigung, großem Fleiß und höhere Geschicklichkeit auch wirklich verdient. Hierdurch aber würde ein lebhafter Geist für gleichen Aufschwung erzeugt, und, anqestachelt von loben-werthem Ehrgeiz, jeder junge Handwerker bemüht sein, ebenfalls eine Prü- fung abzulegen, um öffentlich ein Zeugniß zu geben von erlangter Tüchtigkeit. Hierdurch dürfte allerdings der selbstständige Gewerbe betrieb nach und nach in Besitz der besten Arbeiter gelangen, und daS Publicum wäre im Stande, seine Bedürfnisse stets von Leuten ausführen zu lassen, deren Geschicklichkeit für den Werth der ge lieferten Arbeit bürgt. Bei den socialen Reformbestrebungen, welche dem GewerbS- ftandr eine gänzliche Umgestaltung aufzwingen, müssen wir endlich auch noch die großartigen Anstalten nennen, welche durch Associa tionen zünftiger Arbeiter, mit Beseitigung der Mittelspersonen, ein Wiederaufdlühen de- Handwerksbetriebs bezwecken, so wie der Fabrikindustrie, welche mit Hülfe der allgewaltigen Macht de- Capitals den handwerksmäßigen Betrieb zu verkümmern oder zu vernichten strebt, durch erfolgreiche Concurrenz entgegen zu treten beabsichtigen. Die Grundidee dieser Associationen zu gemeinschaft licher Arbeit, und ihre direkte Ausbeutung für gemeinschaftliche Rechnung zu gemeinschaftlichem Vortheil ist ohne Zweifel ganz vortrefflich, aber eben so achtungswerth als interessant sind auch die Versuche durch selbstgeschaffene Gesetze die gesellschaftlichen Be ziehungen aller verbundenen Persönlichkeiten zu regt ln, zu ordnen, zu beherrschen, und dadurch ein befriedigendes Nebeneinanderbe stehen der verschiedenartigsten Thätigkeiten und Leistungen zu er möglichen. Als ein Hauptzweck stand allen diesen Gesellschaften die Wiederkräftigung des Handwerköbetrlrb.S, im Gegensatz der das Proletariat erziehenden Fabrikinduftrie, vor Augen. Wir wollen hier nicht auf die vielen verschiedenartigen Arbeiter associationen eingehen, an denen namentlich Frankreich ungemein reich ist, sondern erwähnen nur die Associationen, welche sich zu gemeinschaftlicher Erwerbung der Rohstoffe und Herstellung soge nannter Gewerbs- oder Verkaufshallen für leichtern Absatz der Fabrikate vereinigten. Mit dem Umsichgreifen der Gewerbefreiheit müssen diese Associationen immer mehr an Umfang gewinnen, und mit ihnen wird auch die Gefahr schwinden, welche durch das Capital die Handwerks-Industrie bedroht. In vielen kleineren Städten haben dergleichen Vereinigungen schon äußerst segensreiche Folgen gehabt und den unumstößlichen Beweis geliefert, daß eS nur an dem guten Willen der Handwerker liegt, ihr Geschäft mit eben so vielem Nutzen zu betreiben, als der Capitalist. Allerdings wäre dabei unumgänglich nothwendia, daß sämmtliche verwandte Gewerke zu einem gemeinschaftlichen Verbände zusammenträten, da die Verbindung mehrer ähnlicher Gewerbe einer der Hauptwege ist, um die Beschäftigungen solcher Associationen das ganze Jahr hindurch möglich zu machen. Dann aber böte sich hierein Mittel, das Handwerk dem fabrikmäßigen Betriebe gegenüber wieder zur Geltung zu bringen, was eben nicht anders geschehen kann, als indem eS sich selbst dieser Art des Betriebs nach Möglichkeit be mächtigt. Hierdurch würde zugleich auch ein Haupthinderniß be seitigt, welches der Ausdehnung des Marktes durch den Ausfuhr handel im Wege steht, nämlich die Schwierigkeit, ja sogar oft die Unmöglichkeit, größere Lieferungen von gleicher Qualität durch mehre gesondert wohnende Meister ausführen zu lassen. Endlich aber würde in diesen Verbänden auch da- Gute de- alten ge nossenschaftlichen Geiste- wieder erwachen, daß in der Form de- vermoderten Zunftwesen- sich nimmer beleben kann und eben