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S10 sich zu Katharinen- heftigem Starrsinne auch der Hang zum Müßiggänge und nur mit vieler Mühe und Versprechungen aller Art war sie zuweilen zu einer kleinen Beschäftigung zu bringen. Der sehr spärliche Schulunterricht und die Vermahnungen des Geistlichen und de- Lehrers vermochten es ebenfalls nicht, auf das Mädchen bessernd einzuwirken. Sie erreichte endlich da- 16. Lebensjahr, und obgleich von der Natur körperlich sehr schön ausgestattet, war sie doch rücksichtlich ihres geistigen und sittlichen Wesens ganz vernachlässigt. — Das Weihnachtsfest des Jahres 1664 rückte immer näher heran, als eines Tages Michael JunghannS still und geheimnißvoll in seinem Festkleide aus dem Hause schlich, um nach Leipzig zu gehen und für die Seinigen einige kleine Christgeschenke einzu kaufen. Wie gewöhnlich, nahm er auch diesmal seinen Weg über Eutritzsch, seinen alten Dienstherr» zu besuchen, welcher seit ein paar Jahren das Gut seinem Sohne übergeben hatte und jetzt als Auszügler auf demselben lebte. Auch diesmal wurde er von Allen aufs herzlichste empfangen und wie ein alter Freund vom Hause behandelt. Man unterhielt sich über Wirth- schaftssachen und kam endlich auch auf ihre beiderseitigen Fami lienangelegenheiten, wo denn Junghanns hörte, daß die jungen Eheleute für ihre kleineren Kinder eine Wärterin bedürften. Ohne sich lange zu besinnen, schlug er seine Tochter dazu vor, in der Hoffnung, daß diese sich unter fremden Leuten eher an eine ge regelte Thätigkeit gewöhnen werde; und da man ihn und sein Weib als ordentliche Leute kannte, so wurde sein Anerbieten sogleich angenommen. Voller Freuden, Katharinen so gut unter gebracht zu wissen, verließ der wackere Mann seine ehemalige Dienstherrschaft und kehrte, nachdem er bei seinen Einkäufen in der Stadt die Tochter am Meisten bedacht hatte, erst spät am Abende nach Radefeld zurück. Das junge Mädchen, der das Leben im väterlichen Hause vielleicht längst zu einförmig war und die auch glauben mochte, in dieser Stellung nicht arbeiten zu dürfen, schien ganz zufrieden mit ihrer Bestimmung. Allein desto betrübter waren Mutter^ und Großmutter, daß sie sich nun bald von ihrer lieben Käthe trennen sollten und machten Micheln bittere Vorwürfe, daß er so schnell gehandelt und das einzige Kind aus ihrer Mitte reiße. Alle Einreden halfen jedoch nichts, denn JunghannS hätte um keinen Preis sein gegebenes Wort zurückgenommen. Nach Verlauf weniger Wochen verließ Katharine an der Seite ihres Vaters, der ihr bi- an den Ort ihrer künftigen Bestimmung das Geleite gab, das heimathliche Radefeld. Manche väterliche gutgemeinte Lehre ertheilte unterwegs der Redliche an die geliebte Tochter und bat sie recht herzlich, ihm ja keine Schande zu machen und bei ihrer Herrschaft treulich auszuhalten. Mit nassem Auge drückte er ihr noch einmal die Hand und entließ sie mit den heißesten Segenswünschen. Ein und ein viertel Jahr später, am 6. April 1666, am frühesten Morgen wallfahrtete eine zahllos Menge Menschen von allen Seiten nach dem Dorfe Eutritzsch. Tausende weilten be reits Ln Valentin DurchlerS Wirlhshause und den sämmtlichen dortigen Bauerhöfen in stiller Betrachtung, die nur zuweilen durch ein leises Seufzen, oder den halblauten Ausruf: „Schreck lich!" den ein wackerer Familienvater, odereine liebende Mutter hervorstöhnte, unterbrochen wurde. Der feierlichste Ernst herrschte in den sonst so fröhlichen Kreisen und auf jedem Gesicht war die höchste Rührung ausgedrückt. Da tönte es auf einmal von Munde zu Munde: „Sie kommen" und die ganze VolkSmasse strömte vor das Dorf, da wo der Weg nach Wiederitzsch führt. Fast Lein Auge war ohne Lhränen, kein Glied, welche- nicht von Zittern bewegt wurde, und ängstlich und stier war der Blick Aller nach der Straße von Leipzig gerichtet, auf der sich eine Karrete, umgeben von sächsischen Reitern, langsam daher bewegte. Ein zartes junge- Mädchen von noch nicht vollen 18 Jahren saß mit ernsten zum Himmel gerichteten Blicken auf dem Wagen. Ueber die blaffen Wangen rollte eine Thräne nach der andern in großen Tropfen herab. Sie war verurtheilt, lebendig verbrannt zu werden. Die Unglückliche war Katharina JunghannS aus Radefeld. Noch hatte sie den Richtplatz nicht ganz erreicht, da kam in der Ferne von der Stadt her ein Reiter gejagt. Man hielt an und die Richter empfingen da- von ihm überbrachte Schreiben. Die Gnade de- Kurfürsten hatte da- Urtheil dahin gemildert, daß die Verurtheilte durchs Schwert hingerichtet und erst dann ihr Leichnam verbrannt werden sollte. Auf einer kleinen Anhöhe wurde ein Stuhl hingesetzt und nachdem der anwesende Prediger mit ihr gebetet hatte, übernahmen sie die Henkerknechte, banden sie fest und das schöne Haupt siel zur Erde. — Rasch warfen die Nachrichter den Körper sammt dem Stuhl in die hochlodernde Flamme des Scheiterhaufen- und unbeweglich standen die Tausende der Zuschauer, mit nassem Auge hinblickend auf die furchtbare Stelle. Der Grund, der diese Unglückliche- zu der verbrecherischen That, welche sie aufs Blutgerüst brachte, veranlaßt hatte, war, wie sich aus ihren eignen in den Acten ausgezeichneten Aussagen ergiebt, kein anderer, als jener in zarter Kindheit schon erwachte fehlerhafte Hang zur Trägheit und zum Müßiggänge, welcher durch Verhätschelung, durch tadelnswerthe Nachsicht und übel verstandene Milde, Seiten der Großmutter Katharinens in Letzterer genährt worden war, so daß dieser Hang, gleich einer giftigen Pflanze, in dem Gemüthe nach und nach zu einer solchen Stärke emporwucherte, in welcher er alle bessern Regungen de- sittlichen Gefühls beherrschte und verstummen machte. — Nicht selten nämlich hatte die Dienstherrschaft sich genöthigt gesehen, Katharinen ihr Mißfallen wegen deren Trägheit und wegen mancherlei au- Bequemlichkeitsliebe hervorgegangenen Vernachlässigungen ihrer Dienstpflichten zu erkennen zu geben und wahrscheinlich würde da- Mädchen wegen diese- Fehlers von ihrer Herrschaft de- Dienste- entlasten worden sein, hätten diese nicht theils au- Rücksicht auf Katharinens Aeltern, theils in der Hoffnung dieselbe nach und nach doch noch zu bessern, Schonung walten lassen. Aber auch jetzt war diese Schonung übel angebracht. Katharine nahm Tadel und Vorwürfe gewöhnlich still und unterwürfig hin, aber statt dadurch, so wie durch die warnende und ermahnende Ansprache zur prüfenden Einkehr in sich selbst sich veranlassen und zur Reue und Besserung sich erwecken zu lassen, gab sie vielmehr einem immer bitterer werdenden Groll gegen diejenigen Raum, von welchen sie eben so wohlgemeinte, als gerechte Vorwürfe erfuhr. Als ihre Dienst- Herrschaft Katharinen zuweilen auch zu den in einer ländlichen Wirtschaft gewöhnlichen Arbeiten verwendete, und namentlich eines Abends ihr befahl, des andern Morgens mit den übrigen Dienstleuten in der Scheune zu dreschen, da fand diese-arbeits scheue Geschöpf ein solches Ansinnen so empörend, daß der stille langst genährte Groll jetzt zur Nachethat wurde. Sie legte Feuer in der Scheune an, in der ersten Morgenstunde des 13. Januar 1666 brach cs aus und zerstörte zwei der schönsten Bauerhöfe mit Scheunen, Stallen, Wohngebäuden und Vor rathen. Obgleich man allgemein vermuthete, daß das Feuer angelegt sei, so hatte man doch anfänglich nicht den geringsten Verdacht auf Katharinen, allein ihr ängstliches Wesen und scheuer Blick verriethen sie bald und brachten Manchen auf die leise Vermuthung, daß sie vielleicht die Verbrecherin sei. — Nachdem sie nach Verlauf mehrerer Tage veranlaßt wurde, zum Abend mahl zu gehen, gestand sie in der damals noch üblichen Ohren- beichte dem damaligen Pfarrer Jänichen zu Eutritzsch die schreck liche That,. und wurde, da dieser sogleich beim Gericht Anzeige machte, schon in der nächsten Nacht gefänglich eingezogen. Sie gestand ihre Missethat und ward als Brandstifterin bestraft. Ihre Aeltern überlebten sie nicht lange; sie starben Beide vor Kummer binnen Jahresfrist. Fast einhundert Jahre erhielt sich der zuletzt sehr morsch ge» wordene Pfahl de- Scheiterhaufen-, bi- er im siebenjährigen Kriege von fremden Soldaten umgehauen und zu Bivouakfeuer genommen wurde; aber länger noch erhielt sich der Glaube, daß auf dieser Stelle kein Grashalm, viel weniger eine Ackerfrucht wachse. Wenn Du, mein Leser, auf der Berliner Straße von Leipzig aus bei dem Dorfe Eutritzsch vorbeigehst, so findest Du draußen