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Lti-ziger Tageblatt und Anzeiger. AF IS«. Dienstag dm 5. Juni. I8SS Säcularftier des Todes des deutschen Apostels Somsacius. Heute wird e- nun gerade 1100 Jahre, daß unser großer deutscher Apostel BonifaciuS in FrieSland von den Heiden erschlagen ward; e- geschah dies den 8. Juni 755. Er hatte, seinem lang genährten Wunsche gemäß, der ihm von dem Papste wiederholt abgeschlagen »erden war, endlich die Erlaubniß erlangt, sein erzbischöfliche- Amt in die Hände seines treuen und tüchtigen Schüler- Lull ab zugeben, in welchem er überzeugt war »inen Nachfolger zu finden, der dir neue deutsche Kirche mit rechter Weisheit und Geduld re gieren werde. Er selbst beschloß, seine letzten LebenStage der eigentlichen Mission zu widmen, und zwar in der Gegend, wo er zuerst mit dem heiligen Willibrord das Evangelium unter sehr ungünstigen Verhältnissen gepredigt hatte, in Friesland, und wo nun, nachdem sich die Herrschaft der christlichen Frankenkönige da selbst befestigt, mehr Aussicht für daS Gedeihen der evanaelischen Vaat war. Er sammelte daher eine große Anzahl treuer Gehülfen nnd Diener um sich, Geistliche, Mönche und Gepäckträger, 52 an btt Zahl; unter ihnen war sein lieber Freund Eoban, den er zum Bischof von Utrecht bestimmt hatte. Dieses BiSthum war nämlich bamals erledigt, und der Erzbischof von Cöln hatte beschlossen, biesen Stuhl »inzuziehe«, weil der Sprengel desselben früher zu stimm kirchlich» Gebiete gehört hatte. Allein dem BonifaciuS lq daran, daß FrieSland, diese- kaum gewonnene, treuer Pflege bedürftige Miffionsland, einen eigenen Bischof habe, auf den man sich verlassen könne, zumal die Cölner Erzbischöfe ihre MissionS- -siichten nicht eben sehr gewissenhaft erfüllt hatten. Die- war zewiß ein Grnnd, warum er persönlich nach Friesland gehen und bi« kirchlichen Angelegenheiten dort ordnen wollte. Er bestieg mit seinem Gefolge ckn Schiff, da- sie den Rhein hinab nach der Znyderse» trug. Ohne Gefahren langten sie dort an, und zogm taufend und lehrend durch daS Land, dis zum Orte, wo heutzutage Doecum oder Dockingen liegt, am Flüßchen Bordne, an der Grenze des Oster- und Westergaus; damals war freilich daselbst wohl nur rin unanfchuticheS Dörflern oder Gehöfte. Hierher hatte BonifaciuS die Reugetausten au- der ganzen Umgegend bestellt, um ihnen die Firmelung zu ertheilen, waS nach dem in der alten Kirche geltenden Recht ein Vorrecht de- Bischof- war, der deshalb (wie noch jetzt in dm papiftifchen Ländern) seinen Sprengel einigemal alljährlich bereisen mußte. Da der Ulrechter Bischof, zu dessen Gebiete sie schönen, längere Aeit schon gestvrben war, so mochte diese kirchliche Tttewonie lange daselbst zum Schaden der Gemeinde nicht mehr verrichtet worden sein. Statt der erwarteten Täuflinge erschien aber am Morgen de- bestimmt« Tage- eine wilde Horde heidni scher Friesen, die sich verschworen hatten, den Feind ihrer Götter w ermord«. Die Begleiter de- BonifaciuS schickten sich an, da- «ge« zu verteidige» und de« Angriff mit den Waffen abzuwehren. Da aber der Greis (BonifaciuS ist um 68V in England geboren) dm Tumult hörte, sammelte er die Cletiker um sich, nahm ein Üßßchen mit Reliquien da- er bei sich zu führen pflegte, und trat aus seinem Kette hervor. Er untersagte den bewaffneten Dienern alle Gegenwehr, indem er sprach: „Lasset ab vom Kampfe ; die heilige Schrift lehrt unS, nicht Böses mir Bösem zu vergelten, „sondern mit Gute». Längst habe ich diesen Tag herdeigesehnt; „willkommner Weise ist mir die Aeit meiner Auflösung nahe ge- „rückt. Seid also stark in dem Herrn, und nehmet dankbar an, „wa- der Herr au- Gnaden für un- Jenen zu thun gestattet; „hofft auf ihn und er wird eure Seelen erretten." — Hierauf wendete er sich zu den um ihn stehenden Presbytern und Dia konen und zu den Geistlichen der niedere, Grade, und sprach zu ihnen mit väterlich mahnenden Worten: „Ihr Männer, lieben Brüder, seid stark im Geiste und fürchtet euch nicht vor denen, welche dm Leib tödten, die unsterbliche Seele aber nicht zu tödten „vermögen. Freut euch in de» Herrn, und laßt den Anker eurer Hoffnung fest in diesem Grunde hasten; er wird euch sogleich „den Lohn der ewigen Vergeltung geben, und einen Sitz in seinem „himmlischen Königshause mit den Engeln, den Bürgern der „ewigen Welt. Laßt euch nicht durch die eitle Lust dieser Welt „unterjochen, nicht durch die vergänglichen Schmeicheleien der blinden Heiden blmden, sondern seid bereit zu einem schnellen ritterlichen Tode, damit ihr mit Christo in Ewigkeit herrschen „könnt!" Während er noch so mit tröstlichen Worten die Sei- nigen ermahnte, stürzte der wüthende heidnische Haufe mit wildem Geschrei auf sie ein, und tödtete einen nach dem andern, zuletzt den BonifaciuS, der, ein Evangelienduch über sein Haupt haltend, den Tode-streich betend empfing. Er soll schon früher, auf den Grund sicherer Ahnungen und nächtlicher Gesichte hin, den Sei- nigen vorau-gesagt haben, daß er auf diesem KriegeSzuge des Herrn die Martyrerkrone erkämpfen werde. Der hiesige evangelisch-lutherische Missionsverein hat zu Ehren de- deutschen Apostels eine Feier seine- Todes für heute Abend */r6 Uhr in der Johanniskirche angekündigt, wie denn auch an vielen Orten Deutschlands, namentlich in seiner Bischofsstadt Mainz, seiner Hauptstiftung Fulda und in Thüringen an einem Ort (Altenberge bei Gotha), wo er seine erste Kirche nach der Tradition gebaut, Feierlichkeiten, zum Theil in großartiger Weise, stattfinden werdm. Aus dem Handwerker-Leben.*) Wir haben un- in diesen Blättern während der letzten Aeit vielfach mit der Organisation der Handwerker, Aünfte und Innun gen, und um die, das corporative Gewerbswesen, die Ehre und Freiheit deS Handwerkes untergrabende Gewerbefreiheit und Capi tal-- Freiheit beschäftigt. Als unterhaltenden Anhang und Erläu terung dazu geben wir hier den folgenden Brief eines „alten Schneiders", welcher vor einer Reihe von Jahren in dem damals von Huber redigirten „JanuS" erschien, einer Schrift, deren Wahr heiten damals, 1847, wie alle andern Wahrheiten, fast ungehört und unverstanden verhallten. Der Brief de- alten Schneider- lautet: „HochzuverehreUder Herr! Heute vor einem Jahre mußte ich meinem letzten Gesellen da- Brod aufsagen, und daS war mir ein recht herber Tag. Vor dreißig Jahren hatt' ich ihrer zwanzig, Arbeit vollauf, reich lichen Verdienst und konnte, ohne eine Last zu spüren, neben Frau und Kindern einen alten Vater, der mir seine Schneiderwerkstatt abgetreten hatte, ernähren und unS Allen doch noch einen fröhlichen Sonntag machen. Mein Vater hatte noch die alten Aeiten gesehen, da die Aünfte in Flor standen und davon hat er mir so viel erzählt, daß ich oft meine, ich hätte das selbst erlebt, ja bei manchen Stücken bin ich ungewiß, ob sie nicht eigentlich au- Erzählungen meine- Großvater- herrühren, der schon Anno 1720 Schneidermeister ge worben war. Denn unsere Familie ist dftseA« Handwevke von Alter- her jugethan gewesen und hat sich ehedem gut dabei gestau-- *) Au- der Gachftnzeitung. l