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Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 197. Sonntag den 16. Juli. 1854. Bekanntmachung. Dt« unterm 10. d. Mt-, bekannt gemachte Sperrung ber Passage auf der Epbrrrger Gharrfsee zwischen Eonnewitz und Memtzseh ist durch Anlegung einer Jnterimsbrücke vom heutigen Tage an wieder m»f-ehobr«. Leipzig, am 14. Juli 18S4. ^ . Die Königliche Straßenbau - Commiffkon des Amtes Leipzig. Lasse. Wassersgefahr) dasLiegeltidesitzlhuindes Herrn Große in Lindenau, ;wei Leiten aus einem Suche und ein guter Rath Di« Hochfluth der Flüsse weit und breit hat auch Leipzig und seine Umgebungen geschreckt, vielfach in großen Schaden gebracht und dadurch sowohl die Sorglosigkeit an Vorsicht gemahnt, als die «uthwillige Fahrlässigkeit gezüchtigt. Kaum je seit mehreren Jahrzehnten erreichte die Fiuth unserer Flüsse die Höhe, wie in Vor Seit vv« 9. zum 10. Juli. Dämme, mit denen man alle Möglichkeit der Wafferhöhe überboten zu haben glaubte, sahen itzven Rücken von den Wellen bespült und gaben alle Zeichen, daß «an bei ihrem Bau de» höchstmöglichen Wasserdruck mit Leichtsinn berechnet habe. Es fiud verschiedene Dammbrüche vorgekommen, auch in Linde»«« einer, der am 10. Juli früh um 9 Uhr stattfand, und i» Folge dessen in Zeit von zehn Minuten die ganze untere Hälfte de- dem Aiegelbrennereibesitzer Große zugehörigen Brennereigrund stück- üderstuthet war. Rach Verlauf von einigen Stunden waren ein Hau- und die vier Brennöfen mit ihren drei Ellen dicken Mauern und gewaltigen Gewölben dergestalt zusammengebrochen, daß nur «och eine au- der Fluth hervorragende gestaltlose Schutt masse und ein kleine- Stück Ruine zu sehen waren. Der Schaden, der auf solche Weise in wenigen Stunden, man könnte sagen in den wenigen Minuten de- Dammdurchbruchs entstand, beläuft sich zwrifel-ohne auf mehrere Tausend Thaler und verdoppelt, verdrei facht sich vielleicht durch die Störung des Geschäfts. Der Besitzer ist desto mehr zu beklagen, da er kaum erst daS Etablissement begründet und durch unermüdliche Thätigkeit in der kurzen Zeit von drei Monaten zur Ertragsfähigkeit gebracht hatte, obschon auch ei« Brandunglück gleich beim Beginn seines Unternehmens Störuna im Gange seiner Thätigkeit verursachte. Doch wir kommen hier auf einen anderen Pumt der Bettachtung. Der Durchbruch des Damme- wurde durch einm absichtlich bewirkte», sehr schmalen, rißartigen Durchstich veranlaßt, der kurz vor der Schwellung de- Flusse- mit frischer Erde ««-gestampft worden war. Diese frische Erde schwängerte sich natürlich nur zu schnell «1t Wasser und konnte, in eine« Brei verwandelt, keinen genügenden Widerstand leisten. Einig« Leute waren angestellt Worden zu schützen, allein sie wußte« nicht auf welche Weise, «nd 1« der Menge der gebildeter« Zuschauer gab e- kein«, der da- beste, einfachste und sehr nah« liegende Mittel hätte angeben können. Zn dem bei Ernst Schäfer erscheinmden „Bau lexikon", wovon unsere- Wissen- erst einige Hefte erschienen sind, liest man in dem Artikel Abdämmen: ,Lst ein Damm durchlöchert ober gesprungen, so legt man ans der Wafferseite ein dopMe- Segeltuch an." E- ist klar, daß bei de« Widerstande einer breiten Leinwandfläche da- Wasser auf einzelne kleine Theiie de- Dammes keine Gewalt auSüben kann. Hier aber hatte map daS Mittel recht handrecht, denn Hunderte großer getheerter Lein- wandplancn liegen ganz in der Nähe. Hätte also einer der bei dem Durchbruch anwesenden Geschäftsleute diese zwei gedruckten Zeiten jene- Buches, welches hierdurch empfohlen sein möge, gelesen, so würde sein Rath einen Schaden von mehrere,» Tausend Thalern verhindert haben. Daraus ersieht man, daß ein Buch doch ein ganz gutes Ding ist, und daß die sogenannte Theorie die Verachtung nicht verdient, die sie so oft von denen erfährt, welche sich mit Stolz Praktiker oder praktische GeschästS- männer nennen. ES ist eine schlimme Gewohnheit deS Menschen, in gefahrloser Zeit an die Gefahr nicht denken zu mögen; und wie sehr gegen sie zu warnen sei, haben gegenwärtig die Wasserschäden gezeigt. Da werden neue gute Einrichtungen nicht nur versäumt, sondern auch die alten Schutzmittel verwahrlost, oftmals wohl sogar gegen Gesetz und Vorschrift um eines augenblicklichen VortheilS willen aanz beseitigt. Da wir vorhin ein Factum auS dem benachbarten Lindenau erzählten, wollen wir auch jetzt daS heranzuziehende Bei spiel auS diesem Orte nehmen. Lindenau wurde am Sonntag durch die sogenannten wilden oder Feldgewäffer furchtbar überfluthet ; viele Bauerhöfe wurde zur See und sämmtliche Grundstücke und Gärtnereien am Anger und hinter der Kirche geriethen ganz und gar unter Wasser. Gegen daS Andrängen der Fluth kann der Ort sich nicht ganz schützen; doch kann dieselbe so geleitet werden, daß sie einen so großen Theil deS Ortes nicht durchströmt. Wohl aber kann für die rasche Ableitung viel gethan werden. Betrachte man z. B. den Graben, welcher die Wässer der Frankfurter und Zschocher- schen Chaussee durch daS Grundstück deS Herrn Tauchnitz über den Anger fuhrt! Zwanzig bis dreißig Schritte vor feiner Mündung am Grundstück de- Herrn Schwabe macht dieser Graben plötzlich unter einem fast spitzen Winket eine Wendung lmk-, um mit einer beinahe rückgängigen Bewegung unter einem rechten Winkel in den wenige Schritte entfernten größeren, aus dem Schmidtschen Garten kommenden Ableitungsgraben zu münden. E- ist zu klar, daß wenn in diesem da- Wasser doch geht, r- sich au- jenem nicht «Hießen kann und folglich die Angergrunbstücke Lage lang unter Wasser bleibe«, und manche Anpflanzung gänzlich zu Grunde geht, die bei schnellem Wegzuge de- Wasser- sich erhalten würde. Und doch würde jener Traben, wenn er in gerader Linie, dem natür lichen Falle gemäß, fortgeführt würde, nicht um einen Zoll länger sein, al- bei seinem gegenwärtigen, ganz unerklärlichen Tenlckbruche. (Don einer Gesellschaft Leipziger Herren, die deü Grabenlauf hier am Montag bettachttte, fragte ekner drollig: „Heißt diese Stadt Schilda? Geht man ein wenig zurück, so findet man ihn hinter dem Höhne'schen Gartm mit Gesträuch« durch-