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12 Die Reizbarkeit. zu geben. Wir finden in der oben angeführten Theorie Girtanners diese Ansicht ausgebildet; wenn dieselbe aber auch viele und gewichtige An hänger zählte, so war sie doch darum nicht die alleinige, denn es wurden auch Stimmen laut, welche sich weigerten, den Sauerstoff als den alleinigen Lebenserhalter anzuerkennen. Auch Humboldt ist unter diesen, denn er erkennt zwar an, daß der Sauerstoff als ein sehr wichtiges Reizmittel zu betrachten sei, er verwahrt sich dagegen ausdrücklich davor, ihn als Anfang und Ende alles Lebens hinznstellen. Die Grundlage seines Systems ist das Zusammenwirken aller der Stoffe, welche die organischen Körper znsammen- setzen, ans einander, zum Unterschiede von der alleinigen Wirkung des Sauer stoffs auf die gesammten übrigen. Diese Grundlagen, die wohl von keinem andern Forscher vor Humboldt mit solcher Klarheit und Bestimmtheit ausgesprochen wurden, wie wir cs in den oben angeführten Sätzen sehen, entspricht auch den Ansichten des größten Theiles der heutigen Naturforscher. Auch die galvanischen Erscheinungen reducirt Humboldt auf chemische Wirkungen, während er die Theorie Volta's, nach der dieselben ans der Berührung abzuleitcn sind, nicht annimmt. Seine Ansichten und Versuche wurden von vielen Deutschen, sowie auch von einer, von dem National- institnt zu Paris eigens mit Untersuchung der galvanischen Erscheinungen beauftragten Commission wiederholt und bestätigt; doch widersprach ihnen Pfaff, ein eifriger Anhänger der Contaetlehre, da sie auf zu viele Hypo thesen gegründet seien. Im Jahre 1799, also nach Veröffentlichung des Humboldtschcn Werkes, entdeckte Volta, daß man die galvanischen Er scheinungen mit aus je zwei verschiedenen Metallen bestehenden Platten- paarcn, die nur durch einen nassen Körper von einander getrennt sind, mit dem Apparate, der unter dem "Namen der V olta'schenSäule bekannt ist, in viel stärkerem Maße erzielen könne, und daß cs möglich sei, sie mit gänz licher Umgehung reizbarer Stoffe zu erhalten. Nun ging es von Entdeckung zu Entdeckung, und darüber wurde die physiologische Erklärung des Phäno mens, der auch Humboldt sich zugeneigt hatte, gänzlich in den Hinter grund gedrängt, denn in den Ketten war gar kein organischer Körper mehr enthalten. Nicht so ganz ging die Theorie Humboldt's verloren, daß die chemischen Einwirkungen bei dem Galvanismus, wie die Gesammtheit der Erscheinungen noch immer heißt, eine hervorragende Rolle spielen. So z. B. erklärte sich Ritter für die chemische Theorie, und in den dreißiger Jahren des gegenwärtigen Jahrhunderts entspann sich ein lebhafter Streit zwischen den ersten Notabilitäten der Physik, von denen die einen, wie de la Rive, Faraday, behaupteten, es gebe keine galvanische Wirkung