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434 Schluß. eines reinen objectiven Interesse abmerken — und wie sonderbar es auch klingen mag, so finde ich in ihm, bei allem ungeheuren Reichthnm des Stoffs eine Dürftigkeit des Sinnes, die bei dem Gegenstände, den er behandelt, das schlimmste Uebel ist. ES ist der nackte, schneidende Verstand, der die Natur, die immer unfaßlich und in allen ihren Punkten ehrwürdig und unergründ lich ist, schamlos ausgcmessen haben will, und mit einer Frechheit, die ich nicht begreife, seine Formeln, die oft nur leere Worte und immer nur enge Begriffe sind, zu ihrem Maaßstabe macht. Kurz, mir scheint er für seinen Gegenstand ein viel zu grobes Organ und dabei ein viel zu beschränkter Ver standesmensch zu sein; er hat keine Einbildungskraft, und so fehlt ihm nach meinem Urtheil das nothwendigste Vermögen zu seiner Wissenschaft—denn die Natur muß angeschaut und empfunden werden in ihren einzelnsten Er scheinungen, wie in ihren höchsten Gesetzen. Alexander imponirt sehr Vie len, und gewinnt in Vergleichung mit seinem Bruder meistens, weil er sich geltend machen kann. Aber ich kann sie dem absoluten Werthe nach gar nicht mit einander vergleichen: so viel achtungswürdiger ist mir Wil helm." „Darauf entgegnete Körner: Dein Urtheil über Alexander v. Humboldt scheint mir doch fast zu streng. Sein Buch über die Nerven habe ich zwar nicht gelesen, und kenne ihn fast nur aus dem Gespräch — aber gesetzt, daß- es ihm auch an Einbildungskraft fehlt, um die Natur zu empfinden, so kann er doch, däucht mich, für die Wissenschaft Vieles leisten. Sein Bestreben, Alles zu messen und zu anatomiren, gehört zur scharfen Beobachtung und ohne diese gibt es keine brauchbaren Materialien für den Naturforscher. Als Mathematiker ist es ihm auch nicht zu verdenken, daß er Maaß und Zahl auf Alles anwendet, was in seinem Wirkungskreise liegt. Indessen sucht er doch die zerstreuten Materialien zu einem Ganzen zu ord nen, achtet die Hypothesen, die seinen Blick erweitern, und wird dadurch zu neuen Fragen an die Natur veranlaßt. Daß die Empfänglichkeit seiner Thätigkeit nicht das Gleichgewicht hält, will ich wohl glauben. Menschen dieser Art sind immer in ihrem Wirkungskreise zu beschäftigt, als daß sie von dem, was außerhalb vorgeht, große Notiz nehmen sollten. Dies gibt ihnen das Ansehen von Härte und Herzlosigkeit." „Es wäre müßig," sagt». Martins' über diese Briefe, „in Kör ner's Sinne den großen Gelehrten gegen den großen Dichter zu verteidi gen. Außerordentliche Thaten haben das Schiefe, Unrichtige und Ungerechte l) A. a. rD. S. 5.