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302 2. Der Indianer. die Luft mit herrlichem Gesänge. Aber der große Geist Tezcatlipoca, der mexicanische Brahma, gab Quetzalcoatl einen Trank, der ihn unsterb lich machte, ihn aber zugleich zwang, auf Reisen zn gehen, um ein entlegenes Land Tlapallan zu besuchen. Er soll sich hiebei nach Osten gewandt haben. Nachdem er in Cholula 20 Jahre hindurch die ihm angeboteuc Negierung geführt hatte, ging er an die Mündung des Flusses Goasacoalco, wo er verschwand, nachdem er den Cholulanern hatte verkünden lassen, daß er in einiger Zeit wieder zurückkehren werde, um sie auf's neue zu regieren und ihr Glück zn erneuern. Darum glaubte man in Mexico, als die Spanier an der Ostküste landeten, in ihnen die Nachkommen jenes Heiligen zu sehen. Darum sagte auch der König Montezuma zn Cortez: „Wir wissen aus unfern Büchern, daß wir, ich und alle, die dieses Land bewohnen, hier nicht unfern Ursprung haben, sondern als Fremde sehr weit hergekommeu sind. Wir wissen auch, daß der Anführer unserer Voreltern auf eine Zeitlang in sein erstes Vaterland zurückgegangen, und wieder gekommen ist, um die, welche sich hier niedergelassen hatten, zu besuchen. Er fand sie mit den Wei bern dieses Landes vcrheirathet, mit einer zahlreichen Nachkommenschaft und in Städten wohnend, die sie erbaut hatten. Die Unsrigen wollten ihrem al ten Herrn nicht mehr gehorchen, und so kehrte er allein zurück. Wir haben immer geglaubt, daß seine Nachkommen einst wieder von diesem Lande Besitz nehmen würden. Bedenke ich also, daß Ihr daher kommt, wo die Sonne auf geht, und daß wir Euch, wie Ihr versichert, bekannt sind, so kann ich nicht zweifeln, daß der König, der Euch gesandt hat, unser natürlicher Herr sei." Durch diese Umstände unterstützt, hatten die Missionäre leichtes Spiel, sie duldeten nicht nur, sondern unterstützten sogar in gewissem Grade die Dnrcheinandermengung der indianischen Traditionen mit den christlichen Ideen, überredeten die Mexicaner, daß das Evangelium vor alter Zeit schon in Amerika gepredigt worden sei, und suchten seine Spuren im aztekischen Ritus auf. Trotz des leichten Uebergangs zum Christenthum ist nach Hnmboldt die Bekehrung der Indianer nur eine äußerliche, und dieselben kennen von der Religion auch nur die äußeren Formen des Cultus. Die Indianer, welche gegenwärtig die Städte und das flache Land von Mexico bewohnen, sind theils Nachkommen der alten Bauern, theils die Ueberrestc einiger vornehmen alten Familie», die statt sich mit den Spaniern zu verbinden, es vorzogen, mit eigener Hand das Land zu bebauen, das ihre Ahnen einst durch ihre Vasallen bearbeiten ließen. Diese verschiedene Ab stammung war noch zu Humboldt' s Zeit von politischer Bedeutung, da