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1878 rige Schüler gezogen, sondern eS fehlt ihm auch heute noch nicht an Anträgen d,r Art. Selbst Künstler unserer Stadt werden ein gestehen müssen, sich bei Schaufuß Rath und Aufklärung ge holt zu haben ; er hat sich seine Geheimnisse aber nicht weg- fischen lassen, sondern sie dem bedrängten Künstler uneigennützig mitgetheilt. Um Ein- zu erwähnen, so ziehe ich eS sehr in Zweifel, daß in Leipzig, außer von Herrn Sch au fuß, rein photographische Köpfe in Lebensgröße angefertigt worden sind. Wenn von einer täuschenden Perspective die Rede ist, in Folge deren man die dargestellte Gegend oder das Kunstwerk selbst zu sehen glaubt, so ist das nichts weniger als ein Verdienst der Künst lerin Wehnert-Beckmann, sondern hat seinen Grund sowohl in dem vorzüglichen Originale (Vorlage), als auch in der Voll kommenheit deS Objektives und in dem günstigen Lichte, unter welchem der Gegenstand zur Aufnahme gekommen ist. Beiläufig sei hier bemerkt, daß die gerühmte Aufnahme von Gebäuden rc. die wahre Meisterschaft de- Photographen nicht be kundet, wohl aber die vollkommene Herstellung eines Portraits rc. nach dem Leben ausgenommen. Die Aufgabe deS Photographen ist, daß er gute Vorlagen schafft. Diese aber werden bedingt durch günstiges Licht, durch geeignete- Sitzen deS zu Photographirenden und durch einen voll kommen richtigen Gebrauch der nöthigen Chemikalien. Nur dann wird eS ihm gelingen, die unerläßliche Basis zu einem guten positiven Produkte, nämlich ein fehlerfreie- negatives Bild zu liefern. Hat aber der Photograph seine Gediegenheit durch Her vorbringung eine- möglichst tadellosen Bilde- dargethan, dann ist eS, so lange die Kunst der Photographie noch nicht so weit ge diehen ist, ohne irgend eine Nachhülfe vollkommene Bilder zu liefern, der geschickten Hand de- Retouchirers Vorbehalten, die kleinen Mängel zu beseitigen, welche sich in den rein photographisch geschaffenen Bildern vorfinden. Je weniger nun der Photograph die Unterstützung deS RetouchirerS bedarf, um so größer ist seine Meisterschaft in der Kunst. Es fragt sich nun, ob den Bildern der Frau Wehnert-Beckmann, oder denen der Herren Ah len - hoff, Sch au fuß und anderer Künstler die Retouche mehr Noth thut. Nicht ohne Interesse dürfte eS sein, wenn die drei namhaft gemachten Personen sich zu einem Wettkampfe entschlössen und ihre daraus hervorgegangenen Arbeiten dem Urtheile Sachver ständiger unterstellten. v. Stadttheater. Als fünfte Gastrolle sang Fräulein TietjenS am Abend des 3. d. M. die Donna Anna im „Don Juan", eine Partie, die wohl als der beste Probirstein für eine dramatische Sängerin gelten kann. Denn hier kommt eS vorzugsweise auf einen durchaus musikalischen, im Technischen vollendeten, in der Auffassung i5er- ständnißvollen Gesang an; hier können etwaige Mängel desselben nicht durch glänzende- Spiel, nicht durch einen von der Sängerin hineingelegten erhöhten dramatischen Ausdruck gedeckt werden, wie da- in der modernen großen Oper namentlich der Fall. Der Meister giebt hier daS Kunstwerk in klassisch vollendeter Schön heit, durchlodert von den reinen und keuschen Flammen einer tief empfundenen edlen Leidenschaft: da laßt sich nicht- hinwegnehmen noch dazuthun, da gilt allein eine Hohr künstlerische Intelligenz, wie sie nur auf dem Boden eine- positiven Wissen- zu erwachsen vermag. Mit ihrer Donna Anna hat Fräulein TietjenS glän zend bewiesen, daß Referent nicht Unrecht hatte, als er eine mehr als bei Theatersängern gewöhnliche musikalische Bildung, ein be deutende- Talent, eine höchst achtungSwerthe Kunstgesinnung auS den bisherigen Leistungen der Gastin erkannte — eS gereicht ihm zur besonderen Freude, daß die Sängerin gerade in dieser Partie den eigenen Werth auf so schöne Weise bethätigte. Eine außer ordentlich günstige Disposition ihrer großen Mittel setzte die Gastin in den Stand, alle ihre technischen Vorzüge als Sängerin in da- hellste Licht zu stellen; am meisten wirkte sie aber durch da- Ver- ständniß in der Auffassung, durch den Adel in der Wiedergabe de- herrlichsten dramatischen Phantasiegebildes unsere- unsterblichen Mozart. Wer sich mit so inniger Pietät gegen den Genius de- großen Meister- der Lösung einer so hohen Aufgabe unterzieht und seine ihm gewordenen seltenen Gaben in der Weise wie Fräulein TietjenS dem Dienste de- Erhabensten in der schönen Kunst weiht, dessen Namen darf man nur mit hoher Achtung neunen: solche Erscheinungen müssen über so viele- Unerfreuliche trösten, da- uns auf dem Kunstgeblete in unserer Zeit entgegentritt. — Die Besetzung der übrigen Rollen der Oper war die schon bekannte und öfter- besprochene; e- bleibt nm noch zu erwähnen, daß die Aufführung im Ganzen, waS Einzelnleistungen und Ensemble betrifft, eine befriedigende war. — Auch diesmal war da- Haut wieder sehr schwach besucht und machte mit seinen leeren Bänken einen unerfreulichen Eindruck. WaS muß da wohl ein Fremder, der viel von dem hier herrschenden Sinn für klassische Tonkunst gehört hat, denken, wenn er bei der Aufführung deS „Don Juan" mit einem vortrefflichen Gast eine so trostlose Oede in den der Kunst geweihten Räumen findet! Ferdinand Gleich. Sunst-Uoti;. Am nächsten Sonntag, den 6. Mai, in den Vormittagsstunden wird in dem Saale der Logen Apollo und Balduin eine musika lische Aufführung stattfinden, deren Ertrag zum Besten eine- hie sigen geachteten und in seinem Fache sehr verdienstvollen Künstlers bestimmt ist, der unverschuldeter Weise sich in äußerer Bedrängniß befindet. Einsender glaubt, daß eS blos eine- Hinweise- auf den guten Zweck des Concertes bedarf, um die zahlreichen Kunstfreunde Leipzigs zu einer recht lebhaften Betheiligung zu veranlassen - daß übrigen- auch nur Treffliche- und Gute- bei der Matinee zu Gehör kommen wird, dafür bürgen die Namen Derer, die sich mit höchst dankenSwerther Bereitwilligkeit dazu verstanden haben, durch Kundgebungen ihres Talente- den löblichen Zweck zu fördern. Die Künstler, welche sich zu der Aufführung vereinigt haben, find Frl. TietjenS, Herr Prof. MoscheleS, Herr Capellmeister Rietz, Herr Concertmeister David, Herr Schneider, Herr Behr und der treffliche Violoncellist Herr Grützmacher. 6. Vermischtes. Einigen charakterisirenden Beiträgen zur jetzigen Pariser Sitte, die ein Correspondent der „Allgemeinen Zeitung" mittheilt, sei hier Folgende- entnommen, wodurch die fortwährende blendende Steigerung de- LuxuS in die Augen fällt. Ein Mahagoni- Ameublement ist jetzt schon 6u wkmvais xvüt, und ist dafür Rosenholz, möglichst mit eingelegter Arbeit, eingetreten, beide zu tragen genügt nicht mehr, eine Dame von Ansehen braucht Spitzen von Brüssel oder Chantilly; ein Kleid unter 6000 Franc ist für die elegante Gesellschaft fast eine Gemeinheit. Statt einem GlaS feinen Medoc schlürft man jetzt zu den Austern Hochheimer oder Liebfrauenmilch, 12 Franc- die Flasche, hinunter, beim Dessert Constantia. Diese Luxuskrankheit ist bereit- bi- in die untern Schichten hinabgestiegen; dabei sind die gewöhnlichen Bedürfnisse de- Leben-, Milch, Fleisch, Brod rc., seit drei Jahren fortwäh rend theurer geworden; nur da- Einkommen, der Verdienst, die Besoldungen sind nicht gestiegen. Darum diese Menge äußerlich glänzender, innen fauler Existenzen: Spitzen und keine Wäsche, Equipagen und keine Feuerung, Loge in der Oper und ein ärm liche-Stübchen; ein kurzer Lebensrausch mit einem langen Schluß voll Elend. Daher andererseits da- unsinnige Börsenspiel: Sieg oder Tod, Reichthum oder Schande. Seit einiger Zeit machen die Engländer in Ostindien die größ ten Anstrengungen, den Flachsbau dort in ausgedehntestem Maße zu betreiben. Die Qualität ihre- Product- scheint jedoch bisher eine Concurrenz mit dem belgischen und irländischen nicht bestehen zu können, woran namentlich die allzu große Hitze in Indien schuld sein mag. — Hanf wird in großen Massen am Himalaya gezo gen, weniger der Fasern halber als wegen de- berauschenden Saf te-, den die Eingebomen statt Opium benutzen. Die Qualität diese- Hanf- ist indeß au-gezeichnet; während russischer Hanf 40 dis 70 L. St. per Ton kostet, könnte ostindischer zu L. 25 bis 32 nach Lon don geliefert werden. Herr Dixon, Fabrikant in Deptford, stellt diesen Hanf mit dem besten russischen, ja sogar mit holländischem Flach« gleich; er will sich verpflichten, davon 60 r warp Twiste zu spinnen. Dieser Hanf ist aber nicht zu verwechseln mit dem so genannten Sun, der jetzt in England im Handel viel vorkommt. Eine andre Hanfsorte ist da- Chinagras, wovon jLhrl. 30,000 Lon- exportirt und welche- bi- 120 L. St. per Ton bezahlt wird.