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Leipziger and ns. Anzeiger Sonntag den 29. April. 18SS Bekanntmachung. Unter der Benennung „ Spazierftöeke als Aündnadelgewehre" sind neulich auf hiesigem Platze Waffen mm Verkauf auSgeboten worden, welche den Bestimmungen der Verordnung vom 30. November 1835 (Gesetz- und Verordnungsblatt vom Jahre 1835, Seite 642) unterliegen und deren Fertigung, Einbringung, Führung oder Verkauf bei Strafe von 20 Lhalern oder verhältnißmaßiger Gefängnißstrase und Confiscation der Waare untersagt ist. Wir machen auf dieses gesetzliche Verbot zur Vermeidung der angedrohten Strafe und Verluste hiermit aufmerksam und bemerken, daß der Verkauf derartiger Gegenstände auch dann verboten bleibt, wenn dieselben nach dem AuSlande versendet «erden sollen . DaS Polizei-Amt der Stadt Leipzig. Leipzig, den 27. April 18LL. Stengel, Pol.-Dir. Löwe, Act. Stadttheater. Mit einer fast in allen Partien veränderten Besetzung sahen »ir WeverbeerS „Robert der Teufel" am 27. April nach längerer Zeit wieder einmal über die Breter gehen. Wie die Vor stellung, »aS Ausammenspiel auf der Bühne und im Orchester betrifft, zu dm bessere« derartigen Leistungen unseres Opernpersonals be der letzten Zeit zu rech»«« ist, so war auch die Ausführung der Mo HO Allgemeine» «nthrrechende und genügend«, in cktzet»» Ltzoito» fagar eine ganz vorzügliche. Letzteres gilt ins besondere van der Alice des Fräulein TietjenS. Spricht e< schon für ei« höhere Kunstanschauu« und für ein richtiges Erkenne« ihres Berufes, das Fräulein LietjenS die Wiedergabe dieser Hoihpoetische» Gestaltung fich al< Aufgabe gestellt hatte, während die Miste» anderen Primadonnen der zwei brillanten Arie« wegen die Partie der Jsadella bei Gastspiel« n vorzuziehm ppegen — so b«»ie- nicht minder die in alten LheiLe» vortreffliche Ausführung der schöne« Rolle, das man e< hier mit einem mehr als gewöhn liche» Talent zu thun hat. Do« alle« Partien, die Fräulein LietjenS bis jetzt hier vorgeführt hat, halte ich die Alice für die in der LtSführung gelungenste. Mit besonderer Betonung ist der Aastin Auffassung de- Charakters hervorzuheben. Nicht selfta Letzt man selbst von anerkannt tüchtigen Künstlerinnen bei der Darstellung der Alice nur das in ei» Helle- Licht gestellt, daß sie der gute Enget Robert- sein soll. ES ist die- allerdings nicht allein in dem Charakter selbst ein hauptsächliches Moment, sonder» auch für daß Ganze höchst bedeutungsvoll, da sich die Handlung »ur um de» Kampf Hel Guten mit dem Bösm in Robert- Innerem dreht und diese beiden Principlm in Alice und Bertram ihre Per sonifikation finden. Dennach muß die Alice verlieren, wenn sie . ihr Wese» als Engel d«S Licht- zu sehr zur Schau trägt, zu ernst md mit nonnenhafter Prüderie gegeben wird. Sie ist eine rein »«schliche Gestalt, ein einfaches, naive-, üherdem liebendes Land- »Üdchen, da- fast unbewußt ihre himmlische Mission erfüllt, da durch aber um so liebenswürdiger wirb und einen um so wohl- thuenderen Eontraft au de« dämonischen Wesen Bertram- bildet — nicht aber harf sie eine srnste und strenge Heilige fein. Fräulei« TiNjenL gab dielen schönen, echt weiblichen Charakter in der eb«au-et»ander-rsetztm Weise wieder: voll liebenswürdiger NaivetÄ und Ungezwungenheit i« Spiel wie im Gesang brachte sie auch Hst LigbeSanaelegentzeit der Alice und dm eigene« kleine« Kummer dieser über daS An-dteiben RaimdaudS beim Stelldichein neben der höhere» Bedeutung der Gestaltung und der Sorge um Robert teefftjch u>r Geltung. Es war demnach diese Alice ein« so poetische und gewinnende Erscheinung, daß ^nan stet- auf da- Angenehmste bechhrt Hoch» «ustr, so oft Fräulein LietjenS auf die Scene trat. Von dem Gesänge der Gastin kann man nur sagen, daß derselbe in keiner Beziehung etwa- zu wünschen übrig ließ — im Verein mit einer so glücklichen Auffassung und einer auch im Spiel so schönen Wiedergabe konnte dieser echte, jetzt so sehr selten zu findende Kunstgesang nur um so bedeutender und nachhaltiger wirken. — Herr Eppich sang als vierte Gastrolle den Rodert. ES ist diese Partie eine sehr schwierig« Aufgabe, namentlich für einen Sänger, bei dem da< Spiel» ÜM zu den stärksten Seiten gehört ; dennoch löste der Gast dieselbe, waS den Gesang anlangt, in sehr anständigch WK, besonders L dm Momente», wo M stärkere- Aufträgen zulässig ist und durch die «acht dw natürlich«. Mittel gewirkt werden kann. Nicht «mrwähüt vatf mALetbm, das nach meiner Meinung die Intonation de< Gaste- die-mal durchgehend- reiner, die Tonblldung fteier und ungetrübter erschienen, als bei seine« ersten Rollen. — Die Partien der Jsadella und deS Bertram hatten in dieser Vorstellung Frau Witt und Herr Behr. Die Jsadella ist eine Partie, die, namentlich in der zweiten Arie, dem Naturell der Frau Witt wenig zusagt; auch ist die Sängerin für diese- Fach nicht engagirt und hat, wie man hört, die Rolle nur übernommen, weil sonst die Aufführung der Oper nicht möglich gewesen wäre. Ihre erste Arie fang Frau Witt recht brav, und eS zeigte dieser Vortrag, daß sie viel Fleiß auf daS Studium der Partie verwendet hatte. Für die sogenannte Gnaden-Arie eignet sich ihre Stimme weniger und deshalb vermochte sie daS Musikstück nur mit Anstrengung durchzuführen. — Ein sehr tüchtiger Bertram im Gesang wie im Spiel war Herr Behr. Es war das erste Mal, daß ich diesen so schätzbaren und tüchtig musikalischen Sänger in dieser Partie hörte, und ich kann nicht umhin, ihm zu dieser Leistung Glück zu jwünschen. Besonders verständnisvoll und an sprechend erschien mir Herrn BehrS Gesang in dem Duett mit Alice, in dem großen Trio und in dem komischen Duett mit Raimbaud, welche letztere Partie bekanntlich zu den besten Leistungen deS Herrn Schneider gehört. — DaS Ballet im dritten Acl ward von Frl. Deich und dem BalletcorpS recht hübsch auSgeführt und fand auch gerechte Anerkennung beim Publicum. Einen nicht schönen Eindruck machte eS jedoch, daß einer der in der Oper be schäftigten Herren während de< Ballet- etwa- zu weit au- den Hinteren Couliffeu hervorttat und fast schon in dem verfallenen Kloster selbst stand, um zuzuschauen. Wenn au- Versehen e- vorkommt, das eine bei der betreffenden Scene nicht bethelligte Person auf der Bühne erscheint, ist die- tpohl einmal zu ver zeihen; in diesem Falle aber wird man schwerlich einen Ent- schuldigungSgrund für dergleichen ausfinden können, eben so wenig wie dafür, das die Sceneri« im vierten Acte bei bereit- offener Scene vervollftchedigt werden mußte. Ferdinand Gleich.