110 mich sofort die Nähe eines Freundes fühlen ließ, reichte mir seine Hand und fragte, ob wir Englisch oder Deutsch sprechen sollten. „Ihr Brief war der eines Deutschen," sagte er, „und Sie müssen sicherlich die Sprache geläufig sprechen; doch bin ich auch fortwährend an das Englische gewöhnt." Ich mußte auf dem einen Ende des grünen Sophas Platz nehmen, er stellte einen Strohstuhl daneben und setzte sich darauf. Indem ich auf den majestätischen alten Mann blickte, kamen mir die Worte Tennyson's über Washington ins Gedächtniß: „O edles greises Haupt, das Jeder kennt!" Der erste Eindruck, den Humboldt's Gesichtszüge machen, ist der einer großen und warmen Menschlichkeit. Seine massive Stirn, beladen mit dem aufgespeicherten Wissen eines Jahrhunderts fast, strebt vorwärts und beschattet, wie eine reife Kornähre, seine Brust; doch wenn man darunter blickt, trifft man auf ein Paar klarer blauer Augen von der Ruhe und Heiterkeit eines Kindes. Aus diesen Augen spricht jene Wahrheitsliebe des Mannes, jene unsterbliche Jugend des Herzens, welche den Schnee von siebenundachtzig Wintern seinem Haupte so leicht er träglich machen. Man faßt bei dem ersten Blick Ver trauen, und man fühlt, daß er uns vertrauen wird, wenn wir desselben würdig sind. Ich hatte mich ihm mit einem natürlichen Gefühl der Ehrfurcht genähert, aber in fünf Minuten fühlte ich, daß ich ihn liebte und mit ihm eben