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mann und PrakticuS hat daran Veranlassung genommen, in der deutschen ViertelsjahrSschrift (S. Quartal 1854) sich in „patrioti sche Phantasien über die Schäden de- Gewerbewesen- und deren Heilung" zu ergehen. Wir können un- nur auf einen kurzen Aus zug der vorzüglichsten Augenmerke beschränken. Warum mag denn, fragt er zuerst, die revolutionaire Regie rung Frankreichs im Jahre 1802 gerade die Fleischerinnung, nach dem 10 Jahre die Errungenschaft der „allgemeinen Gewerbefreiheit" bestanden, wieder hergestellt haben? Es müssen doch starke Gründe dafür gewesen sein! Und ist denn z. B. im Königreich Sachsen, in Hamburg, in Frankfurt a. M„ wo die Innungen fortbestehen, die Gewerbthätigkeit hinter der in Preußen, wo die allgemeine Ge- werbefreihekt eingeführt ist, zurückgeblieben? — Er kommt dann auf das beklagenswerte Erliegen des Handwerks mit seinem goldenen Boden unter den wohlfeileren, aber unsolidem fabrikmäßigen Ge- werb-betrieb zu reden und ruft aus: „Go wiederholt sich vor unfern Augen die alte Geschichte von den fetten Kühen, die von den magern gefressen «erden, und eS ist mit trauriger Gewißheit vorauszusehen, daß die magern ebenfalls wieder von noch magerem gefressen werden, wenn der unbeschränk ten Concurrenz im Gewerbe, diesem Kriege aller gegen alle, nicht endlich Einhalt gethan wird. Unbegreiflich ist eS, wie gerade unser Pariser Correspondent vor dieser Gefahr die Augen verschließen und von dem Wohlstände Frankreichs reden konnte, während doch die in immer kürzeren Fristen wiederkehrenden inneren Erschütterungen dieses unseligen Landes eingestandenermaßen darin ihren Grund haben, daß die erste Revolution durch Einführung der unbedingten Theilbarkeit des Grund und Boden- und der Gewerbefreiheit die Mehrzahl de- Volk- in ländliches und städtische- Proletariat auf gelöst hat. Wo aber alles käuflich und verkäuflich ist ohne Ein schränkung, da muß natürlich die Herrschaft des allgemeinen Tausch mittels einreißen; das Geld aber unterliegt dem Magnetismus, der größere Haufen zieht die kleineren an sich und so entsteht ari der unbedingten Freiheit in der Verfügung über Habe und Arbeits kraft der Zustand, wo wenige Reiche von einer Masse Armer um geben sind, wie einzelne auf einer maaern Suppe schwimmende Settaugen. Wenn aber für Geld alle Ehre und jeder Genuß zu haben ist, wie jetzt in Frankreich, muß auch da- Streben nach Geld immer mehr da- einzige Ziel werden, und hat man sich nicht im Geringsten zu wundern, wenn daS Gelüsten um sich greift, sich diese- vermeintlich höchsten Gute- auf dem geradesten Wege durch Beraubung der Reichen zu bemächtigen. Nun kommt die Afterwiffenschaft und bringt diese rohe Gier in ein rechtfertigendes System. Der CommunismuS ist fertig." Dem gegenüber stellt der Verfasser nun das Zunftwesen, das Jahrhunderte lang einen kraftvollen, ehrbaren Bürgerstand voll Wohlstand, Selbstgefühl und Zucht in Deutschland erhalten, und fragt: waS waren seine Grundzüge? Er faßt sie in folgenden Sätzen zusammen: „1) Der junge Handwerker kam aus der Familie seiner Ael- tern in die Familie deS Meisters, der sich verpflichtete, nicht blos ihn da- Handwerk zu lehren, sondern ihn auch in Zucht, Sitte und Gottesfurcht zu erhalten. 2) Die Jungen arbeiteten für die Alten, Lehrlinge und Gesellen für die Meister. Beide wohnten mit dem Meister unter einem Dache und aßen an seinem Tische; ein Gewähr dafür, daß sie ordentlich genährt wurden. 3) Die Wan derfreiheit schützte die Gesellen gegen die Gefahr, vom Meister zu weißen Sklaven erniedrigt zu werden, der Zwang zum Wandern vor dem Verkrüppeln und Versauern. 4) Dasselbe Wandern und daS von Innungen gereichte Zehrgeld, mit den von ihnen unter haltenen und beaufsichtigten Herbergen verhütete da- Anhäufen müßiger Arbeitskräfte auf einem Puncte und schaffte sie, fast allein auf Kosten der Innung, dahin, wo sie gebraucht wurden. 5) So entgingen die Gesellen der Versuchung, sich zu früh selbstständig zu machen und zu heirathen, aber jeder hatte doch die Möglichkeit, Meister, Bürger und Familienvater zu werden, ohne eines größeren Capital- zu bedürfen und von der Willkür einer Concesfion abzu hängen. 6) Für altersschwache Meister, Meisterswitwen und Wai se« war durch die Jnnungsordnungen und Gewohnheiten gesorgt ; selten waren sie an die allgemeine Wohlthätigkeit gewiesen. 7) Durch eben diese Satzungen und Gewohnheiten war vorgesehen, daß der einzelne Meister sich nicht einem Verfahren hingad, welche- ihm augenblicklich Vortheil versprach, von mehreren oder allen befolgt aber nothwendig zum Verderben de- ganzen Gewerbe- hätte führen müssen. 8) Dadurch, daß keiner zum Meisterrechte zugeraffen wurde, der nicht die ganze Stufenleiter de- Lehrling-, Gesellen und Wan derburschen dnrchlWWP und zuletzt durch sein Meisterstück bewiesen hatte, daß er sein Handwerk tüchtig verstand, war dem Zudrang Unberufener, Unbefähigter, Ehrloser und bloßer Capitalisten vorae- beugt. Die Innung erzog sich ihre Glieder in gemeinsamen An schauungen, in gemeinsamem Ehr- und Pflichtgefühl, und setzte damit der selbstische« Gewinnsucht mächtige und wohlthätige Schran ken, auf die der vereinzelte Tewerbtreibende als einzigen Trieb zur Thätigkeit angewiesen ist, zumal der bloße Capitalist, dem e- nur darauf ankommt, möglichst hohe Zinsen zu erzielen. 9) Durch die häufigen Aunftversammlungen und durch da- gesellige Zusammen leben der Meister und Gesellen auf der Herberge ward der Frieden in der Zunft erhalten, jeder Einzelne unter die Controls der ganzen Zunft gestellt und durch die Scheu vor dem Urtheil seiner Zunft genoffen von Abwegen zurückgehalten. Wer sich Unwürdigkeiten zu Schulden kommen ließ, ward von den Ehrenrechten der Zunft ausgeschlossen. Die Weißgerber pflegten ihre Versammlungen mit der Aufforderung zu beginnen, daß jeder, der gegen einen Mit meister etwa- auf dem Herzen habe, e- frei auf den Tisch lege. So wurden Privathändel erst geschlichtet oder gerichtet, ehe man die allgemeinen Zunftangelegenheiten berketh. Der allgemeine Wahl spruch war: die Zunft muß so rein sein, als sei sie von Tauben gelesen. 10) In der Stellung, die sich der Meister in der Zunft und durch die Zunft in der Gemeinde erringen konnte, fand jeder berechtigte Ehrgeiz Befriedigung." Welche- sind nun die Ursachen de- Untergange- so edler Zu stände? ES läßt sich nicht leugnen, daß auch ein innerer Verfall der Zünfte, Hand in Hand gehend mit dem ganzen Heruuterkom- men Deutschlands mitwirkte. Sodann aber da- aufkommende so genannte Mercantilsystem, „wodurch — nach Job. v. Müller- Ausdruck — recht viel Geld in- Land und au- dem Lande in die fürstlichen Caffen zu bringen, die Summe der Regierungskunst wurde." Am allermeisten aber endlich die sogenannten „Humani- tätSideen, wodurch man sich gewöhnte, den vermeintlichen reinen Menschen, abgelöst von allen Bedingungen und Verschiedenheiten de- Dasein- und Wirken-, der dadurch bedingten Zusammenhängig- keit und Trennung der natürlichen Gruppen als Glied de- Staat- und als Gegenstand der Einwirkung von oben in Verwaltung und Gesetzgebung zu betrachten. Für da- bloße, nackte Individuum wurde nun alle mögliche und unmögliche Freiheit erstrebt, Freiheit im Gebrauche de- EigenthumS ohne Rücksicht darauf, ob dadurch die Bedingungen der Existenz ganzer Claffen der bürgerlichen Ge sellschaft zerstört wurden, mit offener Verletzung der Rechte und Interessen von Gemeinden und Corporationen. Diese Richtung hat in den französischen Menschenrechten ihrm ersten gesetzgeberi schen Ausdruck, in den deutschen Grundrechten ihren höchsten Triumph gefeiert, zugleich aber auch ihr eigen Grab gegraben." — Die Folge dieser Tendenz war die allgemeine Auflösung der Gesellschaft, die Jagd nach dem einzigen Auszeichnungsmittel, dem Reichthum und — daß man „vom Staate, der alle Kraft und Organisation an sich gezogen, auch alle- fordert, zuletzt auch da- tägliche Brod." — Und dann sieht man ein, daß da- so nicht geht und fordert wieder „Selbstregierung!" „Man hat in Frankreich und Deutschland naive Versuche mit dieser Selbstregierung gemacht; sie sind kläglich aus gefallen und haben dort zum unbeschränkten Despotismus, hier zur Verstärkung der Bureaukratie geführt. DaS war ein Ergebniß der Nothwendigkeit, denn einen bloßen Brei kann man wohl rühren und auftühren, aber zu ftlbstthätiger Bewegung ist und bleibt er unfähig. Diese ist nur einem gegliederten Organi-mu- möglich." (S.-Z.) Zn Sachen des Turnens*). Im Namen sämmtlicher Studenten Leipzig- ersuche ich eine geehrte Redaction, Herrn A., al- den Verfasser eine- unter dem Titel: „ Der hiesige Turnverein" in Nr. 92 d. Bl. erschienenen Aufsatzes „zu sagen, daß seine Ansicht", daß die hiesigen Studenten aus Furcht, nicht Zeit genug zum Kneipen übrig zu behalten, da- Turnen vernachlässigten, „grundfalsch sei". Sagen Sie ihm, daß e- 3 Gründe gebe, welche un- von dom Besuch de- Turnverein- abhielten: 1) Nur die Abendstunden, wo wir frei von Cotlegisn sind, vergönnen un< nach Belieben zu studiren und urssrre Individualität *) Das Nachstehende ist uns anonym durch die Stadtpost znge^mgen. Auf den am Schluffe ausgesprochenen Wunsch lasten wir es drucken, so weit es sich für die Oeffentltchkeit eignet. Die mit " ein geklammerten Worte haben wir statt der injuriösey Stellen der Schrift veiaefüat, u» den Zusammenhang und Ginn de- Ganzen zu erhallen. Dle Red.